TE AsylGH Erkenntnis 2009/03/10 E16 203523-4/2008

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Veröffentlicht am 10.03.2009
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Spruch

E16 203.523-4/2008-24E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. HERZOG-LIEBMINGER als Vorsitzende und die Richterin Mag. GABRIEL als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin Fr. MITTERMAYR über die Beschwerde der A.G., StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.02.2005, FZ. 96 02.091-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.02.2009 zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, idF BGBl. I Nr. 126/2002 und gemäß § 8 Absatz 1 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, idF BGBl Nr. 129/2004 als unbegründet abgewiesen.

 

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und SACHVERHALT

 

1.1. Die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige und der kurdischen Volksgruppe zugehörig, reiste gemäß eigenen Angaben Ende März 1996 legal mittels eines Visums, welches ihr aufgrund der Einladung Ihres Bruder A.E., ausgestellt wurde in das österreichische Bundesgebiet ein und brachte am 05.04.1996 einen Asylantrag ein. Hierzu wurde die Beschwerdeführerin am 09.04.1996 vom Bundesasylamt, Außenstelle Wien, niederschriftlich einvernommen.

 

Dabei gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, dass sie ihr Heimatland deswegen verlassen habe, weil zu ihr und ihren Eltern immer wieder Soldaten gekommen seien und sie von diesen kontrolliert worden wären, da ihnen - wie auch den anderen Bewohnern ihres Dorfes - die Unterstützung der PKK mit Lebensmitteln unterstellt worden war.

 

I.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.04.1996, FZ. 96 02.091-BAW, wurde der Asylantrag gemäß § 3 AsylG 1991 abgewiesen und begründend festgestellt, dass die Antragstellerin keine Verfolgung zu befürchten habe. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Berufung erhoben. Mit Bescheid des BMI vom 09.5.1996 wurde die Berufung gemäß §66 Absatz 4 AVG abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die dagegen erhobene Beschwerde mit Beschluss vom 07.05.1998, Zl. 96/20/0510 mit der Begründung der Bestimmung der §§ 44 Absatz 2 und 44 Absatz 3 AsylG 1997 zurückgewiesen. Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 08.03.2004, Zahl: 203.523/1-II/28/04 wurde der angefochtene Bescheid gemäß § 44 Absatz 7 AsylG aufgehoben und die Sache an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

 

I.3. Am 06.12.2004 wurde die Beschwerdeführerin sodann vom Bundesasylamt, Außenstelle Wien, abermals einer niederschriftlichen Befragung unterzogen und gab sie im Rahmen dieser im wesentlichen an, dass sie Angst vor Soldaten gehabt hätte - da man ihr und ihrer Familie die Unterstützung von Terroristen unterstellt habe - und deshalb habe sie ihr Heimatland verlassen.

 

I.4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.02.2005, FZ. 96 02.091-BAW, wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG abgewiesen und festgestellt, dass gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in Türkei zulässig ist und sie gemäß § 8 Absatz 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Im wesentlichen wurde ausgeführt, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werde, dieses jedoch weder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch zur Unzulässigkeit der Abschiebung führen könnte. Auch sei der durch die ausgesprochene Ausweisung erfolgte Eingriff in Artikel 8 Absatz 2 EMRK im Rahmen einer individuellen Abwägung gerechtfertigt.

 

I.5. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist "Berufung" (nunmehr: "Beschwerde") erhoben.

 

I.6. Mit Einrichtung des Asylgerichtshofes wurde der gegenständliche Verfahrensakt der Gerichtsabteilung E3 zugeteilt.

 

I.7. Am 17.02.2009 wurde vor dem Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung abgehalten, an welcher die Beschwerdeführerin und ihre Rechtsvertreterin teilnahmen. Das Bundesasylamt, Außenstelle Wien, ist der Verhandlung unentschuldigt ferngeblieben.

 

1.8. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, Erörterung der Länderberichte zur Situation in der Türkei sowie ergänzende Einvernahme der Beschwerdeführerin als Partei.

 

1.9. Hinsichtlich des Verfahrensherganges und Parteienvorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

 

1. Am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe des § 75 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 weiterzuführen.

 

Gemäß § 61 AsylG 2005 idgF entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes.

 

Gemäß § 23 Absatz 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idF BGBL. I Nr. 147/2008, sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (Art. 2 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge AsylG 2005) sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt." Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylGNov. 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die bis zum 30.4.2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG 1997 idF BGBl. I 126/2002 zu führen.

 

Die Beschwerdeführerin hat ihren Asylantrag vor dem 1.5.2004 gestellt; das Verfahren war am 31.12.2005 anhängig; das Beschwerdeverfahren ist daher nach AsylG 1997 zu führen. Anzuwenden war sohin das AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 (im Folgenden: "AsylG 1997"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung.

 

Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichtshof waren die einschlägigen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005") anzuwenden. Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die erkennende Behörde, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

2. Festgestellt wird:

 

Auf Grundlage der vor dem Asylgerichtshof durchgeführten mündlichen Verhandlung und der erörterten Hintergrundberichte zur Türkei wird folgender Sachverhalt festgestellt und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

 

2.1. Zur Person und den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin wird festgestellt:

 

Die Beschwerdeführerin ist türkische Staatsangehörige und gehört der kurdischen Volksgruppe an. Ihre Identität konnte durch das von ihr im erstinstanzlichen Verfahren in Vorlage gebrachte Dokument (Reisepass) festgestellt werden. Ihre Eltern und einer ihrer Brüder leben nach wie vor ohne erkennbare Schwierigkeiten in der Türkei und steht sie mit diesen auch gelegentlich in fernmündlichen Kontakt.

 

Sie lebte bis zum Verlassen ihres Heimatlandes gemeinsam mit ihrer Mutter und zum Teil auch mit ihrem Vater im Dorf B. des Bezirkes T.. In den 90er Jahren war ihr Vater in Österreich als Gastarbeiter aufhältig. Die Beschwerdeführerin ist in der Türkei keiner Arbeit nachgegangen, sondern haben ihre Eltern für ihren Lebensunterhalt gesorgt.

 

Sie ist Ende März 1996 legal mittels eines Visums, welches ihr aufgrund der Einladung ihres Bruder A.E. ausgestellt wurde, in das österreichische Bundesgebiet eingereist.

