TE Vwgh Erkenntnis 1994/3/10 94/19/0257

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Veröffentlicht am 10.03.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. Dezember 1993, Zl. 4.343.577/1-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit dem im Instanzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. Dezember 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines irakischen Staatsangehörigen, der am 4. November 1993 in das Bundesgebiet eingereist ist, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. November 1993, betreffend Asylgewährung abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach den Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, habe er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt am 5. November 1993 im wesentlichen angegeben, während des Golfkrieges Mitglieder des kuwaitischen Militärs mit Lebensmitteln versorgt zu haben. Gegen Ende des Krieges sei er von einer irakischen Kontrolle in der Gesellschaft eines kuwaitischen Polizisten angetroffen worden. Obwohl der Polizist einen gefälschten Personalausweis habe vorweisen können, hätten die Iraker dennoch erkannt, daß er Polizist sei. Der Polizist und der Beschwerdeführer seien daher festgenommen worden und drei Tage inhaftiert gewesen. Der Beschwerdeführer sei zweimal verhört worden und man habe von ihm wissen wollen, warum er sich in Kuwait aufhalte, ob er hier Verwandte habe, ob ihm Mitglieder der kuwaitischen Polizei bzw. des Militärs bekannt seien und wo diese wohnten bzw. ihre Versammlungsorte hätten. Der kuwaitische Polizist sei erst nach dem Ende des Krieges aus der Haft entlassen worden. Da dessen Familie jedoch der Meinung gewesen sei, der Beschwerdeführer habe ihn an "die Iraker" verraten, sei der Beschwerdeführer von Kuwait in den Irak gereist. Dort habe er allerdings fürchten müssen, wegen dieses Vorfalles abermals verhaftet zu werden. Außerdem hätte er zum Militär einrücken müssen. Im Irak habe er auch an einer Demonstration gegen die Regierung teilgenommen, er sei jedoch weder im Irak noch in Kuwait Verfolgungsmaßnahmen aus politischen, religiösen, rassischen oder anderen Gründen ausgesetzt gewesen. Er sei nach Österreich gekommen, um hier ein Studium zu beginnen und anschließend einer Beschäftigung nachzugehen. Weitere Fluchtgründe habe er nicht vorzubringen.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer im wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und "diverse Rechtswidrigkeiten des angefochtenen Bescheides aufgrund dessen Begründung und wegen Verfahrensmängeln" geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer in seinem erstinstanzlichen Vorbringen "keine einzige asylrelevante Verfolgungshandlung" anzugeben vermocht, sondern vielmehr selbst angegeben habe, in seiner Heimat keinen Verfolgungen aus politischen, religiösen, rassischen oder anderen Gründen ausgesetzt gewesen zu sein. Da der erstinstanzliche Bescheid ausschließlich die Angaben des Beschwerdeführers zugrundelege und diese dahin beurteile, daß ihnen keine Verfolgung im Sinne des Asylgeseztes 1991 zu entnehmen sei, widerspreche er weder "dem § 58 AVG 1991, BGBl. 51, noch dem § 16 Asylgesetz 1991". Darauf, ob der Beschwerdeführer bereits vor seiner Einreise in Österreich Verfolgungssicherheit im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991 erlangt habe, werde von der belangten Behörde nicht näher eingegangen, da dem Beschwerdeführer Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme und die Frage der Verfolgungssicherheit somit nicht relevant sei. "Dessen ungeachtet" schließe sich aber die belangte Behörde "dem Grunde nach den diesbezüglichen Ausführungen in der Begründung des bekämpften Bescheides an".

Dem hält der Beschwerdeführer, der sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf Asylgewährung, auf ein, dem § 16 Asylgesetz 1991 entsprechendes Verfahren, auf Beiziehung eines Amtsdolmetschers sowie auf "ordentliche, schlüssige Bescheidbegründung" verletzt erachtet, im wesentlichen entgegen, daß das Verhör, dem er unterzogen worden sei, in Verbindung mit der dreitägigen Haft durchaus geeignet gewesen sei, bei ihm begründete Furcht vor Verfolgung zu erwecken, und zwar unabhängig davon, ob er dabei mißhandelt oder gefoltert worden wäre. Es habe sich dabei nämlich nur um den Beginn von Verfolgungstätigkeiten gehandelt, die für den Beschwerdeführer nur deshalb nicht spürbar geworden wären, weil er sich bei seinem Onkel im Irak versteckt gehalten habe.

