TE OGH 2022/1/27 9ObA142/21d

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Veröffentlicht am 27.01.2022
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei I* GmbH, *, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei O* GmbH, *, vertreten durch Brandl Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Rechnungslegung und Zahlung sowie Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Oktober 2021, GZ 11 Ra 66/21m-23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]            1. Eine Aktenwidrigkeit liegt nur bei einem Widerspruch zwischen dem Inhalt eines bestimmten Aktenstücks einerseits und dessen Zugrundelegung und Wiedergabe durch das (Rechtsmittel-)Gericht andererseits vor (RS0043347; RS0007258). Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit kann dagegen nicht als Ersatz für eine im Verfahren dritter Instanz generell unzulässige Beweisrüge herangezogen werden (RS0117019). Letzteres versucht aber die außerordentliche Revision der Klägerin, wenn sie behauptet, für die angegriffene Feststellung betreffend den Abtretungsvertrag lägen keine ausreichenden Beweisergebnisse vor.

[2]            2. Steht die Vertragsauslegung der Vorinstanzen mit den Grundsätzen von Lehre und Rechtsprechung im Einklang, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor, kommt doch der Beurteilung, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, keine darüber hinausgehende Bedeutung zu (RS0042776; RS0042936). Das ist auch hier nicht der Fall. Die Vorinstanzen kamen vertretbar zum Ergebnis, dass der Abtretungsvertrag nur die darin erwähnten Ansprüche des Zedenten auf Indexprovision und SLD-Rente umfasst. Mit der bloßen Behauptung, aus dem Vertrag gehe klar hervor, dass damit das materielle Recht an die Klägerin als Zessionarin übertragen worden sei, zeigt die Revision keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts auf.

[3]            3.1. Nach Rechtsprechung und Lehre ist die Verjährung eines beim Unternehmer angemeldeten Anspruchs nach § 18 Abs 3 HVertrG bis zum Einlangen der schriftlichen Antwort des Unternehmers gehemmt. Zweck dieser Regelung ist es, zu verhindern, dass der Handelsvertreter seine Ansprüche zur Vermeidung von deren Verjährung schon zu einem Zeitpunkt gerichtlich geltend machen muss, zu dem noch keine Reaktion des Unternehmers auf die geltend gemachten Ansprüche vorliegt. Eine Antwort als Erwiderung des Befragten muss daher, um diesen Zweck erfüllen zu können, eine inhaltliche Stellungnahme zur erhobenen Forderung enthalten, dem Handelsvertreter also die Haltung des Unternehmers dazu offen legen. Einer abschließenden zustimmenden oder ablehnenden Äußerung bedarf es aber nicht (3 Ob 222/12m [Pkt II.2.3]; 4 Ob 6/19i [Pkt 3.1.]; RS0128617; Nocker, HVertrG2 § 18 Rz 29; Petsche/Petsche-Demmel, HVertrG2 § 18 Rz 8).

[4]            3.2. Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht von diesen Grundsätzen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die auch von der Lehre geteilt werden, abgegangen wäre. Nach den Feststellungen wies die Beklagte in ihrem Antwortschreiben sämtliche vom Handelsvertreter (Zedenten) geltend gemachten Forderungen aus dem zwischen diesem und der Beklagten bestandenen Handelsvertretervertrag zurück. Die Beklagte begründete ihre Ablehnung unter anderem damit, dass der Anspruchswerber aufgrund „der fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund“ sämtliche Provisionsansprüche verwirkt habe und zudem nicht die Beklagte, sondern die O* Deutschland Anspruchsperson für die geltend gemachten Ansprüche sei. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, diese inhaltliche, abschließend ablehnende Stellungnahme der Beklagten sei eine ordnungsgemäße „schriftliche Antwort des Unternehmers“ nach § 18 Abs 3 HVertrG, ist daher nicht zu beanstanden. Eine detaillierte Provisionsabrechnung, so wie es der Revisionswerberin vorschwebt, musste diese Antwort nicht beinhalten. Eine vom Unternehmer zu legende Abrechnung ist nur für den Beginn der Verjährungsfrist nach § 18 Abs 2 HVertrG relevant.

[5]            4. Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

[6]            5. Der Oberste Gerichtshof hat die Beantwortung der Revision nicht frei gestellt. Die Klägerin hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung nach § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO selbst zu tragen.

Textnummer

E134281

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:009OBA00142.21D.0127.000

Im RIS seit

05.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

05.04.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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