TE OGH 2018/12/13 26Ds6/18h

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Veröffentlicht am 13.12.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Buresch und Dr. Wachter sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch in Gegenwart von FOI Bayer als Schriftführerin in der Diziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer ***** vom 1. Dezember 2016, AZ D 187/15 nach mündlicher Verhandlung in Gegenwart der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Jenichl, des Kammeranwalt-Stellvertreters Dr. Meyenburg und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch – prozessual verfehlte (RIS-Justiz RS0115553, RS0120128) – Teilfreisprüche enthaltenden Erkenntnis wurde *****, Rechtsanwalt in *****, der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt.

Danach hat er in der Hauptverhandlung vom 2. September 2015, AZ ***** des Landesgerichts *****, als Verteidiger des dort angeklagten N***** der Staatsanwaltschaft ***** und dem Finanzamt ***** unsachlich amtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die – keine Nichtigkeitsgründe bezeichnende (vgl RIS-Justiz RS0128656 [T1]) – „volle“ Berufung des Disziplinarbeschuldigten. Sie verfehlt ihr Ziel.

Die das Vorliegen tatsächlicher und rechtlicher Anhaltspunkte für eine Beurteilung der Vorgangsweise der Finanzbehörde und der Staatsanwaltschaft als Amtsmissbrauch behauptende Schuldberufung im engeren Sinn versagt, indem sie der derartige Anhaltspunkte verneinenden Feststellung des Disziplinarrats (ES 4) bloß eigene Beurteilungen und Spekulationen entgegensetzt. Solcherart gelingt es ihr nicht, Bedenken gegen die Richtigkeit der Lösung der Schuldfrage zu wecken. Dass die sachlich wenig fundierte Anklage berechtigten Anlass zu Kritik gab (ES 4) und das Strafverfahren mit einem Freispruch endete (ES 3), wurde vom Disziplinarrat ohnehin berücksichtigt.

Die mangelnde Feststellungen zum Prozessgeschehen im Verfahren AZ ***** des Landesgerichts ***** reklamierende Rechtsrüge (der Sache nach Z 9 lit a) spricht keine für die Schuldfrage relevanten und damit entscheidenden Tatsachen an und legt nicht dar, welche konkreten Feststellungen, die zumindest abstrakt den Vorwurf des Missbrauchs der Amtsgewalt im Sinn des § 302 StGB tragen könnten oder zumindest einen diesbezüglichen Anfangsverdacht aufkommen lassen würden, vermisst werden (RIS-Justiz RS0095939, RS0118342).

Die Berufung zeigt auch keine rechtliche Fehlbeurteilung des festgestellten Sachverhalts auf. Zwar ist der Rechtsanwalt nach § 9 Abs 1 zweiter Satz RAO befugt, „alles, was er nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Partei für dienlich erachtet, unumwunden vorzubringen, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel in jeder Weise zu gebrauchen, welche seinem Auftrag, seinem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten“. Die Grenzen des § 9 Abs 1 RAO und des Art 10 MRK werden jedoch überschritten, wenn sich der Rechtsanwalt unsachlicher und/oder erkennbar beleidigender Äußerungen bedient (Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO9 § 9 RAO Rz 16 mwN).

Gerade von einem Rechtsanwalt muss verlangt werden, dass er ein vermeintliches Fehlverhalten einer Behörde mit sachlichen und juristischen Formulierungen beantwortet und Beleidigungen und unnötige Angriffe unterlässt (vgl RIS-Justiz RS0055208 [T10]). Insbesondere der Vorwurf des Verbrechens des Amtsmissbrauchs ist so schwerwiegend, dass ihn ein Rechtsanwalt nicht ohne eingehende Prüfung und nicht ohne entsprechende tatsächliche und rechtliche Anhaltspunkte erheben darf (RIS-Justiz RS0055404 [T1]).

Dass derartige Anhaltspunkte hier vorgelegen seien, wurde vom Disziplinarrat ausdrücklich verneint (ES 4). Weshalb die Beurteilung der inkriminierten Äußerung als unsachlich demnach unzutreffend sein sollte, ist nicht zu ersehen.

Insoweit der Berufungswerber mit Blick auf § 9 Abs 1 zweiter Satz RAO das Vorliegen eines „Entschuldigungsgrundes“ reklamiert (der Sache nach Z 9 lit b), ist darauf hinzuweisen, dass ein – objektiv rechtswidriges – Verhalten des Rechtsanwalts (insbesondere des Verteidigers) nach dieser Bestimmung gerechtfertigt sein kann, wenn es dazu dient, die Rechte des Mandanten tatsächlich zu effektuieren, der Rechtsanwalt persönlich der Meinung war, nach bestem Wissen und Gewissen im Rahmen einer effektiven Vertretung zu handeln, die von ihm gebrauchten Angriffs- und Verteidigungsmittel auch objektiv geeignet waren, den rechtfertigenden Zweck (also die Durchsetzung oder Verteidigung der Rechtsposition des Mandanten) zu erfüllen und wenn durch die Verwendung dieser Mittel nicht über das zur Erreichung dieses Zwecks notwendige Ausmaß in Rechte Dritter oder in gesetzliche Verbote oder Vorschriften eingegriffen wird (20 Ds 11/17y).

Die Annahme des Rechtfertigungsgrundes nach § 9 Abs 1 zweiter Satz RAO scheitert daran, dass der Berufungswerber schon die Prozessdienlichkeit des Vorwurfs des Amtsmissbrauchs gegen die ermittelnden Behörden nicht darzulegen vermag und eine solche auch nicht erkennbar ist (vgl VfSlg 18.001 = AnwBl 2007/8088, 201).

Übrigens hat der VfGH zwar zu B 579/07 erkannt, dass es in Wahrung der Verteidigungsrechte notwendig und sinnvoll sein kann, den Vorwurf des Missbrauchs der Amtsgewalt zu erheben. Zur Beurteilung stand der in einem Schriftsatz gegen einen Richter, der am Verfahren selbst beteiligt war, erhobene Vorwurf, er hätte sich bestimmte Informationen amtsmissbräuchlich beschafft. Dies war – auf Sachverhaltsebene – zumindest nicht ausgeschlossen und daher der Vorwurf (wenn auch nur gerade noch) zur Klärung der Informationsbeschaffung des Prozessgegners zulässig. Dieser Fall unterscheidet sich vom vorliegenden dadurch, dass es zur Wahrung der Rechtsposition des vom hier Beschuldigten vertretenen Angeklagten im gegebenen Fall genügt hätte, auf die mangelhafte Qualität oder Unrichtigkeit der Anklage oder Äußerungen der Sitzungsvertreter von Finanzamt und Staatsanwaltschaft hinzuweisen.

Ein Vorgehen nach § 3 DSt schied aus, weil die Tat keineswegs unbedeutende Folgen hatte und das Verschulden auch nicht geringfügig war, wurde doch all dies in der öffentlichen Hauptverhandlung nicht nur gesagt, sondern in der Folge auch (emotional) längere Zeit diskutiert (RIS-Justiz RS0101396, RS0056596).

Der Berufung des Beschuldigten wegen Strafe konnte nicht Folge geben werden. Da der Disziplinarrat die geringste mögliche Disziplinarstrafe (§ 16 DSt) des schriftlichen Verweises verhängt hat, blieb für eine Reduktion kein Raum.

Textnummer

E124468

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0260DS00006.18H.1213.000

Im RIS seit

04.04.2019

Zuletzt aktualisiert am

07.01.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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