Die Weigerung des Beschwerdeführers, seinen Militärdienst abzuleisten, müsse im Hinblick auf das Ausmaß bzw. die Härte der ihm drohenden Strafe als Verfolgungsmaßnahme gewertet werden, wobei der Umstand, daß er kuwaitische Militärangehörige während des Golfkrieges unterstützt habe, nicht außer Acht gelassen werden dürfe. Es sei nämlich amtsbekannt, daß "Wehrdienstverweigerer bzw. Regimegegner" denen diese Handlungen vorzuwerfen wären, mit "Folterungen, langen Haftstrafen und unter Umständen sogar mit dem Tod bedroht" seien. Soweit die belangte Behörde sich dem erstinstanzlichen Bescheid bezüglich des Vorliegens von Verfolgungssicherheit anschließe, wäre sie zuvor verpflichtet gewesen, die erstinstanzlichen Feststellungen einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Weiters rügt der Beschwerdeführer, daß im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme "offenbar keinerlei zweckmäßige Fragestellungen" an ihn unternommen worden seien. So sei er insbesondere nicht nach den Bedingungen gefragt worden, unter denen er drei Tage inhaftiert gewesen sei bzw. unter welchen Umständen er in den Irak geflüchtet sei und er dort bei seinem Onkel versteckt gelebt habe. Es sei nicht gefragt worden, wie sich seine Weigerung, zum Militär einzurücken, manifestiert habe und es seien keine Fragen betreffend seine Demonstrationsteilnahme gestellt worden. Überdies sei der Einvernahme kein gerichtlich beeideter oder Amtsdolmetscher beigezogen worden.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

Voraussetzung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 ist die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden. Bloß subjektiv empfundene Furcht vor Verfolgung genügt nicht; es müssen vielmehr (allenfalls drohende) Maßnahmen dargetan werden, die sowohl aus objektiver Sicht, als auch unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes einen weiteren Verbleib im Heimatland unerträglich erscheinen lassen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1993, Zl. 92/01/1041), wobei das Vorbringen des Asylwerbers als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden muß und es dabei ihm obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0726).

Soweit der Beschwerdeführer daher unter Hinweis auf § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 die Auffassung vertritt, es hätte sich herausgestellt, daß er tatsächlich in seinem Heimatland konkreten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen sei, wenn an ihn "zweckmäßige Fragen" gestellt woren wären, ist ihm entgegenzuhalten, daß die Behörde im Grunde des § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nur im Falle hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 in Frage kommt, in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen hat. Aus dieser Gesetzesstelle kann hingegen keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat. Weder aus § 13a AVG noch aus § 16 Asylgesetz 1991 ist schließlich eine Verpflichtung der Behörde ableitbar, einen Asylwerber anzuleiten, wie er seine Angaben konkret gestalten soll (vgl. z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. September 1993, Zl. 93/01/0768).

Hinreichend deutliche Hinweise auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der obigen Ausführungen in Frage kommt, lassen sich dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren allerdings nicht entnehmen. Denn weder Verhöre oder Befragungen noch die dreitägige Anhaltung stellen Maßnahmen dar, die für sich alleine als Verfolgungshandlungen gewertet werden könnten (vgl. dazu z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. November 1992, Zl. 92/01/0819). Auch kann in der Teilnahme an einer Demonstration - von der der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet hat, daß sie irgendwelche Sanktionen nach sich gezogen hätte - ebenso wie in der Aussicht, "zum Militär einrücken" zu müssen, kein Umstand erkannt werden, aus dem auf wohlbegründete Furcht vor Verfolgung geschlossen werden könnte. Nicht zuletzt hat der Beschwerdeführer selbst eingeräumt, "keinen Verfolgungen aus politischen, religiösen, rassischen oder anderen Gründen ausgesetzt gewesen" zu sein.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, die Behörde habe es unterlassen, einen Amtsdolmetscher oder gerichtlich beeideten Dolmetscher beizuziehen, ist ihm entgegenzuhalten, daß § 18 Abs. 1 Asylgesetz 1991 die Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers, nicht aber die Beiziehung eines Amts- oder gerichtlich beeideten Dolmetschers verlangt. Der diesbezüglich geltend gemachte Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.

Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob die Rüge des Beschwerdeführers betreffend die Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach sich die belangte Behörde den erstinstanzlichen Ausführungen bezüglich Verfolgungssicherheit im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991 "dem Grund nach" anschließt, zu Recht besteht. Denn abgesehen davon, daß die belangte Behörde die Anwendbarkeit des § 2 Abs. 2 Z. 1 Asylgesetz 1991 im vorliegenden Fall ausdrücklich für nicht gegeben erachtete und daher ihre Entscheidung nicht auf diesen Asylausschließungsgrund stützte, hätte sie auch bei Vermeidung eines diesbezüglich unterlaufenen Mangels zu keinem anderen Bescheid gelangen können.

Die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Befürchtung vor Abschiebung in sein Heimatland und ihm dort drohender Bestrafung kann von ihm im Falle eines Verfahrens über die Rückschiebung geltend gemacht werden. Es vermag dieses Vorbringen aber keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu bewirken.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Im Hinblick auf diese Entscheidung erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994190257.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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