TE OGH 2009/8/4 9Ob29/08t

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Veröffentlicht am 04.08.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.-Ing. Josef Alois H*****, vertreten durch Czernich, Hofstädter, Guggenberger & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dipl.-Ing. Veronika N*****, vertreten durch Dr. Josef R. Harthaller, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 35.015,61 EUR sA über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 24. Jänner 2008, GZ 2 R 226/07p-25, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 2. August 2007, GZ 59 Cg 57/06t-18, aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.959,48 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin enthalten 326,58 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt - nach der Erlassung eines Teilanerkenntnisurteils über den von ihm erhobenen Manifestationsanspruch - die Erhöhung seines Pflichtteils wegen diverser Schenkungen, die sie von den gemeinsamen Eltern zu deren Lebzeiten erhalten habe, von seiner alleinerbenden Schwester um (zuletzt) 35.015,61 EUR; und zwar aus der Verlassenschaft nach dem Vater - nach Anrechnung des Erlasses eines Darlehens an den Kläger durch den Vater - um 15.834,90 EUR (ua wegen der Schenkung von Sparbüchern mit Guthaben von insgesamt 81.861,18 EUR) und aus jener nach der Mutter um 19.180,71 EUR. Die Beklagte bestritt und wendete ua ein, sie habe für geleistete, weit über die Erfüllung der Beistandspflicht nach § 137 Abs 2 ABGB hinausgehende Pflege ihrer Eltern das Pflegegeld als Aufwandsentschädigung erhalten (was den Pflichtteil nicht erhöhen könne) und darüber hinaus Zuwendungen in Entsprechung einer sittlichen Pflicht iSd § 785 Abs 3 ABGB (AS 13 = S 7 der ON 2). Zwischen 1999 und 2003 (Ableben der Eltern) habe sie vom Vater mehrere Sparbücher mit einem Einlagestand von insgesamt ca 80.000 EUR zur Abdeckung aller ihr entstandenen Aufwendungen, aber auch zur Abgeltung ihrer Mühen und Fürsorge erhalten. Ihr Vater habe eine Pension von ca 60.000 EUR netto jährlich bezogen; dazu seien Pflegegelder der Eltern zwischen 1999 und 2003 von insgesamt ca 40.000 EUR gekommen, sodass der Vater keineswegs sein Stammvermögen habe schmälern müssen, um die Sparbücher zu dotieren (AS 41/42 = S 13/14 der ON 9). In den Jahren 2000 bis 2003 habe ihr der Vater sechs Sparbücher mit einem Gesamtwert von 81.861,18 EUR zugewendet; in den ca 3 ½ Jahren seien an ihn etwa 210.000 EUR an Pension und etwa 40.000 EUR an Pflegegeld (für beide Eltern) ausbezahlt worden, sodass die Sparbücher nicht einmal ein Drittel seiner laufenden Einkünfte dargestellt haben, wodurch sein Stammvermögen nicht geschmälert worden sei (AS 91/92 = S 9/10 der ON 15).

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Leistung von 2.500 EUR aus der Verlassenschaft nach der Mutter, während es einen Ergänzungsanspuch des Klägers aufgrund von Schenkungen des Vaters an die Beklagte verneinte, weil diese mangels Schmälerung seines Stammvermögens nicht anrechenbar seien. Es ging dabei ua davon aus, die Beklagte habe selbst vorgebracht, beide Eltern haben ihr das Pflegegeld für die übernommene Pflegeleistung überlassen. Weiters stellte es fest, darüber hinaus habe der Vater der Beklagten in den Jahren 2000 bis 2003 insgesamt 6 Sparbücher im Gesamtwert von 81.861,18 EUR übergeben. Die Sparbücher seien über einen Abschöpfungsauftrag regelmäßig bedient und nach Erreichen eines Guthabens von etwa 13.000 EUR der Beklagten übergeben worden (Ersturteil S 11).

