TE OGH 2020/2/25 14Os118/19p

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.02.2020
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Februar 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Dr. Ondreasova in der Strafsache gegen Sabri P***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 15. Juli 2019, GZ 29 Hv 63/19v-11, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu I/2 und im darauf bezogenen Teil des Schuldspruchs zu II, demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben

und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sabri P***** (rechtlich verfehlt [RIS-Justiz RS0121981]) „der Verbrechen“ des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (I) sowie der Vergehen der Bestechung nach § 307 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er

(I) mit dem Vorsatz, dadurch „die Gemeinde I***** in ihrem Recht auf Überwachung der behördlich verordneten Kurzparkzone“ und „die Bezirkshauptmannschaft L*****“ (richtig: den Staat; vgl Nordmeyer in WK² StGB § 302 Rz 164) in ihrem (seinem) Recht auf Ahndung von Verwaltungsübertretungen zu schädigen, (zu ergänzen: wissentlich [US 8, 15]) versucht, nachgenannte Beamte zu bestimmen, ihre Befugnis, im Namen einer Gemeinde (richtig: [vgl Art 11 Abs 1 Z 4 B-VG; vgl auch US 6 iVm ON 3 S 7 ff, 19 ff] eines Landes) als deren (dessen) Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch zu missbrauchen, dass sie von der Einhebung von Geldstrafen mittels Organstrafverfügung (§ 50 VStG) oder der Anzeigeerstattung wegen von ihnen dienstlich wahrgenommener Verwaltungsübertretungen (deren „Weiterleitung an die zuständigen Behörden“), nämlich des unerlaubten Parkens und Haltens in einer Fußgängerzone und des unerlaubten Befahrens einer Fußgängerzone (§§ 24 Abs 1 lit i, § 76a StVO), Abstand nehmen, und zwar

1) am 12. Jänner 2019 die „mit Ermächtigungsurkunden der Bezirkshauptmannschaft L*****“ zur Überwachung des ruhenden Verkehrs und zur Einhebung von Geldstrafen mittels Organstrafverfügung wegen Verwaltungsübertretungen (US 6) ermächtigten beeideten Straßenaufsichtsorgane Katharina K***** und Petra S*****, indem er sie ersuchte, „die Anzeigen zurück zu ziehen“, welche Aufforderung er dadurch unterstrich, dass er den Genannten jeweils eine Zahlung von Bargeldbeträgen in nicht feststellbarer, 3.000 Euro nicht übersteigender Höhe anbot;

2) am 20. Februar 2019 „Patrick H***** als Angestellten des Unternehmens G*****, welches von der Gemeinde I***** mit der Überwachung des ruhenden Verkehrs und Anhaltung beauftragt ist, indem er ihn ersuchte, die wahrgenommene Verwaltungsübertretung des Befahrens der Fußgängerzone nicht zum Zwecke der Anzeigeerstattung an die Behörde weiter zu leiten, welche Aufforderung er dadurch unterstrich, dass er dem Genannten die Zahlung eines Bargeldbetrags zwischen 60 und 80 Euro anbot“;

(II) durch die zu (I) angeführten Handlungen Amtsträgern für die pflichtwidrige Unterlassung von Amtsgeschäften einen 3.000 Euro nicht übersteigenden Vorteil angeboten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Die Rechtsrüge orientiert sich mit ihrem Einwand des Fehlens von Feststellungen zur subjektiven Tatseite nicht am festgestellten Sachverhalt und verfehlt solcherart den gerade darin gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Sie lässt nämlich sowohl die expliziten Konstatierungen zu einem auf Schädigung gerichteten und die Beamteneigenschaft der Bestimmten umfassenden Vorsatz des Angeklagten (US 15 f), als auch jene außer Acht, nach denen er wollte, dass K*****, S***** und H***** bei bestimmungsgemäßem Verhalten, ihre Befugnis, im Namen einer Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, „wissentlich“ missbrauchen (US 8), sie zu einem Missbrauch der Amtsgewalt zu veranlassen versuchte (US 17) und um die Verletzung ihrer „Amtspflichten“ bei „Erfüllung seiner Ansinnen“ wusste (US 15). Diesen ist auch die insoweit erforderliche Wissentlichkeit des Beschwerdeführers in Bezug auf vorsätzlichen Fehlgebrauch der den Genannten eingeräumten Befugnisse (RIS-Justiz RS0108964) mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen (vgl auch RIS-Justiz RS0089034).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof von – den Schuldspruch zu I/2 sowie den damit korrespondierenden Teil des Schuldspruchs zu II
belastenden – nicht geltend gemachten Rechtsfehlern mangels Feststellungen (Z 9 lit a) zum Nachteil des Angeklagten, die von Amts wegen wahrzunehmen waren (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Täter des § 302 StGB ist ein Beamter im strafrechtlichen Sinn. Nach der – insoweit maßgeblichen (für viele: Marek/Jerabek, Korruption und Amtsmissbrauch § 302 Rz 1; Zagler, SbgK § 302 Rz 16) – Legaldefinition des § 74 Abs 1 Z 4 StGB ist Beamter – soweit hier wesentlich – jeder, der bestellt ist, im Namen des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde oder einer anderen Person des öffentlichen Rechtes, als deren Organ allein oder gemeinsam mit einem anderen Rechtshandlungen vorzunehmen, oder sonst mit Aufgaben der Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung betraut ist.

Der Beamtenbegriff ist funktional zu verstehen. Auf die dienstrechtliche Stellung, also ein (öffentlich-rechtliches oder [bei Vertragsbediensteten] privatrechtliches) Dienstverhältnis zum vertretenen Rechtsträger, kommt es ebenso wenig an wie auf die Einbindung in dessen Organisationsstruktur. Auch beliehene natürliche Personen sowie juristische Personen privaten Rechts und deren Mitarbeiter sind nach ständiger Rechtsprechung Beamte, die in Vollziehung der Gesetze tätig werden können. Maßgeblich ist allein die Ausübung einer Funktion im Namen und mit Willen des Rechtsträgers (RIS-Justiz RS0092043; Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 74 Rz 4; zum Ganzen Nordmeyer in WK² StGB § 302 Rz 13 ff, 91 iVm Rz 19).

Objekt der Bestechung nach § 307 StGB ist
– soweit hier wesentlich – jeder inländische, ausländische oder internationale Amtsträger. (Österreichischer) Amtsträger ist im hier interessierenden Zusammenhang – neben Personen, die schon auf Grund ihrer Einbindung in die Organisationsstruktur einer Gebietskörperschaft oder einer anderen Person des öffentlichen Rechts nach § 74 Abs 1 Z 4a lit b StGB als solche zu qualifizieren sind – jeder der „sonst“, also außerhalb der von der letztgenannten Bestimmung gezogenen Grenzen, befugt ist, im Namen der dort angeführten Körperschaften Hoheitsakte zu setzen (§ 74 Abs 1 Z 4a lit c StGB), womit gleichfalls vor allem der Bereich der Übertragung staatlicher Aufgaben auf „beliehene“ private Unternehmen oder einzelne Personen angesprochen ist (Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 74 Rz 19/3; Marek/Jerabek, Korruption und Amtsmissbrauch11 §§ 304–306 Rz 4 iVm §§ 307–307b Rz 5).

Nach den insoweit wesentlichen Feststellungen war Patrick H***** Mitarbeiter des privaten Sicherheitsdiensts G*****, der „von der Gemeinde I***** mit der Überwachung dieser verordneten Verkehrsregelung (des Verbots des Befahrens der Fußgängerzone ohne bescheidmäßige Ausnahmegenehmigung und von Halte- und Parkverboten [§ 43 Abs 1 lit b Z 1, § 24 Abs 1 lit i, § 76a Abs 1 und 2 iVm § 94d Z 4 lit a und Z 8 StVO]) im Gemeindegebiet I***** beauftragt“ worden war, und als solcher „angehalten, im Zuge des erteilten Auftrags der Gemeinde solche Verkehrsübertretungen weiter zu melden“.

Anders als K***** und S***** war er kein beeidetes Straßenaufsichtsorgan (§ 97 StVO), demnach nicht selbst durch Ermächtigung der Bezirkshauptmannschaft mit der Überwachung des ruhenden Verkehrs, der Einhebung von Geldstrafen mittels Organstrafverfügung (§ 50 VStG) und der – grundsätzlich auch Privatpersonen zustehenden (§ 13 Abs 1 AVG; vgl dazu 17 Os 16/12z) – Anzeigeerstattung wegen von ihm (dienstlich) wahrgenommener Verwaltungsübertretungen betraut (US 5 ff).

Dass er als Dienstnehmer eines mit derartigen hoheitlichen Aufgaben beliehenen Unternehmens tätig wurde, bringen die Feststellungen, nach denen die G***** im Auftrag der Gemeinde agierte, aber nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, weil eine solche Beleihung nur durch Gesetz oder durch hoheitlichen Verwaltungsakt erfolgen kann (VwGH Ro 2016/04/0002, Ra 2016/11/0177, Ro 2015/04/0023, Ro 2014/03/0062).

Da dem Urteil keine Konstatierungen hierüber (vgl dazu § 30 Abs 1 lit a, Abs 2 lit a TGO) zu entnehmen sind, bleibt die – rechtliche – Beurteilung, H***** erfülle „den (funktionalen) Beamtenbegriff des § 302 StGB sowie den Amtsträgerbegriff des § 307 StGB“, weil er „von der Gemeinde I***** bzw der Bezirkshauptmannschaft L***** mit der Vollziehung von (Gemeinde-)Verordnungen, sohin mit Amtsgeschäften, betraut“ wurde (US 6), ohne Sachverhaltsbezug (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO; RIS-Justiz RS0119090).

Diese Rechtsfehler mangels Feststellungen erfordern – ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Aufhebung der Schuldsprüche zu I/2 und II, soweit sich letzterer auf I/2 bezieht, demgemäß auch des Strafausspruchs bei der nicht-öffentlichen Beratung (§§ 285e, 290 StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs wegen Missbrauchs der Amtsgewalt wird (unter Einbeziehung des in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs I/1) eine Subsumtionseinheit zu bilden sein (vgl RIS-Justiz RS0116734,

RS0121981; zu § 307 StGB s hingegen RS0096174 [T2]).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Die Ersatzpflicht erstreckt sich nicht auf die mit dem amtswegigen Vorgehen verbundenen Kosten (RIS-Justiz RS0101558).

Textnummer

E127648

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00118.19P.0225.000

Im RIS seit

26.03.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten