TE OGH 2019/5/21 5Ob57/19x

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Veröffentlicht am 21.05.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****, vertreten durch Dr. Werner Neuner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. A*****, 2. D*****, ebenda, beide vertreten durch Puschner Spernbauer Rosenauer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 62.864,06 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 12. Februar 2019, GZ 15 R 177/18m-14, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist zu 454/754, die Beklagten zu je 150/754 Anteilen Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft in Wien. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr die Frage, ob die Beklagten aufgrund der Ausfallshaftung nach § 18 Abs 1 letzter Satz iVm Abs 4 zweiter Satz WEG 2002 zum anteiligen Ersatz der von der Klägerin vorgeschossenen Dachsanierungskosten verpflichtet sind.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Eine Einzelfallentscheidung ist für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm – wie etwa des unbestimmten Gesetzesbegriffs der Unzumutbarkeit – korrigiert werden müsste (RIS-Justiz RS0044088). Eine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung der von den Vorinstanzen übereinstimmend verneinten Unzumutbarkeit eines Vorgehens gegen die Eigentümergemeinschaft vor Inanspruchnahme der Beklagten ist nicht zu erkennen:

2.1. Bereits das Erstgericht verwies zutreffend auf § 18 Abs 4 erster Satz WEG 2002, wonach ein gegen die Eigentümergemeinschaft ergangener Exekutionstitel nicht bloß in die Rücklage, sondern überdies in die von den Wohnungseigentümern geleisteten oder geschuldeten Zahlungen für Aufwendungen gemäß § 32 WEG 2002 vollstreckt werden kann, weshalb eine Verfahrens- und letztlich auch Exekutionsführung der Klägerin gegen die Eigentümergemeinschaft nicht als unzumutbar zu beurteilen sei. Das Berufungsgericht ergänzte dies lediglich um den von der Klägerin selbst ins Treffen geführten Hinweis auf ein Kontoguthaben der Gemeinschaft von ca 3.000 EUR und vertrat die Auffassung, schon nach dem erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin könne eine Vermögenslosigkeit der Eigentümergemeinschaft nicht zugrunde gelegt werden, sodass ein Vorgehen gegen sie nicht als „sinnlos“ zu beurteilen sei. Dem vermag die Klägerin nichts Wesentliches entgegenzusetzen.

2.2. Überraschend kann die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts schon deshalb nicht sein, weil sie sich auf Prozessvorbringen der Klägerin stützen kann (§ 510 Abs 3 ZPO), dessen Auslegung geht in seiner Bedeutung über den Einzelfall nicht hinaus (RS0042828). Selbst wenn das Kontoguthaben der Gemeinschaft für sich allein betrachtet noch nicht ein ausreichendes Exekutionsobjekt sein mag, lässt die Revision Argumente vermissen, weshalb der Eigentümergemeinschaft nicht gemäß § 32 Abs 1 WEG 2002 der Anspruch gegenüber den Wohnungseigentümern auf Ersatz der Aufwendungen für die Sanierung des Daches zustehen sollte. Nach dieser Bestimmung sind die Aufwendungen für die gemeinsame Liegenschaft von den Miteigentümern nach ihren Anteilen zu tragen (RS0013566), wobei die Behebung eines ernsten Schadens des Hauses oder an einem Wohnungseigentumsobjekt im Sinn des § 28 Abs 1 Z 1 WEG ordentliche Verwaltung ist und daher in die Zuständigkeit der Eigentümergemeinschaft fällt, die dafür auch allein zahlungspflichtig ist (RS0116332 [T6]; RS0083089 [T12]). In diesem Bereich kommt der Eigentümergemeinschaft eigene Rechtspersönlichkeit zu (§ 2 Abs 5 Satz 2 WEG 2002), dies nicht fakultativ, sondern zwingend. In diesem Bereich ist sie allein und ausschließlich sachlegitimiert (vgl RS0116451 [T1]). Ihre alleinige Sache ist es daher, von den einzelnen Wohnungseigentümern die von diesen anteilig zu tragenden Aufwendungen für die Liegenschaften einschließlich der Beiträge zur Rücklage (§ 32 Abs 1 WEG 2002) einzufordern, wobei § 31 Abs 1 WEG 2002 die Bildung einer angemessenen Rücklage sogar zwingend vorsieht.

2.3. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, (auch) der Anspruch der Eigentümergemeinschaft gegenüber den Wohnungseigentümern auf Ersatz der Aufwendungen für die Behebung des ernsten Schadens des Hauses im Sinn des § 32 Abs 1 WEG 2002 sei bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Klage und Exekutionsführung vor Geltendmachung der Ausfallshaftung im Sinn des § 18 Abs 4 WEG 2002 zu berücksichtigen, kann sich auf den unmissverständlichen Gesetzeswortlaut stützen. Hier kommt dazu, dass ein Verwalter der Wohnungseigentumsanlage (dem gemäß § 20 Abs 5 WEG die Eintreibung rückständiger Zahlungen der einzelnen Wohnungseigentümer auf die Aufwendungen der Liegenschaft obliegt) nicht bestellt ist, sodass diese Maßnahme der ordentlichen Verwaltung (§ 28 Abs 1 Z 1 und 2 WEG 2002) nach § 18 Abs 3 Z 2 lit a WEG der Klägerin als Mehrheitseigentümerin zufällt. Sie hat es daher in der Hand, die Eigentümergemeinschaft mit dem erforderlichen Vermögen durch Einforderung der anteiligen Aufwendungen im Sinn des § 32 Abs 1 WEG auszustatten. Dass es hier tatsächlich zu einem – eine Voraussetzung für die Haftung nach § 18 Abs 4 WEG 2002 bildenden (vgl auch RS0116451) – Ausfall bei exekutiver Durchsetzung gegen die Eigentümergemeinschaft kommen würde, ist nicht zu erkennen. Die Auffassung der Vorinstanzen, ein Vorgehen gegen die Eigentümergemeinschaft sei in Bezug auf den von der Klägerin geltend gemachten Aufwandersatzanspruch nicht unzumutbar, ist daher nicht korrekturbedürftig.

3. Da die vom Gläubiger nachzuweisende (vgl RS0057763) Unzumutbarkeit von Klage und Exekutionsführung vor Geltendmachung der Ausfallshaftung nicht erwiesen ist, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine Vermögenslosigkeit der Eigentümergemeinschaft ungeachtet des unmissverständlichen Gesetzeswortlauts des § 18 Abs 4 letzter Satz WEG 2002 überhaupt der primären Klage- und Exekutionsführung gegen die Eigentümergemeinschaft entgegenstehen kann (so Klete?ka, Die WEG-Novelle, JAP 1993/94, 242; Löcker, Die Wohnungseigentümergemeinschaft [1997] 395 f).

4. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

Textnummer

E125186

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00057.19X.0521.000

Im RIS seit

07.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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