TE OGH 2022/3/31 5Ob231/21p

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.03.2022
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi, Dr. Steger und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. M*, vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. A*, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 50.203,74 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 32.359,99 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Oktober 2021, GZ 15 R 87/21f-21, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. April 2021, GZ 15 Cg 5/20w-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung bleibt im Umfang des Zuspruchs von 10.754,85 EUR sowie der Abweisung von 7.088,90 EUR samt 4 % Zinsen seit 5. September 2019 als in Rechtskraft erwachsen unberührt. Im Übrigen, also im Umfang der Abweisung des Mehrbegehrens (32.359,99 EUR sA) sowie der Kostenentscheidung werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtsache wird insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1]       Die Klägerin ist Miteigentümerin einer Liegenschaft, an der Wohnungseigentum begründet ist. Ihr Verhältnis mit den Mehrheitseigentümern ist seit Jahren getrübt. Zwischen ihr und den Mehrheitseigentümern gab es bereits mehrere liegenschaftsbezogene Gerichtsverfahren, in denen sie vom Beklagten vertreten wurde.

[2]            Unter anderem trug das Bezirksgericht über Antrag der Klägerin mit (seit 19. 2. 2014 rechtskräftigem) Sachbeschluss umfangreiche Erhaltungsarbeiten am Haus auf, worauf die Eigentümergemeinschaft mehrheitlich den Beschluss fasste, dass der Verwalter des Hauses ein Sanierungskonzept für diese Arbeiten in Auftrag zu geben habe. Zu dessen Umsetzung schrieb der Verwalter der Klägerin am 29. 6. 2015 eine Sonderdotierung der Rücklage von 150.615,38 EUR vor.

[3]       Die Klägerin wollte die Sanierung des Hauses mit Umbauarbeiten in ihrer Wohnung koordinieren, weswegen sich der Beklagte in ihrem Auftrag an den Verwalter des Hauses wendete. Die Mehrheit der Eigentümer lehnte jedoch die gewünschte koordinierte Vorgehensweise ab und forderte den Verwalter auf, die Arbeiten in der aufgetragenen Art und Weise zu beauftragen. Die Klägerin wollte die ihr vorgeschriebene Sonderrücklage wegen der möglichen Einsparung bei einer Koordinierung der Arbeiten dennoch nicht zahlen. Der Beklagte klärte die Klägerin über die möglichen Folgen einer Nichtzahlung nicht näher auf; ihr war aber bewusst, dass der vorgeschriebene Betrag namens der Eigentümergemeinschaft eingeklagt werden kann.

[4]       Zu 5 Cg 73/15i des Erstgerichts klagte die Eigentümergemeinschaft die Klägerin auf Zahlung von 150.615,38 EUR sA. In diesem Verfahren wurde die Klägerin vom Beklagten vertreten und unterlag zur Gänze.

[5]            Der Beklagte hat die Klägerin nicht ausreichend beraten. Die Klägerin hätte die Sondervorschreibung zur Rücklage bei richtiger Rechtsberatung durch den Beklagten sofort nach Klageerhebung beglichen und sich dadurch Zinsen und die Kosten eines Privatsachverständigen (in Summe 10.754,85 EUR) erspart. Die Klägerin hätte aber einen Antrag nach § 52 Abs 1 iVm § 30 Abs 1 Z 2 WEG gestellt, sodass jedenfalls Gebühren eines gerichtlichen Sachverständigen in der Höhe des Vorverfahrens angefallen wären.

