TE OGH 2009/2/27 6Ob122/07w

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.02.2009
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarman-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dagmar W*****, vertreten durch Dr. Ulrike Bauer und Mag. Michael Rebasso, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Parteien 1. M***** mbH, und 2. Dr. Wolfgang R*****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 18.000 EUR sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Teil- und Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Jänner 2007, GZ 11 R 77/06h-43, mit dem infolge der Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 17. Mai 2006, GZ 58 Cg 211/03f-39, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 1.101,08 EUR (davon 183,51 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin wollte aus kosmetischen Gründen ihre Brüste vergrößern lassen und schloss zu diesem Zweck mit der Erstbeklagten einen Behandlungsvertrag ab. Der Zweitbeklagte war der ausführende Arzt. Im ersten Beratungsgespräch am 15. 12. 1998 sagte ihm die Klägerin, sie wünsche eine Vergrößerung auf Körbchengröße B. Sie lehnte die Verwendung von Silikonimplantaten ab und sprach ihn auf die Verwendung eines Produkts auf Sojaölbasis an. Er empfahl ihr ein bestimmtes Markenprodukt und sagte, wegen ihres weichen Gewebes hänge die Brust schon, weshalb möglicherweise die optimale Brustform nicht erreicht werde.

Beim nächsten Besprechungstermin am 8. 1. 1999 fand die präoperative Aufklärung der Klägerin statt. Es wurde mit ihr das „Merkblatt zum Aufklärungsgespräch ..." besprochen und ihr nach Hause mitgegeben. Darin wird über verschiedene, auch unerwünschte Folgen der Operation aufgeklärt, unter anderem darüber, dass es zu einer Kapselkontraktur kommen kann. Darunter versteht man eine Schrumpfung der Narben- und Bindegewebeschicht, die sich - als Reaktion des Körpers auf Fremdkörper - um die Implantate gebildet hat. Durch die Schrumpfung der Bindegewebshülle kommt es zu einer Kompression des Implantates, was zu Faltenbildungen führen kann. In der Regel verbessere die Operation Form, Größe und Festigkeit der Brust erheblich. Eine Garantie, dass das angestrebte Operationsergebnis erreicht werde, sei nicht möglich. Der Zweitbeklagte erklärte dazu noch, dass man die optimale Form der Brust nicht erzielen könne, wenn ein weicher Weichteilmantel vorhanden sei und die Brust gestillt habe, dass aber eine Verbesserung erzielt werde.

Am 14. 1. 1999 unterschrieb die Klägerin das Merkblatt unter dem Hinweis, dass sie keine weiteren Fragen habe und auch keine weitere Überlegungsfrist benötige.

Am 22. 1. 1999 operierte der Zweitbeklagte die Klägerin. Er verwendete Implantate des empfohlenen Herstellers. Er führte die Operation lege artis aus. Die verwendeten Implantate entsprachen dem damaligen Stand der Wissenschaft.

Im März 1999 wurde über die Produkte des Herstellers, von dem die bei der Klägerin eingesetzten Implantate stammten, ein Implantationsstopp verhängt, weil im Zusammenhang mit Langzeituntersuchungen eine potentielle Krebsgefährdung festgestellt wurde. Mit Schreiben des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 8. 6. 2000 wurde der Zweitbeklagte auf die Unverträglichkeit der Implantate des Herstellers aufmerksam gemacht. Nachdem auch das European Committee on Quality Assurance and Medical Devices in Plastic Surgery am 25. 6. 2000 eine Explantationsempfehlung für diese Implantate gegeben hatte, vereinbarte der Zweitbeklagte mit der Klägerin ein Gespräch für Anfang Juli 2000. In diesem wurde die Klägerin über die potentielle Gefährdung durch Abbauprodukte von Sojaöl informiert und auf die Explantationsempfehlung hingewiesen. Der Zweitbeklagte sagte der Klägerin, ein Implantatwechsel würde kostenlos vorgenommen werden. Die Klägerin stimmte dem Implantatwechsel zu und äußerte den Wunsch, die Brust, wenn schon operiert werde, noch etwas zu vergrößern.

