TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/4 99/20/0177

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Veröffentlicht am 04.05.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde der FA in Graz, geboren am 27. September 1972, vertreten durch Mag. Helmut Schmid, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 8, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. Februar 1999, Zl. 205.841/0-XI/34/98, betreffend Abweisung eines Asylantrages gemäß § 7 AsylG und Feststellung gemäß § 8 AsylG, (weitere Partei: Bundesminister für Inneres) zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Bund Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundeskanzleramt) Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Ghana, reiste am 19. Februar 1998 in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag Asyl. Zur ihren Fluchtgründen brachte sie Folgendes vor:

"Mein Verlobter hat mich zu der sozialen Gruppe 'Mmarimaba' gebracht und ich wurde Mitglied dieser Gruppe. Ich wusste zuerst nicht, dass Angehörige dieser Gruppe illegal Diamanten schürfen. Am 14.11.1997 ist die Polizei gekommen und hat eine Kontrolle durchgeführt. Es wurden ca. 17 Personen dieser Gruppe verhaftet. Mein Verlobter und ein anderer Mann konnten flüchten. Nachdem drei Personen von diesen Verhafteten aus dem Gefängnis entlassen wurden, wollten diese mich und die Frau des anderen Mannes, welcher mit meinem Verlobten geflüchtet ist, töten, wenn mein Verlobter und sein Begleiter sowie die Diamanten nicht gefunden werden könnten. Dies ist der Grund für meine Flucht aus dem Heimatland.

...

Eine Frau hat gehört, wie die drei Mitglieder meiner erwähnten Gruppe geplant haben mich und die Frau des Mannes, welcher meinen Verlobten begleitet hat, zu töten. Aus diesem Grund bin ich mit der zweiten gefährdeten Frau mit einem Autobus nach Accra geflüchtet. In Accra haben wir uns getrennt. Wir haben uns gegenseitig in Accra besucht. Gegen Ende Jänner 1998 wollte ich diese Frau wieder besuchen und von den Nachbarn dieser Frau gehört, dass diese erstochen worden ist. Aus diesem Grund bin ich aus dem Heimatland geflüchtet.

...

Frage: Haben Sie versucht bei den staatlichen Organen Schutz

zu finden?

Antwort: Ich habe dies versucht. Die staatlichen Organe konnten mich aber nicht ständig überwachen und haben die Angehörigen meiner Gruppe nicht sofort gefunden.

Frage: Hätten Sie nicht in einem anderen Teil des Heimatlandes Verfolgungssicherheit vor den Angehörigen ihrer Gruppe finden können?

Antwort: Mein erster Gedanke war in die Hauptstadt zu flüchten wo viele Menschen sind. Offensichtlich wurde die andere Frau, welche getötet worden ist in Accra von den Angehörigen der sozialen Gruppe gefunden und getötet.

Frage: Sind Sie sicher, dass die vorhin erwähnte Frau von den Angehörigen ihrer sozialen Gruppe getötet worden ist?

Antwort: Ich nehme dies an. Gesehen habe ich dies nicht.

...

Ich wurde nur von den Angehörigen der sozialen Gruppe verfolgt. Sonst habe ich in meinem Heimatland keine Probleme gehabt. ... Ich wurde nur von drei Angehörigen der erwähnten sozialen Gruppe wegen der Diamanten verfolgt."

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 9. Oktober 1998 wies das Bundesasylamt den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG ab. In einem zweiten Spruchpunkt des Bescheides wurde ausgesprochen, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Ghana sei zulässig.

In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid bekräftigte die Beschwerdeführerin nochmals die vor dem Bundesasylamt gemachten Angaben.

Mit dem angefochtenen ohne weitere Ermittlungen und ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung erlassenen Bescheid entschied die belangte Behörde, die Berufung der Beschwerdeführerin werde gemäß § 7 AsylG abgewiesen und es werde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Ghana zulässig sei.

In der Begründung dieser Entscheidung ging die belangte Behörde davon aus, die Beschwerdeführerin sei aus ihrem Heimatland Ghana geflüchtet, weil sie von anderen Personen gehört habe, dass drei Mitglieder der Gruppe "Mmarimaba" (phonetisch) und damit private Personen sie hätten töten wollen, wenn der Verlobte der Beschwerdeführerin sich nicht meldete oder wenn die illegal geschürften Diamanten nicht gefunden werden könnten. Die Beschwerdeführerin sei in ihrem Heimatland nicht von staatlichen Organen verfolgt worden. Aus ihrem Vorbringen ergebe sich auch nicht, dass die staatlichen Behörden des Heimatlandes nicht gewillt gewesen seien, ihr Schutz vor Verfolgung zu gewähren.

Den die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Ghana betreffenden zweiten Spruchpunkt des Bescheides begründete die belangte Behörde damit, dass eine Bedrohung, die lediglich von Privatpersonen (und sei es auch in Gestalt einer kriminellen Organisation) ausgehe, weder den Tatbestand des § 57 Abs. 1 noch den des § 57 Abs. 2 FrG zu verwirklichen vermöge. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Heimatstaat der Beschwerdeführerin generell infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt nicht in der Lage wäre, derartige Verfolgungsmaßnahmen zu verhindern. Zur Situation in Ghana traf die belangte Behörde schließlich über die Sachverhaltsgrundlage des erstinstanzlichen Bescheides hinaus gehende Feststellungen zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Ghana.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76, in der Fassung BGBl. I Nr. 4/1999, (im Folgenden: AsylG) hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, (im Folgenden: FlKonv) ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat nach § 57 FrG zulässig ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden (§ 8 AsylG). Wird ein Bescheid, mit dem ein Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde, von der Berufungsbehörde bestätigt, so hat sie ihrerseits jedenfalls eine Feststellung gemäß § 8 AsylG zu treffen (§ 32 Abs. 2 letzter Satz AsylG).

Gemäß § 57 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass sie Gefahr liefen, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Gemäß § 57 Abs. 2 und 4 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder - mit einer für den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden Einschränkung - Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 FlKonv).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. schon Steiner, Österreichisches Asylrecht (1990) 30; aus jüngerer Zeit etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. Juni 1995, Zl. 94/20/0836; vom 24. Oktober 1996, Zl. 95/20/0231; vom 28. März 1995, Zl. 95/19/0041, u.v.a.) liegt eine dem Staat zuzurechnende Verfolgungshandlung nicht nur dann vor, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt wird, sondern es kann eine dem Staat zuzurechnende asylrelevante Verfolgungssituation auch dann gegeben sein, wenn der Staat nicht gewillt oder - wie es in der bisherigen Rechtsprechung ausgedrückt wurde - nicht in der Lage ist, von "Privatpersonen" ausgehende Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, sofern diesen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - Asylrelevanz zukommen sollte.

Die Beschwerdeführerin hat im erstinstanzlichen Verfahren auf die Frage, ob sie versucht habe, bei den staatlichen Organen Schutz zu finden, lediglich darauf hingewiesen, dass die staatlichen Organe sie nicht ständig haben überwachen können und die (sie verfolgenden) Angehörigen ihrer Gruppe nicht sofort haben finden können. Damit vermag die Beschwerdeführerin der behaupteten Verfolgung durch eine private kriminelle Organisation keine asylrelevante Bedeutung zu verleihen, kommt doch in ihrer Aussage zum Ausdruck, dass die für die Verbrechungsbekämpfung zuständigen staatlichen Organe ihres Heimatlandes grundsätzlich sehr wohl in der Lage und auch Willens waren, sie vor der genannten Verfolgung in Schutz zu nehmen. Ein lückenloser Schutz vor privater Verfolgung kann von staatlichen Organen naturgemäß nicht gewährleistet werden, weshalb dem Fehlen eines solchen auch keine Asylrelevanz zukommt.

Soweit die Beschwerdeführerin erst in ihrer Beschwerde mehrfach darauf Bezug nimmt, dass die Sicherheitsbehörden ihres Heimatlandes (grundsätzlich) nicht in der Lage und nicht gewillt wären, ihr ausreichend Schutz zu bieten, handelt es sich um unzulässige Neuerungen.

Dem Vorwurf der Beschwerdeführerin, ihr hätte im Rahmen einer mündlichen Berufungsverhandlung Gelegenheit gegeben werden müssen, zu den nunmehr von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen zur allgemeinen politischen Lage in Ghana Stellung nehmen zu können, ist entgegenzuhalten, dass die zusätzlichen Feststellungen der belangten Behörde über fehlende Anzeichen für politisch motivierte Verfolgungen in Ghana sowie über "Hilfsprogramme für aus Trokosi-Schreinen geflüchtete Frauen" für die Beurteilung des Abschiebungsschutzes der Beschwerdeführerin gemäß § 8 AsylG vor dem Hintergrund ihres im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringens nicht von Relevanz waren. Da die Beschwerdeführerin auch in ihrer Berufung lediglich auf die bereits vor dem Bundesasylamt getätigten Angaben verwiesen hat, hat die belangte Behörde zu Recht von der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung Abstand genommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308). Auch die Beschwerde bleibt Angaben darüber schuldig, inwieweit die belangte Behörde bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Soweit die Beschwerde aufzeigt, dass "selbst Polizisten und Beamte von anderen Regierungsbehörden der Beschwerdeführerin nach dem Leben trachteten", verstößt sie wiederum gegen das Neuerungsverbot.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes

nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 4. Mai 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999200177.X00

Im RIS seit

23.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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