TE OGH 2020/5/4 12Os44/20t

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Veröffentlicht am 04.05.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Mai 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in der Strafsache gegen Nexhmedin T***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 erster und dritter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 10. Dezember 2019, GZ 37 Hv 98/19x-42, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Nexhmedin T***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 erster und dritter Fall StGB (A./), des Vergehens (vgl US 2 iVm US 13 f) nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (B./I./) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG (B./II./) schuldig erkannt.

Danach hat er

A./ am 24. August 2019 in B***** C***** S***** mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) zur Duldung des Beischlafs und zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie in einen Lagerraum führte, dort seine Hose und Unterhose herunterzog und sie aufforderte, ihm „einen zu blasen“, sie aufgrund ihrer Weigerung an den Haaren packte und festhielt, ihren Kopf zu seinem Geschlechtsbereich drückte und sie unter Ausnützung seiner körperlichen Überlegenheit und der – auch aufgrund fehlender Fluchtmöglichkeit – schlüssigen Androhung, seinen Willen andernfalls gewaltsam gegen ihren Widerstand durchzusetzen, zwang, seinen Penis in den Mund zu nehmen und Oralverkehr an ihm vorzunehmen, ihr sodann Hose und Unterhose herunterzog und mit seiner Zunge an ihrem nackten Scheidenbereich leckte, sie danach unter Anwendung erheblicher Körperkraft umdrehte, gegen ein Holzgestell drückte, sie mit seinem Körper fixierte und mit seinem Penis in ihre Scheide einzudringen versuchte;

B./ von einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis zum 24. September 2019 in W*****

I./ wenn auch nur fahrlässig, verbotene Waffen, nämlich einen Schlagring und einen Teleskopschlagstock mit Totschlägercharakter (§ 17 Abs 1 Z 6 WaffG), unbefugt besessen;

II./ vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich 1,79 Gramm THC-hältiges Cannabiskraut, besessen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Schuldsprüche A./ und B./II./ aus § 281 Abs 1 Z 4, 9 lit a und 10a StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags auf Vernehmung der Polizeibeamten Z***** und H***** als Zeugen zum Beweis dafür, dass „der Angeklagte unschuldig ist“, und „als Kontrollbeweis dafür, dass die Zeugin S***** bei der ersten Einvernahme keine strafbare Handlung geschildert“ und „bei der kontradiktorischen Verhandlung die Unwahrheit gesagt“ hat, weil die Beamten „protokolliert haben, dass sie den Oralverkehr vorgenommen hat aus Angst vor einem Lokalverbot und aus Respekt“, sowie weiters „zum Gesamteindruck“, den die Zeugin S***** gegenüber den einschreitenden Beamten gemacht hat, der „dazu geführt“ hat, dass „keine weiteren Schritte eigentlich gesetzt wurden“ (ON 41 S 94), Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers nicht verletzt.

Denn zum einen gingen die Tatrichter ohnehin davon aus (§ 55 Abs 2 Z 3 StPO), dass die Zeugin S***** den unmittelbar nach dem Vorfall einschreitenden Polizeibeamten gegenüber von „Respekt und Angst“ als Grund für den Oralverkehr gesprochen und keine augenscheinliche Gewalt geschildert hat (US 7). Zum anderen sind subjektive Eindrücke und Wertungen (hier: zum Gesamteindruck einer Zeugin) nicht Gegenstand des auf sinnliche Wahrnehmungen beschränkten Zeugenbeweises (RIS-Justiz RS0097545, RS0097540).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst zu A./ Feststellungen zum auf Fehlen der Einwilligung des Opfers in den Geschlechtsverkehr und in die diesem gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen gerichteten Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) des Beschwerdeführers. Der Gesamtheit der darauf bezogenen Urteilsannahmen zufolge (US 4 f und 12 f) „überwand“ der Angeklagte einen „Widerwillen ausdrückenden Gegendruck“ des Opfers durch einen „stärkeren Druck seiner Hände, bei gleichzeitigem Erfassen von Haar bzw Kopf“, „zwang“ das Opfer unter Ausnützung seiner körperlichen Überlegenheit, den Oralverkehr an ihm vorzunehmen, „musste Körperkraft anwenden“ und „einen Gegendruck“ der S***** „überwinden“, die sich „nicht umdrehen wollte“, „fixierte sie mit seinem Körpergewicht gegen das Holzgestell“, versuchte, mit seinem Penis in ihre Scheide einzudringen, und „stellte“ durch sein „dominantes Gehabe“ weitere Tätlichkeiten „in Aussicht“, sollte sie „seinen Forderungen nicht nachkommen“, wobei er das Opfer mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Vornahme und Duldung des Beischlafs und zu diesem gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen „nötigen wollte“.

Ausgehend davon legt die Rüge nicht dar, warum das Schöffengericht damit nicht unmissverständlich zum Ausdruck gebracht haben soll, dass sich der Vorsatz des Angeklagten auch auf das Fehlen der Einwilligung des Opfers erstreckt hat (vgl RIS-Justiz RS0095071).

Soweit der Nichtigkeitswerber (Z 9 lit a) zu A./ das Fehlen von Feststellungen „zur Wollenskomponente“ des Vorsatzes releviert, übergeht sie prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0099810) die Konstatierung der Tatrichter, wonach der Angeklagte das Opfer mit Gewalt, nämlich mit Körperkraft, und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben zur Vornahme und Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen nötigen wollte (US 5; vgl RIS-Justiz RS0088835). Welcher darüber hinausgehenden Konstatierungen es aus Beschwerdesicht bedurft hätte, lässt die Rüge offen.

Die zu B./II./ erhobene Diversionsrüge (Z 10a) argumentiert, dass eine (vorliegend verneinte – vgl US 5) Tatbegehung zum (eigenen) persönlichen Gebrauch „nicht die einzige Möglichkeit“ sei, die „ein diversionelles Vorgehen nach § 35 SMG erforderlich“ mache. Sie zeigt jedoch keine Anhaltspunkte für in der Hauptverhandlung vorgekommene Umstände auf, die für die positive Beurteilung der diversionellen Voraussetzungen der §§ 37 iVm 35 Abs 1 SMG den Ausschlag geben könnten (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 659; RIS-Justiz RS0124801 [T2]). In Ansehung eines diversionellen Vorgehens nach §§ 37 iVm 35 Abs 2 SMG lässt sie schon jene Urteilsannahmen (US 10 f) außer Acht, die Verantwortungsübernahme des Beschwerdeführers für das ihm zur Last gelegte Tatgeschehen ausschließen (zu diesem Kriterium diversionellen Vorgehens RIS-Justiz RS0116299 und RS0126734; Schroll/Kert, WK-StPO § 203 Rz 54/1). Damit gelangt der geltend gemachte (materiell-rechtliche) Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E128094

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00044.20T.0504.000

Im RIS seit

15.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.05.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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