TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/23 98/01/0224

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Veröffentlicht am 23.09.1998
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnA;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Helmut Steiner, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Kaiser-Franz-Ring 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 12. Februar 1998, Zl. 200 394/0-III/09/98, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "Jugosl. Föderation", der am 31. Oktober 1997 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am selben Tag die Gewährung von Asyl. Er wurde am selben Tag niederschriftlich einvernommen.

Hiebei gab er an, er stamme aus Kosovo, gehöre der albanischen Volksgruppe an und sei moslemischen Glaubens.

Der wesentliche Teil der über seine Fluchtgründe aufgenommenen

Niederschrift lautet:

"Waren Sie Mitglied einer politischen Partei?

Nein.

Waren Sie Mitglied einer militärischen oder militanten Einheit?

Nein.

Gegen mich ist ein Strafverfahren anhängig, weil ich Anführer

bei den Studentenprotesten war.

Wie heißt die Anklage?

Das weiß ich nicht, ich war nur verhaftet. Am 1.10.197 führte ich eine Gruppe von Lehramtsstudenten (ca 36 Personen) zur Demonstration in Prizren. Dort wurde von der Polizei gefilmt. Bei der Demonstration selbst wurde ich geschlagen, man versuchte mich festzunehmen, ich konnte jedoch flüchten. Ich wurde nicht verletzt. Am 25.10.1997 morgens wurde ich zu Hause festgenommen, zur Polizeistation in Suva-Reka gebracht, wo auch andere Festgenommene saßen. Da die Beamten beschäftigt waren, konnte ich aus der Polizeistation noch vor der Einvernahme flüchten. Anläßlich der Festnahme erklärte man mir, daß ich als Anführer bei der Demonstration verhört werden soll.

Ich flüchtete zu Fuß, ein Bekannter holte für mich zu Hause Geld. Ich traute mich nicht mehr nach Hause und übernachtete im Freien. Am nächsten Tag trat ich meine Flucht an - siehe Fluchtweg).

Haben Sie noch weitere Fluchtgründe vorzubringen? Nein.

Hatten Sie eine Vorladung zur Polizei oder wurden Sie ohne Vorladung festgenommen?

Nein. Niemand bekommt eine Vorladung. Man wird einfach verhaftet. Ich glaube auch, daß ich zum Militär eingezogen werden soll. Eine Einberufung lag derzeit aber nicht vor."

Die Behörde erster Instanz wies den Antrag auf Bewährung von Asyl unter anderem mit der Begründung ab, daß der Beschwerdeführer keiner asylrechtlich relevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er als Verfahrensmangel die Kürze der erstinstanzlichen Einvernahme rügte, sein Sachverhaltsvorbringen im Hinblick auf die ihm persönlich widerfahrene Behandlung aber nicht ausweitete. Er verwies jedoch auf die in dem von ihm vorgelegten Auszüge aus den Reports 373, 375, 376 und den Monatsbericht Oktober 1997 des Council for the Defense of Human Rights and Freedoms in Prishtina, den Jahresbericht von Amnesty International 1996 betreffend Jugoslawien und Beilagen zur Verfolgungssicherheit. Er wies auf die darin dokumentierten "zahllosen Mißhandlungen durch die Polizei auch in Prizren, zum Teil sehr schwere, viele Festnahmen und ungerechte Bestrafungen" hin. Unter Hinweis auf den Bericht von Amnesty International 1996 gab er an, er sei für einen Anführer gehalten worden, dies hätte für ihn "äußerst bedrohliche Konsequenzen gehabt". Auch die bloße Vorführung führe in hoher Zahl zu schweren Mißhandlungen. Es gehe niemals um einen formal rechtlichen Vorgang, sondern um die reale Praxis der jugoslawischen Behörden im Kosovo und die damit verbundene eklatante Zahl von Menschenrechtsverletzungen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12. Februar 1998 wies die belangte Behörde die Berufung ab. Sie begründete den Bescheid damit, daß die Rüge der Kürze der erstinstanzlichen Einvernahme die Sachverhaltsgrundlage nicht zu erschüttern vermöge, weil der Asylwerber weder Richtigkeit noch Vollständigkeit der Niederschrift bestreite. Nach rechtlichen Ausführungen über den Inhalt des Flüchtlingsbegriffes setzte die belangte Behörde fort, daß mit Übergriffen bzw. Mißhandlungen, die im Zuge einer Demonstration erfolgten, gerechnet werden müsse. Es handle sich dabei um typische Begleiterscheinungen von Demonstrationen, die eine konkrete Verfolgung einer bestimmten Person vermissen lassen. Im verfahrensgegenständlichen Fall hätten daraus auch keine Verletzungen des Asylwerbers resultiert. Ebenso stelle eine aus Anlaß der Teilnahme an einer Demonstration erfolgende Verhaftung für sich allein noch kein Indiz für das Vorliegen konkreter, gegen eine bestimmte Person gerichtete Verfolgung dar. Auch die bloß abstrakte Möglichkeit, zum Militärdienst eingezogen zu werden, ohne daß konkretere Hinweise auf eine tatsächlich bevorstehende Einberufung vorlägen und im Zusammenhang mit der Einberufung Verfolgung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen geltend gemacht werde, rechtfertige die Gewährung von Asyl nicht. Die im Rahmen der Berufung vorgelegten Berichte seien nicht geeignet, eine individuell den Asylwerber selbst betreffende Verfolgung aus einem der in Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der GFK genannten Gründe bzw. wohlbegründeter Furcht davor glaubhaft zu machen, weil diese Berichte lediglich die aktuelle politische Situation in seinem Heimatland schilderten, ohne konkret gegen ihn selbst gerichtete Verfolgungshandlungen zu belegen. Die Aufzählung von Namen von Opfern von Mißhandlungen anläßlich der Demonstration am 1. Oktober 1997 in Prizren, wobei der Name des Asylwerbers nicht aufscheine, reiche nicht aus, um eine gegen ihn selbst gerichtete Verfolgungshandlung darzulegen. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse komme es auf die konkrete Situation des einzelnen Asylwerbers an. Dem Asylwerber sei deshalb kein Asyl nach § 7 Asylgesetz 1997 zu gewähren.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG 1997 zugrundeliegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der Speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist eine ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. z.B. das zum Asylgesetz 1991 ergangene hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1995, Zl. 94/20/0858).