[6]            Die Klägerin begehrt vom Beklagten insgesamt den Ersatz von 50.203,74 EUR sA, die sich aus einem Zinsschaden, den ihr im Verfahren 5 Cg 73/15i des Erstgerichts auferlegten Prozesskosten, der Hälfte der im Vorverfahren bestimmten Sachverständigengebühren, dem Honorar des Beklagten und den Kosten eines Privatgutachtens zusammensetzen. Der Beklagte habe sie nicht oder nur unzulänglich über die Rechtslage aufgeklärt und auch nicht auf die Aussichtslosigkeit ihres Prozessstandpunktes hingewiesen und die Kosten eines Prozessverlustes mit maximal 20.000 EUR angegeben. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung durch den Beklagten hätte sie die Sondervorschreibung zur Rücklage gezahlt und sich nicht in den Streit eingelassen. Die Sondervorschreibung hätte sie zudem nach ihrer Zahlung mit weniger Kostenrisiko im Außerstreitverfahren bekämpfen können. Auf diese Möglichkeit hätte sie der Beklagte hinweisen müssen.

[7]       Der Beklagte bestritt die behauptete Aufklärungspflichtverletzung. Der im Vorverfahren eingenommene Standpunkt sei nicht aussichtslos gewesen. Auch habe er aufgrund des bisherigen Prozessverhaltens der Klägerin keineswegs davon ausgehen können, dass sie zahlen habe wollen, um die Höhe der Sondervorschreibung zur Rücklage dann im Außerstreitverfahren überprüfen zu lassen. Inwieweit die damit verbundene Kostenbelastung geringer gewesen wäre, sei nicht zu erkennen. Auch in einem Außerstreitverfahren hätte ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen und wären Rechtsanwaltskosten angelaufen.

[8]       Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 10.725,49 EUR sA. Zu der im Revisionsverfahren noch strittigen Abweisung des restlichen Klagebegehrens führte es rechtlich aus, zum hypothetischen Verlauf des Außerstreitverfahrens habe lediglich festgestellt werden können, dass Sachverständigenkosten in derselben Höhe angefallen wären wie im Streitverfahren. Darüber hinaus sei mangels Tatsachenbehauptungen der Klägerin der hypothetische Verlauf des Außerstreitverfahrens nicht festzustellen gewesen, sodass auch nicht beurteilt werden könne, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe sich die Klägerin Kosten für den sonstigen Verfahrensaufwand (Schriftsätze, Tagsatzungen etc) und das Honorar des Beklagten erspart hätte.

[9]            Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung ab, in dem es den von der Klägerin geltend gemachten Zinsschaden neu berechnete und ihr einen geringfügig höheren Betrag zuerkannte, bestätigte jedoch im Übrigen die Abweisung des Klagebegehrens. Eine unterbliebene Aufklärung des Rechtsanwalts berechtige in der Regel nur zum Ersatz des verursachten Vertrauensschadens. Zu ersetzen sei die Vermögensdifferenz, die bei pflichtgemäßer Beratung nicht eingetreten wäre. Den Geschädigten treffe die Beweislast dafür, dass bei sachgerechter Vertretung im Vorprozess ein bestimmter Sachverhalt festgestellt, also ein bestimmter Prozessstoff zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden wäre. Ohne ein Vorbringen in dieser Richtung könne nicht beurteilt werden, für welchen Nachteil die Unterlassung kausal gewesen sein könnte. Welche konkreten Kosten (des Vorprozesses) bei ordnungsgemäßer Belehrung nicht angefallen wären, hätte sie statt des Streitverfahrens den außerstreitigen Rechtsweg beschritten, habe die Klägerin – ungeachtet der Erörterung der
Rechts- und Sachlage durch das Erstgericht – nicht vorgebracht. Das Erstgericht habe das Mehrbegehren daher zu Recht abgewiesen.

[10]           Die Klägerin begehrt in ihrer Revision ausdrücklich nur noch den (weiteren) Zuspruch von 32.359,99 EUR sA und bezeichnet ihr Revisionsinteresse mit diesem Betrag. Dabei geht sie inhaltlich von einem um (richtig) 7.088,90 EUR verminderten Ersatzanspruch gegenüber dem Beklagten aus.

Rechtliche Beurteilung

[11]     Die vom Beklagten – nach Freistellung durch den Obersten Gerichtshof – beantwortete außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig, weil die Vorinstanzen die Verteilung der Behauptungs- und Beweislast falsch beurteilt haben; sie ist im Sinn des Aufhebungsbegehrens auch berechtigt.