Während eines weiteren Gesprächs am 14. 9. 2000 zeigte der Zweitbeklagte der Klägerin anatomisch geformte Cohaesivgelimplantate, die eingesetzt werden sollten. Diese sähen natürlicher aus, weil oben bei der Brust eine Wölbung entstehen würde, ein Implantat sei aber nicht so hundertprozentig wie das eigene Gewebe, weshalb man Ränder sehen könne. Er werde über die vorhandene Narbe in die Brust gehen, um das Implantat einzusetzen.

Am 17. 11. 2000 operierte der Zweitbeklagte die Klägerin. Er entnahm die Implantate und setzte die von ihm empfohlenen etwas größeren Cohaesivgelimplantate ein. Die Operation führte er lege artis aus. Sie verlief komplikationslos.

Beim Kontrolltermin am 21. 2. 2002 erwähnte die Klägerin erstmals, dass sie die sichtbare Kontur des Implantats an der Innenseite der rechten Brust störe. Der Zweitbeklagte erwiderte, dass eine Randbildung nicht untypisch sei. Erstmals erwähnte er, bei der Klägerin liege eine leichte Einsenkung des Brustbeins („Trichterbrust") vor, die die Randbildung begünstige. Vor der Operation war dieser Umstand nicht erörtert worden, weil der Zweitbeklagte dessen Folgen nicht voraussah bzw nicht voraussehen konnte. Es ist nämlich nicht zwingend, dass es bei Vorliegen einer Trichterbrust zu einer Randbildung kommen muss. Es steht nicht fest, dass die Trichterbrust allein für die Randbildung ausschlaggebend ist.

Bei einer Trichterbrust handelt es sich um eine atypische Form des Brustkorbs, bei der das Brustbein in der Körpermitte tiefer als normal liegt. Die Trichterbrust der Klägerin ist mäßig ausgebildet. Durch die stärkere Prominenz der größeren Implantate ist der Anstieg von dem tief liegenden Brustbein zu den Brüsten steiler geworden, was die Problematik im Übergangsbereich verstärkt hat.

Der Zweitbeklagte sprach mit der Klägerin am 21. 1. 2002 über Korrekturmöglichkeiten, sagte aber, eine weitere Operation sei derzeit nicht erforderlich, man solle sich dies beim nächsten Kontrolltermin ansehen. Zu einem weiteren Termin kam die Klägerin nicht.

Aus ästhetisch-chirurgischer Sicht schien nach der Operation am 17. 11. 2000 das Ziel der Brustvergrößerung gelungen zu sein. In der Folge kam es zu einer Rotation des Implantats der linken Brust. Mit der Zeit wurde eine unnatürliche Form der Brüste immer deutlicher.

Erst seit dem Jahr 2001 konnte bei anatomisch geformten Implantaten, die im Rahmen einer sekundären Augmentation verwendet, in 10 bis 14 Prozent die Rotation eines Implantats beobachtet werden, die auch erst drei Jahre nach der Operation auftreten kann. Dem Zweitbeklagten konnte dies bei der Operation am 17. 11. 2000 nicht bekannt sein. Am 25. 5. 2004 konnte eine Asymmetrie der Brüste festgestellt werden. Die linke Brust saß insgesamt etwa 1,5 cm höher als die rechte. Der Brustanstieg begann an der linken Brust bereits etwas höher als rechts. Die Brustkontur oberhalb der Brustwarzen war rechts annähernd gerade verlaufend, links hingegen nach außen vorgewölbt. Aufgrund der anhaltenden Schmerzen in der Brust und im Arm - zurückzuführen auf die Verdrehung des Implantats - hatte die Klägerin 28 Tage leichte und vier Tage mittelschwere Schmerzen und ließ sich die Brustimplantate am 15. 10. 2004 entfernen. Hiefür zahlte sie 6.000 EUR. Im Rahmen dieser Operation konnte festgestellt werden, dass sich das Implantat in der linken Brust um 180 Grad gedreht hatte.