 

Die von ihr vorgebrachten Fluchtgründe (Befragung und Durchsuchung seitens der Soldaten wegen unterstellter PKK-Unterstützung mit Lebensmittel) werden grundsätzlich dem Verfahren zu Grunde gelegt. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin aus asylrelevanten Gründen verfolgt bzw. mit dem Leben bedroht worden ist.

 

Die Beschwerdeführerin lebt seit mittlerweile knapp 13 Jahren in Österreich. Drei ihrer Geschwister leben in Österreich und besitzen diese mittlerweile die österreichische Staatsbürgerschaft. Die Beschwerdeführerin lebt mit ihrer Schwester im gemeinsamen Haushalt und wird sie zeitweise auch von ihren in Österreich lebenden Geschwistern finanziell unterstützt. Seit Juli 2000 bis Ende Februar 2008 ging sie zumeist einer Beschäftigung nach, großteils im Gastgewerbe. Sie ist Mitglied des alevitischen Kulturvereins in E. und hat durch die regelmäßigen Treffen im Verein auch Freundschaften geschlossen. Sie ist gut integriert, unbescholten, spricht gebrochen die deutsche Sprache und ist bestrebt in Österreich einer regelmäßigen Beschäftigung nachzugehen sowie die deutsche Sprache zu erlernen.

 

Die Mitgliedschaft der Beschwerdeführerin im alevitischen Kulturverein reduziert sich auf gesellschaftliche Zusammenkünfte und ist sie bei diversen Veranstaltungen des Vereins als Köchin tätig. Eine Gefährdung der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Vereinsmitgliedschaft kann nicht erkannt werden und wurde eine solche von der Beschwerdeführerin auch selbst verneint.

 

Eine ernste Gefahr von Misshandlungen im Fall einer Rückkehr wegen der Volksgruppenzugehörigkeit der Beschwerdeführerin oder wegen sonstiger individueller in ihrer Person gelegener Gründe kann nicht erkannt werden. Es kann somit nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin aus ethnischen oder anderen Gründen asylrelevant verfolgt bzw. mit dem Leben bedroht wurde.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle der Rückkehr in die Türkei in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde.

 

Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung der Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland festgestellt werden.

 

Die Beschwerdeführerin hat keine gesundheitlichen Probleme.

 

2.2. Zur Lage in der Türkei werden im gegenständlichen Zusammenhang aufgrund der oben genannten in der Verhandlung in das Verfahren eingeführten Beweismittel folgende relevante Ausführungen getroffen:

 

Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei, 11.09.2008

 

EU-Kommission, Turkey, Progress Report, 05.11.2008 und Türkei Fortschrittsbericht 2007, 06.11.2007.

 

Annual Report of the United States Commission on International Religious Freedom, Mai 2008.

 

Home Office, Country of Origin Information Report, Turkey, 29.08.2008 und 31.12.2007.

 

USDOS: Turkey, Country Reports on Human Rights Practices 2007, 11.03.2008.

 

USDOS: Turkey, International Religious Freedom Report 2008, 19.9.2008.

 

Auskunft der ÖB Ankara vom 14.08.2008 zur Gefährdung von DTP-Mitgliedern

 

Erkenntnisse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zur Türkei vom April

 

2008

 

BAMF, Bericht über Amnestien, Strafnachlass, Verjährung und Begnadigung in der Türkei vom Feber 2008

 

Allgemeines

 

Markante Fortschritte in der Menschenrechtslage konnten durch die Gesetzes- und Verfassungsänderungen der letzten Jahre sowie weitere Reformmaßnahmen (z.B. Justizreformen) erzielt werden; dadurch wurde ein Mentalitätswandel bei großen Teilen der Bevölkerung eingeleitet. Aufgrund der innenpolitischen Spannungen sind in den letzten beiden Jahren allerdings kaum noch größere Reformfortschritte zu verzeichnen.

 

Im Osten und Südosten der Türkei kommt es weiterhin zu bewaffneten Auseinander-setzungen zwischen der terroristischen PKK und türkischen Sicherheitskräften; die türkische Armee unternimmt seit Dezember 2007 weiterhin vereinzelte Operationen gegen PKK-Stellungen auch im Nordirak.

 

Kritische Entwicklungen sind bei der Ausübung des Rechts auf Meinungsfreiheit zu beobachten, gegen Journalisten, Menschenrechtsverteidiger u.a. wurden seitens der türkischen Justiz öffentlichkeitswirksame Strafverfahren geführt. Einzelne Verfahren dauern noch an, teilweise kam es auch zu Verurteilungen. Seit 07.05.2008 ist ein Änderungsgesetz zu Art. 301 des türkischen Strafgesetzbuches (tStGB) in Kraft. Für eine Bewertung seiner Auswirkung auf die Rechtspraxis ist es derzeit noch zu früh.

 

Die Verwirklichung der individuellen Glaubensfreiheit ist weitgehend gewährleistet, die Ausübung der Rechte religiöser Gemeinschaften ist mangels klarer Rechtsgrundlagen nur in begrenztem Umfang möglich. Das Tragen des Kopftuchs bei offiziellen Anlässen und im "öffentlichen Raum", d.h. in staatlichen, öffentlichen Einrichtungen ist weiterhin verboten, nachdem eine Lockerung des Verbots am 05.06.2008 durch das türkische Verfassungsgericht abgelehnt wurde.

 

Zahlreiche Reformen haben den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau gestärkt; die gesellschaftliche Wirklichkeit hinkt jedoch in weiten Teilen der Türkei noch weit hinter der gesetzlichen Entwicklung hinterher.

 

Im Strafrecht- und Strafprozessrecht kam es in den vergangenen Jahren zu umfassenden gesetzgeberischen Reformen. In der Rechtspraxis wurden ebenfalls wesentliche Verbesserungen festgestellt. Bei allen Mängeln, die der türkischen Justiz noch anhaften, sind

 

Bestrebungen unverkennbar, rechtstaatliches Handeln durchzusetzen.

 

Politik

 

Aus den Parlamentswahlen am 22.07.2007 ging die reformorientierte, gemäßigt islamisch- konservative AKP von Ministerpräsident Erdogan mit fast 47 % und 3/5 der Abgeordneten hervor. Dies und die Wahl des bisherigen AKP-Außenminister Gül zum Staatspräsidenten am 28.08.2007 haben die Mehrheitspartei gefestigt. Der AKP-Wahlsieg hatte die Regierung auch gegenüber dem Militär, das sich als "Hüter der Prinzipien Atatürks" versteht, gestärkt. Der Wahlverlierer, die national-kemalistische CHP, die sich als parlamentarische Interessensvertretung der Staatselite in Bürokratie, Justiz und Militär versteht, wirft der AKP eine schleichende Islamisierung von Staat und Gesellschaft vor. Im März 2008 leitete der Generalstaatsanwalt ein Parteiverbotsverfahren gegen die AKP ein mit der Begründung, die Partei verstoße gegen wesentliche Gründsätze der Verfassung, insbesondere das Laizismusprinzip. Das Verfassungsgericht entschied am 30.07.2008, die türkische Regierungspartei nicht zu verbieten.

 

Die innenpolitische Polarisierung (v. a. die Reform des Art. 301 im türkischen StGB und Streit um das sog. Kopftuchverbot) wurde durch das Verbotsverfahren gegen die Regierungspartei AKP noch verstärkt. Insgesamt hat sich die Lage nach Zurückweisung des Verbotsantrags durch das Verfassungsgericht stabilisiert.

 

Sippenhaft

 

In der Türkei gibt es keine "Sippenhaft" in dem Sinne, dass Familienmitglieder für die Handlungen eines Angehörigen strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden. Die nach türkischem Recht aussagepflichtigen Familienangehörigen - etwa von vermeintlichen oder tatsächlichen PKK-Mitgliedern oder Sympathisanten - werden allerdings zu Vernehmungen geladen, z.B. um über den Aufenthalt von Verdächtigen befragt zu werden. Werden Ladungen nicht befolgt, kann es zur zwangsweisen Vorführung kommen.

 

Es gibt in der Türkei keine Personen oder Personengruppen, die alleine wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, sozialen Gruppe oder alleine wegen

 

ihrer politischen Überzeugung staatlichen Repressionen ausgesetzt sind.

 

Grundversorgung

 

Die Lebensverhältnisse in der Türkei sind weiterhin durch ein starkes West-Ost-Gefälle geprägt. Der Abwanderungsdruck aus dem Südosten in den Süden und Westen der Türkei und

 

in das Ausland hält an. Die Türkei kennt bisher keine staatliche Sozialhilfe nach EU-Standard. Sozialleistungen für Bedürftige werden auf der Grundlage der Gesetze Nr. 3294 über den Förderungsfonds für Sozialhilfe und Solidarität (Sosyal Yardimlasma ve Dayanismayi Tesvik Kanunu) und Nr. 5263, Gesetz über Organisation und Aufgaben der Generaldirektion für Sozialhilfe und Solidarität (Sosyal Yardimlasma ve Dayanisma Genel Müdürlügü Teskilat ve Görevleri Hakkinda Kanun) gewährt. Die Grundversorgung ist im wesentlichen gewährleistet.

 

Medizinische Versorgung

 

In der Türkei gibt es neben dem staatlichen Gesundheitssystem, das eine medizinische Grundversorgung garantiert, mehr und mehr leistungsfähige private Gesundheitsein-richtungen, die in jeglicher Hinsicht EU-Standard entsprechen. Das türkische Gesundheitssystemverbessert sich laufend. Eine medizinische Versorgung sowie die Behandlungsmöglichkeit psychischer Erkrankungen ist grundsätzlich landesweit gegeben.

 

Rückkehr

 

Ist der türkischen Grenzpolizei bekannt, dass es sich um eine abgeschobene Person handelt, wird diese nach Ankunft in der Türkei einer Routinekontrolle unterzogen, die einen Abgleich mit dem Fahndungsregister nach strafrechtlich relevanten Umständen und eine eingehende Befragung beinhalten kann. Abgeschobene können dabei in den Diensträumen der jeweiligen Polizeiwache vorübergehend zum Zwecke einer Befragung festgehalten werden. Die Einholung von Auskünften kann je nach Einreisezeitpunkt und dem Ort, an dem das Personenstandsregister geführt wird, einige Stunden dauern.

 

Besteht der Verdacht einer Straftat, werden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Wehrdienstflüchtige haben damit zu rechnen, gemustert und ggf. einberufen zu werden (u.U. nach Durchführung eines Strafverfahrens). Es sind mehrere Fälle bekannt geworden, in denen Suchvermerke zu früheren Straftaten oder über Wehrdienstentziehung von den zuständigen türkischen Behörden versehentlich nicht gelöscht worden waren, was bei den Betroffenen zur kurzzeitigen Ingewahrsamnahme bei Einreise führte.

 

Dem Auswärtige Amt ist in jüngster Zeit kein Fall bekannt geworden, in dem ein aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückgekehrter abgelehnter Asylwerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt wurde. Auch die türkischen Menschenrechtsorganisationen haben explizit erklärt, dass aus ihrer Sicht diesem Personenkreis keine staatlichen Repressionsmaßnahmen drohen. Für Misshandlung oder Folter allein aufgrund der Tatsache, dass ein Asylantrag gestellt wurde, liegen keine Anhaltspunkte vor.

 

Kurden

 

Ungefähr ein Fünftel der Gesamtbevölkerung der Türkei (72 Millionen) - also ca. 14 Millionen Menschen - ist zumindest teilweise kurdischstämmig. Im Westen der Türkei und an

 

der Südküste lebt die Hälfte bis annähernd zwei Drittel dieser Kurden: ca. drei Millionen im Großraum Istanbul, zwei bis drei Millionen an der Südküste, eine Million an der Ägäis-Küste und eine Million in Zentralanatolien. Rund sechs Millionen kurdischstämmige Türken leben in der Ost und Südost-Türkei, wo sie in einigen Gebieten die Bevölkerungsmehrheit bilden. Nur ein Teil der kurdischstämmigen Bevölkerung in der Türkei ist auch einer der kurdischen Sprachen mächtig.

 

Allein aufgrund ihrer Abstammung sind und waren türkische Staatsbürger kurdischer und anderer Volkszugehörigkeit keinen staatlichen Repressionen unterworfen. Aus den Ausweispapieren, auch aus Vor- oder Nachnamen, geht in der Regel nicht hervor, ob ein türkischer Staatsbürger kurdischer Abstammung ist (Ausnahme: Kleinkindern dürfen seit 2003 kurdische Vornamen gegeben werden).

 

Die meisten Kurden sind in die türkische Gesellschaft integriert, viele auch assimiliert. In Parlament, Regierung und Verwaltung sind Kurden ebenso vertreten wie in Stadtverwaltungen, Gerichten und Sicherheitskräften. Ähnlich sieht es in Industrie, Wissenschaft, Geistesleben und Militär aus.

 

In den wirtschaftlich unterentwickelten und z.T. feudalistisch strukturierten Regionen im Osten und Südosten der Türkei hat sich die Lage der Kurden seit dem Ende des Bürgerkrieges (Festnahme Öcalans 1999, bis dahin ca. 37.000 Todesopfer) und vor allem mit der Verabschiedung der Reformgesetze seit 2002 deutlich verbessert, wie auch unabhängige Menschenrechtsorganisationen feststellen. Dies schließt erste Schritte bei der Gewährung kultureller Rechte ein, wie die Zulassung privater kurdischer Sprachkurse für Erwachsene (die

 

jedoch mangels Nachfrage wieder eingestellt wurden) und die eingeschränkte Genehmigung regionaler kurdischsprachiger Radio- und Fernsehsendungen. Ökonomisch sind zudem erste, wenn auch zaghafte Entwicklungsansätze zu verzeichnen.

 

Am 27.05.2008 stellte MP Erdogan in Diyarbakir einen Aktionsplan für den Südosten der Türkei vor, der bis 2012 Investitionen von 14,5 Mrd. YTL (ca. 12 Mrd. US-D) in die wirtschaftliche Entwicklung der Region vorsieht. Das Misstrauen zwischen den Vertretern des türkischen Staates im Südosten - Justiz, Zivilverwaltung, Polizei und Militär - und der überwiegend kurdischen Bevölkerung ist zwar immer noch vorhanden, hat sich in den letzten Jahren aber verringert.

 

Der Gebrauch des Kurdischen, d.h. der beiden in der Türkei vorwiegend gesprochenen kurdischen Sprachen Kurmanci und Zaza, ist in Wort und Schrift keinen Restriktionen ausgesetzt, der öffentliche Gebrauch ist allerdings noch eingeschränkt und im Schriftverkehr mit Behörden nicht erlaubt. Kurdischunterricht und Unterricht in kurdischer Sprache an Schulen sind nach wie vor verboten.

 

Amnestie

 

In der Türkei wurden in den letzten zehn Jahren zwei Gesetze über eine "Bedingte Entlassung, Straf- und Strafverfahrensaussetzung zur Bewährung" vom Parlament verabschiedet. Es handelte sich hierbei um die Gesetze Nr. 4454 vom 28.08.1999 und Nr. 4616 vom 21.12.2000, die allgemein als Amnestiegesetze bezeichnet wurden. Das allgemeine Strafminderungsgesetz (sog. Amnestiegesetz, Gesetz Nr. 4616) zur Entlastung der Gefängnisse, das zunächst am Veto des Staatspräsidenten gescheitert war, wurde vom Parlament am 21.12.2000 endgültig verabschiedet. Das Gesetz sah eine Strafminderung um bis zu 10 Jahre vor. Durch das Gesetz wurden rund 30.000 Häftlinge unter der Bedingung entlassen, sich innerhalb der nächsten drei Jahre nicht wegen der selben Deliktsart strafbar zu machen. Von der Strafminderung (sachlich eigentlich Bewährungsaufschub) waren eine Reihe von Delikten ausgenommen, darunter Folter, Verbrechen gegen den Staat, Korruption, etc.. Demgegenüber umfasste das Gesetz auch Art. 312 Abs. 2 (Volksverhetzung) und Art. 169 tStGB a.F. (Unterstützung einer bewaffneten Organisation). Am 18.07.2001 dehnte das Türkische Verfassungsgericht aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes den Anwendungsbereich des Gesetzes auf weitere Delikte aus.

 

Strafrechtsreform

 

Lange Zeit nicht geändert wurde Art. 169 tStGB a.F. (Unterstützung einer bewaffneten Bande). Es bestand damit die Gefahr, dass staatskritische Äußerungen in Zusammenhang mit einer verbotenen Vereinigung gebracht und damit eine Anklage begründet wurde. Am 30.07.2003 wurde die unbestimmte Formulierung "oder wer ihre Handlungen in irgendeiner Weise unterstützt" gestrichen. Damit sollten nun nur noch die in Art. 169 tStGB a.F. aufgezählten konkreten Unterstützungshandlungen wie Gewähren von Unterschlupf oder Versorgen mit Waffen, dagegen keine Meinungsdelikte mehr unter diese Vorschrift fallen. Das galt auch für Meinungsdelikte, die vor der Gesetzesänderung begangen worden sind, da bei unterschiedlichen Vorschriften zur Tatzeit und zur Urteilszeit die für den Angeklagten günstigere Vorschrift anzuwenden war (Art. 2 II tStGB a.F., entspr. Art. 7 II tStGB n.F.). Anklagen nach Art. 169 tStGB a.F. waren selten geworden. Von jeher war die Freispruchsquote bei Art. 169 tStGB a.F. überdurchschnittlich hoch. Überdies kam es häufig zur Umwandlung von Haft- in Geldstrafen oder Aussetzung der Strafverbüßung. Art. 169 tStGB a.F. ist im neuen tStGB nicht mehr zu finden, bestraft wird als lex specialis nur noch das Bereitstellen von Waffen, Art. 315 tStGB n.F., oder es erfolgt eine Bestrafung über die allgemeinen Vorschriften zur Beihilfe. Im neuen tStGB wird aber die Unterstützung einer illegalen bewaffneten Organisation schwerer bestraft. Nach Art. 220 Abs. 7 tStGB n.F. werden Personen, die nicht ein Teil der Organisationshierarchie sind, bewusst oder unbewusst die Organisation unterstützen, als Organisationsmitglieder bestraft.

 

Verjährung

 

Für viele vor dem 23.04.1999 begangene Straftaten- darunter auch Unterstützungs-handlungen für bewaffnete Organisationen - wurden Anklageerhebungen, Strafverfahren und Strafvollzug durch das Amnestiegesetz Nr. 4616 vom 21.12.2000 zur Bewährung ausgesetzt. Diese Regelung gewährte einen Straferlass von 10 Jahren, was bei Straftaten mit einer Strafe unter 10 Jahren eine Straffreistellung bedeutete.

 

Exilpolitische Aktivitäten

 

Nur türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, laufen Gefahr, dass sich die türkischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen, wenn sie in die Türkei einreisen. Es ist davon auszugehen, dass sich eine mögliche strafrechtliche Verfolgung durch den türkischen Staat insbesondere auf Personen bezieht, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden. Öffentliche Äußerungen, auch in Zeitungsannoncen oder -artikeln, sowie Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten etc. im Ausland zur Unterstützung kurdischer Belange sind nach türkischem Recht nur dann strafbar, wenn sie als Anstiftung zu konkret separatistischen und terroristischen Aktionen in der Türkei oder als Unterstützung illegaler Organisationen gemäß der gültigen Fassung des türkischen Strafgesetzbuches gewertet werden können.

 

Aleviten

 

Mit schätzungsweise 15 Millionen (rund ein Fünftel der türkischen Bevölkerung) bilden die Aleviten nach den Sunniten die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft der Türkei. In der Türkei leben sowohl türkische als auch kurdische Aleviten, die ihren Glauben je nach Herkunftsregion unterschiedlich praktizieren.

 

Die Aleviten verwahren sich selbst gegen den Begriff "Minderheit". Vom türkischen Staat werden sie offiziell nicht als Glaubensgemeinschaft anerkannt, sondern als Teil der muslimischen (sunnitischen) Bevölkerung der Türkei angesehen. Dementsprechend betrachtet die Religionsbehörde DIYANET das Alevitentum als islamische Unteridentität in seiner Zuständigkeit. Den Status alevitischer Gebetshäuser (Cemevi) erkennt sie nicht als Moscheen vergleichbar an. In Regierung, Verwaltung und Parlament sind die Aleviten unterrepräsentiert.

 

Auch wenn die Aleviten ihre Religion entsprechend der Gewährleistung in Art. 24 der türkischen Verfassung weit gehend unbehindert ausüben können, sehen sie sich aufgrund des Fehlens einer eigenen Rechtspersönlichkeit doch schwerwiegenden - ihrer Art und Intensität nach aber nicht asylerheblichen - bürokratischen Hemmnissen ausgesetzt.

 

Die Aleviten selbst unterstützen den von Atatürk begründeten türkischen Laizismus und fordern eine echte Trennung von Staat und Religion; traditionell neigen sie dazu, sich liberalen und links gerichteten politischen Parteien und Strömungen anzuschließen. Auch wegen ihrer politischen Orientierung sehen sich Aleviten deshalb leicht dem Verdacht einer staatsfeindlichen Gesinnung ausgesetzt.

 

Von radikalen Sunniten werden die Aleviten sogar als Abtrünnige angesehen, und auch die rechtsgerichteten und rechtsradikalen Kräfte in der Türkei begegnen ihnen mit Feindschaft.

 

So ist es in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach zu gewalttätigen Übergriffen auf Aleviten gekommen, ohne dass die Sicherheitskräfte mit dem nötigen Nachdruck eingegriffen hätten, nämlich in den Jahren 1967 und 1993 in Sivas, im Jahr 1978 in Kahramanmaras und Corum und zuletzt im Jahr 1995 in Istanbul. Derartige gewalttätige Ausschreitungen gegenüber Aleviten oder anderen religiösen Minderheiten haben sich in den zurückliegenden Jahren indessen nicht wiederholt.

 

Frauen

 

Artikel 10 der Verfassung enthält eine Bestimmung, wonach Männer und Frauen gleiche Rechte haben. Der Staat ist nach der Verfassung verpflichtet, diese Gleichheit in der Praxis umzusetzen. Die gesellschaftliche Wirklichkeit hinkt in weiten Teilen der Türkei noch weit hinter den letzten gesetzlichen Entwicklungen her. In den besser gebildeten und wohlhabenderen Schichten in Ankara, Istanbul und Izmir spielen Frauen eine gleichberechtigte oder nahezu gleichberechtigte Rolle. In den ländlichen Gebieten vor allem der Zentral-und Osttürkei ist dies nicht der Fall. Dort ist die Gesellschaft oft immer noch traditionell konservativ und streng patriarchalisch strukturiert.

 

Frauen werden oft Opfer familiärer Gewalt. Religiöse Ehen (auch Mehrehen, so genannte Imam-Ehen) sind, obwohl verboten, noch weit verbreitet. Die Analphabetenrate von Frauen ist immer noch weit höher als bei Männern. Die Rolle der Frau wird nach wie vor traditionell gesehen: als Hausfrau und Mutter, deren Ehre gleichbedeutend mit der Familienehre ist.

 

Türkische Frauen treffen auf dem Arbeitsmarkt, bei der Entlohnung, in Bildungsfragen und in der Politik auf deutlich schlechtere Bedingungen als Männer. Knapp 10% der 550 Parlamentsabgeordneten sind Frauen. Nur 24,7 % aller Beschäftigten insgesamt sind Frauen, mit seit Jahren fallender Tendenz.

 

Das neue Strafgesetzbuch berücksichtigt verstärkt den Schutz von Frauen und regelt Straftaten wie "Ehrenmorde" und Vergewaltigung (auch in der Ehe). Für strafmündige Täter ist keine Privilegierung für solche Morde mehr enthalten; es enthält im Gegenteil die Möglichkeit zur Strafverschärfung. Presseberichten zufolge wurden im November 2006 fünf junge Frauen aus der Umgebung von Van auf Beschluss der Staatsanwaltschaft unter staatlichen Schutz gestellt, um Ehrenmorden durch ihre Angehörigen vorzubeugen. Die Frauen sollen sich Zwangsheiraten widersetzt und voreheliche sexuelle Kontakte gehabt haben. Insgesamt ist zu beobachten, dass sich türkische Behörden und NROen in letzter Zeit des Problems vermehrt annehmen.

 

Kommunen mit mehr als 50.000 Einwohnern werden mit dem neuen Kommunalgesetz verpflichtet, Frauenhäuser einzurichten.

 

In der Türkei existieren derzeit 44 Frauenhäuser. Der Staat fördert die Schulung sowie die Ausbildung von Polizeibeamten (ca. 40.000 Polizeibeamte) zum Umgang mit Frauen, die Schutz vor häuslicher Gewalt suchen. Ein wesentliches Ziel ist die Eindämmung von häuslicher Gewalt in der Türkei. Hauptzielsetzung des Projekts ist es, Polizeibeamte für Anzeichen von häuslicher Gewalt zu sensibilisieren und sie in die Lage zu versetzen, betroffenen Frauen Schutzmaßnahmen vor gewalttätigen Partnern anzubieten. Ein Team von Psychologen steht zu jeder Zeit zur Verfügung.

 

3. Beweiswürdigung:

 

3.1. zu 2.1. (Beschwerdeführerin und deren Fluchtgründe)

 

3.1.1. Der Asylgerichtshof hat durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt, durch die am 17.02.2009 durchgeführte mündliche Verhandlung sowie durch Erörterung der Länderberichte zur Türkei Beweis erhoben.

 

Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin und ihren Angehörigen ergeben sich aus den Einvernahmen vor der Erstbehörde, den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof im Einklang mit dem Akteninhalt, sowie aus den von ihr im Verfahren vorgelegten Personalausweis.

 

Die Feststellungen zu ihrem Privat- und Familienleben in Österreich ergeben sich aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof, sowie aus den von ihr mit der Stellungnahme vom 04.03.2009 nachgereichten Unterlagen.

 

Der Asylgerichtshof geht aus folgenden Gründen nicht davon aus, dass die Beschwerdeführerin weder einer asylrelevanten Verfolgung noch einer anderen Gefährdung in der Türkei ausgesetzt ist:

 

Die Beschwerdeführerin machte in der Beschwerdeverhandlung grundsätzlich einen glaubwürdigen Eindruck und waren ihre getätigten Angaben mit dem sonstigen Akteninhalt, sowie mit dem Vorbringen vor dem Bundesasylamt in Übereinstimmung. Sie vermittelte auch den Eindruck einer weitgehend gefestigten Integration in Österreich.

 

Zu ihrem Vorbringen in den Beschwerdeschriftsätzen, dass sie nämlich seitens der Soldaten mit Vergewaltigung bedroht worden wäre und dass sie viermal festgenommen und auch verhört worden wäre und sie das alles nicht gesagt hätte, weil es sich beim Einvernehmenden um einen männlichen Referenten gehandelt habe, wurde die Beschwerdeführerin im Zuge der mündlichen Verhandlung befragt und war es offensichtlich, dass der Beschwerdeführerin der Inhalt der Beschwerdeschriften nicht bekannt war und sie sohin auch nicht für den Inhalt der Beschwerdeschriften verantwortlich ist. Von einer Auseinandersetzung mit den Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz vom 17.02.2005 kann daher abgesehen werden und erübrigt sich auch das Aufzeigen der einzelnen Widersprüche zu den Angaben der Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Einvernahmen und jener in den Beschwerdeschriftsätzen.

 

.

 

Hinweise auf asylrelevante die Person der Beschwerdeführerin betreffende Bedrohungssituationen konnte die Beschwerdeführerin nicht darlegen.

 

Ihr Vorbringen in der Beschwerdeverhandlung, dass ihr im Falle einer Rückkehr Gefahr drohen könnte, erweist sich als nicht plausibel, da es äußerst unwahrscheinlich ist, dass die Sicherheitsbehörden an der Person der Beschwerdeführerin ein derart massives Interesse haben, dass diese sich auch nach mehr als 13 Jahren betreffend der behaupteten Unterstützungstätigkeit, aktuell nach ihrer Person erkundigen, insbesondere wo die Beschwerdeführerin doch nicht behauptet hat, dass sie in irgendeiner Art und Weise mehr als alle anderen Bewohner ihres Heimatdorfes ins Blickfeld der Sicherheitsbehörden geraten ist. Die Beschwerdeführerin gab an, dass ihr und ihren Eltern - wie alle anderen Bewohner ihres Heimatdorfes - unterstellt wurde die PKK fallweise mit Lebensmitteln zu unterstützen; dass sie deswegen im besonderen Maße ins Blickfeld der Behörden geraten ist, hat sie zu keiner Zeit vorgebracht und kann eine asylrelevante Gefährdung der Beschwerdeführerin einzig aufgrund dieser Unterstellung nicht erkannt werden; insbesondere unter Beachtung des Umstandes, dass diese Unterstellung - wie von der Beschwerdeführerin behauptet - auch ihre Eltern und viele Bewohner ihres Dorfes betraf und wohl alle Bewohner im gleichen Ausmaß von etwaigen polizeilichen Maßnahmen wie Befragungen, Verbot der weiteren Unterstützungstätigkeit, betroffen gewesen sind bzw. wären.

 

Aber auch mangels Aktualität der Unterstellung dieser Unterstützungstätigkeit, welcher nun bereits mehr als 13 Jahre zurückliegt, kann davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in ihr Heimatland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Konsequenzen zu erwarten haben wird.

 

Ferner spricht auch der Umstand, dass sich ihre Familie (Eltern und ein Bruder) ohne Probleme in der Türkei aufhalten kann, für die mangelnde Gefährdungssituation der Beschwerdeführerin. Auch ihren Eltern - welche vorwiegend der Unterstützungstätigkeit beschuldigt wurden - ist offensichtlich ein unbehelligtes Leben in der Türkei möglich. In einer Gesamtschau spricht somit auch der Umstand, dass sich ihre Familie ohne Probleme in der Türkei aufhalten kann dafür, dass sie im Falle einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit weder einer asylrelevanten noch einer anderen Gefährdung ausgesetzt ist.

 

Die Beschwerdeführerin hat auch nicht vorgebracht, dass sie aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit von Seiten des Staates Repressionen, Diskriminierung oder Benachteiligungen ausgesetzt war. Dem Vorbringen der Antragstellerin kann auch keine zielgerichtete konkret gegen sie gerichtete Verfolgungshandlung im Sinne der GFK weder durch staatliche Behörden noch durch Privatpersonen entnommen werden.

 

Die Quellen zeigen auch, dass Organisationen zum Schutz von Frauen, die ihnen in schwierigen Situationen helfen, existieren, sodass auch hier nicht generell von einer unzumutbaren Lage für Frauen ausgegangen werden kann (wiewohl sich die Situation in bestimmten Einzelfällen, insbesondere im ländlichen Raum, anders darstellen mag; ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor).

 

3.2. zu 2.2. (Situation im Herkunftsstaat)

 

3.2.1. Die Feststellungen zur Lage in der Türkei beruhen auf den in der mündlichen Verhandlung vom 17.02.2009 zitierten und diesem Bescheid zu Grund gelegtem Dokumentationsmaterial. Es ist allgemein zu den Feststellungen auszuführen, dass es sich bei den herangezogenen Quellen zum Teil um staatliche bzw. staatsnahe Institutionen handelt, die zur Objektivität und Unparteilichkeit verpflichtet sind.

 

Hieraus ergaben sich für den Asylgerichtshof folgende Kernaussagen und Folgerungen:

 

Aus diesen Feststellungen ergibt sich, dass sich die Sicherheitslage sowie die allgemeine Lage in der Türkei grundsätzlich als relativ zufriedenstellend darstellen. Auch kann aufgrund der getroffenen Länderfeststellungen keine maßgebliche Gefährdung ihrer Person im Falle einer Rückkehr erkannt werden. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich weder um ein Mitglied der PKK noch um eine Person welche mit der PKK sympathisiert hat, sondern wurde ihr und ihren Eltern lediglich vorgeworfen, dass sie Mitglieder der PKK zeitweise mit Lebensmittel bzw. Unterkunft unterstützt hätten. Allein aufgrund dieser Unterstellung bzw. Unterstützung, welche von der überwiegenden Mehrzahl der Bewohner ihres Dorfes getätigt wurde, sowie aufgrund mangelnder Aktualität, kann eine Gefährdungssituation im Falle einer Rückkehr jedenfalls ausgeschlossen werden. Ferner wurde durch die Strafrechtsreform Artikel 169 tStGB geändert und handelt es sich bei der Gewährung von Unterschlupf an PKK-Mitglieder nun nicht mehr um ein Strafrechtsdelikt.

 

Auch ergibt sich aus den Feststellungen, dass es in der Türkei regelmäßig (von Ausnahmen in individuellen Fällen abgesehen) keine asylrelevanten Gefährdungen von Frauen gibt. Das Leben der meisten Frauen ist zwar nach wie vor stark durch die patriarchalischen Traditionen bestimmt, jedoch besteht ein großer Unterschied zwischen ländlich konservativen Regionen und dem städtischen Bereich. Aus diesen Berichten ergibt sich auch, dass "häusliche bzw. familiäre Gewalt" in der Türkei erkannt wurde und die Sicherheitsbehörden in solchen Fällen adäquat reagieren. Es gibt in der Türkei auch etliche Frauenhäuser, daneben bestehen weitere NGO¿s die spezielle Frauen unterstützen.

 

Die Grundversorgung sowie die medizinische Versorgung sind in der Regel gewährleistet, sodass jedenfalls keine lebensbedrohenden Situationen entstehen. Die Beschwerdeführerin hat durch ihre Familienangehörigen auch weiterhin ein soziales Netz in der Türkei. Auch löst die Asylantragstellung allein keine staatlichen Repressionen aus.

 

Dass der Beschwerdeführerin aufgrund sonstiger Umstände (schwere Erkrankung, sonstige besondere Vulnerabilität) die Gründung einer neuen Existenz in der Türkei nicht möglich wäre, ergibt sich aus den Feststellungen ebenfalls nicht.

 

Zusammengefasst ergibt sich daher aus den unbestrittenen Länderfeststellungen kein Hindernis an der Durchsetzung einer negativen Asylentscheidung gegen die Beschwerdeführerin.

 

Den behördlichen Feststellungen ist weder seitens der Beschwerdeführerin noch seitens ihrer Rechtsvertreterin entgegengetreten worden.

 

4. Rechtliche Würdigung

 

4.1. Nichtgewährung von Asyl gemäß § 7 AsylG

 

4.1.1. Gemäß § 7 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I 126/2002 ist Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling i.S.d. Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH E vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH E vom 26.2.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH E vom 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH E 18.4.1996, 95/20/0239; VwGH E vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH E vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH E vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH E vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH E vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH E vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, u.a.).

 

4.1.2. Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des erkennenden Senates die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

 

Die Beschwerdeführerin vermochte keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft zu machen. Auf sämtliche Ausführungen unter Punkt 3 des gegenständlichen Erkenntnisses wird verwiesen.

 

4.1.2.1. Eine aktuelle asylrelevante Gefährdung zum Entscheidungspunkt kann aufgrund nachfolgender Erwägungen nicht erkannt werden:

 

Die Beschwerdeführerin hat nicht vorgebracht, dass sie Misshandlungen oder Übergriffen seitens der Polizei ausgesetzt gewesen wäre und kann auch nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführerin derartiges geschehen würde.

 

Denkmöglich ist es, dass die Familie der Beschwerdeführerin sowie die anderen Bewohner ihres Dorfes aufgrund der ihnen unterstellten Unterstützungstätigkeit zeitweise Befragungen oder Hausdurchsuchungen seitens der Gendarmerie bzw. seitens Soldaten ausgesetzt gewesen waren. Diesen Eingriffen mangelt es jedoch an der für die Asylgewährung notwendigen Intensität.

 

Dem Begriff der Verfolgung ist eine gewisse Intensität inhärent.

 

Nach Artikel 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie des Rates, welcher durch § 2 Abs. 1 Z11 AsylG gelten als Verfolgung im Sinne des Artikels 1 A der Genfer Flüchtlingskonvention Handlungen, die a) aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder b) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Buchstabe a) beschriebenen Weise betroffen ist.

 

Diese Definition des Terminus "Verfolgungshandlung" entspricht im wesentlichen auch der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

 

Eine aus Teilnahme an einer Demonstration erfolgende Verhaftung stellt für sich allein noch kein Indiz für das Vorliegen konkreter, gegen eine bestimmte Person gerichtete Verfolgung dar (VwGH 24.09.1998, 98/01/0224) und kommt Anhaltungen und Verhören dann keine asylrechtliche Relevanz zu, wenn diese ohne weitere Folgen geblieben sind (VwGH, 16.01.1996, 95/20/0196).

 

Der Verwaltungsgerichtshof anerkennt in ständiger Rechtsprechung kurzzeitige Inhaftierungen, wenn sie ohne Folgen blieben, und Hausdurchsuchungen aufgrund mangelnder Intensität nicht als asylrechtlich relevante Verfolgung (VwGH E vom 14.10.1998, Zl. 98/01/0262; VwGH E vom 12.5.1999, Zl. 98/01/0365).

 

Was nun die möglichen polizeilichen Befragungen und Hausdurchsuchungen der Beschwerdeführerin und ihrer Familie betrifft, so ist auf die einschlägige höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach Verhöre und Befragungen für sich allein (wenn sie ohne weitere Folgen bleiben) sowie Hausdurchsuchungen keine Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darstellen (vgl. zB VwGH 29.10.1993, 93/01/0859; 31.03.1993, 93/01/0168; 26.06.1996, 95/20/0427; 04.11.1992, 92/01/0819; 06.03.1996, 95/20/0128; 10.03.1994, 94/19/0257; 11.06.1997, 95/01/0627, VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0262; VwGH 12.5.1999, Zl. 98/01/0365).

 

4.1.2.2. Aber selbst wenn sie tatsächlich zum damaligen Zeitpunkt eine Bestrafung seitens des türkischen Staates wegen der unterstellten Unterstützungstätigkeit zu gewärtigen gehabt hätte, so ist eine solche zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedenfalls nicht mehr erkennbar. Zum einen ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen, dass durch die Strafrechtsreform Artikel 169 tStGB (Unterstützung einer bewaffneten Bande) geändert wurde und handelt es sich bei der Gewährung von Unterschlupf an PKK-Mitglieder nun nicht mehr um ein Strafrechtsdelikt. Zum anderen wurde in der Türkei im Dezember 2000 auch das Amnestiegesetz, Gesetz Nr. 4616, welches eine Strafminderung in Form der Haftentlassung unter der Bedingung sich binnen drei Jahren nicht derselben Deliktsart strafbar zu machen, erlassen, welches auch Artikel 168 tStGB umfasst. Ferner wurden durch das Amnestiegesetz vom Dezember 2000 viele vor dem 23.04.1999 begangene Straftaten- darunter auch Unterstützungshandlungen für bewaffnete Organisationen - zur Bewährung ausgesetzt und gewährt diese Regelung einen Straferlass von 10 Jahren, was bei Straftaten mit einer Strafe unter 10 Jahren eine Straffreistellung bedeutet. Eine Bestrafung seitens des türkischen Staates ist daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedenfalls nicht mehr zu erwarten.

 

4.1.2.3. Darüber hinaus mangelt es dem Vorbringen sowie den subjektiven Befürchtungen der Beschwerdeführerin auch an der für die Asylgewährung erforderlichen Aktualität.

 

Relevant kann nämlich nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlings-Konvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, dass ihr im Falle einer nunmehrigen Rückkehr Gefahr seitens der PKK drohen könnte, ist dies völlig unplausibel, da nicht mehr aktuell und auch mit den logischen Denkprozessen wenig vereinbar. Die Beschwerdeführerin war zu keiner Zeit irgendwelchen Übergriffen seitens der PKK ausgesetzt und ist nicht erklärlich, warum sie gerade im Falle ihrer nunmehrigen Rückkehr nach 13 Jahren solche zu gewärtigen hätte. Auch ist es nicht plausibel, dass die Beschwerdeführerin nach mehr als 13 Jahren Konsequenzen seitens des türkischen Staates zu erwarten hätte; insbesondere, da sie doch solchen auch während ihres Aufenthaltes in der Türkei nicht ausgesetzt war und nicht ersichtlich ist, warum ihr derartiges nach nunmehr 13 Jahren drohen könnte. In einer Gesamtschau kann jedenfalls davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in ihr Heimatland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Konsequenzen zu erwarten haben wird. Warum die Beschwerdeführerin derart ins Blickfeld der türkischen Behörden geraten ist, dass sie im Falle ihrer nunmehrigen Rückkehr einer gezielten Verfolgung ausgesetzt sein sollte bzw. die türkischen Behörden nun plötzlich Interesse an ihrer Person haben sollten, hat sie nicht plausibel darlegen können; ganz im Gegenteil, hat sie doch behauptet, dass sie seitens der staatlichen Behörden keine Konsequenzen fürchte, sondern lediglich Angst vor der PKK habe (vlg. Seite 6 der Verhandlungsschrift)

 

4.1.2.4. Ferner spricht auch der Umstand, dass sich ihre Familie (Eltern und ein Bruder) ohne Probleme in der Türkei aufhalten kann, für die mangelnde Gefährdungssituation der Beschwerdeführerin. Auch ihren Eltern - welche vorwiegend der Unterstützungstätigkeit beschuldigt wurden - ist offensichtlich ein unbehelligtes Leben in der Türkei möglich. In einer Gesamtschau spricht somit auch der Umstand, dass sich ihre Familie ohne Probleme in der Türkei aufhalten kann dafür, dass sie im Falle einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit weder einer asylrelevanten noch einer anderen Gefährdung ausgesetzt ist.

 

4.1.2.5. Zu einer allfällig existenziellen Gefährdung der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr ist auszuführen, dass unter Berücksichtigung der getroffenen Länderfeststellungen, jedenfalls keine existentiellen Gefährdungen von Angehörigen der Volksgruppe der Kurden festgestellt werden kann. Die Eltern und ein Bruder der Beschwerdeführerin leben nach wie vor in der Türkei und könnte sie im Falle einer Rückkehr bei diesen auch wieder Unterkunft finden. Darüber hinaus stünde es der Beschwerdeführerin offen, sich in einem anderen Landesteil der Türkei, insbesondere in den Großstädten Istanbul oder Ankara, niederzulassen, wo eine Arbeitsaufnahme unter Umständen einfacher zu gewärtigen sein mag als in einer ländlichen Gegend, und ist aus den getroffenen Länderfeststellungen weder ersichtlich, dass sie dort einer existentielle Gefährdung noch einer anderweitigen Gefährdung ausgesetzt wäre, noch asylrelevante Gefährdung zu befürchten hätte; dies insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin zu keiner Zeit ins Blickfeld der türkischen Behörden geraten ist. Seitens der Beschwerdeführerin wurde eine schlechte wirtschaftliche Lage im gesamten Verfahren auch nicht behauptet.

 

4.1.2.6. Sofern implizit zum Ausdruck gebracht werden mag, dass Kurden in der Türkei generell verfolgt werden würden, ist auszuführen, dass laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe allein kein Grund für die Asylanerkennung rechtfertigt, soferne nicht konkrete gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht werden. Darüber hinaus kann auch den getroffenen Länderfeststellungen nicht entnommen werden, dass Kurden allein aufgrund ihrer Abstammung verfolgt oder staatlichen Repressionen unterworfen werden. Auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin der kurdischen Volksgruppe angehört, bewirkt sohin für sich allein nicht, dass ihr Asyl zu g

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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