TE OGH 2020/6/5 4Ob27/20d

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Veröffentlicht am 05.06.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerinnen 1. N***** AG, *****, 2. F***** Betriebsges.m.b.H., *****, beide vertreten durch Dr. Sascha Salomonowitz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagten 1. P***** Ltd, *****, 2. P***** Ltd, *****, beide vertreten durch Dr. Katharina Schmid, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 62.000 EUR), Beseitigung (Streitwert 1.000 EUR), Auskunft, Rechnungslegung, Zahlung (Streitwert 1.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 1.000 EUR), über die außerordentliche Revision der Klägerinnen gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. Dezember 2019, GZ 2 R 105/19g-73, mit dem das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 29. April 2019, GZ 11 Cg 51/16m-65, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Teilurteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kostenentscheidung wird der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung:

Die Streitteile betreiben jeweils Automatenglücksspiel.

Die Klägerinnen bieten ein Online-Walzen-Glücksspiel an und verwenden das Bild gemäß UM 12456828 (Wort-Bild-Marke) als Titel des Spiels

und die Bilder gemäß Marken UM 12414975 (Bildmarke)

und UM 12414702 (Bildmarke)

als Gewinnsymbole im Spiel.

Weiters verfügen die Klägerinnen (die Erstklägerin als Markeninhaberin und die Zweitklägerin als Lizenznehmerin) über die Unionsmarke (Wortmarke) UM 4451431: BOOK OF RA.

Die Zweitbeklagte bietet ebenfalls ein Online-Walzen-Glücksspiel an. Dieses bezeichnet sie als „Rick Wilde and the Book of Dead“ und verwendet als Titel des Spiels folgendes Bild

Im Spiel werden als Gewinnsymbole unter anderem auch folgende Bilder verwendet:

Die Klägerinnen machen gegen die Beklagten markenrechtliche und lauterkeitsrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit ihren Kennzeichen geltend. Das Spiel der Klägerinnen „Book of Ra“ sei berühmt und zähle zu den erfolgreichsten Topsellern am Markt der europäischen Union. Die Marken der Klägerinnen seien bekannt; die Beklagten nutzten sie unlauter.

Die Beklagten bestreiten insbesondere die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken der Klägerinnen und ihren Kennzeichen.

Das Erstgericht erkannte mit Teilurteil (nur) über das markenrechtliche Unterlassungsbegehren, das im Kern darauf abzielt, den Beklagten aufzutragen es zu unterlassen, mit den Marken der Klägerinnen verwechselbar ähnliche Zeichen im Zusammenhang mit Spielen und Spielautomaten auch im Internet zu verwenden. In Ansehung der Erstbeklagten wies das Erstgericht die Klage mangels Passivlegitimation ab, in Ansehung der Zweitbeklagten wies es die Klage in Bezug auf einen Eingriff in die Unions-Wortmarke ab; beides blieb unangefochten. Im Übrigen, also betreffend den Eingriff in die Unions-Wort-Bild-Marke und die beiden Unions-Bildmarken gab es der Klage statt. Insbesondere auch im Hinblick auf die Waren-(bzw Dienstleistungs-)identität sei der jeweilige Gesamteindruck geeignet, Verwechslungsgefahr hervorzurufen.

Das Berufungsgericht wies mit Teilurteil auch die restlichen markenrechtlichen Begehren gegen die Zweitbeklagte ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Hinsichtlich der Wortbildmarke sei aufgrund der rechtskräftigen Klagsabweisung in Ansehung der Wortmarke „BOOK OF RA“ zwischen den Streitteilen das Recht der Zweitbeklagten auf Verwendung des Zeichens „Book of ...“ geklärt (also auch, dass keine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt der Serienmarke bestehe) und auch ihr Recht auf Verwendung des Zeichens „Book of Dead“ (also auch, dass die Unterschiedlichkeit der jeweils prägenden Wortbestandteile „Ra“ bzw „Dead“ keine Verwechslungsgefahr bewirkte).

