TE OGH 2017/10/25 8Ob107/17v

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Veröffentlicht am 25.10.2017
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, den Hofrat Dr. Brenn, die Hofrätin Mag. Korn und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T*****, vertreten durch Dr. Peter Hauser, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei K***** K*****, vertreten durch den Sachwalter Dr. Erich Rico Folie, Rechtsanwalt in Bludenz, wegen 10.512,36 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 7. Juni 2017, GZ 4 R 65/17s-51, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 13. März 2017, GZ 8 Cg 131/12k-47, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:

1. Die Klagsforderung besteht mit 9.933,33 EUR zu Recht.

Die Gegenforderung der beklagten Partei besteht nicht zu Recht.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 9.933,33 EUR samt 4 % Zinsen ab 4. November 2015 zu bezahlen.

Das auf Zahlung weiterer 579,03 EUR sowie eine Nebenforderung von 2.136,50 EUR gerichtete Mehrbegehren und das Zinsenmehrbegehren werden abgewiesen.

2. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 4.301,38 EUR (darin 558,56 EUR USt und 950 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 4.499,36 EUR (darin 341,56 EUR USt und 2.450 EUR Barauslagen) an Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist aufgrund der Spätfolgen einer Schädel-Hirn-Verletzung ungefähr seit 2009 nicht mehr imstande, seine finanziellen und rechtlichen Angelegenheiten selbst zu regeln oder sich durch eigenes rechtsgeschäftliches Handeln zu verpflichten und Rechte zu erwerben. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Bludenz vom 25. 2. 2014 wurde der Beklagtenvertreter zu seinem Sachwalter bestellt.

Die Klägerin gewährte dem Beklagten am 29. 11. 2010 einen Kredit in Höhe von 18.000 EUR. Zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Kreditvertrags war der Beklagte nicht geschäftsfähig. Der Kreditbetrag wurde am 30. 11. 2010 auf ein Konto des Beklagten bei einem anderen Bankinstitut überwiesen. Dieses Konto wies am Tag der Überweisung einen Negativsaldo von 3.329,08 EUR auf, der mit dem Zahlungseingang ausgeglichen wurde.

Im Jahr 2010 hatte der Beklagte zur Einrichtung seiner neuen Wohnung Möbel im Wert von 36.118 EUR gekauft. Um die restliche Kaufpreisschuld zu tilgen, überwies er am 1. 12. 2010 14.000 EUR von seinem Konto an das Möbelhaus. Wofür der Beklagte die restlichen 670,92 EUR der Kreditvaluta verwendet hat, konnte nicht festgestellt werden.

Die günstigsten im Handel erhältlichen Möbel, die denselben Gebrauchsnutzen gewährleistet hätten, wären um rund 20.000 EUR erhältlich gewesen.

Insgesamt hat der Beklagte 8.066,67 EUR an Raten an die Klägerin zurückbezahlt.

Die Klägerin begehrt aus dem Titel der Rückabwicklung des Kreditgeschäfts (zuletzt) 10.512,36 EUR samt 4 % Zinsen seit 7. 10. 2014 und einer Nebenforderung von 2.136,50 EUR (Mahn- und Inkassogebühren). Es handle sich dabei um den tatsächlich zugezählten Betrag abzüglich Ratenzahlungen, die zunächst auf die gesetzlichen Zinsen und sodann auf das Kapital angerechnet worden seien. Per 7. 10. 2014 habe der Klagsbetrag an Kapital ausgehaftet.

Der Beklagte wandte ein, der Kreditbetrag sei überwiegend nicht zu seinem Nutzen verwendet worden. Den Nutzen der gekauften Möbel müsse er sich überhaupt nicht anrechnen lassen, jedenfalls aber nur aliquot mit 39 %, weil der Kaufpreis nur in diesem Verhältnis kreditfinanziert worden sei. Die bezahlten Raten wandte der Beklagte als Gegenforderung ein.

Das Erstgericht stellte fest, dass die Klagsforderung mit 6.658,10 EUR und die Gegenforderung bis zu dieser Höhe zu Recht bestehe und wies das Klagebegehren ab. Die Nichtigkeit des Kreditvertrags habe zur Folge, dass alles daraus Erlangte zurückzustellen sei. Ein geschäftsunfähiger Bereicherungsschuldner müsse jedoch in Analogie zu § 1424 ABGB nur das herausgeben, was bei ihm noch vorhanden sei oder zu seinem Vorteil verwendet wurde. Der Beklagte habe daher vom gesamten Kreditbetrag nur jene 4.000 EUR zurückzuzahlen, die zur Abdeckung einer Kontoüberziehung sowie für unbekannte Zwecke verwendet wurden, darüber hinaus auch 39 % des Zeitwerts der gekauften Möbel. Dagegen könne er die von ihm geleisteten Raten zur Gänze zurückverlangen.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Klägerin keine Folge. Auf die methodische Richtigkeit des vom Erstgericht ermittelten Vorteils aus dem Möbelkauf ging es nicht weiter ein, weil die Entscheidung jedenfalls im Ergebnis zu billigen sei. Es sei zu bedenken, dass ein Geschäftsfähiger in der finanziellen Situation des Beklagten sich damit begnügt hätte, die preisgünstigsten Möbel mit demselben Nutzwert anzuschaffen, wofür er offensichtlich keinen Kredit benötigt hätte. Der Beklagte habe daher aus dem Möbelkauf überhaupt keinen anrechenbaren Vorteil erlangt.

Das Berufungsgericht erklärte über Antrag der Klägerin gemäß § 508 ZPO nachträglich die ordentliche Revision mit der Begründung für zulässig, dass „in Bezug auf einen Sachverhalt wie hier vorliegend“ noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten beantwortete Revision der klagenden Partei ist zulässig, weil dem Berufungsgericht in seiner Entscheidungsbegründung eine Fehlbeurteilung unterlaufen ist, die aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtseinheit auch dann einer Korrektur bedarf, wenn die Bedeutung der Entscheidung nicht über den konkreten Einzelfall hinausgeht (RIS-Justiz RS0044088). Die Revision ist auch berechtigt.

1. Die Wirkung der – hier unstrittigen – Nichtigkeit zweiseitig verbindlicher Geschäfte ist die Verpflichtung jedes Vertragsteils zur Rückstellung dessen, was er aus dem Vertrag zu seinem Vorteil erhalten hat. Der Anspruch richtet sich nach den allgemeinen bereicherungsrechtlichen Grundsätzen (RIS-Justiz RS0016361 [T5]). Ein geschäftsunfähiger Vertragsteil ist zur Rückstellung von erhaltenem Geld (nur) insoweit verpflichtet, als es bei ihm entweder noch vorhanden ist oder zu seinem Vorteil verwendet wurde (RIS-Justiz RS0014647; RS0048088 [T6]).

Der Kläger hat in diesem Fall den Eintritt der Bereicherung, hingegen der Beklagte zu beweisen, dass diese weggefallen sei, weil das Geld nicht mehr in seinen Händen ist oder nicht zu seinem Vorteil verwendet wurde (RIS-Justiz RS0048088).

Als Vorteil hat sich der Geschäftsunfähige das anrechnen zu lassen, was seine Vermögenssituation nachhaltig verbessert hat, etwa indem er Anschaffungen von bleibendem Wert getätigt, richtige und fällige Schulden getilgt oder sich einen anderen Aufwand erspart hat, der ihm unter seinen Lebensumständen auch sonst erwachsen wäre.

2. Unstrittig hat sich der Beklagte nach diesen Grundsätzen den Erhalt jener insgesamt 4.000 EUR, mit denen eine Kontoüberziehung bei einer Drittbank abgedeckt wurde bzw über deren Verwendung er keine Auskunft mehr geben konnte, als erhaltenen und herauszugebenden Vorteil anrechnen zu lassen. Gegenstand der Revision ist nur mehr die Verwendung des Betrags von 14.000 EUR, mit dem der Kläger den Restbetrag aus einer offenen Rechnung des Möbelhauses vom 2. 7. 2010 bezahlt hat.

Nach dem zugrunde gelegten Sachverhalt wurde der Möbelkauf längere Zeit (mindestens rund vier Monate) vor dem Abschluss des Kreditvertrags getätigt. Der Vorteil aus dem Kreditgeschäft lag daher, wie der Beklagte zutreffend vorgebracht hat, nicht in der Erlangung der Möbel, sondern vielmehr in der Befreiung von einer bereits bestehenden (restlichen) Schuld des Beklagten gegenüber dem Möbelverkäufer. Es oblag daher dem Beklagten, den Beweis dafür zu erbringen, dass diese Schuldbefreiung nicht zu seinem Vorteil war (RIS-Justiz RS0048088).

Der Beklagte hat dazu vorgebracht, der Möbelkaufvertrag sei wegen seiner bereits seit mindestens 2009 bestehenden Geschäftsunfähigkeit ebenso unwirksam gewesen wie der Kreditvertrag, er habe daher mit den Kreditvaluta eine Nichtschuld beglichen.

Verträge vollkommen handlungsunfähiger Personen sind nach ständiger Rechtsprechung ohne Rücksicht auf ihren Inhalt absolut nichtig. Eine solche Willenserklärung kann auch nicht nachträglich dadurch Gültigkeit erlangen, dass sie der gesetzliche Vertreter oder der Handlungsunfähige selbst nach gänzlicher oder teilweiser Wiedererlangung der Handlungsfähigkeit genehmigt (RIS-Justiz RS0014653; RS0014652). Die Nichtigkeitssanktion tritt ein, ohne dass es dazu einer rechtsgestaltenden gerichtlichen Entscheidung bedarf (vgl 1 Ob 7/07x; 8 Ob 62/11t).

Der Beklagte hat jedoch unbestritten gelassen, dass er nach Bestellung seines Sachwalters keine Rückabwicklung des Möbelkaufvertrags begehrt hat und dies auch nicht beabsichtigt. Damit hat er sich, worauf die Revision zutreffend hinweist, die preisangemessene Leistung des Möbelhauses ungeachtet des Fehlens einer wirksamen Vertragsgrundlage tatsächlich und endgültig zugewendet, was ihm wiederum nur durch die Zahlung des vollen Kaufpreises ermöglicht wurde.

Die Wirkungen der Nichtigkeit eines Vertragsabschlusses mangels Geschäftsfähigkeit erstrecken sich, wenn nicht besondere Regelungen etwas anderes bestimmen, nur auf die an seinem Abschluss Beteiligten. Der Revision ist zuzustimmen, dass es zu einem unbilligen Ergebnis führen würde, wenn dieser Rechtsmangel einem unbeteiligten Dritten zu dessen Lasten entgegengehalten werden könnte, obwohl es der mittlerweile durch Sachwalterbestellung wieder beschränkt Geschäftsfähige ablehnt, die Nichtigkeit gegenüber dem anderen Vertragsteil geltend zu machen und er dessen Leistung behält. In diesem Fall ist er im Verhältnis zu dem Dritten nicht anders zu behandeln als ein beschränkt Geschäftsunfähiger, dessen Vertragsabschluss durch nachträgliche Genehmigung des Sachwalters oder des Gerichts wirksam wurde (vgl auch RIS-Justiz RS0070182 [T1]; RS0021973 [Vollmachtsmangel]).

Die Feststellung, dass ähnliche Möbel mit gleicher Funktion auch in einer billigeren Ausführung zu haben gewesen wären, ist im Verhältnis zwischen den Streitteilen nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung, weil sich der Beklagte tatsächlich den Nutzen der höherwertigen Möbel zugewendet hat.

Bei Bemessung des verschafften Nutzens ist nach Berücksichtigung aller Umstände grundsätzlich der Leistungszeitpunkt maßgebend (RIS-Justiz RS0033628). Es kommt schon aus diesem Grund auch nicht darauf an, dass eingebaute Möbel einem raschen Verkehrswertverfall unterliegen.

Damit ist dem Beklagten im Ergebnis aber der ihm obliegende Nachweis, dass der Teilbetrag von 14.000 EUR aus den Kreditvaluta nicht zu seinem Vorteil verwendet wurde, misslungen. Da er aus dem Kreditverhältnis insgesamt 18.000 EUR erhalten und darauf 8.066,67 EUR zurückbezahlt hat, schuldet er der Klägerin noch restliche 9.933,33 EUR.

Die mit Inkassokosten begründete Nebenforderung besteht mangels wirksamer Vereinbarung nicht zu Recht.

Gesetzliche Verzugszinsen stehen grundsätzlich erst ab Fälligkeit des Zahlungsbegehrens zu (4 Ob 70/11i). Wegen der hier vorliegenden Nichtigkeit des Kreditvertrags kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Zuzählung der Kreditvaluta an, zumal der bloße Besitz eines Betrags, der nicht fruchtbringend angelegt oder verwendet wird, nicht als Vorteil iSd § 877 ABGB angesehen werden kann. Auch von einer Ersparnis ansonsten aufgelaufener anderweitiger Zinsaufwendungen ist nach den Feststellungen nicht auszugehen bzw wurde – was die Kontoüberziehung anlangt – dazu kein konkretes Vorbringen erstattet. Für den Zinsenzuspruch ist daher die erstmalige Geltendmachung des Rückabwicklungsanspruchs maßgebend, die mit Zustellung der Klagseinschränkung vom 3. 11. 2015 bewirkt wurde.

Die Gegenforderung des Beklagten besteht nicht zu Recht. Die von ihm geleisteten Rückzahlungen wurden von der Klägerin bereits bei der Berechnung der eingeschränkten Klagsforderung in Abzug gebracht und damit zur Gänze durch Aufrechnung getilgt, weil der Rückforderungsanspruch in die Rückzahlungen übersteigender Höhe zu Recht bestand.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 43 und 50 ZPO. Die beklagte Partei ist zunächst mit rund 43 % sowie ab der Klagseinschränkung mit rund 91 % ihres Begehrens durchgedrungen.

Der Beklagte hat Anspruch auf Ersatz von 14 % seiner Kosten des Einspruchs, er hat der Klägerin aber die Pauschalgebühr anteilig zu ersetzen (290 EUR). Für die Vertagungsbitte wegen zufälliger Terminkollision des Beklagtenvertreters steht kein Kostenersatz zu (§ 48 Abs 1 ZPO). Da die Klägerin nicht dargetan hat, dass die Beauftragung eines nicht am Prozessort ansässigen Rechtsanwalts zu ihrer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war, ist nur der einfache Einheitssatz zuzuerkennen.

Im zweiten Verfahrensabschnitt ist die Klägerin mit weniger als 10 % und daher geringfügig unterlegen, sodass sie Anspruch auf vollen Kostenersatz, allerdings nur auf Basis des obsiegten Kapitalbetrags hat. Die Nebenforderung ist für die Streitwertberechnung und in weiterer Folge für die Kostenentscheidung ohne Relevanz (§ 54 Abs 2 JN; LG Salzburg RIS-Justiz RSA0000026; OLG Wien 13 R 119/09d; Obermaier, Kostenhandbuch² Rz 367).

Textnummer

E119981

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0080OB00107.17V.1025.000

Im RIS seit

07.12.2017

Zuletzt aktualisiert am

19.06.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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