TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/26 95/21/0294

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Veröffentlicht am 26.06.1997
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
MRK Art3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hanel, über die Beschwerde des W in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 25. Oktober 1994, Zl. St 307/94, betreffend Ausweisung (Spruchpunkt I) und Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG (Spruchpunkt II), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt II (Feststellung gemäß § 54 FrG) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Im übrigen (hinsichtlich Spruchpunkt I) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 25. Oktober 1994 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Liberia, gemäß § 17 Abs. 1 FrG ausgewiesen (Spruchpunkt I); ferner wurde gemäß § 54 Abs. 1 FrG festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, der Beschwerdeführer sei in Liberia im Sinne des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht (Spruchpunkt II).

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 3. September 1994 aus Ungarn mit der Bahn unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich gelangt. Er sei nicht im Besitz eines für die Einreise und zum Aufenthalt erforderlichen Sichtvermerks. Der Asylantrag des Beschwerdeführers sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16. September 1994 abgewiesen worden. Gemäß § 17 Abs. 1 leg. cit. seien Fremde mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich - wie der Beschwerdeführer - unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Dem Beschwerdeführer komme auch eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Asylgesetz nicht zu. Auch im Lichte des § 19 FrG sei die Ausweisung zulässig, weil der Beschwerdeführer illegal eingereist sei und in Österreich weder über maßgebliche private noch familiäre Bindungen verfüge. Die vom Beschwerdeführer angeführten Gründe, weshalb er sein Heimatland verlassen habe, seien bei Beurteilung der Ausweisung nicht beachtlich, weil damit noch nicht gesagt werde, daß der Beschwerdeführer dorthin zurückzukehren habe.

Soweit sich der Beschwerdeführer darauf berief, daß er in seinem Heimatland im Sinn des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG bedroht sei, hielt ihm die belangte Behörde entgegen, daß diese Bedrohung glaubhaft gemacht werden müsse. Aufgrund der widersprüchlichen Aussagen des Beschwerdeführers sei aber seine Glaubwürdigkeit nicht gegeben. So seien Fluchtgründe im allgemeinen nicht als glaubwürdig anzusehen, wenn sie im Verlauf des Verfahrens unterschiedlich oder widersprüchlich dargestellt werden, diese Angaben mit der Lebenserfahrung nicht in Einklang stehen und erst spät vorgebracht werden.

Im vorliegenden Fall seien die Angaben des Beschwerdeführers widersprüchlich:

1. Der Beschwerdeführer habe bei seiner Einvernahme am 16. September 1994 angegeben, eine ihm namentlich nicht bekannte Person habe ihn auf dem Flug von Monrovia nach Budapest begleitet. Er sei damals verletzt gewesen und habe sich an nähere Details dieser Reise nicht erinnern können.

Demgegenüber habe der Beschwerdeführer in seiner Berufungsschrift vom 5. Oktober 1994 angegeben, Freunde in Liberia hätten für ihn Geld gesammelt und ein Flugticket besorgt.

2. Am 16. September 1994 habe der Beschwerdeführer weiters angegeben, er sei mit seinem "liberianischen Reisepaß" aus seinem Heimatstaat ausgereist.

In seiner vorerwähnten Berufung habe er hingegen angegeben, daß ihm Freunde einen gefälschten Paß und ein gefälschtes Visum für Ungarn besorgt hätten.

3. Laut Inhalt seiner Niederschrift vom 21. September 1994 habe der Beschwerdeführer angegeben, in Liberia habe es 1989 zwei politische Parteien gegeben, bei denen es sich um die offiziellen Regierungsparteien gehandelt hätte. Sein Vater sei Mitglied einer dieser Parteien gewesen, jedoch wisse er nicht die Namen dieser Parteien. Diese Behauptung sei für sich gesehen schon unglaubwürdig, weil der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt bereits 18 Jahre alt gewesen und nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen sei, daß er in einem derartigen Lebensalter die politischen Verhältnisse gekannt haben mußte, zumal der Beschwerdeführer in seiner Berufungsschrift erklärt habe, daß sein Vater Mitglied der Partei von Charles Taylor gewesen sei und die Leute von Samuel Doe seinen Vater und seine Mutter erschossen hätten.

4. Der Beschwerdeführer habe am 16. September 1994 ferner angegeben, er habe in Liberia keine Personen mehr gekannt, die ihn hätten unterstützen können und deshalb habe er das Land so schnell wie möglich verlassen wollen. Er habe keine Möglichkeit mehr gehabt, Essen zu erhalten und es wäre somit sein Überleben gefährdet gewesen.