Beide Seiten erhoben dagegen Berufungen mit Tatsachen- und Rechtsrügen. Während der Kläger nur die letztgenannte Feststellung anfocht und eine Negativfeststellung dazu anstrebte, wendete sich die Beklagte gegen die Annahme des Erstgerichts, die Beklagte habe zusätzlich zu den Sparbüchern das Pflegegeld erhalten, die Sparbücher seien vielmehr auch aus dem Pflegegeld dotiert worden. Das Berufungsgericht gab beiden Berufungen Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte es für zulässig. Es ging - vom vorliegenden Rekurs unbeanstandet - von einem Begründungsmangel des Ersturteils aus, weil die Annahme des Erstrichters, die Beklagte habe in ihrem Vorbringen zugestanden, auch das Pflegegeld erhalten zu haben, nicht eindeutig zutreffe. Daher fehle eine ausreichende Begründung für diese wesentliche „Feststellung", was zur Aufhebung zwecks Anleitung der Beklagten zur Präzisierung ihres Vorbringens führen müsse. Die Rechtsansicht des Erstgerichts, die der Beklagten überlassenen Sparbücher würden aus Einkünften ohne Schmälerung des Stammvermögens iSd § 785 Abs 3 erster Fall ABGB stammen, sei nicht zu beanstanden. Allein die Tatsache, dass Einkünfte iSd genannten Bestimmung teilweise auf Sparbücher eingezahlt worden seien, führe noch nicht zu einer Verschmelzung dieser Ersparnisse mit dem Stamm des Vermögens, weil offensichtlich eine auf Dauer gerichtete Zuführung dieser Ersparnisse in das Vermögen der Eltern nie beabsichtigt gewesen sei. Die weiteren Sachgeschenke haben aber bereits zum Vermögensstamm des Vaters gezählt, weil sie offensichtlich schon seit geraumer Zeit vorhanden gewesen und nicht aus laufenden Erträgnissen in der Absicht angeschafft worden seien, sie der Beklagten zuzuwenden. Diese Schenkungen werde das Erstgericht daher zu berücksichtigen haben. Auf die vom Kläger angeführten Schenkungen der Mutter an die Beklagte könne vorerst nicht eingegangen werden, weil eine Schenkung der Pflegegelder von 40.000 EUR zusätzlich zu den der Beklagten geschenkten Sparbüchern nicht zweifelsfrei feststehe. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zur Frage, ab welchem Zeitpunkt dem Erblasser zugeflossene, auf ein Sparbuch eingezahlte Einkünfte noch als solche iSd § 785 Abs 3 erster Fall ABGB anzusehen oder dem Stamm des Vermögens zuzurechnen seien, eine oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht vorliege.

Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers, der der Begründung des Berufungsgerichts zur Zulässigkeit des Rekurses beitritt, jedoch ausschließlich dessen - wie der Kläger meint bindende - Rechtsansicht bekämpft, dass die der Beklagten überlassenen Sparbücher aus Einkünften iSd § 785 Abs 3 erster Fall ABGB stammten, und den Antrag enthält, die Aufhebung des Urteils mit der Maßgabe zu bestätigen, dass die der Beklagten überlassenen Sparbücher nicht gemäß § 785 Abs 3 erster Fall ABGB von der Anrechnung als Schenkung befreit seien. Mit ihrer Rekursbeantwortung macht die Beklagte sowohl die mangelnde Zulässigkeit als auch die fehlende Berechtigung des Rekurses geltend.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus folgenden Gründen -ungeachtet des nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) - nicht zulässig:

1. Die vom Berufungsgericht als erheblich angesehene Frage stellt sich im vorliegenden Verfahren nicht. Der Kläger hat nämlich nie behauptet oder die Rechtsansicht vertreten, die auf den (später der Beklagten übergebenen) Sparbüchern angelegten Beträge würden schon zum Stamm des Vermögens des (späteren) Erblassers gezählt haben. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt aber nicht vor, wenn Fragen bloß rein theoretischer Natur gelöst werden sollen (RIS-Justiz RS0111271) und die Entscheidung damit von der Lösung der angeführten Rechtsfrage nicht abhängt (RIS-Justiz RS0088931).

2. Den Parteien steht der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss nicht nur dann zu, wenn sie die Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung bekämpfen, sondern auch dann, wenn sie lediglich die dem Erstgericht erteilten Aufträge und Bindungen anfechten (RIS-Justiz RS0007094 [T2], RS0043817 [T2]). Die Bindung an eine in einem Aufhebungsbeschluss eines Rechtsmittelgerichts ausgeführte Rechtsansicht besteht aber nur insoweit, als diese Ausführungen für die Aufhebung maßgebend waren. Eine bloße Hilfsbegründung, die zur Begründung der Aufhebung nicht erforderlich ist, bindet das Erstgericht jedoch nicht (RIS-Justiz RS0110248, RS0042271). Die die Aufhebung des Ersturteils tragende Begründung des Berufungsgerichts liegt darin, dass das Erstgericht zu Unrecht ein Geständnis der Beklagten betreffend die von ihrem Vater erhaltenen Zuwendungen angenommen habe, obwohl dazu widersprüchliches Vorbringen von der Beklagten erstattet worden sei, was einer Erörterung durch das Erstgericht bedurft hätte. Die im vorliegenden Rekurs bekämpfte (im Übrigen ohne jede Auseinandersetzung mit den Argumenten der Berufung des Klägers geäußerte) Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die der Beklagten überlassenen Sparbücher stammten aus Einkünften iSd § 785 Abs 3 erster Fall ABGB, steht mit der Aufhebung des Ersturteils in keinem Zusammenhang. Sie bindet daher das Erstgericht in keiner Weise. Da der Kläger aber der Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung gar nicht entgegen tritt, rechtfertigt die vom Berufungsgericht ausgesprochene Rechtsmeinung deren Bekämpfung mit dem vorliegenden Rekurs nicht.

3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit eines Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RIS-Justiz RS0123222 [T4]; 9 Ob 9/08a). Die Rekursgegnerin hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses ausdrücklich hingewiesen.

Anmerkung

E915509Ob29.08t

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0090OB00029.08T.0804.000

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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