TE AsylGH Erkenntnis 2011/03/24 E6 417858-1/2011

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Veröffentlicht am 24.03.2011
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Spruch

E6 417.858-1/2011-5E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Habersack als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Kloibmüller als Beisitzerin über die Beschwerde des XXXX, StA. Türkei, vertreten durch Dr. Habersack Josef, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.01.2011, Zl. 10 10.475-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.1.Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

I.1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei türkischer Abstammung und alevitischen Glaubens, reiste am 05.11.2010 illegal nach Österreich ein und stellte in der Folge am 09.11.2010 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Er wurde hiezu am 09.11.2010 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der PI Traiskirchen erstbefragt. Im Wesentlichen führte er dort aus, dass er die Türkei wegen des in seinem Gebiet herrschenden Terrors und der damit im Zusammenhang stehenden ständigen Kontrollen durch das Militär oder durch Terroristen sowie wegen des bevorstehenden Militärdienstes verlassen habe. Er wolle seinen Militärdienst nicht ableisten, weil er der einzige Sohn seiner Familie sei.

 

Am 27.12.2010 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen, wo er zusammengefasst ausführte, dass er am 03.11.2010 die Türkei verlassen habe. Er sei türkischer Abstammung und alevitischen Glaubens.

 

Der Beschwerdeführer sei in XXXX geboren und aufgewachsen. Er habe dort die Schule besucht und habe den Beruf des Friseurs gelernt. Der Beschwerdeführer habe im Heimatdorf gemeinsam mit seinen Eltern und seinen beiden Geschwistern in einem Haushalt gelebt. Er sei nicht verheiratet und kinderlos. Er habe in XXXX, in XXXX und auch in XXXX als Friseur gearbeitet. Nebenbei habe er in der elterlichen Landwirtschaft mitgearbeitet.

 

In der Türkei seien nach wie vor die Eltern des Beschwerdeführers und seine zwei Schwestern aufhältig.

 

In Österreich habe der Beschwerdeführer keine Familienangehörige oder Verwandte.

 

Zu seinem Ausreisegrund wurde vom Beschwerdeführer zusammengefasst ausgeführt, dass er wegen seines alevitischen Glaubens keine Probleme in der Türkei gehabt habe. Es habe zwar hin und wieder Streitgespräche gegeben, mehr sei nicht vorgefallen. Der bevorstehende Militärdienst sei der einzige Grund gewesen, weshalb er die Türkei verlassen habe. Er wolle seinen Militärdienst nicht ableisten, weil er der einzige Sohn seiner Eltern sei. Zudem befürchte er, dass er im Osten der Türkei eingesetzt werden würde und an einem Kampfeinsatz teilnehmen müsste. Im Falle einer Rückkehr in die Türkei befürchte der Beschwerdeführer, dass er sofort zum Militär einrücken müsse.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.01.2011, Zl. 10 10.475-BAG, wurde der Antrag auf internationalen Schutz in Spruchteil I unter Berufung auf § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen; in Spruchteil II wurde gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen; in Spruchpunkt III wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen.

 

Das Bundesasylamt traf darin aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben zur allgemeinen Lage in der Türkei insbesondere zum Wehrdienst.

 

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass auf Grund des Vorbringens von einer Verfolgung in der Türkei nicht ausgegangen werden könne. Auch die behauptete Rückkehrbefürchtung des Beschwerdeführers (Einberufung zum Militärdienst) vermochte nicht glaubwürdig dargebracht zu werden und würde sich lediglich auf vage Vermutungen stützen.

 

Der Beschwerdeführer verfüge über ausreichende soziale bzw familiäre Anknüpfungspunkte in der Türkei und es sei ihm zuzumuten, durch eigene Arbeitsleistung für seinen Unterhalt zu sorgen. Des Weiteren würden in der Türkei keine solchen Verhältnisse herrschen, die dazu führen würden, einem realen Risiko im Sinne des Art 2 oder 3 EMRK unterworfen zu werden.

 

Hinsichtlich Art 8 EMRK wurde ausgeführt, dass keine Familienangehörige oder Verwandte des Beschwerdeführers in Österreich aufhältig seien, weshalb von einem Eingriff in ein Familienleben nicht auszugehen sei. Hinsichtlich des Privatlebens wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keiner Arbeit in Österreich nachgehen würde, keinen Deutschkurs besuche und sich keine Anhaltspunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen ergeben hätten. Es sei davon auszugehen, dass aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich und mangels Vorliegens sonstiger Anknüpfungspunkte ein schützenswertes Privatleben nicht entstanden sei. In einer Gesamtabwägung kam das Bundesasylamt zum Ergebnis, dass der Eingriff in das Privat- und Familienleben gerechtfertigt sei.

 

I.1.2. Gegen diesen am 01.02.2011 dem Beschwerdeführer ordnungsgemäß durch Hinterlegung zugestellten Bescheid wurde mit Schriftsatz seines nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertreters am 12.02.2011 fristgerecht Beschwerde erhoben.

 

Begründend wurde im Wesentlichen das Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt wiederholt und apodiktische behauptet, dass der Beschwerdeführer Flüchtling iSd GFK sei. Zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Türkei als Soldat gegen die PKK kämpfen müsse, hätte das Bundesasylamt Erhebungen vor Ort einholen und im Rechtshilfeweg die Eltern und die Schwestern des Beschwerdeführers befragen müssen. Weiters hätte das Bundesasylamt den Beschwerdeführer darüber aufklären müssen, dass er das Recht habe, Beweismittel vorzulegen und hätte man ihm dafür eine bestimmte Frist einzuräumen müssen. Da der Beschwerdeführer bisher keine strafbaren Handlungen in Österreich gesetzt habe, hätte man ihn auch nicht aus dem österreichischen Bundesgebiet ausweisen dürfen.

 

I.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens

 

I.2.1. Beweisaufnahme

 

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

 

Einsicht in den dem Asylgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakt des Bundesasylamtes, beinhaltend unter anderem die Niederschriften der Erstbefragung und der Einvernahme vor dem Bundesasylamt sowie die Beschwerde des Beschwerdeführers;

 

Einsicht in die vom Bundesasylamt in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers, die dem Asylgerichtshof von Amts wegen vorliegen;

 

I.2.2. Sachverhalt

 

Der Asylgerichtshof geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Türkei, türkischer Abstammung und alevitischen Glaubens. Er wurde in XXXX geboren und ist dort auch aufgewachsen. Er besuchte dort die Schule und hat den Beruf des Friseurs erlernt. Der Beschwerdeführer hat im Heimatdorf gemeinsam mit seinen Eltern und seinen beiden Schwestern in einem Haushalt gelebt. Er ist nicht verheiratet und kinderlos. Er hat in XXXX, in XXXX und auch in XXXX als Friseur gearbeitet. Nebenbei hat er in der elterlichen Landwirtschaft mitgearbeitet.

 

In der Türkei sind nach wie vor die Eltern des Beschwerdeführers und seine zwei Schwestern aufhältig.

 

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Familienangehörige oder Verwandte.

 

Der Beschwerdeführer lebt gemeinsam mit einem aus XXXX stammen den Freund in einer Wohnung, geht keiner Beschäftigung in Österreich nach und hat noch keinen Deutschkurs besucht.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in der Türkei eine asylrelevante - oder sonstige - Verfolgung oder Strafe maßgeblicher Intensität oder die Todesstrafe droht oder dem Beschwerdeführer in der Türkei die Existenzgrundlage völlig entzogen wäre. Es ergaben sich auch nach Prüfung gemäß Art. 8 EMRK im vorliegenden Fall keine gegen die vorgesehene Ausweisung bestehenden Hinderungsgründe.

 

I.3. Beweiswürdigend wird ausgeführt:

 

I.3.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt in Zusammenschau mit der Beschwerde.

 

Das Bundesasylamt hat ein mängelfreies ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst.

 

Die belangte Behörde ist zu Recht davon ausgegangen, dass asylrelevante Gründe und Gründe, die eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat unzulässig machen würden, nicht vorliegen. Der Asylgerichtshof schließt sich den diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde im gegenständlich angefochtenen Bescheid aus folgenden Erwägungen an:

 

I.3.2. Die Beschwerde hält der substantiierten und schlüssigen Beweiswürdigung der Erstbehörde in Bezug auf die fehlenden Fluchtgründe des Beschwerdeführers nichts Substantiiertes entgegen.

 

Im Einzelnen wurde vom Bundesasylamt dazu ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer bei der Begründung seines Antrages auf internationalen Schutz einzig auf die bevorstehende Einberufung zum Militärdienst gestützt habe. Dieses Vorbringen sei nicht asylrelevant. Diesbezüglich wurde auch ausgeführt, dass auch eine mögliche - wenn auch unwahrscheinliche - Heranziehung zur Terrorismusbekämpfung nicht zur gegenteiligen Annahme führen würde, da sich aus dem festgestellten Sachverhalt nicht ableiten habe lassen, dass hierbei die Auswahl der Personen nach einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Motiv in dem Sinne erfolgen würde, dass Angehörige mit ihrem sozio-geographischen Hintergrund (wobei es sich beim Beschwerdeführer um einen ethnischen Türken aus Ostanatolien handeln würde) in einem höheren Maße potentiell davon betroffen seien, gegen ihren Willen zu einem derartigen Einsatz herangezogen zu werden, als sonstige türkische Staatsangehörige. Der Kampf gegen die PKK werde im Wesentlichen von Spezialeinheiten getragen. Seit 2008 würden diesen Kommandobrigaden keine Grundwehrdiener mehr zugeteilt werden. Diese Einheiten würden nur mehr aus Berufssoldaten bzw. zeitverpflichteten Soldaten bestehen.

 

Die Beschwerde vermochte die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes nicht in Zweifel zu ziehen. Im Wesentlichen wurde das erstinstanzliche Vorbringen lediglich widerholt. Apodiktisch wurde weiters ausgeführt, dass der Beschwerdeführer Flüchtling iSd GFK sei. Zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Türkei als Soldat gegen die PKK kämpfen müsse, hätte das Bundesasylamt Erhebungen vor Ort einholen und im Rechtshilfeweg die Eltern und die Schwestern des Beschwerdeführers befragen müssen. Weiters hätte das Bundesasylamt den Beschwerdeführer darüber aufklären müssen, dass er das Recht habe, Beweismittel vorzulegen und hätte man ihm dafür eine bestimmte Frist einzuräumen müssen. Da der Beschwerdeführer bisher keine strafbaren Handlungen in Österreich gesetzt habe, hätte man ihn auch nicht aus dem österreichischen Bundesgebiet ausweisen dürfen.

 

Die beweiswürdigenden Ausführungen des Bundesasylamtes waren schlüssig und nachvollziehbar und die Beschwerde in ihrer Oberflächlichkeit nicht geeignet, diese in Zweifel zu ziehen. Des Weiteren ist wie folgt im Einzelnen auszuführen:

 

Soweit sich der Beschwerdeführer auf die allgemeine Situation von Personen alevitischen Glaubens in der Türkei bezieht, so vermochte er keine individuelle und aktuelle asylrelevante Verfolgung darzulegen. Dazu ist auszuführen, dass sich aus den die Türkei betreffenden Länderberichten ergibt, dass die vorgefallenen Übergriffe auf Aleviten zu keiner Zeit ein solches Ausmaß angenommen und - auch unter Berücksichtigung anderer weniger gravierender Ausschreitungen - eine solche Häufigkeit aufgewiesen haben, dass angesichts der Größe der betroffenen Bevölkerungsgruppe davon auszugehen wäre, Aleviten müssten in der Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen staatlicher Organe oder ihnen zuzurechnender Übergriffe anderer Bevölkerungsgruppen rechnen. Vor diesem Hintergrund vermag der Beschwerdeführer den Asylgerichtshof nicht davon zu überzeugen, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung aufgrund seines Glaubens ausgesetzt sei. Weiters ist ergänzend auszuführen, dass von diesen Diskriminierungen alle in der Türkei lebenden Menschen alevitischen Glaubens im gleichen Ausmaß betroffen sind und in diesem Zusammenhang von einer asylrelevanten Verfolgung nicht ausgegangen werden kann.

 

Hinsichtlich der Weigerung des Beschwerdeführers, den Wehrdienst in der Türkei abzuleisten, ist auszuführen, dass dem Bundesasylamt zu folgen ist, wenn es ausführt, dass diesem Vorbringen keine Asylrelevanz zukommt.

 

Ergänzend sei in diesem Zusammenhang noch ausgeführt, dass, sofern der Beschwerdeführer zum Ausdruck bringt, dass ihm Misshandlungen und Repressalien beim Militär drohen würden, so finden diese Ausführungen keine Deckung in der festgestellten Situation der Wehrdienstpflichtigen in der Türkei; eine systematische Diskriminierung von Kurden oder Aleviten konnte nicht festgestellt werden. Insofern sich der Beschwerdeführer auf einen möglichen Kampfeinsatz allenfalls gegen kurdische Volksgruppenangehörige bzw. gegen die PKK berufen mag, ist ihm zu entgegnen, dass derzeit bewaffnete Kampfhandlungen nur in geringerem Umfang stattfinden und Rekruten überdies in der Regel abseits ihres Heimatgebietes eingesetzt werden. Eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer zum Kampf gegen die PKK eingesetzt wird, ist demnach nicht gegeben (gemäß dem Bericht des Auswärtigen Amtes erfolgt in der Regel ein Einsatz für alle Wehrdienstleistenden in gewisser Entfernung vom Wohnort). Auch ergibt sich aus den nunmehr dem Verfahren zugrunde gelegten Feststellungen, dass die Auswahl des Einsatzortes per Computer nach dem Zufallsprinzip erfolgt und kann daher diesem Vorbringen kein Erfolg zukommen.

 

Darüber hinaus ist es dem Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Militärdienst nicht gelungen, eine gezielt und konkret gegen ihn gerichtete, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretende, Asylrelevanz erreichende Verfolgung in Form von Misshandlungen oder Verwendungen im Rahmen der Ableistung des Militärdienstes oder des Strafvollzuges darzutun. Auch von Amts wegen existieren keine aufzugreifenden Anhaltspunkte dafür, dass gerade der Beschwerdeführer bei der Ableistung seines Militärdienstes oder der Abbüßung einer Haftstrafe wegen Wehrdienstverweigerung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit solchen Situationen ausgesetzt wäre.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Furcht vor Verfolgung im Fall der Wehrdienstverweigerung oder Desertion jedoch nur dann als asylrechtlich relevant anzusehen, wenn der Asylwerber hinsichtlich seiner Behandlung oder seines Einsatzes während dieses Militärdienstes im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt würde oder davon auszugehen sei, dass dem Asylwerber eine im Vergleich zu anderen Staatsbürgern härtere Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung drohe (Verstärkter Senat des VwGH vom 29.06.1994, Slg Nr. 14.089/A; VwGH vom 21.08.2001, 98/01/0600). Bei der rechtlichen Beurteilung des zugrunde liegenden Sachverhaltes kommt es auf die Grundsätze an, die der Verwaltungsgerichtshof auf dem Boden der bestehenden Rechtslage insbesondere in dem Erkenntnis eines verstärkten Senates zur Zl. 93/01/0377 niedergelegt hat, wobei sich seine dabei zum Ausdruck kommende Rechtsansicht nur zum Teil mit der vom UNHCR (Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft) vertretenen Auffassung deckt (VwGH 20.12.1995, 95/01/0104). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht der Entscheidungspraxis in Deutschland, welche aufgrund der notorisch bekannten Vergemeinschaftung nicht als gänzlich unbeachtlich angesehen werden kann (vgl. Übersicht zur deutschen und schweizerischen Rechtssprechung in hg. Erkenntnis vom 12.04.2010, E3 319.230).

 

Eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung wird in diesem Sinne grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen (VwGH vom 30. November 1992, Zl. 92/01/0718; 21. April 1993, Zlen. 92/01/1121, 1122). Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch in Fällen vertreten, in denen in den betroffenen Heimatstaaten Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben (vgl. VwGH 30. November 1992, Zl. 92/01/0789, betreffend Somalia, und Zl. 92/01/0718, betreffend Äthiopien, vom 8. April 1992, Zl. 92/01/0243, vom 16. Dezember 1992, Zl. 92/01/0734, und vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/0784, alle betreffend die frühere Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien).

 

In diesem Zusammenhang ist noch ergänzend festzuhalten, dass der Beschwerdeführer auch nicht darzulegen vermochte, inwieweit er eine Gesinnung vertrete, die ihm eine Ableistung des Wehrdienstes unzumutbar mache. Das Vertreten einer allgemeinen pazifistischen Gesinnung und das Ablehnen von Gewalt im Allgemeinen ist zu wenig, weil dies letztlich nichts anderes besagt, als dass der Beschwerdeführer dem Grunde nach den Frieden bzw. friedliche Konfliktbereinigung dem Krieg vorzieht, wie dies die überwiegende Mehrzahl von Menschen und wohl auch ein überwiegender Teil von Grundwehrdienern vertritt (dazu bereits AsylGH 17.03.2009, E3 318.536-1/2008-7E; 17.02.2010, E1 312.233; in diesen Fällen hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde bereits mit Beschluss abgelehnt, VfGH 27.04.2009, U 1060/09-3; 26.04.2010, U 766/10-3).

 

Außerdem hat die Relevierung des Themas der "Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen" an sich schon keinerlei Einfluss auf gegenständliche Entscheidung, da der türkische Staat den Tatbestand "Wehrdienstentziehung" einheitlich nach dem Militärstrafgesetz ahndet und damit grundsätzlich zwischen der Gruppe "Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen, welche den Militärdienst noch nicht angetreten haben" und jener der bloß "Wehrdienstflüchtigen" (Wehrpflichtige, die sich dem zukünftigen Antritt des Wehrdienstes in irgendeiner Weise entzogen haben) nicht unterscheidet (vgl. auch AsylGH vom 14.01.2010, E7 241.551-0/2008-18E). Dass es in der Türkei keinen Wehrersatzdienst gibt, stellt per se noch kein asylrelevantes Vorbringen im Sinne der GFK dar. So ist in Art. 4 Abs. 3 lit. b EMRK lediglich festgehalten, dass jede Dienstleistung militärischen Charakters, - oder im Falle der Verweigerung aus Gewissensgründen in Ländern, wo diese als berechtigt anerkannt ist, eine sonstige anstelle der militärischen Dienstpflicht tretende Dienstleistung - nicht als "Zwangs- oder Pflichtarbeit" gilt. Eine Verpflichtung zur Erlassung von Regelungen betreffend einem Ersatzdienst (Zivildienst) bzw. eine "Verpflichtung zur Anerkennung einer Verweigerung aus Gewissensgründen" gibt es somit grundsätzlich nicht für die Mitgliedstaaten (vgl. aber Wehrpflicht iZm Art. 9 EMRK).

 

Die Verurteilung der Türkei durch den Europäischen Gerichthof (Ülke vs. Türkei vom 24.01.2006, BeschwerdeNr. 39437/98, NL 2006, 23) wurde von diesem nicht im Zusammenhang mit Verfolgungs- oder Asylgründen getroffen. In diesem Fall hat vielmehr der damalige Präsident der Izmirer Vereinigung von Kriegsgegnern, Ülke, öffentlich auf einer Pressekonferenz seinen Einberufungsbefehl verbrannt und sich damit aufgrund seiner pazifistischen Einstellung geweigert, den Militärdienst abzuleisten. Nach seiner Verurteilung zu einer sechsmonatigen Haftstrafe im Jänner 1997 trat Ülke den Militärdienst an, verweigerte aber regelmäßig die Ausführung von Befehlen sowie das Tragen einer Uniform. Aufgrund dessen (Befehlsverweigerung) wurde er zwischen März 1997 und November 1998 achtmal verurteilt.

 

Dazu hat der EGMR ausgeführt, dass "zahlreichen Strafverfolgungen, der damit zusammenhängende kumulative Effekt der verhängten strafrechtlichen Sanktionen und der beständige Wechsel von Anklage und Haftstrafe, zusammen mit der Möglichkeit, für den Rest seines Lebens strafrechtlich verfolgt zu werden, als Sanktionen wegen der Verweigerung des Wehrdienstes unverhältnismäßig zum gesetzlich verfolgten Ziel der Gewährleistung der Ableistung des Wehrdienstes sind."

 

Weiters wurde festgestellt, dass Ülke durch den türkischen Staat im Rahmen seiner Behandlung im Zuge von mehreren Verurteilungen wegen Wehrdienstverweigerung schwere Schmerzen und Leiden zugefügt wurden, welche über das übliche Maß an Demütigungen, welche einer Verurteilung und Haft innewohnen, hinausgegangen sind. In Summe haben diese Handlungen des Staates zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK geführt, und wurde weiters ausgeführt, dass das derzeitige Sanktionssystem in der Türkei im Falle der Wehrdienstverweigerung ungeeignet ist, um Situationen wie denen im Fall Ülke gerecht zu werden. Keinesfalls wurde mit dieser Entscheidung der Türkei auferlegt, damit etwas am grundsätzlich verpflichtenden Wehrdienstwesen zu ändern bzw. wurde auch die Möglichkeit, den Zivildienst abzulegen, nicht als verpflichtend einzurichtendes Institut angesehen. Damit hält der EGMR im Urteil Ülke vs. Türkei nur fest, dass eine übermäßig strenge Strafe eine erniedrigende Behandlung darstellen und zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen kann und stellt damit fest, dass der gesetzliche Rahmen in der Situation des Ülke nicht tauglich war und keine angemessenen Mittel zur Verfügung stellte.

 

Allein die Furcht vor Ableistung des Militärdienstes stellt somit grundsätzlich keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dar; ebenso wenig wie eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes oder wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung. Dass der Beschwerdeführer als Alevite aus diesem Grund einer Diskriminierung ausgesetzt sein würde, wurde weder vom Beschwerdeführer selbst noch in der Beschwerde dargelegt.

 

Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, Erhebungen in der Türkei durchzuführen, vermag an der angefochtenen Entscheidung des Bundesasylamtes nichts zu ändern. Vom Bundesasylamt wurde nicht bestritten, dass der Beschwerdeführer wehrpflichtig sei und im Falle einer Rückkehr in die Türkei mit einem Einberufungsbefehl zu rechnen habe. Aus diesem Grund waren im Zusammenhang mit den vom Bundesasylamt getroffenen Feststellungen im Hinblick auf die hohe Berichtsdichte die Türkei betreffend Erhebungen vor Ort nicht erforderlich. Ebenso hätte sich mangels Vorliegens eines Einberufungsbefehles der Einsatzort des Beschwerdeführers während seines Grundwehrdienstes nicht ermitteln lasse, da dieser nach einem Zufallsprinzip nach erfolgter Grundausbildung von den zuständigen Militärbehörden festgelegt wird. Auch aus diesem Grund war auch eine zeugenschaftliche Einvernahme der in der Türkei lebenden Eltern und Schwestern des Beschwerdeführers entbehrlich, da weder die Eltern noch die Schwestern des Beschwerdeführer Auskunft über einen möglichen Einsatzort des Beschwerdeführers während seines Militärdienstes erteilen hätten können. Ebenso würden die beantragten Zeugen nicht bezeugen können, dass der Beschwerdeführer gegen die PKK kämpfen müsste.

 

Auf Basis dieser Umstände sieht auch der Asylgerichtshof keine Notwendigkeit, Erhebungen vor Ort durchführen zu lassen oder die Eltern und Schwestern des Beschwerdeführers zeugenschaftlich zu befragen.

 

Was den allgemein gehaltenen Einwand in gegenständlicher Beschwerde hinsichtlich der unterlassenen Einräumung einer Frist zur Vorlage von Beweismittel betrifft, ist auszuführen, dass in der Beschwerdeschrift keine Beweismittel genannt wurden, die vom Beschwerdeführer in Vorlage gebracht werden würden und wurden der Beschwerde auch keine Beweismittel angeschlossen, weshalb nicht näher darauf einzugehen war.

 

Hinsichtlich der Wiedereinreise in die Türkei ist auszuführen, dass, wenn der türkischen Grenzpolizei bekannt ist, dass es sich um eine abgeschobene Person handelt, diese nach Ankunft in der Türkei einer Routinekontrolle unterzogen wird, die einen Abgleich mit dem Fahndungsregister nach strafrechtlich relevanten Umständen und eine eingehende Befragung beinhalten kann. Abgeschobene können dabei in den Diensträumen der jeweiligen Polizeiwache vorübergehend zum Zwecke einer Befragung festgehalten werden. Das Auswärtige Amt hat in den vergangenen Jahren Fälle, in denen konkret Behauptungen von Misshandlung oder Folter in die Türkei abgeschobener Personen (vor allem abgelehnter Asylbewerber) vorgetragen wurden, im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten durch seine Auslandsvertretungen überprüft. Dem Auswärtigen Amt ist seit Jahren kein einziger Fall bekannt geworden, in dem ein aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückgekehrter abgelehnter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt wurde. Auch die türkischen Menschenrechtsorganisationen haben explizit erklärt, dass aus ihrer Sicht diesem Personenkreis keine staatlichen Repressionsmaßnahmen drohen. Aus diesem Grund geht auch das diesbezügliche Vorbringen ins Leere.

 

I.3.3. Des Weiteren kann auch vom Asylgerichtshof nicht erkannt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in die Türkei einer im Sinne des Art. 2 oder 3 EMRK relevanten Gefährdung ausgesetzt wäre. Diesbezüglich wurde in der Beschwerde auch nichts Qualifiziertes entgegengesetzt.

 

Es kann auch nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Türkei die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, 2003/01/0059, zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK), hat doch der Beschwerdeführer selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihm im Falle einer Rückführung in die Türkei jegliche Existenzgrundlage - im Sinne des bereits zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, 2003/01/0059 - fehlen würde und er in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmittel oder Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, zumal die Eltern und Schwestern des Beschwerdeführers laut seinen Angaben nach wie vor in die Türkei leben und dort über eine gesicherte Existenzgrundlage verfügen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer in die Türkei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit jegliche Arbeitsmöglichkeit versagt bleiben würde, zumal es sich bei seiner Person um einen arbeitsfähigen und gesunden Mann handelt und er durchaus in der Lage war, vor seiner Ausreise einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dem wurde in der Beschwerdeschrift nichts entgegengesetzt.

 

I.3.4. Hinsichtlich Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides (Entscheidung über die Ausweisung gemäß § 10 AsylG) ist auszuführen, dass sich das Bundesasylamt ausführlich und nachvollziehbar mit dem Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auseinandergesetzt hat. In einer Gesamtabwägung kam das Bundesasylamt zum Ergebnis, dass keine Umstände im Fall des Beschwerdeführers vorliegen würden, die eine Ausweisung unzulässig erscheinen lassen würden.

 

Dieser Einschätzung des Bundesasylamtes, dass im konkreten Fall keine Gründe vorliegen würden, die eine Verletzung des Art. 8 EMRK darstellen würden, wurde in der Beschwerde insofern entgegengetreten, indem ausgeführt wurde, dass der Beschwerdeführer in Österreich noch nicht straffällig geworden sei und deswegen eine Ausweisungsentscheidung nicht auszusprechen gewesen wäre.

 

Im gesamten Verfahren ergaben sich keinerlei Sachverhaltselemente, welche besonders im Rahmen der Ausweisung betreffend den Beschwerdeführer im Hinblick auf sein Familien- und Privatleben zu berücksichtigen gewesen wären. Der Beschwerdeführer hält sich erst seit November 2010 in Österreich auf. Sämtliche Familienmitglieder des Beschwerdeführers leben nach wie vor in der Türkei. Eine Entwurzelung der Person des Beschwerdeführers im Hinblick auf seine Heimat Türkei ist nicht erkennbar, zumal hinsichtlich seiner Person keine Hinweise oder Tatbestände hinsichtlich einer Integration in Österreich vorliegen. Er geht hier weder einer Beschäftigung nach noch hat er sich bisher bemüht die deutsche Sprache zu erlernen. Im Zusammenhang mit der illegalen Einreise des Beschwerdeführers in Österreich und seinem erst kurzen Aufenthalt kann von keinem Umstand gesprochen werden, der über einem geordneten Fremdenwesen stehen würde.

 

Aus Sicht des Asylgerichtshofes, ist aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer von keiner Aufenthaltsverfestigung in Österreich auszugehen und ist auch die rechtsmissbräuchliche Antragstellung zu berücksichtigen, sodass daher das öffentliche Interesse an einer Effektuierung der vorliegenden negativen Entscheidung über den Asylantrag, sofern man durch eine Ausweisung überhaupt einen Eingriff in Art. 8 EMRK bejahte (im Sinne von VfGH 29.09.2007, B 1150/07; 01.10.2007, G 179, 180/07 unter Bezugnahme auf Judikatur des EGMR) überwiegt. Die Ausweisung stellt daher keinen unzulässigen Eingriff in eine gemäß der EMRK geschützte Rechtsposition dar.

 

I.3.5. Dem angefochtenen Bescheid ist ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch das Bundesasylamt vorangegangen und schließt sich der Asylgerichtshof aus den oben dargelegten Erwägungen den dort getroffenen Ergebnissen vollinhaltlich an. Für die in der Beschwerde geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Asylgerichtshofes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den in § 39 Abs. 2 und § 45 Abs. 2 AVG normierten Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung und der Erforschung der materiellen Wahrheit entsprochen.

 

So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht durch detaillierte Befragung sowie mehrmalige Belehrung der beschwerdeführenden Partei über ihre Mitwirkungspflichten nachgekommen. Es muss berücksichtigt werden, dass dieser Ermittlungspflicht stets auch die Verpflichtung des Antragstellers gegenüber steht, an der Feststellung des verfahrensrelevanten Sachverhaltes mitzuwirken und ist es nicht der Asylbehörde anzulasten, wenn der Antragsteller von sich aus keinerlei Beweismittel, die seine Behauptungen stützen könnten, in Vorlage gebracht hat.

 

I.3.6. Den vom Bundesasylamt ins Verfahren eingeführten Länderberichten wurde durch die Beschwerde nicht fundiert entgegengetreten bzw wurde die Richtigkeit dieser nicht fundiert in Frage gestellt. Die im Beschwerdeschriftsatz befindlichen Ausführungen waren keinesfalls geeignet, Zweifel an der Objektivität der herangezogenen Quellen aufkommen zu lassen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat in nichtöffentlicher Sitzung erwogen:

 

II.1. Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm. § 23 Abs. 1 AsylGHG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Der Asylgerichtshof ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener des Bundesasylamtes zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

II.2.1. Flüchtling i.S.d. Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262).

 

Aus dem Begriff der Verfolgung wird geschlossen, dass die drohenden Nachteile eine bestimmte Intensität aufweisen müssen. Jedenfalls fallen eine Bedrohung des Lebens oder der Freiheit eines Menschen unter den Begriff der Verfolgung (Art 33 GFK). Minderschwere Eingriffe können in ihrer Gesamtheit einen schweren Eingriff darstellen. Die Verfolgungshandlungen müssen eine massive Bedrohung der Lebensgrundlage darstellen.

 

Der Flüchtlingsstatus des Beschwerdeführers ist daher nur dann zu bejahen, wenn der Beschwerdeführer in objektiv nachvollziehbarer Weise in ihrer speziellen Situation Grund hat, einen ungerechtfertigten Eingriff von erheblicher Intensität in ihre zu schützende persönliche Sphäre zu fürchten (VwGH 14.10.1998, 98/01/0259).

 

Umstände, die sich schon länger vor der Flucht ereignet haben, sind asylrechtlich nicht beachtlich, die Verfolgungsgefahr muss bis zur Ausreise andauern (zB VwGH vom 07.11.1995, 95/20/0025, VwGH vom 10.10.1996, 95/20/0150). Die vom Asylwerber vorgebrachten Eingriffe in seine vom Staat zu schützende Sphäre müssen in einem erkennbaren zeitlichen Zusammenhang zur Ausreise aus seinem Heimatland liegen. Die fluchtauslösende Verfolgungsgefahr bzw. Verfolgung muss daher aktuell sein (VwGH 26.06.1996, Zl. 96/20/0414). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

 

Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (vgl. zur der Asylentscheidung immanenten Prognose VwGH 09.03.1999, 98/01/0318).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung ausgeführt, dass als Fluchtgründe unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes nur solche Maßnahmen in Betracht kommen, die einen weiteren Verbleib im Heimatland aus objektiver Sicht unerträglich erscheinen lassen (VwGH vom 16.09.1992, 92/01/0544, VwGH vom 07.10.2003, 92/01/1015, 93/01/0929, u.a.).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet.

 

II.2.2. Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben. Der Beschwerdeführer vermochte nämlich eine asylrelevante Verfolgung zu keinem Zeitpunkt des Asylverfahrens glaubhaft anzugeben.

 

Sonstige Gründe zum Verlassen des Herkunftsstaates, insbesondere irgendeine staatliche Repression, hat der Beschwerdeführer nicht glaubhaft behauptet. Eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretende Gefährdung im Sinn des Art. 3 EMRK kann demnach nicht erkannt werden.

 

Somit war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

 

II.3.1. Ist ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG dem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 der Konvention bedeuten würde oder für den ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

 

Zur Auslegung des § 8 AsylG iVm § 50 FPG 2005 (Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 1.1.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1.

Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge:

FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verweisen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach ist die Verweisung des Art. 8 Abs. 1 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechenden Bestimmungen" des FPG zu beziehen, das ist § 50 FPG.) ist die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992 und § 57 Fremdengesetz, BGBl I Nr. 126/2002 BGBL, heranzuziehen. Danach erfordert die Feststellung nach dieser Bestimmung das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427, VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028). Im Übrigen ist auch im Rahmen des § 8 AsylG zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Bei der Entscheidungsfindung ist insgesamt die Rechtsprechung des EGMR zur Auslegung der EMRK, auch unter dem Aspekt eines durch die EMRK zu garantierenden einheitlichen europäischen Rechtsschutzsystems als relevanter Vergleichsmaßstab zu beachten. Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom und Henao v. The Netherlands, Unzulässigkeitsentscheidung vom 24.06.2003, Beschwerde Nr. 13669/03).

 

Gemäß der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 10 zweiter Satz AsylG 2005 idF FrÄG 2009, BGBl. I Nr. 122/2009, sind die §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 idF FrÄG 2009 auf alle am oder nach dem 01.01.2010 nach dem AsylG 1997 anhängigen Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass keine Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 3 AsylG 1997 zu erteilen und festzustellen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Eine Ausweisung hat in diesen Fällen zu unterbleiben.

 

§ 8 Abs. 3a AsylG 2005 idF FrÄG 2009 lautet:

 

"(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist."

 

§ 9 Abs. 2 AsylG 2005 idF FrÄG 2009 lautet:

 

"(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

 

einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

 

der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

 

der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

 

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."

 

II.3.2. Wie bereits oben ausgeführt, gelang es dem Beschwerdeführer nicht, eine Verfolgung im Sinne der GFK darzutun, daher bleibt zu prüfen, ob es im vorliegenden Fall begründete Anhaltspunkte dafür gibt, der Beschwerdeführer liefe Gefahr, in der Türkei, einer Bedrohung im Sinne des § 50 Abs. 1 FPG unterworfen zu werden.

 

Es kann auch nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Türkei die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, 2003/01/0059, zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK), hat doch der Beschwerdeführer selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihm im Falle einer Rückführung in die Türkei jegliche Existenzgrundlage - im Sinne des bereits zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, 2003/01/0059 - fehlen würde und er in Ansehung existenzieller Grundbedürfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmittel oder Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, zumal die Eltern und Schwestern des Beschwerdeführers laut seinen Angaben nach wie vor in der Türkei leben und dort über eine gesicherte Existenzgrundlage verfügen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer in der Türkei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit jegliche Arbeitsmöglichkeit versagt bleiben würde, zumal es sich bei seiner Person um einen arbeitsfähigen und gesunden Mann handelt und er durchaus in der Lage war, vor seiner Ausreise einer Erwerbstätigkeit in der Türkei nachzugehen.

 

Weder aus den Angaben des Beschwerdeführers zu den Gründen, die für die Ausreise maßgeblich gewesen sind, noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens ist im konkreten Fall ersichtlich, dass jene gemäß der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegen würde, um die Außerlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen zu lassen (VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443).

 

II.4.1. Ist ein Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen und wurde festgestellt, dass dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigen nicht zukommt, hat die Behörde diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden (§ 10 Abs. 1 AsylG). Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern (VfGH 17.03.2005, G 78/04 u.a.). Bei einer Ausweisungsentscheidung nach § 10 Abs. 1 AsylG ist auf Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen (VfGH 15.10.2004, G 237/03; 17.03.2005, G 78/04 u. a.). Nach § 10 Abs 2 Z 2 AsylG ist eine Ausweisung unzulässig, wenn sie eine Verletzung von Art 8 EMRK darstellen würde.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

 

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. "legitimate family" bzw. "famille légitime") oder einer unehelichen Familie ("illegitimate family" bzw. "famille naturelle"), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, Serife Yigit, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Das Zusammenleben und die Bindung von Partnern, die auf einer gleichgeschlechtlichen Beziehung beruhen, fallen jedoch nicht unter den Begriff des Familienlebens iSd. Art. 8 EMRK (EGMR 10.05.2001, Mata Estevez, Zl. 56501/00).

 

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche - in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte - Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegen steht:

 

die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

 

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

 

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

 

die Bindungen zum Heimatstaat,

 

die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

 

auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

 

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00).

 

In Ergänzung dazu verleiht weder die EMRK noch ihre Protokolle das Recht auf politisches Asyl (EGMR 30.10.1991, Vilvarajah ua., Zl. 13163/87 ua.; 17.12.1996, Ahmed, Zl. 25964/94; 28.02.2008 [GK] Saadi, Zl. 37201/06).

 

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN).

 

Die

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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