In einem späteren Vorbringen habe der Beschwerdeführer diese Aussage insofern gesteigert, als er dann behauptet habe, daß sein "politischer Feind" offensichtlich die Auslöschung seiner gesamten Familie beabsichtigt habe, weil diese Personen hätten annehmen müssen, daß er die Morde seiner Eltern rächen würde.

5. Am 16. September 1994 habe er überdies angegeben, daß er in Ungarn nicht verfolgt worden sei. Da er jedoch seinen Lebensunterhalt durch "betteln" habe bestreiten müssen, habe er sich über Anraten eines Ungarn entschlossen, sich nach Österreich zu begeben.

In einem späteren Vorbringen habe der Beschwerdeführer behauptet, daß er in Ungarn deshalb nicht um Asyl angesucht habe, weil ihm gesagt worden sei, daß es dort für Afrikaner kein Asyl gäbe.

Die belangte Behörde bestreite nicht, daß es in Teilgebieten von Liberia noch zu heftigen Übergriffen zwischen den einzelnen Bürgerkriegsparteien komme. Andererseits sei aber um Monrovia eine Schutzzone durch die EKOMOG eingerichtet worden, in der die dort lebenden Personen vor Übergriffen weitgehend geschützt seien. Es gehe bei der Abschiebung nicht darum, den Beschwerdeführer in ein bestimmtes Gebiet seines Heimatstaates zurückzustellen; zumindest in der von der EKOMOG geschaffenen Friedenszone bestünde für den Beschwerdeführer selbst bei Zutreffen seiner Behauptungen keine Gefahr. Im übrigen stelle die sich aus einer Bürgerkriegssituation ergebende Gefahr keine individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 leg. cit. dar.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Was die mit SPRUCHPUNKT I des angefochtenen Bescheides verfügte Ausweisung anlangt, so zieht der Beschwerdeführer die nach den unbestritten gebliebenen Sachverhaltsfeststellungen unbedenkliche Auffassung der belangten Behörde, er halte sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, nicht in Zweifel. Der Beschwerdeführer räumt vielmehr ausdrücklich ein, daß "grundsätzlich die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung eines Ausweisungsbescheides vorliegen". Der Beschwerdeführer macht aber geltend, daß die Ausweisung im Grunde des § 19 FrG unzulässig sei, weil er in Liberia einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt sei und deshalb "eine korrekte Gesamtschau meiner Situation zu dem Ergebnis führen muß, daß es keinesfalls dringend geboten ist, mich aus Österreich auszuweisen".

Dabei übersieht der Beschwerdeführer jedoch, daß mit der Ausweisung nicht darüber entschieden wird, wohin der Beschwerdeführer auszureisen hat bzw. allenfalls abgeschoben (werden) wird. Selbst wenn seine Behauptungen zuträfen, stünde die Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in diesen Staat (Liberia) der Erlassung einer Ausweisung nicht entgegen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/18/0542, für viele andere). Die belangte Behörde ist daher frei von einem Rechtsirrtum davon ausgegangen, daß - unter der Annahme eines mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriffs - § 19 FrG der Ausweisung des Beschwerdeführers angesichts der gravierenden Beeinträchtigung (Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle, illegaler Aufenthalt im Bundesgebiet) des einen hohen Stellenwert aufweisenden öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens nicht entgegensteht.

Gegen die im SPRUCHPUNKT II des angefochtenen Bescheides getroffene Entscheidung bringt der Beschwerdeführer vor, daß die in der Begründung aufgezeigten Widersprüche in seinen Angaben nicht derart gravierend seien, daß seine Gesamtaussage deshalb als unglaubwürdig eingestuft werden könnte. Es entspreche der Lebenserfahrung, daß Personen, die wahrheitsgemäß aussagen, hinsichtlich einzelner Detailangaben von früheren Aussagen abweichten.

Dem ist entgegenzuhalten, daß die Aussage des Beschwerdeführers nicht nur Abweichungen in "einzelnen Details" aufweist. Die aufgezeigten, nicht bestrittenen Widersprüche im Vorbringen des Beschwerdeführers sind teilweise so erheblich, daß sie mit einer bloßen Unschärfe des Erinnerungsvermögens nicht erklärbar sind. Eine positive Erledigung eines Feststellungantrages gemäß § 54 Abs. 1 FrG kommt nur dann in Betracht, wenn der Fremde glaubhaft macht, daß er aktuell, also bei seiner Rückkehr in den von ihm bezeichneten Staat im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG gefährdet bzw. bedroht wäre (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das hg. Erkenntnis vom 6. Oktober 1994, Zl. 94/18/0621, und vom 27. September 1995, Zl. 95/21/0010). Es ist erforderlich, daß der Fremde die für seine ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert. Wenn die belangte Behörde angesichts der aufgezeigten Widersprüche die Behauptung, der Beschwerdeführer würde wegen seiner familiären Zugehörigkeit zu seinen ermordeten Eltern von deren politischen Gegnern verfolgt, als nicht glaubwürdig qualifizierte, kann ihr mit Erfolg nicht entgegengetreten werden. Auch in der vorliegenden Beschwerde beschränkt sich der Beschwerdeführer darauf zu rügen, es sei ihm zu den aufgezeigten Widersprüchlichkeiten kein Parteiengehör eingeräumt worden. Er tut jedoch nicht dar, worauf diese Widersprüche und Ungereimtheiten, wenn nicht auf das ihm von der Behörde unterstellte Motiv der Erlangung des begehrten Verfahrenserfolges, sonst zurückzuführen seien. Die Verfahrensrüge entbehrt somit insoweit der Relevanz.

Der Entscheidung kann somit nicht zugrunde gelegt werden, daß der Beschwerdeführer in Liberia als Einzelner oder als Angehöriger einer bestimmten Partei oder Bevölkerungsgruppe von einer anderen Gruppe individuell verfolgt wird. Der Beschwerdeführer hat aber bereits in seiner Berufung im Verwaltungsverfahren sinngemäß geltend gemacht, in Liberia bestehe infolge des Bürgerkrieges im gesamten Land keine staatliche Ordnungsmacht mehr und er würde im Falle seiner Abschiebung dorthin mit hoher Wahrscheinlichkeit (aufgrund der dort herrschenden Anarchie) zu Tode kommen. Diesem Vorbringen begegnete die belangte Behörde einerseits unter Verweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1994, Zl. 94/18/0295), daß die Tatsache kriegerischer Handlungen in dem vom Antrag erfaßten Staat (für sich allein) keinen Grund darstelle, darin eine Gefährdung bzw. Bedrohung des betreffenden Fremden im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG zu erblicken, wobei sie diese Judikatur dahin verstand, daß die sich aus einem Bürgerkrieg im allgemeinen ergebenden, die Bewohner eines bestimmten Gebietes in gleicher Weise treffenden Gefahren nicht relevant seien und deshalb keine individuelle Verfolgung darstellten. Es sei deshalb nicht von Belang, ob in bestimmten Gebieten ständig Kämpfe und Übergriffe der einzelnen Bürgerkriegsparteien tobten. Andererseits stellte die belangte Behörde (allerdings - ohne dem Beschwerdeführer zunächst dazu Gelegenheit zur Äußerung gegeben zu haben - erstmals im Berufungsverfahren) fest, um Monrovia sei eine Schutzzone von der EKOMOG eingerichtet worden, wo der Beschwerdeführer vor den allgemeinen Gefahren des Bürgerkrieges Schutz finden könne. Der Beschwerdeführer könne demgemäß in dieses Gebiet um Monrovia abgeschoben werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat aber wiederholt ausgesprochen - worauf die Beschwerde zutreffend hinweist -, daß drohende Behandlungen oder Verfolgungen im Sinne des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG von bestimmten Bevölkerungsgruppen (Personen) durch andere den Fällen der vom Staat ausgehenden oder von ihm gebilligten Bedrohung gleichgestellt sind, wenn der betreffende Staat infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht in der Lage ist, drohende Behandlungen oder Verfolgungen im Sinne des § 37 leg. cit. zu verhindern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1997, Zl. 96/21/0093, und die Erkenntnisse vom 3. November 1994, Zl. 94/18/0723, und vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/0731). Es kann - wie im die Bürgerkriegssituation in Liberia ansprechenden Erkenntnis vom 19. Februar 1997, Zl. 96/21/0093 dargelegt wurde - die Verfolgung einer Bevölkerungsgruppe durch eine andere bei Fehlen einer stabilen räumlichen Abgrenzung der Bürgerkriegsparteien eine Bedrohung des Einzelnen im genannten Sinn zur Folge haben.

So hat der Verwaltungsgerichtshof auch in seinem Erkenntnis vom 16. April 1997, Zl. 96/21/0269, die Behauptung eines Beschwerdeführers, er sei in Somalia infolge der dort vorherrschenden Anarchie allein aufgrund seiner Stammeszugehörigkeit im Sinne des § 37 leg. cit. bedroht und es bestehe dort für ihn keine inländische Fluchtalternative, als rechtlich relevant angesehen. Führt demgemäß eine in einem Land gegebene Bürgerkriegssituation dazu, daß keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht mehr vorhanden und damit zu rechnen ist, daß ein dorthin abgeschobener Fremder - auch ohne Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bürgerkriegspartei oder verfolgten Bevölkerungsgruppe - mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der im § 37 Abs. 1 umschriebenen Gefahr (im gesamten Staatsgebiet) unmittelbar ausgesetzt würde, so wäre dies im Rahmen eines Antrages gemäß § 54 FrG beachtlich. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn aufgrund der bewaffneten Auseinandersetzungen eine derart extreme Gefahrenlage besteht, daß praktisch jedem, der in diesen Staat abgeschoben wird, Gefahren für Leib und Leben in einem Maße drohen, daß die Abschiebung im Lichte des Art. 3 MRK unzulässig erschiene. Dies ergibt sich schon daraus, daß der Abs. 1 des § 37 FrG der Konkretisierung des durch Art. 3 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes dient (vgl. Wiederin, Aufenthaltsbeendende Maßnahmen im Fremdenpolizeirecht (1993) 24 ff. und 141 f.). Ansatzpunkt im Sinne des Art. 3 EMRK ist die konkrete Gefahr für den Fremden, in dem Land, in das er ausgewiesen werden soll, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden (vgl. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, EGMR, vom 30.10.1991, Vilvarajah u.a., ÖJZ 1992, 309 ff; Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 5.4.1993, ÖJZ 1994, 57 ff.), auch wenn sich die konkrete Gefahr aus den "allgemeinen Gefahren" des Bürgerkrieges im genannten Lande und nicht etwa im Sinne des § 37 Abs. 2 FrG auf Grund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei ergibt. Dies hat die belangte Behörde verkannt, wenn sie unabhängig von der vom Beschwerdeführer im Fall seiner Abschiebung behaupteten konkreten Gefährdung seines Lebens annahm, daß die "allgemeinen Gefahren" eines Bürgerkrieges, denen alle Bewohner in einem bestimmten Gebiet ausgesetzt seien, deshalb nicht relevant im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG seien, weil sie keine "individuelle Verfolgung" darstellten.

Damit belastete sie ihren Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit.

Wenn ein Fremder in einen Teil des Staatsgebietes abgeschoben werden kann, der von einer nationalen oder internationalen Schutzmacht (etwa der UNO oder auch von seiner eigenen Bürgerkriegspartei oder von seiner Bevölkerungsgruppe) kontrolliert wird, entsteht aus der Bürgerkriegssituation keine unmittelbar drohende Behandlung oder Verfolgung im Sinne der genannten Gesetzesstelle (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1997, Zl. 95/21/0908). Bestünde eine solche inländische Fluchtalternative, so stünde im Sinne der erwähnten Judikatur die außerhalb eines solchen stabilen, räumlich abgegrenzten Bereiches behauptete Gefährdung des Beschwerdeführers der Zulässigkeit seiner Abschiebung nicht entgegen.

Die belangte Behörde stellte auch fest, der Beschwerdeführer könnte (nur) in die angenommene Schutzzone um Monrovia abgeschoben werden, weil dort infolge der Anwesenheit der ECOMOG-Truppen eine vor Übergriffen der Bürgerkriegsparteien sichere Enklave bestehe. Diese Feststellung ist jedoch mit einem in der Beschwerde zutreffend aufgegriffenen, wesentlichen Verfahrensmangel behaftet, weil die belangte Behörde dem Beschwerdeführer dazu kein Parteiengehör einräumte. Dem Vorbringen in der Beschwerde, daß diese Feststellung unrichtig sei, was der Beschwerdeführer bei Einräumung des Parteiengehörs unter Angabe von Beweisanboten hätte darlegen können, steht somit nicht das Neuerungsverbot des § 41 VwGG entgegen.

Der angefochtene Bescheid war daher in seinem Spruchpunkt II wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, die der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Im übrigen war die Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I des Bescheides richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995210294.X00

Im RIS seit

21.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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