[12]           1.1 Im Revisionsverfahrens ist nicht mehr strittig, dass der Beklagte, der die Rechtsvertretung der Klägerin übernommen hatte, seiner Verpflichtung zur ausreichenden Belehrung (dazu RIS-Justiz RS0038682) nicht entsprochen hat. Er hat es schuldhaft unterlassen, die Klägerin klar und deutlich auf die Aussichtslosigkeit des verfolgten Rechtsstandpunktes hinzuweisen. Er haftet der Klägerin daher für die aus dieser Pflichtverletzung entstandenen Nachteile.

[13]           1.2 Die Vorinstanzen haben die Abweisung des 10.754,85 EUR sA übersteigenden Begehrens damit begründet, dass die Klägerin keine Tatsachenbehauptungen zu den Kosten des Außerstreitverfahrens aufgestellt habe, das sie nach den Feststellungen angestrebt hätte, wenn sie vom Beklagten ordnungsgemäß belehrt worden wäre. Sie habe damit keinen Nachweis erbringen können, dass ihr über den zugesprochenen Teil des Klagebegehrens hinaus überhaupt ein Nachteil entstanden sei. In ihrer Revision wendet sie sich dagegen, dass ihr die Beweislast für die hypothetischen Kosten des Außerstreitverfahrens aufgebürdet wird.

[14]           2. Fragen nach der Beweislast stellen sich nur dann, wenn der Beweis für eine strittige, entscheidungswesentliche Tatsache nicht erbracht werden kann (RS0039875; RS0039872). Die Verletzung von Beweislastregeln, soweit sie dem materiellen Recht angehören, bewirkt eine unrichtige rechtliche Beurteilung (RS0039939 [T27]). Fragen der Beweislastverteilung sind damit revisibel.

[15]     3.1 Im Allgemeinen hat jede Partei die Voraussetzungen der ihr günstigen Norm zu behaupten und zu beweisen (RS0039939). Dem Geschädigten obliegt damit der Beweis für den Kausalzusammenhang (RS0022686). Eine Unterlassung ist dann für den Schadenserfolg kausal, wenn die Vornahme einer bestimmten aktiven Handlung das Eintreten des Erfolgs verhindert hätte (RS0022913). Der Geschädigte ist daher für die Behauptung beweispflichtig, dass der Schaden bei einem bestimmten und möglichen pflichtgemäßen Handeln nicht eingetreten wäre.

[16]     3.2 Im Rahmen der Anwaltshaftung hat der Geschädigte den Kausalzusammenhang zwischen pflichtwidrigem Verhalten und schadensbegründendem Prozessverlust darzulegen und zu beweisen. Es genügt die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Schaden auf das Unterlassen des pflichtgemäßen Handelns zurückzuführen ist (RS0022700 [T13, T15]).

[17]     3.3 Grundsätzlich zutreffend haben die Vorinstanzen darauf hingewiesen, dass die Klägerin die Behauptungs- und Beweislast dafür getroffen hat, wie sie sich bei richtiger rechtlicher Beratung verhalten hätte, zu welchem Ergebnis das pflichtgemäße Verhalten des Beklagten geführt hätte und welcher konkrete Nachteil ihr daraus erwachsen ist (vgl nur 5 Ob 38/05g). In dritter Instanz ist nicht mehr strittig, dass die Klägerin bei pflichtgemäßer Beratung durch den Beklagten die Sondervorschreibung zur Rücklage am 11. 12. 2015 – etwa ein Monat nach Einbringung der Klage durch die Eigentümergemeinschaft bzw deren Zustellung an sie – gezahlt hätte. Die mit der weiteren Führung des Verfahrens verbundenen Vermögensnachteile wären dann nicht eingetreten. Vor diesem Hintergrund kann nicht zweifelhaft sein, dass sie die für eine Haftung des Beklagten geforderte Pflichtverletzung ebenso wie den Kausalzusammenhang zwischen pflichtwidrigem Verhalten und der mit dem Prozessverlust verbundenen Vermögensnachteile behauptet und unter Beweis gestellt hat. Davon unterscheiden sich mögliche Kosten eines (hypothetischen) wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens, das sie sonst angestrebt hätte, weil der mit der Führung eines solchen Verfahrens verbundene Aufwand nach den Feststellungen nur angefallen wäre, wenn der Beklagte pflichtgemäß gehandelt hätte.

[18]           4.1 Die Behauptungs- und Beweislast der Klägerin beschränkt sich auf den Nachweis, dass die dem Beklagten angelastete Unterlassung für einen bestimmten Schadenserfolg kausal war. Das betrifft jedoch nur den hypothetischen Ausgang des Zivilprozesses (hier, dass die Weiterführung des Streitverfahrens unterblieben wäre) und den daraus abgeleiteten Vermögensnachteil (vgl RS0127136). Demgegenüber ist die Ersparnis (= Vorteil), weil die Klägerin (statt des streitigen Verfahrens) kein wohnrechtliches Außerstreitverfahren geführt (und verloren) hat, kein Schaden und damit kein Vermögensnachteil der Klägerin aus dem pflichtwidrigen Verhalten des Beklagten, den sie unter Beweis zu stellen hätte. Es stellen sich entgegen der Ansicht der Klägerin in ihrer Revision aber auch keine Fragen des rechtmäßigen Alternativverhaltens, für das stets der Schädiger behauptungs- und beweispflichtig ist, weil bei einer Schädigung durch Unterlassung die Kausalitätsprüfung das Hinzudenken des pflichtgemäßen Verhaltens erfordert (7 Ob 238/07m mwN).

[19]           4.2 Die Berechnung eines Vermögensschadens erfolgt durch einen Vergleich des Geldwertunterschieds im Vermögen des Geschädigten vor und nach dem schädigenden Ereignis. Es sind jene Vermögensbestandteile des Geschädigten in die Betrachtung einzubeziehen, die durch die Beschädigung irgendwie beeinflusst wurden, aber auch Vermögensbestandteile (Aktiven oder Passiven), die erst durch das schädigende Ereignis gebildet wurden oder deren Bildung dadurch verhindert wurde; daher ist auch ein Vorteil des Geschädigten, der ohne die erfolgte Beschädigung nicht entstanden wäre, grundsätzlich zugunsten des Schädigers zu berücksichtigen (RS0022834). Dass Schade und Vorteil nicht aus demselben Ereignis entsprungen sind, schließt die Vorteilsausgleichung nicht aus, weil es genügt, wenn beide im selben Tatsachenkomplex wurzeln (RS0022824). Die Berücksichtigung von Vorteilen kommt aber nur gegenüber sachlich und zeitlich kongruenten Schadenersatzansprüchen in Betracht (RS0114259 [T2]). Ein derartiger Vorteil kann nicht nur in einer Zuwendung eines Dritten an den Geschädigten, sondern auch in einer Ersparnis des Geschädigten bestehen.

[20]     4.3 Ersparte Aufwendungen sind daher grundsätzlich gegenüber einem Vermögensschaden als Vermögensvorteil anzurechnen (1 Ob 70/18b mwN; Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 Anh § 1323 Rz 7). Die Vorteilsausgleichung hat aber nicht von Amts wegen zu erfolgen, sondern nur über Einwendung des Schädigers, den für deren Voraussetzungen die Behauptungs- und Beweislast trifft. Demnach hat der Schädiger konkret die Umstände zu behaupten und zu beweisen, die einen Vorteilsausgleich rechtfertigen; er hat auch die Kausalität des haftbar machenden Ereignisses für einen entstandenen Vorteil anzuführen (RS0036710 [T3]).

[21]           5.1 Nach den Tatsachenfeststellungen hätte die Klägerin bei pflichtgemäßer Aufklärung durch den Beklagten zur Überprüfung der Sondervorschreibung anstelle das streitige Verfahren weiter zu führen ein wohnrechtliches Außerstreitverfahren angestrengt, das ebenfalls mit einer Kostenersatzpflicht ihrerseits geendet hätte. Die damit (hypothetisch) verbundenen Kosten sind kein Nachteil aus der aussichtslosen Prozessführung und damit der unterlassenen Aufklärung des Beklagten, sondern ersparte Aufwendungen der Geschädigten, für die der beklagte Schädiger behauptungs- und beweispflichtig ist. Zutreffend weist der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung darauf hin, dass er dazu bereits in der vorbereitenden Tagsatzung vorbrachte, dass sich in diesem Fall nichts an dem behaupteten Schaden geändert hätte, weil auch in einem Msch-Verfahren Kosten für Sachverständigengutachten und Rechtsanwaltskosten im selben Umfang angefallen wären, und unterstellt damit, dass auch dieses Verfahren zu einer Kostenersatzpflicht der Klägerin in der Höhe des Streitverfahrens geführt hätte. In seiner Berufungsbeantwortung machte er geltend, dass er Vorbringen zu den Kosten des außerstreitigen Verfahrens erstattet habe und daher positive Feststellungen zu treffen gewesen wären.

[22]     5.2 Das Erstgericht begründete die Abweisung des im Revisionsverfahren noch strittigen Begehrens damit, dass (positive) Feststellungen zu den hypothetischen Kosten eines wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens nicht getroffen werden hätten können, weil die Klägerin ihrer Behauptungslast nicht entsprochen habe. Das Berufungsgericht bestätigte diesen Teil der Entscheidung des Erstgerichts mit der Begründung, dass ein Vorbringen der Klägerin fehle, für welchen Nachteil die Unterlassung des Beklagten kausal gewesen sei, weswegen „zu Recht keine Feststellungen dazu [gemeint zum hypothetischen Verlauf des Außerstreitverfahrens]“ getroffen worden seien. Die Beurteilungen der Vorinstanzen machen damit deutlich, dass die Negativfeststellungen des Erstgerichts zu den Kosten eines (hypothetischen) wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens und zu der damit verbundenen Frage, inwieweit sich die Klägerin einen Aufwand erspart hat, weil sie ein solches Verfahren nicht führen musste, und den sie sich auf den aus der Weiterführung des Streitverfahrens resultierenden Nachteil anzurechnen lassen hat, nicht Ausdruck einer „non-liquet“ Situation sind, sondern auf einer Verkennung der Behauptungs- und Beweislast beruhen. Sie sind damit keine Grundlage für eine abschließende Erledigung des vorliegenden Rechtsstreits.

[23]     5.Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren dem Beklagten Gelegenheit zu geben haben, sein Vorbringen, die Klägerin hätte auch bei Führung eines wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens Kosten in der Höhe des ihr aus der (Weiter-)Führung des Streitverfahrens, die auf die mangelhafte Aufklärung zurückzuführen ist, entstandenen Vermögensnachteils zu tragen gehabt, unter Beweis zu stellen. Erst wenn geklärt ist, ob und in welcher Höhe der Klägerin durch die Führung eines solchen Verfahrens Kosten entstanden wären, lässt sich anhand einer Gegenüberstellung der der Klägerin tatsächlich entstandenen Aufwendungen beurteilen, ob sie sich dadurch, dass ein Außerstreitverfahren unterblieb, Aufwendungen (im Sinn eines anrechenbaren Vorteils) ersparte, oder ob der Beklagte aufgrund seines Beratungsfehlers der Klägerin über den bereits erfolgten Zuspruch hinaus zu weiteren Schadenersatzleistungen verpflichtet ist.

[24]     6. Die Revision der Klägerin erweist sich damit im Sinn des Aufhebungsantrags als berechtigt.

[25]     7. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E134775

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00231.21P.0331.000

Im RIS seit

17.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten