TE OGH 2010/4/20 5Ob22/10m

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Veröffentlicht am 20.04.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. Erich H*****, und 2. Helmut B*****, beide vertreten durch Martin Gruber, Verein Mieter informieren Mieter, 1150 Wien, Löhrgasse 13/20, gegen die Antragsgegnerin D***** AG Gemeinnützige Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Thomas Furherr, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 22 Abs 1 Z 6c WGG, infolge des Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. September 2009, GZ 39 R 209/09p-52, womit infolge Rekurses der Antragsteller der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 17. März 2009, GZ 8 Msch 8/06a-43, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs der Antragsteller wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller sind schuldig, der Antragsgegnerin deren mit 492,56 EUR bestimmte Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 82,09 EUR USt und 1,80 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht hat zwar den Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung für zulässig erklärt, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Bekämpfbarkeit von Zinsvereinbarungen einer gemeinnützigen Bauvereinigung in Form eines fix steigenden Kletterzinssatzes fehle, doch liegen entgegen diesem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) - Ausspruch die Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht vor.

Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 71 Abs 3 letzter Satz AußStrG):

Mit ihrem verfahrenseinleitenden Antrag machen die Antragsteller als Nutzungsberechtigte der Antragsgegnerin gegen diese eine offenkundige Unangemessenheit von Zinssatzvereinbarungen iSd § 14 Abs 1 Z 2 WGG geltend. Nach dieser Gesetzesstelle darf nämlich den Nutzungsberechtigten als Teil des Entgelts unter anderem nur die aufgrund des Schuldscheins vorzunehmende angemessene Verzinsung der Fremdmittel einschließlich der Darlehen aus öffentlichen Mitteln angerechnet werden.

Übereinstimmung besteht in Lehre und Rechtsprechung dahin, dass auch vor Inkrafttreten der WRN 1999 nur die Überwälzung von „angemessenen“ Zinsen für Fremdmittel gesetzlich zulässig war (vgl 5 Ob 6/03y = SZ 2003/34 = wobl 2004/41 [insoweit zustimmend Vonkilch und Würth]; RIS-Justiz RS0118032; RS0118033). Weil es bei der hier maßgeblichen Darlehensaufnahme zufolge des durch das LGBl 1995/28 dem § 2 angefügten Abs 3a der Neubauverordnung zum WWFSG keine förderungsrechtliche Zinssatzbegrenzung gab, welcher Umstand von den Revisionsrekurswerbern auch ausdrücklich zugestanden wird, kann eine Auseinandersetzung mit der Kritik von Vonkilch (WGG: In welchem Umfang ist eine nachträgliche Änderung der Fremdmittelverzinsung zulässig? wobl 2005, 257) und Würth (Einige Streitfragen aus dem Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht, wobl 2007, 121) mit der in 5 Ob 6/03y beurteilten Definition der Angemessenheit hier unterbleiben.

Auch zum rechtlichen Charakter des § 13 Abs 2 ERVO (idF BGBl 2001/30) muss nicht Stellung bezogen werden, weil dieser dem Normenbestand jedenfalls nicht vor dem 1. 1. 2001 angehörte (vgl Vonkilch aaO; § 21 Abs 5 leg cit).

Die Angemessenheitsprüfung erfolgt daher durch einen Vergleich mit den am Kapitalmarkt orts- und marktüblichen Konditionen (vgl Vonkilch aaO, Würth aaO).

Dass die Revisionsrekurswerber mit ihren Ausführungen dennoch eine Orientierung an Förderungsvorschriften, die Zinsbeschränkungen enthalten, anstreben, steht in unmittelbarem Gegensatz zur oben bezeichneten Verordnung der Wiener Landesregierung (LGBl 1995/28), die mit § 2 Abs 3a ausdrücklich normiert, dass bei Inanspruchnahme eines Darlehens, das gemäß Abs 3 Z 6 abgestattet wird und dessen Gesamtlaufzeit nicht mehr als 30 Jahre beträgt (wie das verfahrensgegenständliche Darlehen), Abs 3 Z 4 und 5 leg cit, die bestimmte Höchstzinssätze normieren, nicht anzuwenden sind.

Es stellt keine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG dar, dass im Fall ausdrücklich angeordneter Nichtanwendbarkeit gesetzlicher Förderungsbestimmungen diese nicht - und damit auch nicht über die Ratio des Kostendeckungsprinzips des WGG - anzuwenden sind.

Soweit der Revisionsrekurs maßgebliche Feststellungen über die am Kapitalmarkt orts- bzw marktüblichen Konditionen bekämpft, insbesondere die Angemessenheit eines Zinszuschlags von 2,75 % anstelle der von den Antragstellern gewünschten 0,5 % zum Emissionszinssatz der Bundesanleihen, ist klarzustellen, dass eine Bekämpfung von Tatsachenfeststellungen im Revisionsrekursverfahren unstatthaft ist. Auch im Außerstreitverfahren ist der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz (vgl RIS-Justiz RS0108449 [T1; T2 ua]).

Die erstmals im Revisionsrekursverfahren aufgestellte Behauptung über eine iSd § 23 Abs 1a WGG relevante Unkündbarkeit bzw fehlende vorzeitige Rückzahlbarkeit des Kredits scheitert am herrschenden Neuerungsverbot (vgl RIS-Justiz RS0070485 [T2]; RS0070471 [T3]; RS0119918).

Abgesehen davon steht ohnedies fest, dass die Antragsgegnerin am 26. 7. 1999 eine Reduktion des Vertragszinssatzes erwirkte und ab 2013 eine Zinsobergrenze vereinbart wurde (vgl die aufgrund einer Beweiswiederholung in der mündlichen Rekursverhandlung gewonnene Feststellung S 5 der Rekursentscheidung).

Wenn bei der Ermittlung der jeweils durchschnittlichen nominellen Zinssätze der Bundesanleihen nicht ausschließlich solche von mehr als 10-jähriger Dauer, sondern auch solche mit kürzerer Laufzeit herangezogen wurden, ist den Vorinstanzen jedenfalls kein gravierender Ermessensfehler unterlaufen, der eine erhebliche Rechtsfrage bilden könnte (vgl RIS-Justiz RS0121220; RS0040494; RS0007104). Abgesehen davon schlägt dies als Rechnungsgrundlage nicht zum Nachteil der Antragsteller aus, wie der Anlage I zum erstinstanzlichen Sachbeschluss entnommen werden kann. Bei Laufzeiten mit über 10 Jahren sind nämlich stets höhere Nominalzinssätze verzeichnet, sodass sich zu Gunsten der Antragsteller bei einer Querschnittsbetrachtung auch unter Berücksichtigung der Anleihen auch mit kürzerer Laufzeit niedrigere Zinssätze errechnen.

Dass Kletterdarlehen mit fixer Verzinsung nicht branchenunüblich waren, hat das Rekursgericht festgestellt (vgl S 12 der Rekursentscheidung).

Dass Fixzinsvereinbarungen zwischen einer Gemeinnützigen und ihren Darlehensgebern nicht jedenfalls unzulässig und daher bereits unangemessen iSd § 14 Abs 1 Z 2 WGG sind, hat der erkennende Senat bereits ausgesprochen (vgl 5 Ob 87/05p = wobl 2006/82).

Die vom Rekursgericht als erheblich angesehene Frage der Bekämpfbarkeit von Zinsvereinbarungen in Form fix steigender Kletterzinssätze wird im Revisionsrekurs auch nicht weiter ausgeführt.

Insgesamt werden daher im Revisionsrekurs keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufgezeigt.

Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 22 Abs 4 WGG.

Schlagworte

8 außerstreitige Wohnrechtssachen,

Textnummer

E93947

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0050OB00022.10M.0420.000

Im RIS seit

19.06.2010

Zuletzt aktualisiert am

14.06.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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