Die farbliche Gestaltung der konkurrierenden Zeichen (betreffend das Titellogo) möge zwar durchaus deutliche Übereinstimmungen aufweisen, allerdings bestünden doch auch deutliche Unterschiede in den Bildbestandteilen: so enthalte etwa die klägerische Unionsmarke ganz prägnant greifvogelartige Schwingen, das Eingriffszeichen lasse dieses Thema nur in viel geringerem Maße erkennen und könne anhand der nach oben gebogenen Enden auf den ersten Blick als eine Art Kanu und damit als völlig anderer Gegenstand wahrgenommen werden. Eindeutig verschieden und für den Gesamteindruck maßgeblich seien aber jedenfalls die prägenden Wortbestandteile „RA“ bzw „DEAD“, sodass die Verwechslungsgefahr zu verneinen sei.

Hinsichtlich der Bildmarke der Klägerinnen betreffend das Gewinnsymbol „Buch“ sei ebenfalls von Bedeutung, dass die Zweitbeklagte für ihr Spiel das Wortzeichen „Book of Dead“ verwenden dürfe. Es liege daher auf der Hand, dass ihr die bildliche Darstellung eines Buchs grundsätzlich offen stehe. Die Klagsmarke zeige ein Buch in aufgestellter Position, der Eingriffsgegenstand zeige ein Buch in liegender Position auf rotfärbigem Untergrund. Aufgrund des Gesamteindrucks sei die Verwechslungsgefahr zu verneinen. Gleiches gelte für die Bildmarke betreffend das Gewinnsymbol „männlicher Kopf“. Vergleiche man diese mit dem Eingriffsgegenstand, so scheide die Verwechslungsgefahr aufgrund der offensichtlichen Unterschiedlichkeit der klar erkennbaren Gesichtszüge aus.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die – nach Freistellung durch den Senat von der Zweitbeklagten beantwortete – außerordentliche Revision der Klägerinnen mit dem Antrag, dem Teilbegehren stattzugeben; in eventu wurde ein Aufhebungsantrag gestellt. Geltend gemacht wird Nichtigkeit wegen fehlender Tatsachenfeststellungen des erstgerichtlichen Urteils, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung bezüglich der Verwechslungsgefahr, unter anderem auch wegen der unterlassenen Berücksichtigung der behaupteten Bekanntheit der Marken.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrags zulässig, weil die Vorinstanzen keine Feststellungen zur (entscheidungswesentlichen) Bekanntheit der Marke getroffen haben; folglich ist die Revision im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1. Nichtigkeit

1.1. Der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Begründung ist nur dann gegeben, wenn die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend begründet ist, dass sie sich nicht überprüfen lässt (RIS-Justiz RS0007484).

1.2. Die Revisionswerberinnen übersehen mit ihrem Vorwurf, das Erstgericht habe nur Feststellungen zur Lizenzeinräumung getroffen, dass auch die Marken der Klägerin sowie die Eingriffszeichen der Beklagten festgestellt wurden. Wie das Publikum eine Marke wahrnimmt, ist eine Rechtsfrage, sodass dazu zu Recht keine Feststellungen getroffen wurden (vgl RS0039926). Ob zur Bekanntheit der Klagsmarken Feststellungen fehlen oder die durchzuführende Gesamtbetrachtung der Vorinstanzen auf alle Umstände genügend Bedacht nimmt, ist keine Frage von Nichtigkeit. Sekundäre Feststellungsmängel erfüllen diesen Nichtigkeitsgrund nicht (RS0007484 [T8]), ebenso wenig das Fehlen einer rechtlichen Beurteilung zu einzelnen entscheidungswesentlichen Fragen (RS0042203).

2. Verfahrensmängel

2.1. Die Revision rügt als Verfahrensmängel unterlassene Feststellungen zur Bekanntheit und der daraus folgenden erhöhten Kennzeichnungskraft der Klagsmarken. Außerdem hätte das Berufungsgericht kein abweisendes Teilurteil über die markenrechtlichen Unterlassungsansprüche erlassen dürfen, ohne sich mit den zum lauterkeitsrechtlichen Anspruch vorgebrachten Unlauterkeitselementen zu befassen.

2.2. Die Klägerinnen haben selbst die Erlassung eines Teilurteils beantragt. Dem liegen zwei unterschiedliche Begehren zugrunde. Begehren 1.b.) ist zum Gegenstand des Teilurteils geworden, umfasst die Verwendung dreier bestimmter Zeichen, welche jeweils mit einer Marke der Klägerin korrespondieren, und wurde auf markenrechtliche Grundlage gestützt. Begehren 1.a.) umfasst dieselben Zeichen und andere darüber hinaus und wurde auf lauterkeitsrechtliche Grundlage gestützt. Es liegen dazu jeweils unterschiedliche Sachverhaltsbehauptungen vor. Die Nichtberücksichtigung der zum UWG-Verstoß vorgebrachten Tatsachen bei der im angefochtenen Teilurteil vorgenommenen markenrechtlichen Prüfung begründet daher keinen Verfahrensmangel.

Anders sind hingegen die unterbliebenen Feststellungen zur vorgebrachten Bekanntheit der Marken zu beurteilen (siehe dazu unten zu 3.3.). (Nur) Bei zutreffender Bekanntheit sind auch Unlauterkeitselemente iSv Art 9 Abs 2 lit c UMV zu erörtern. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass Normzwecke und Tatbestände des lauterkeitsrechtlichen und des markenrechtlichen Kennzeichenschutzes nicht identisch sind (vgl Guggenbichler in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 10 Rz 394).

3. Zur Rechtsrüge

3.1.1. Soweit die Revision behauptet, die (größere) „Gestaltungsfreiheit“ bei Walzensymbolen müsse in die Beurteilung der Verwechslungsgefahr einfließen, ist sie nicht im Recht. Mit „Gestaltungsfreiheit“ meint die Revision – aus dem Zusammenhang erkennbar – das Vorhandensein zumutbarer Ausweichmöglichkeiten. Deren Vorliegen ist ein Indiz für den Unlauterkeitstatbestand der vermeidbaren Herkunftstäuschung (vgl 4 Ob 109/99d; 4 Ob 243/99k). Herkunftstäuschung liegt bei Verwechslungsgefahr vor (vgl Om 5/10). Fehlt Verwechslungsgefahr, ist auch keine Herkunftstäuschung anzunehmen (17 Ob 16/07p [2.2.]). Die Prüfung, ob infolge Verwechslungsgefahr eine Herkunftstäuschung nahe liegt, ist daher der Frage, ob eine solche vermeidbar gewesen wäre, zwingend vorgelagert.

3.1.2. Grundsätzlich zutreffend ist das Revisionsvorbringen, aus der Zulässigkeit der Verwendung des Wort-(bild-)zeichens „Book of ...“ folge nicht zwangsläufig die Zulässigkeit der Verwendung des konkret angegriffenen Buchsymbols. Derartiges ist dem Berufungsurteil aber ohnehin nicht zu entnehmen. Das Berufungsgericht hat nämlich nur gefolgert, der Beklagten stehe die bildliche Darstellung eines Buches grundsätzlich offen. Im Weiteren hat es die Bildmarke „Buch“ der Klägerin mit dem konkreten Eingriffszeichen verglichen.

3.1.3. Dass Rechtsprechung zum Schutzumfang von Wortbildmarken fehle, ist unzutreffend. Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist für den Gesamteindruck in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort
– sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird (RS0066779). Anderes gilt dann, wenn der Wortbestandteil weder unterscheidungskräftig/prägend, noch im Vergleich zum Bildbestandteil auffälliger ist (RS0066779 [T17]; zuletzt 4 Ob 96/19z [2.5.]).

3.1.4. Das in Rz 1.1.6. der Revision erstattete Vorbringen zur gesetzlichen Regulierung des Glücksspiels vermengt zunächst die Frage (1) der Aufmerksamkeit und (2) der angesprochenen Verkehrskreise mit (3) der Bekanntheit der Marke und der (4) erhöhten Unterscheidungskraft.

Zu (1): Der Grad der Aufmerksamkeit eines Durchschnittsverbrauchers ist für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit relevant (RS0117324). Weshalb es für den Grad der Aufmerksamkeit darauf ankommen sollte, dass der Glücksspielmarkt in Österreich reguliert ist, macht die Revision in keiner Weise deutlich. Der Grad der Aufmerksamkeit hängt von der jeweiligen Situation, insbesondere von der Bedeutung der beworbenen Waren oder Dienstleistungen für den angesprochenen Verbraucher ab (RS0114366). Dabei werden Verbraucher bei Walzenspielen zwar keine besonders hohe, aber auch keine äußerst geringe, Aufmerksamkeit an den Tag legen.

Zu (2): Die maßgeblichen Verkehrskreise, aus denen der angesprochene Durchschnittsverbraucher entnommen wird, bestimmen sich aus den Konsumenten der betreffenden Ware/Dienstleistung (EuGH C-342/97, Lloyd [Rn 26]). Ist eine Ware/Dienstleistung zwar primär für eine spezielle Käufergruppe unter den Endverbrauchern bestimmt, wird aber dem allgemeinen Publikum angeboten, so kommt es auf den allgemeinen Verkehr an (Ingerl/Rohnke, Markengesetz³, § 14 Rz 450 mwN), mit Ausnahme der Personen, welche die Ware/Dienstleistung – wie etwa Glücksspiel – an sich kategorisch ablehnen (BGH I ZB 11/04, LOTTO = GRUR 2006, 760 [Rn 23]). Die Klägerin bietet ihr mit den strittigen Marken versehenes Glücksspiel potentiell allen Personen über 18 Jahren an; dass dies gesetzlichen Regulationen unterliegt, ist wiederum ohne erkennbare Relevanz.

Zu (3): Die Frage der Bekanntheit einer Marke ist insofern mit der Frage der maßgeblichen Verkehrskreise verknüpft, als die Marke gerade bei diesen Kreisen bekannt sein muss (EuGH C-375/97, Chevy [Rn 24]).

Zu (4): Nach ständiger Rechtsprechung besitzt eine Marke Unterscheidungskraft, wenn sie in der Lage ist, ihre Hauptfunktion zu erfüllen, nämlich dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden und somit die Erfahrung zu wiederholen, falls sie positiv war, oder zu vermeiden, falls sie negativ war. Fehlt die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen (RS0132933).

Es wird zwischen schwach, normal und erhöht kennzeichnungskräftigen Zeichen unterschieden (RS0079020). Je höher die Kennzeichnungskraft eines Zeichens ist, desto eher besteht die Gefahr von Verwechslungen (EuGH C-39/97, CANON [Rn 18]).

Kennzeichnungskraft kann entweder originär vorliegen oder durch die Benutzung des Zeichens und dessen Bekanntheit erworben werden (EuGH C-251/95, SABEL [Rn 24]; C-488/06P [Rn 65]). Grundsätzlich ist von normaler Kennzeichnungskraft auszugehen; originär erhöhte Kennzeichnungskraft ist nur in besonderen Ausnahmefällen anzunehmen, etwa bei berühmten Namen oder einer ganz besonders herausragenden Gestaltung (Lange, Marken und Kennzeichenrecht², § 7 Rz 3439 ff mwN).

3.1.5. Die Revision rügt weiters, es gebe keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Berücksichtigung der „konzeptionellen Ähnlichkeit“ zweier Zeichen; diese sei von den Vorinstanzen bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr nicht beachtet worden.

3.1.6. Was die Revision mit „konzeptioneller Ähnlichkeit“ umschreibt, wird vom Obersten Gerichtshof bei der Prüfung von Verwechslungsgefahr aber seit jeher berücksichtigt. Es geht insoweit um die „begriffliche Ähnlichkeit“ (vgl 4 Ob 208/14p, fast effect). Bei Wortmarken handelt es sich um den Wortsinn (vgl RS0079571), der umso stärker zu berücksichtigen ist, je höher die Kennzeichnungskraft der Marke ist (RS0119953).

3.1.7. Bei (Wort-)Bildmarken, die hier mit der Marke „Buch“ und „männlicher Kopf“ vor allem zur Prüfung stehen, wird der von der Revision de facto geforderte Motivschutz bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr aber grundsätzlich abgelehnt (EuGH C-251/95, SABEL [Rn 23 f]; Büscher/Köchendörfer, Beck-OK UMV, Art 8 UMV Rz 187). Dabei ist zu beachten, dass das Motiv einer Darstellung umso weniger Bedeutung für den Verkehr hat, umso einprägsamer und individueller seine konkrete bildliche Ausgestaltung ist (Ingerl/Rohnke, Markenrecht³, § 14 Rz 965 mwN). Einen allgemeinen Motivschutz gibt es im Markenrecht nicht (RS0066641; BGH I ZR 59/13 = GRUR 2015, 1114 [Rn 33]), auch nicht bei bekannten Marken (Müller/Broich, Beck-OK UMV, Art 8 UMV Rz 505).

3.2. Verwechslungsgefahr

3.2.1. Ob zwischen zwei Marken Verwechslungsgefahr besteht, ist bei hier gegebener Warenidentität (RS0116294) nach der Zeichenähnlichkeit zu prüfen. Dafür sind die verwendeten Zeichen unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft (RS0121500; RS0121482) in Bild, Klang und Bedeutung einer gesamthaften Würdigung zu unterziehen (RS0117324; RS0066753).

3.2.2. Die Zeichen der Klägerin sind originär normal kennzeichnungskräftig. Wie ausgeführt wäre originär erhöhte Kennzeichnungskraft nur in besonderen Ausnahmefällen anzunehmen, wofür vorliegend keine Anhaltspunkte bestehen. Solche werden auch in der Revision nicht konkret aufgezeigt (zur erhöhten Kennzeichnungskraft infolge Bekanntheit siehe unten).

3.2.3. Entgegen der Revision besteht auch bei den Zeichen „Book of ra“ und „Book of dead“ keine klangliche Ähnlichkeit. Auch bei der Frage klanglicher Ähnlichkeit ist nämlich der Gesamteindruck maßgeblich (Ingerl/Rohnke, Markengesetz³, § 14 Rz 883). Es ist daher nicht zulässig, isoliert nur die Zeichenbestandteile „Book of“ zu vergleichen. Die Endworte RA bzw DEAD sind in klanglicher Hinsicht nicht verwechselbar (vgl RS0079438).

3.2.4. Insoweit ist nach dem bisher Gesagten die Beurteilung des Berufungsgerichts zu allen drei Zeichen zutreffend, dass keine unmittelbare Verwechslungsgefahr besteht. Auf seine Begründung zu den jeweiligen Abweichungen kann verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Revision streicht demgegenüber die Gemeinsamkeiten heraus. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung nach den oben genannten Kriterien ist insoweit jedoch dem Berufungsgericht zuzustimmen.

3.2.5. Bei der Wortbildmarke „BOOK OF RA“ ist der prägende Wortbestandteil das RA; die Beklagte verwendet den Wortbestandteil „Rick Wilde and the BOOK OF DEAD“. Die grafische Gestaltung weicht ausreichend voneinander ab. Allenfalls könnte mittelbare Verwechslungsgefahr im Sinne einer Serienmarke („Book of“) bestehen (4 Ob 190/14s), dazu wird jedoch nichts vorgetragen. Dasselbe gilt dem Sinne nach für die Bildmarke „Buch“ und „männlicher Kopf“; gerade letztere könnte wegen der stark abweichenden Gestaltung nur durch „Motivschutz“ durchdringen, der aber wie dargelegt bei normal kennzeichnungskräftigen Marken nicht besteht.

3.3. Bekannte Marke

3.3.1. Zutreffend sind aber letztlich die Ausführungen der Revision, die Klägerin habe umfangreiches Vorbringen zur Bekanntheit ihrer Marken erstattet, das die Vorinstanzen zu Unrecht nicht beachtet hätten (vgl zB Schriftsatz der Klägerinnen vom 19. 1. 2018, Bd I/AS 464 Pkt 1.). Dieses Vorbringen wurde auch im Berufungsverfahren aufrecht erhalten (siehe Berufungsbeantwortung ON 70). Unzutreffend sind daher die Ausführungen in der Revisionsbeantwortung (Pkt 3.3.6.), die Klägerinnen hätten ihre markenrechtlichen Ansprüche gerade nicht auf eine aus Bekanntheit resultierende erhöhte Kennzeichnungskraft gestützt.

3.3.2. Nach der Rechtsprechung des EuGH setzt der Begriff „bekannt“ in Art 9 Abs 1 lit c UMV und in Art 5 Abs 2 der Richtlinie 2008/95 einen gewissen Grad an Bekanntheit beim maßgeblichen Publikum voraus. Dieses Publikum ist nach der unter der betreffenden Marke vermarkteten Ware oder Dienstleistung zu bestimmen, und der erforderliche Bekanntheitsgrad ist als erreicht anzusehen, wenn die Marke einem bedeutenden Teil dieses Publikums bekannt ist (C-690/17, ÖKO-Test Verlag GmbH, Rn 47 mwN). Insofern kann nicht verlangt werden, dass die Marke einem bestimmten Prozentsatz dieses Publikums bekannt ist (C-301/07, Pago International, Rn 23). Ferner genügt es, wenn ein bedeutender Teil des maßgeblichen Publikums dieses Zeichen kennt; es ist nicht erforderlich, dass dem Publikum die Eintragung dieses Zeichens als Marke bekannt ist (C-690/17, ÖKO-Test Verlag GmbH, Rn 49). Damit der Inhaber einer Unionsmarke den Schutz dieser Bestimmung genießt, reicht es aus, dass diese Marke in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets bekannt ist, wobei dieser Teil gegebenenfalls ua dem Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats entsprechen kann. Ist diese Voraussetzung erfüllt, so ist davon auszugehen, dass die fragliche Unionsmarke in der gesamten Union bekannt ist (Rs C-690/17, ÖKO-Test Verlag GmbH, Rn 50 mwN). Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen hat das nationale Gericht alle relevanten Umstände des Falls zu berücksichtigen, also insbesondere den Marktanteil der Marke, die Intensität, die geografische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung sowie den Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat (C-301/07, Pago International, Rn 25).

3.3.3. Der Schutz der bekannten Marke setzt keine Verwechslungsgefahr voraus, sondern nur eine solche Ähnlichkeit, dass das Publikum die Zeichen gedanklich miteinander verknüpft (EuGH C-408/01, Adidas, C-487/07, L'Oréal; C-65/12, Red Bull [Rn 39]; RS0120364). Der Grad der dafür erforderlichen Ähnlichkeit ist niedriger anzusetzen als der Grad der Ähnlichkeit, der für Verwechslungsgefahr verlangt wird; es reicht zudem aus, wenn die Ähnlichkeit in einem der drei Punkte Bild, Klang oder Sinngehalt besteht (EuGH C-603/14p, El Corte Ingles [Rn 47 ff]; Müller/Broich, Beck-OK UMV, Art 8 UMV Rz 503). Dann ist die Marke gegen unlautere Beeinträchtigung oder Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder Wertschätzung geschützt (RS0118990; RS0115930; 17 Ob 15/09v, Styriagra). Bei Verwendung eines identischen oder ähnlichen Zeichens liegt es wegen der bei bekannten Marken offenkundigen Möglichkeit einer Rufausnutzung nahe, unlautere Motive zu vermuten (RS0120365). Das trifft insbesondere dann zu, wenn ein Dritter versucht, sich durch Trittbrettfahren an den Ruf der bekannten Marke anzuhängen und von diesem zu schmarotzen (17 Ob 27/11m [2.4.] mwN). Zudem kann die Bekanntheit der Marke die Gefahr von Verwechslungen steigern (4 Ob 189/14v, VIVA).

3.4. Da zur Bekanntheit der Marken der Klägerinnen Feststellungen fehlen, können die mit dem gegenständlichen Teilbegehren geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche unter dem Gesichtspunkt einer gedanklichen Verknüpfung der konkurrierenden Zeichen sowie einer unlauteren Ausnutzung der Marken der Klägerinnen iSv Art 9 Abs 2 lit c UMV noch nicht abschließend beurteilt werden. Der Revision der Klägerinnen ist daher im Sinne des Aufhebungsbegehrens Folge zu geben. Die Rechtssache ist an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung im aufgezeigten Sinn zurückzuverweisen.

4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 3 ZPO.

Schlagworte

Book of Dead,

Textnummer

E128402

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00027.20D.0605.000

Im RIS seit

01.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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