Die Klägerin begehrt - soweit nach rechtskräftiger Abweisung des Feststellungsbegehrens und des auf Rückzahlung der Kosten der ersten Operation am 14. 1. 1999 gerichteten Leistungsteilbegehrens im Revisionsverfahren von Bedeutung - den Ersatz der Kosten der - während des Verfahrens durchgeführten - Korrekturoperation am 15. 10. 2004 in Höhe von 5.500 EUR und 12.500 EUR Schmerzengeld. Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Rechtlich beurteilte es seine eingangs wiedergegebenen Feststellungen dahin, dass der Einwilligung der Klägerin in die kosmetische Behandlung eine ausreichende Aufklärung vorangegangen sei. Sie sei auch auf die Möglichkeit der Ränder- und Faltenbildung hingewiesen worden. Der Zweitbeklagte habe seine Aufklärungspflicht auch nicht dadurch verletzt, dass er mit der Klägerin vor der Operation nicht über die Trichterbrust gesprochen habe. Auf die möglichen Operationsfolgen habe er nämlich ohnehin hingewiesen. Der Zweitbeklagte habe beide Operationen lege artis durchgeführt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin, die die Abweisung des Feststellungsbegehrens und des Leistungsteilbegehrens unbekämpft ließ, statt. Es verurteilte die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 5.500 EUR samt Zinsen und erkannte das weitere Zahlungsbegehren von 12.500 EUR samt Zinsen dem Grund nach zu Recht bestehend. Ein Zinsenmehrbegehren wies es ab. Der Zweitbeklagte habe die Klägerin zwar ganz allgemein auf die Möglichkeit einer „Randbildung" hingewiesen, nicht jedoch auf die bei der Klägerin gegebene anatomische Besonderheit („Trichterbrust"), die eine solche Erscheinung begünstige. Jedenfalls bei einer kosmetischen Operation sei auch über das Vorliegen einer anatomischen Regelwidrigkeit (hier: atypische Form des Brustkorbs) aufzuklären, die eine für den geplanten Eingriff nicht untypische negative Folgeerscheinung (hier: „Randbildung") begünstige. Das Wissen um risikoerhöhende anatomische Gegebenheiten sei durchaus geeignet, die Einwilligung der Patientin zur Brustvergrößerung zu beeinflussen, müsse sie doch sonst annehmen, die Wahrscheinlichkeit, dass sich das betreffende Risiko verwirklicht, sei bei ihr nicht höher als bei jeder anderen beliebigen Patientin. Soweit der Eingriff am 17. 11. 2000 neben dem Implantataustausch eine zusätzliche Brustvergrößerung bezweckt habe, sei er medizinisch nicht indiziert gewesen. Selbst wenn man unterstelle, der Zweitbeklagte habe die Klägerin auf eine Begünstigung der Randbildung durch den dünnen Weichteilmantel hingewiesen, wäre für die Beklagten nichts gewonnen. Es sei nämlich unstrittig, dass ein Hinweis auf die die Randbildung begünstigende Trichterbrust vor der Operation unterblieben sei. Unerheblich sei, dass das Erstgericht nicht festgestellt habe, es sei bei der Klägerin zu keiner Kapselkontraktur gekommen, habe dies doch mit der im Berufungsverfahren zu beurteilenden Randbildung an der Innenseite der rechten Brust nichts zu tun. Die Beklagten treffe die Beweislast dafür, dass die Patientin auch bei ausreichender Aufklärung dem Eingriff zugestimmt hätte. Diesen Beweis hätten die Beklagten gar nicht angetreten. Insbesondere hätten sie nicht behauptet, dass die Klägerin bei ausreichender Aufklärung nicht nur in den Austausch, sondern auch in die neuerliche Vergrößerung ihrer Brüste eingewilligt hätte. Die Beklagten hafteten daher der Klägerin für alle nachteiligen Folgen der - mangels hinreichender Aufklärung - ohne wirksame Einwilligung erfolgten Operation. Die Klägerin habe daher Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Entfernung der am 17. 11. 2000 eingesetzten Implantate. Das Verfahren über das geforderte, global zu bemessende Schmerzengeld sei nur dem Grunde nach spruchreif, über die Höhe jedoch noch ergänzungsbedürftig. So habe sich das Erstgericht mit dem Vorbringen der Klägerin, sie leide infolge des Eingriffs an einem depressiven Syndrom, nicht auseinandergesetzt. Der in diesem Zusammenhang von der Beklagten erhobene Verjährungseinwand gehe ins Leere, weil die Klägerin ihre Schmerzengeldforderung schon in der Klage auch auf eine depressive Verstimmung bzw auf ein depressives Syndrom gestützt habe. Das Erstgericht habe zwar Feststellungen über die infolge der Verdrehung des Implantats bei der Klägerin aufgetretenen Schmerzen getroffen, nicht jedoch darüber, ob bzw in welchem Ausmaß weitere Schmerzen anlässlich der Entfernung der Implantate entstanden seien.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil keine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage bestehe, ob vor einer kosmetischen Operation über die möglichen Gefahren hinaus gegebenenfalls auch auf solche Gefahren konkret begünstigende anatomische Besonderheiten hinzuweisen sei oder nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene, von der Klägerin beantwortete Revision der Beklagten ist nicht zulässig. Der Oberste Gerichtshof ist an den Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Selbst wenn das Berufungsgericht mit Recht ausgesprochen hat, dass die ordentliche Revision zulässig sei, die Revision dann aber nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt, ist die Revision unzulässig (4 Ob 140/08d; RIS-Justiz RS0048272).

1. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor.

1.1. Der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO wird nur dann hergestellt, wenn a) die Fassung eines Urteils so mangelhaft ist, dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann; b) das Urteil mit sich selbst in Widerspruch steht; c) für die Entscheidung keine Gründe angegeben sind. Nach ständiger Rechtsprechung wird der Nichtigkeitsgrund nur durch den völligen Mangel der Gründe (Fall c), nicht jedoch durch eine mangelhafte Begründung gebildet. Ein völliger Mangel an Begründung liegt nur dann vor, wenn die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend begründet ist, dass sie sich nicht überprüfen lässt (2 Ob 289/97g SZ 72/54; vgl RIS-Justiz RS0042921). Es kann nicht die Rede davon sein, dass das Berufungsgericht nicht ausführte, welchen Sachverhalt es seiner Entscheidung zugrunde lege. Das Berufungsgericht hat die Feststellungen des Erstgerichts wörtlich wiedergegeben. Aus dem Gesamtzusammenhang seiner Ausführungen geht hinlänglich deutlich hervor, dass es diese Feststellungen - auch im Umfang der erfolglosen Bekämpfung im Rechtsmittelverfahren - seiner Entscheidung zugrunde legte (§ 498 Abs 1 ZPO). Zweifelsohne hat es die Feststellungen des Erstgerichts übernommen. Ausdrücklich musste es das nicht anführen. Das Berufungsgericht hat Beweise nicht aufgenommen und keine eigenen Feststellungen getroffen, sodass es Beweise auch nicht zu würdigen hatte. Verfehlt ist die Meinung, das Berufungsurteil müsse die Beweiswürdigung des Erstgerichts wiedergeben (vgl § 500a ZPO).

1.2. Der Behauptung der Revisionswerber, das Berufungsgericht gehe offenbar im Gegensatz zum Erstgericht nicht mehr davon aus, dass die Rotation des Implantats die eigentliche Ursache für die Randbildung und die nachfolgend aufgetretenen Schmerzen gewesen sei, ist entgegenzuhalten, dass das Erstgericht nicht feststellte, dass die Drehung des Implantats der linken Brust Ursache für die Randbildung bei der rechten Brust war.

2. Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit kann nicht als Ersatz für eine im Revisionsverfahren generell unzulässige Beweisrüge herangezogen werden (RIS-Justiz RS0117019). Bei der rechten Brust ist es nicht zu einer Rotation des Implantats gekommen. Dass die dort aufgetretene Randbildung mit der Drehung des Implantats in der linken Brust im Zusammenhang steht, stellte das Erstgericht - wie schon erwähnt - nicht fest; dies geht auch aus dem Sachverständigengutachten nicht hervor. Es trifft auch nicht zu, dass das Berufungsgericht davon ausgeht, eine Rand-/Wellen-/Wulstbildung bei der linken Brust hänge mit der Rotation des Implantats in dieser Brust nicht zusammen. Die Behauptung, dass nur die Randbildung bei der linken Brust „relevant" sei, ist feststellungsfremd.

3. Die Rechtsmittelwerber zeigen auch sonst keine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage auf:

Nach ständiger Rechtsprechung ist der Arzt (bzw der Partner des Behandlungsvertrags) aufgrund des Behandlungsvertrags verpflichtet, den Patienten über die Art und Schwere sowie die möglichen Gefahren und schädlichen Folgen einer Behandlung zu unterrichten (RIS-Justiz RS0038176). Für die nachteiligen Folgen einer ohne Einwilligung oder ausreichende Aufklärung vorgenommenen Behandlung des Patienten haftet der Arzt (Partner des Behandlungsvertrags) selbst dann, wenn dem Arzt bei der Behandlung kein Kunstfehler unterlaufen ist, es sei denn, dass der Arzt (Partner des Behandlungsvertrags) behauptet und beweist, dass der Patient auch bei ausreichender Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte (RIS-Justiz RS0038485). Die ärztliche Aufklärung soll den Patienten in die Lage versetzen, die Tragweite seiner Einwilligung zu überschauen (RIS-Justiz RS0026413). Der Patient kann nur dann wirksam seine Einwilligung geben, wenn er über die Bedeutung des vorgesehenen Eingriffs und seine möglichen Folgen hinreichend aufgeklärt wurde (RIS-Justiz RS0026499). Nach ständiger Rechtsprechung reicht die ärztliche Aufklärungspflicht umso weiter, je weniger der Eingriff aus der Sicht eines vernünftigen Patienten vordringlich oder gar geboten ist. Ist der Eingriff zwar medizinisch empfohlen, aber nicht eilig, so ist grundsätzlich eine umfassende Aufklärung notwendig (RIS-Justiz RS0026772). Dann ist die ärztliche Aufklärungspflicht im Einzelfall selbst dann zu bejahen, wenn erhebliche nachteilige Folgen wenig wahrscheinlich sind (RIS-Justiz RS0026313). Gerade bei einer kosmetischen Operation, zu der keine unmittelbare Notwendigkeit zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit besteht und die nur ein ganz bestimmtes Ziel der optischen Verbesserung des Aussehens hat, ist die ausdrückliche Aufklärung erforderlich, dass dieses Ziel aus vom Arzt nicht beeinflussbaren physiologischen oder psychologischen Gründen ganz oder teilweise nicht erreicht werden könnte. Denn gerade bei einer nicht gesundheitlich indizierten Operation muss dem Patienten die Möglichkeit gegeben werden, frei zu entscheiden, ob er sich dem Eingriff auch dann unterziehen wolle, wenn dessen Ergebnis zweifelhaft ist (6 Ob 558/91 JBl 1992, 520 [Apathy]).

Die Frage, in welchem Umfang der Arzt den Patienten aufklären muss, ist eine Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0026763), die nach den Umständen des Einzelfalls zu beantworten ist (RIS-Justiz RS0026529). Grundsätzlich muss der Arzt nicht auf alle nur denkbaren Folgen einer Behandlung hinweisen (RIS-Justiz RS0026529). Die ärztliche Aufklärungspflicht ist aber beim Vorliegen sogenannter typischer Gefahren verschärft. Die Typizität ergibt sich nicht aus der Komplikationshäufigkeit, sondern daraus, dass das Risiko speziell dem geplanten Eingriff anhaftet und auch bei Anwendung aller größter Sorgfalt und fehlerfreier Durchführung nicht sicher zu vermeiden ist und den nichtinformierten Patienten überrascht, weil er nicht damit rechnete (4 Ob 132/06z; RIS-Justiz RS0026340). Diese typischen Risken müssen erhebliche Risken sein, die geeignet sind, die Entscheidung des Patienten zu beeinflussen, ohne dass dabei nur auf die Häufigkeit der Verwirklichung dieses Risikos abzustellen wäre (RIS-Justiz RS0026581). Es ist auch auf seltene - aber gravierende - Zwischenfälle hinzuweisen (RIS-Justiz RS0026313, RS0026375). Diese ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs legte das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde. Die Revisionswerber stellen sie auch nicht in Frage. Sie pflichten vielmehr den Ausführungen des Berufungsgerichts bei, dass bei kosmetischen Operationen ausführlicher als bei medizinisch indizierten Eingriffen und bei anatomischen Regelwidrigkeiten des Patienten über patientenspezifische Risken aufzuklären ist. Sie meinen aber, das Berufungsgericht übersehe, dass im Anlassfall kein patientenspezifisches Risiko vorgelegen sei, über das aufzuklären gewesen wäre, weil die Stärke der Trichterbrust und die Größe des gewählten Implantats nach dem zu diesem Problem bestehenden Stand der Wissenschaft nicht auf ein größeres Risiko von Randbildung habe schließen lassen. Über objektiv unbedeutende Risken müsse nicht aufgeklärt werden, schon gar nicht, wenn das angebliche Risiko als solches nicht erkannt werden kann, weil es äußerst selten zu solch einer Konstellation komme und daher keine Erkenntnisse darüber vorliegen. Da der Zweitbeklagte diese Folgen nicht habe voraussehen können, habe er nicht schuldhaft gehandelt.

Bei alldem gehen die Rechtsmittelwerber aber nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Das Erstgericht stellte fest, dass der Zweitbeklagte nach der zweiten Operation, als die Klägerin erstmals auf die störende sichtbare Kontur des Implantats an der Innenseite der rechten Brust hinwies, erstmals sagte, die leichte Einsenkung des Brustbeins der Klägerin begünstige die Randbildung. Die weitere Feststellung, dass er diesen Umstand nicht erörterte, weil er dessen Folgen „nicht voraussah bzw nicht vorausssehen konnte", muss im Zusammenhang mit der vorigen Feststellung und mit der anschließenden Erläuterung gelesen werden, dass es „nämlich nicht zwingend (ist), dass es bei Vorliegen einer Trichterbrust zu einer Randbildung kommen muss". Dass der Zusammenhang einer Trichterbrust mit der Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Randbildung in keiner Weise wissenschaftlich gesichert oder geklärt sei, stellte das Erstgericht ebensowenig fest wie, dass es äußerst selten zu „solch einer Konstellation kommt und daher keine Erkenntnisse darüber vorliegen". Im Gegenteil ging der Zweitbeklagte selbst davon aus, dass die Trichterbrust die Randbildung begünstige. Dass er die begünstigende Auswirkung der Trichterbrust auf die Randbildung „nicht voraussehen konnte", bedeutet angesichts dessen und der anschließenden Erläuterung nicht, dass dieser Umstand objektiv - nach dem Leistungsstandard der Berufsgruppe des Zweitbeklagten (Fachärzte für plastische Chirurgie) (vgl 1 Ob 35/92 JBl 1993, 389 [Dullinger]) - nicht erkennbar war. Es steht auch fest, dass die „stärkere Prominenz der größeren Implantate" die - durch die mäßig ausgebildete Trichterbrust - gegebene „Problematik im Übergangsbereich" verstärkt hat. Nach den Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Risiko objektiv unbedeutend ist, ist doch die Randbildung geeignet, das angestrebte Ergebnis der Schönheitsoperation subjektiv - nach Empfinden des Patienten - erheblich negativ zu beeinflussen, was gewiss von Bedeutung für die Entscheidung des Patienten sein kann. An den Zweitbeklagten ist der objektive Verschuldensmaßstab des § 1299 ABGB anzulegen (vgl dazu nur Karner in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² § 1299 Rz 1 f mwN). An einen Facharzt ist ein höherer Maßstab anzulegen als an einen praktischen Arzt (vgl Karner aaO § 1299 Rz 2 mwN).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 46 Abs 2, 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Anmerkung

E903116Ob122.07w

Schlagworte

Kennung XPUBL - XBEITRDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inRdM-LS 2009/33 = RdM 2009/111 S 183 (Leischner,Rechtsprechungsübersicht) - RdM 2009,183 (Leischner,Rechtsprechungsübersicht)XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00122.07W.0227.000

Zuletzt aktualisiert am

19.01.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten