TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/18 95/20/0239

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Veröffentlicht am 18.04.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des R A in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. März 1995, Zl. 4.339.770/9-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger und reiste am 1. September 1992 in das Bundesgebiet ein. Am 3. September 1992 stellte er den Asylantrag und wurde noch am selben Tag vom Bundesasylamt niederschriftlich zu seinen Fluchtgründen befragt. Dabei gab er im wesentlichen an, er habe bis zu seiner Flucht aus seiner Heimat in Shiraz gelebt. Bis zum Jahr 1991 (im folgenden richtiggestellt: bis 1989) sei er Assistent an der Universität in K am Institut für Physik gewesen. Seit einem Jahr habe er im Auftrag des Unterrichtsministeriums an einem Lehrbuch für Mathematik geschrieben, diese Arbeit sei jedoch durch die Abteilung für islamische Erziehung desselben Ministeriums abgelehnt worden. Der Grund für seine Flucht sei darin gelegen, daß er seinen Studenten nicht erlaubt habe, an einer von der Regierung organisierten Demonstration gegen die Amerikaner teilzunehmen. Derartige Demonstrationen hätten in den Jahren 1987 bis 1989 stattgefunden. Er habe auch seinen Studenten nicht erlaubt, in den Krieg zu ziehen. Deshalb habe ein Mullah namens A gegen ihn Stellung bezogen. Hinzugekommen sei, daß seine Frau Italienerin gewesen sei und man ihm selbst prowestliche Einstellung vorgeworfen habe. Er sei schließlich so weit gebracht worden, seine Arbeit an der Universität aufzugeben. Seine Frau habe im Sommer 1988 den Iran verlassen (in der Berufung korrigiert auf: 1986) und lebe jetzt in U, Italien. Seither habe er seine Ehegattin nur zweimal gesehen. Zur Verfolgung in seiner Heimat näher befragt, brachte der Beschwerdeführer vor, sein Vater sei höherer Beamter der amerikanischen Botschaft im Iran gewesen. Das Haus seines Vaters sei daher wiederholt von Regierungstruppen durchsucht worden. Sein Vater habe ihn letztendlich aufgefordert, "wenigstens sein eigenes Leben zu retten". Nach den Unruhen in Shiraz zwei bis drei Monate vor seiner Ausreise hätten Hausdurchsuchungen stattgefunden und er selbst habe sich immer wieder bei der Polizei melden müssen. Seine Familie und er selbst hätten Shiraz nicht verlassen dürfen. Durch einen Cousin, der bei der Polizei in Teheran arbeite, habe er erfahren, daß gegen ihn noch kein Ausreiseverbot bestanden habe, er jedoch das Land sofort verlassen solle. Deshalb sei er am 11. August 1992 legal mit dem Bus aus dem Iran ausgereist. Wäre er im Iran geblieben, hätte man über ihn ein Ausreiseverbot verhängt, des weiteren würden Informationen gegen ihn gesammelt und ein Verfahren gegen ihn eingeleitet worden sein. Im Jahr 1989 sei er nach Italien gereist und im November 1989 wieder in den Iran zurückgekehrt. Im Jahre 1990 sei er in Zypern gewesen und im Februar 1990 wieder in den Iran zurückgekehrt.

Zu konkreten Verfolgungshandlungen befragt, gab der Beschwerdeführer des weiteren an, er habe sich sechs Monate, nämlich von Mai bis September 1988 in Haft befunden, erst dann habe es ein Gerichtsverfahren gegeben, bei dem sich herausgestellt habe, daß er unschuldig in Haft gewesen sei.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. September 1992 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers abgewiesen.

In der fristgerecht dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, seine Familie mütterlicherseits gehöre zur mächtigen G-Familie, die im Südiran ansässig sei. Noch zu Zeiten des Schahregimes im Iran habe seine Familie über 50.000 bewaffnete Söldner befehligt. Nach dem Sturz des Schah habe die Verfolgung seiner Familie begonnen. Über hundert seiner Familienangehörigen seien getötet worden, viele hätten den Iran verlassen müssen. Sein Cousin H A habe 1987 den Iran verlassen und sei nach Österreich geflüchtet, wo er auch um Asyl angesucht habe. Im Sommer 1991 sei Dr. Shapoor Bakhtiar, ein Cousin seiner Mutter und letzter Premierminister des Schahregimes, in Paris von iranischen Terroristen ermordet worden. Sein Vater, der ein hoher Beamter der US-Botschaft in Teheran gewesen sei, habe aus seiner Heimat fliehen müssen. Er habe in den USA politisches Asyl und die Staatsbürgerschaft der Vereinigten Staaten erhalten. Zu dieser Zeit habe er selbst (der Beschwerdeführer) sich in Großbritannien aufgehalten, wo er sein Studium abgeschlossen habe und anschließend zu seinem Vater in die Vereinigten Staaten gefahren sei. Sein Vater sei von der iranischen Regierung beschuldigt worden, amerikanischer Spion zu sein. Dieser Verdacht sei noch dadurch erhärtet worden, daß er mit der Mutter des Beschwerdeführers, einer Angehörigen der regimefeindlichen G-Familie verheiratet gewesen sei. Als sein Vater erfahren habe, daß die Mutter des Beschwerdeführers verhaftet worden sei, habe er sich entschlossen, in den Iran zurückzukehren, obwohl er dort keinesfalls sicher gewesen sei. Über ein Jahr habe er sich im Norden des Iran verstecken und abwarten müssen, bis sich die Situation für ihn gebessert habe. 1983 sei er dann nach Shiraz zurückgekehrt, einige Monate später sei auch seine Mutter unter Einflußnahme des Ayatollah D, der selbst 1984 hingerichtet worden sei, freigelassen worden. Seine Eltern stünden jedoch bis derzeit in Shiraz unter Hausarrest und hätten sich wöchentlich bei der Polizei zu melden. Außerdem seien alle Besitztümer und Ländereien, die unschätzbaren Wert gehabt hätten, schon 1981 von den Revolutionären konfisziert worden. Nachdem der Vater in den Iran zurückgekehrt gewesen sei, sei der Beschwerdeführer nach Italien gegangen, wo er an der Scuola Normale Superiore in P als Wissenschaftler tätig gewesen sei. Ende 1984 sei er durch den damaligen iranischen Minister für Wissenschaft Dr. Maknoon eingeladen worden, in den Iran zurückzukehren und dort als Wissenschaftler am Technicum tätig zu sein. Dabei sei ihm Verfolgungsfreiheit und finanzielle Unterstützung garantiert worden. Er sei also in den Iran zurückgekehrt, wo er die Stelle eines Assistenten an der Universität von K angenommen habe. In der Zeit von 1985 bis 1988 habe er sich insgesamt dreimal für einige Monate in Italien aufgehalten, wo er eine hohe Position am International Centre for Theoretical Physics in T eingenommen habe. Die zugesagten Zahlungen an seine Familie seien schon vier Monate später wieder eingestellt worden. 1985 habe er seine Frau und seinen Sohn nach K geholt, auf Grund der Probleme, die sie als Ausländerin und Frau im Iran gehabt habe, habe sie jedoch 1986 das Land wieder verlassen und sei nach Italien zurückgekehrt. Er selbst sei kein praktizierender Moslem und habe sich auch deshalb geweigert, die Vorlesung um 12 Uhr Mittags für das Gebet zu unterbrechen. Damit und in Verbindung mit seinem familiären Hintergrund habe er begonnen, "verdächtig" zu werden. Er habe die Studenten aufgefordert, nicht an antiamerikanischen Demonstrationen teilzunehmen und habe verhindert, daß Studenten des letzten Studienjahres an die Front geschickt wurden. Von diesem Zeitpunkt an seien an der Universität und sogar an seiner Bürotür Poster angebracht worden, auf denen er u.a. beschuldigt worden sei, amerikanischer Spion zu sein und in denen gedroht worden sei, man würde Maßnahmen gegen ihn ergreifen. Initiator dieser Aktion sei ein Mullah namens A gewesen, der auch Vorstand der "Islamic Society" an der Universität gewesen sei. Unter diesem Druck und den Drohungen habe er die Universität 1988 verlassen und habe von da an in Shiraz bei seinen Eltern gelebt. Zweimal habe er legal ins Ausland reisen können, seine letzte Auslandsreise sei 1990 nach Jugoslawien gewesen (laut Paßvisum: Zypern). Im Juni 1992 habe in Shiraz eine große Demonstration gegen das Regime stattgefunden, an der er selbst nicht teilgenommen habe. Auf Grund dieser Demonstration seien jedoch viele Personen verdächtigt worden, teilgenommen oder zu ihr aufgerufen zu haben, die sodann inhaftiert und von der Revolutionsgarde getötet worden seien. Auch ein treuer Freund seiner Familie und Führer der "Sunni-Sekte", Dr. M, sei im Zuge dieser "Säuberungsaktion" als amerikanischer Spion bezeichnet und hingerichtet worden, obwohl er mit der Demonstration absolut nichts zu tun gehabt habe. Auch er und seine Familie seien verdächtigt worden, als amerikanische Spione an einer Verschwörung gegen die Regierung beteiligt zu sein. Bei einer Hausdurchsuchung hätten die Revolutionsgarden Dokumente seiner Eltern gefunden, die die Beziehung der Familie seiner Mutter und die Verbindung seines Vaters zu den Vereinigten Staaten darstellten. Dies habe natürlich den Verdacht erhärtet, der gegen sie gehegt worden sei. Auch er sei aufgefordert worden, sich jede Woche beim Revolutionsgericht zu melden und sei bis auf weiteres unter Hausarrest gestellt worden. Er habe befürchtet, in Kürze von den Revolutionsgarden in Haft genommen und womöglich hingerichtet zu werden, so habe er seine einzige Möglichkeit in der Flucht gesehen.

Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. Februar 1993 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Infolge der dagegen erhobenen Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (wegen Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92,93/94) auf, sodaß das Berufungsverfahren bei der belangten Behörde wiederum anhängig wurde. Über entsprechende Aufforderung erstattete der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 10. Februar 1995 eine Berufungsergänzung und brachte vor, an seiner Glaubwürdigkeit könne wohl kaum gezweifelt werden, da sämtliche Daten und Fakten sich von der Behörde auch objektiv nachprüfen ließen, insbesondere der wissenschaftliche Aufenthalt des Beschwerdeführers in Italien. Hinsichtlich der wiederholten Rückkehr in sein Heimatland verkenne die Behörde offensichtlich die Persönlichkeit des Beschwerdeführers. Dieser sei international anerkannter Wissenschaftler, der die Möglichkeit der wissenschaftlichen Arbeit in seinem Heimatland wichtiger genommen habe als die bestehende Gefährdung seiner Person. Bereits aus dem Umstand, daß er seine offizielle wissenschaftliche Tätigkeit habe beenden müssen, sei jedoch ableitbar, daß die Probleme, die von seinen Heimatbehörden zu erwarten gewesen wären, zu diesem Zeitpunkt eskaliert seien. Es sei wohl kaum anzunehmen, daß der Beschwerdeführer ohne Verfolgung in seiner Heimat den Iran trotz seiner wissenschaftlichen Qualitäten verlassen hätte, um in Österreich "in einem kärglichen Ruhm (gemeint wohl: Raum) über jahrelang hindurch hausen zu müssen, ohne die Möglichkeit zu haben, auf einer Universität wissenschaftlich arbeiten zu können". Es handle sich beim Beschwerdeführer keineswegs um einen Wirtschaftsflüchtling.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers (neuerlich) gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und begründete ihre Entscheidung nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges und Zitierung der in Anwendung gebrachten gesetzlichen Bestimmungen rechtlich im wesentlichen dahingehend, weder der - freiwillige - Entschluß, die Universität im Jahre 1988 zu verlassen noch die in diesem Jahre erfolgte Inhaftierung könnten als Asylgrund herangezogen werden, weil es sich dabei um Umstände gehandelt habe, die schon längere Zeit vor der Ausreise zurücklägen und nach der im einzelnen zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr beachtlich seien. Auch legten die bis 1990 regelmäßigen Auslandsreisen den Schluß nahe, er sei zumindest bis zu diesem Jahre keinerlei Verfolgung ausgesetzt gewesen, weil ihm sonst derartige Reisen nicht ermöglicht worden wären. Auch die von ihm geltend gemachten Hausdurchsuchungen stellten regelmäßig noch keine Verfolgungshandlungen dar und könnten nur im Einzelfall begründete Furcht vor Verfolgung auslösen, wenn sie aus den in der Genfer Konvention genannten Gründen erfolgten. Derartige Gründe habe der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen können. Daß gegen ihn ein Ausreiseverbot verhängt oder ein Gerichtsverfahren eröffnet hätte werden sollen, stelle lediglich eine Annahme dar, die durch nichts belegt worden sei. Damit wohlbegründete Furcht vor Verfolgung angenommen werden könne, müßten die Zustände im Heimatland eines Asylwerbers auch aus objektiver Sicht betrachtet so sein, daß ein weiterer Verbleib des Asylwerbers dort unerträglich wäre, was zumindest eine erhebliche Intensität und Qualität der befürchteten Eingriffe des Staates bzw. seiner Organe in die zu schützende Rechtssphäre des einzelnen voraussetze. Des weiteren lasse auch die legale Ausreise unter Berücksichtigung der strengen Verhältnisse im Heimatland des Beschwerdeführers den Schluß zu, daß er auf keiner Verbotsliste gestanden und daher - zumindest zu diesem Zeitpunkt - keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Im übrigen erachtete die belangte Behörde die in der Berufung geltend gemachten Verfahrensverletzungen als nicht vorliegend bzw. saniert, erachtete keinen der Fälle des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 als gegeben und ging demzufolge auf das "überschießende" Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers nicht näher ein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer zunächst einen Verstoß gegen § 39a AVG, somit gegen die Verpflichtung, einer Partei, die der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig sei, erforderlichenfalls einen Dolmetscher (Amtsdolmetscher) beizugeben. Der Beschwerdeführer räumt zwar ein, daß ein gemäß § 11 Abs. 1 AsylG (1968) bestellter Dolmetsch nicht gerichtlich beeidet sein mußte, meint jedoch, durch eine entsprechende Gleichstellung mit dem Sachverständigen (Amtssachverständigen) sei es geboten, eine entsprechende Vereidigung eines nicht amtlichen Sachverständigen (Dolmetschers) vorzunehmen. Im gegenständlichen Verfahren sei dies nicht erfolgt. Ein Amtssachverständiger bzw. ein beeideter Sachverständiger hätte mit Sicherheit eine größere Sorgfalt bei der Übersetzung der maßgebenden Textpassagen an den Tag gelegt. So aber sei nicht mit Sicherheit überprüfbar, ob bei Einhaltung all dieser Verfahrensvorschriften nicht ein anderes Verfahrensergebnis in erster Instanz erfolgt wäre, was zu einer anderen rechtlichen Beurteilung geführt hätte. Die Einvernahme des Beschwerdeführers habe lediglich 90 Minuten gedauert, die Niederschrift sei mit 2 Seiten relativ kurz. In diesem Zusammenhang verwies der Beschwerdeführer auf das Protokoll der Einvernahme in dem parallel laufenden Verfahren vor dem UNHCR. Dennoch geht aus den Ausführungen des Beschwerdeführers in der Beschwerde nicht klar hervor, welche konkreten Feststellungen die belangte Behörde ergänzend oder anders hätte treffen sollen oder müssen. Damit zeigt der Beschwerdeführer aber die Wesentlichkeit der von ihm gerügten Verfahrensmängel nicht auf. Insoweit der Beschwerdeführer offenbar meint, die Einräumung der Möglichkeit zur Berufungsergänzung im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1994, G 92,93/94, schließe die Beurteilung des daraufhin erstatteten ergänzenden Sachvorbringens als "unglaubwürdig" aus, ist dem nicht zu folgen. Nach den Erwägungen des zitierten Verfassungsgerichtshofserkenntnisses wird im Sinne der daraufhin ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hg. Erkenntnis vom 25. August 1994, Zl. 94/19/0435, und die daran anschließende Judikatur) lediglich die Geltendmachung einfacher Verfahrensverletzungen im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erster Instanz ermöglicht, dies berührt aber die Frage der Beweiswürdigung des erstatteten Sachvorbringens bzw. der in einem (mängelfreien) Verfahren gewonnenen Ermittlungsergebnisse nicht. Liegen daher auch nach dem ergänzenden Berufungsvorbringen die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 in der bereinigten Fassung, BGBl. Nr. 610/1994, nicht vor, hat die belangte Behörde gemäß dem - in seinem Geltungsbereich unverändert aufrecht gebliebenen - § 20 Abs. 1 leg. cit. von den Ermittlungsergebnissen des Verfahrens erster Instanz auszugehen und diese im Rahmen des § 66 Abs. 4 AVG einer eigenen Würdigung zu unterziehen. Im vorliegenden Verfahren wurden in der Berufung (nicht in der Berufungsergänzung) Ermittlungsfehler geltend gemacht, die lediglich mit der Kürze der Vernehmung, der Knappheit der mit dem Beschwerdeführer aufgenommenen Niederschrift und Schwierigkeiten bei der Akteneinsicht begründet wurden. Daß die Übersetzung unrichtig gewesen wäre, wird in der Berufung nicht behauptet. Ebensowenig erweist sich ein allenfalls vorgekommener Verstoß gegen das Recht auf Akteneinsicht als in irgendeiner Weise entscheidungsrelevant. Im übrigen hat der Beschwerdeführer tatsächlich sowohl in der Berufung als auch in der Berufungsergänzung ein entsprechendes Sachvorbringen erstattet, womit allfällige in erster Instanz erfolgte Mißverständnisse ausgeräumt wurden.

Auch im Rahmen der rechtlichen Beurteilung hält sich die belangte Behörde (was den zeitlichen Zusammenhang der bereits gesetzten Verfolgungshandlungen zur Ausreise des Beschwerdeführers aus seinem Heimatland, die Asylrelevanz von Hausdurchsuchungen, sowie die hiefür erforderliche erhebliche Intensität des befürchteten Eingriffes des Staates bzw. seiner Organe in die zu schützende Rechtssphäre des einzelnen anlangt) in ihren generellen Ausführungen an die hg. Judikatur. Dennoch teilt der Verwaltungsgerichtshof im Ergebnis die Gesamtbeurteilung des vorliegenden Beschwerdefalles durch die belangte Behörde nicht.

In der Beschwerde weist der Beschwerdeführer neuerlich darauf hin, daß mehrere Komponenten in seinem Fall zusammenwirken, die in ihrer Gesamtheit nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch nach objektiven Kriterien geeignet sein könnten, eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft erscheinen zu lassen. Der Beschwerdeführer entstammt einer Familie, die im Iran offenbar nicht bedeutungslos ist, nach seinen Angaben war er mit dem letzten Premierminister des Schahregimes Dr. Shapoor Bakhtiar verwandt. Die Familie unterhielt bzw. unterhält durchaus intensive Beziehungen zu den USA, auch der Beschwerdeführer selbst hat einen eindeutigen Auslandsbezug durch sein Studium in Großbritannien, seine mehrjährige Tätigkeit in Italien, die Eheschließung mit einer Italienerin und seine mehrfachen Auslandsaufenthalte. Überdies war der Beschwerdeführer als Lehrbeauftragter an der Universität wegen seiner kritischen Einstellung zur antiamerikanischen Propaganda des herrschenden Regimes sowie wegen seiner Empfehlung an seine Studenten zur Wehrdienstentziehung auffällig geworden. Im wesentlichen waren diese Komponenten bereits in den erstinstanzlichen Angaben des Beschwerdeführers enthalten. Wird in der Berufung und auch nunmehr in der Beschwerde neuerlich darauf verwiesen, daß im Hinblick auf diese besonderen persönlichen Aspekte des Beschwerdeführers auch die von ihm geschilderte Verfolgungsgefahr einer differenzierteren Beurteilung zu unterziehen gewesen wäre, so blieben wesentliche, für die rechtliche Beurteilung dieser Asylsache relevante Umstände in erster Instanz ungeklärt. Die belangte Behörde hätte eine diesbezügliche Ergänzung im Sinn des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 veranlassen müssen, zumal nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die amtswegige Ermittlungspflicht der belangten Behörde gemäß § 16 AsylG 1991 dort zum Tragen kommt, wo in den Angaben des Asylwerbers konkrete Anhaltspunkte für einen asylrechtlich relevanten Umstand enthalten sind. Insbesondere hätte die Behörde zu klären gehabt, was - im Hinblick auch auf den gegen den Beschwerdeführer erlassenen Hausarrest - der Ausspruch seines Vaters, "wenigstens sein eigenes Leben zu retten" im Zusammenhang mit der Information des Cousins des Beschwerdeführers, es sei gegen diesen "noch" kein Ausreiseverbot verhängt worden, zu bedeuten habe. Desgleichen hätte geklärt werden müssen, was für ein "Verfahren" er gegen sich zu erwarten gehabt habe, (dies nun auch im Hinblick auf seine in der Berufung enthaltene Behauptung, ein Freund von ihm sei im Rahmen einer "Säuberungsaktion" völlig grundlos als amerikanischer Spion bezeichnet und hingerichtet worden). Angesichts der Stellung des Beschwerdeführers im gesellschaftlichen Leben seines Heimatlandes und auch aus den von ihm geschilderten Bindungen zu westlichen rechtsstaatlichen Demokratien kann die Befürchtung einer diesbezüglichen asylrechtlich relevanten Verfolgung zumindest nicht von vornherein von der Hand gewiesen werden. Der Beschwerdeführer weist auch in der Beschwerde zutreffend darauf hin, daß das Tatbestandsmerkmal der Furcht vor Verfolgung nicht auf vergangene Ereignisse hinweist, sondern auf die Zukunft gerichtet ist, ein Asylwerber daher in seinem Heimatland nicht so lange zuwarten muß, bis konkrete irreversible Verfolgungshandlungen gegen ihn gesetzt werden.

Aus diesen Gründen belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Vermeidung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Ihr Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200239.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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