TE OGH 2019/2/27 15Os171/18p

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Veröffentlicht am 27.02.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Februar 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Kontr. Ziegler als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Emil F***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 10. Oktober 2018, GZ 34 Hv 122/18x-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Emil F***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er am 6. Oktober 2017 in L***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer paranoiden Schizophrenie,

I./ die Polizeibeamten Florentina Fö*****, Thomas T*****, Victoria P*****, Daniel J***** und Simon G***** mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich einer Sachverhaltsaufnahme und im Anschluss daran an seiner Festnahme, zu hindern versucht hat, indem er sich aus dem Griff Fö*****s löste, ihr nach neuerlichem Griff an die Schulter einen gezielten Faustschlag ins Gesicht versetzte, mit den Füßen nach ihr und dem zu Hilfe gekommenen T***** trat, sich in der Folge auf dem Boden liegend durch Schläge mit den Händen und Fußtritte gegen beide wehrte, sodass die fünf zuvor genannten Beamten ihn trotz Gegenwehr am Boden festhalten und ihm eine Fußfessel anlegen mussten;

II./ durch die zu I./ beschriebene Tat Körperverletzungen an Beamten während oder wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben

1./ an Fö***** begangen hat, nämlich eine Kopfprellung, eine leichte Schwellung und Rötung am Nasenrücken und eine Zerrung des linken Unterarms;

2./ an T***** durch gezieltes Versetzen eines Fußtritts gegen dessen rechten Oberschenkel zu begehen versucht hat;

sohin Taten begangen hat, die als Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall (dritte Variante) StGB (I./), der schweren Körperverletzung nach (richtig:) §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (II./1./) und nach §§ 15, (richtig:) 83 Abs 1 und 84 Abs 2 StGB (II./2./) jeweils mit ein Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, die ihr Ziel verfehlt.

Entgegen der Beschwerde (Z 11 erster Fall iVm Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags auf „Einholung eines zweiten Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Psychiatrie zum Beweis dafür, dass beim Betroffenen keine geistige oder seelische Abartigkeit von höherem Grad vorliegt“ (ON 32 S 17), Verteidigungsrechte des Betroffenen nicht verletzt. Denn ob eine geistige oder seelische Abartigkeit höheren Grades vorliegt, ist eine vom Gericht und nicht vom Sachverständigen zu beantwortende Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0090441).

Darüber hinaus besteht ein durch Z 4 garantiertes Überprüfungsrecht von Befund und Gutachten eines Sachverständigen (hier nach dem Antragsvorbringen ersichtlich [auch] gemeint: zum Zustand des Betroffenen [§ 11 StGB]) nur dann, wenn (im Rahmen der Antragstellung) ein in § 127 Abs 3 erster Satz StPO angeführter Mangel aufgezeigt wird und das dort beschriebene Verbesserungsverfahren erfolglos geblieben ist (vgl RIS-Justiz RS0117263). Das ist vorliegend durch den bloßen Verweis auf Gutachten aus dem Jahr 2014, wonach der Betroffene „lediglich an einer schizoaffektiven Störung leide“, und die Behauptung, von einer Verschlechterung des Zustands könne nicht ausgegangen werden, nicht der Fall.

Die zur Antragsfundierung in der Beschwerde nachgetragenen Argumente sind aufgrund des Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117). Willkürliches Vorgehen des Gerichts bei der Ermessensentscheidung, neue Befunde oder Gutachten zur Überprüfung früherer einzuholen (vgl dazu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351; Murschetz, WK-StPO § 429 Rz 12), zeigt das Beschwerdevorbringen im Übrigen nicht auf.

Soweit der Antrag auch zum Beweis gestellt wurde, dass „keine zukünftigen Taten mit schweren Folgen ernsthaft zu befürchten sind“ (ON 32 S 17), betrifft er nur den Ermessensbereich der Gefährlichkeitsprognose, womit eine Anfechtung mit der Behauptung eines als Nichtigkeitsgrund beachtlichen Verfahrensmangels ausscheidet (RIS-Justiz RS0114964, RS0099430; Ratz in WK² StGB Vor §§ 21–25 Rz 11).

Die vermissten Feststellungen zum auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruhenden Zustand und zu dessen Einfluss auf die Anlasstat befinden sich auf US 2 f, 5.

Der Einwand (Z 11 zweiter Fall), das Erstgericht habe die Kriterien der Gefährlichkeitsprognose verkannt (vgl RIS-Justiz RS0113980 [T7, T9]), trifft nicht zu. Die Feststellungen zur Konkretisierung der Prognosetaten befinden sich auf US 5, wonach „ernsthaft zu befürchten“ ist, dass der Betroffene „auch künftig Handlungen mit schweren Folgen, insbesondere per se schwere Körperverletzungen, setzen wird“. Konstatierungen zur Person des Rechtsbrechers und seinem Zustand im Urteilszeitpunkt hat das Schöffengericht auf US 2 f und 6 getroffen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Textnummer

E124317

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00171.18P.0227.000

Im RIS seit

20.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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