Selbst unter der Annahme, daß es sich um eine legale Demonstration gehandelt habe, weshalb die von den Sicherheitskräften erfolgten Übergriffe als ungerechtfertigt anzusehen sind, erreichten die anläßlich der Demonstration am 1. Oktober 1997 vom Beschwerdeführer erlittenen Mißhandlungen - welche in den von ihm beigelegten Unterlagen nicht dokumentiert sind - nach seinen eigenen Angaben keine asylrechtlich relevante Intensität.

Der belangten Behörde ist auch dahingehend Recht zu geben, daß es ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist, daß eine während der Teilnahme versuchte bzw. eine aus Anlaß dieser Teilnahme an einer Demonstration erfolgende Verhaftung (hier: zum Zweck des Verhörs) für sich allein noch kein Indiz für das Vorliegen konkreter, gegen eine bestimmte Person gerichtete Verfolgung darstellt (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1992, Zl. 92/01/0459).

Der belangten Behörde ist zwar nicht dahingehend zu folgen, daß die vom Beschwerdeführer im Verfahren beigelegten Unterlagen generell nicht geeignet seien, eine individuell den Asylwerber selbst betreffende Verfolgung glaubhaft zu machen, denn - wie der Beschwerdeführer in der Beschwerde richtig aufzeigt - solche Berichte können erst durch die große Anzahl der darin wiedergegebenen Einzelfälle entstehen. Sie stellen deshalb nicht eine völlig abstrakte allgemeine Situation dar, sondern sie könnten für Personen, welche sich in der gleichen Situation befinden, denen es aber gelungen ist, sich durch Flucht der weiteren Behandlung zu entziehen, durchaus Rückschlüsse auf die diesen Personen individuell drohende Verfolgung geben. Der Beschwerdeführer übersieht aber, daß in diesen Berichten im bezug auf Personen, welche in einer der Situation des Beschwerdeführers vergleichbaren Weise nach Teilnahme an einer Demonstration zum Verhör verhaftet wurden, "physical and psychological ill-treatment, as well as insulted and threatened" (physische und psychische Mißhandlung, sowie Beschimpfung und Bedrohung) als deren Behandlung während des oder der Verhöre dargestellt wird. Die Mißhandlungen sind jedoch nicht näher ausgeführt und es werden im Regelfall - mit geringen Ausnahmen - keine langfristigen oder schweren Verletzungsfolgen, längerfristige Anhaltungen in Haft oder drohende Bestrafungen in asylrechtlich relevantem Umfang dokumentiert. Im Ergebnis ist daher der aus den Berichten von der belangten Behörde gezogene Schluß, daß sich aus ihnen keine dem Beschwerdeführer individuell drohende asylrechtlich relevante Verfolgung zu ersehen lasse, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. September 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998010224.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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