TE OGH 2019/2/26 4Ob6/19i

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Veröffentlicht am 26.02.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *****C*****gesmbH, *****, vertreten durch Dr. Rudolf C. Stiehl & Dr. Roman Keltner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei r***** GmbH, *****, vertreten durch Oberhammer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Rechnungslegung (Streitwert 10.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. September 2018, GZ 1 R 216/18p-13, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 22. Mai 2018, GZ 20 C 793/17i-9, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die insgesamt abweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.043,18 EUR (darin enthalten 768,70 EUR USt und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte errichtet und verkauft Meerwasseraquarien, deren Vertrieb auf Basis der (bis 30. 6. 2008 befristeten und nicht verlängerten) Vertriebsvereinbarung vom 4. 9. 2007 exklusiv über die Klägerin erfolgen sollte. Die Vertriebsvereinbarung enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:

„…

VII. Höhe der Provisionen

Für die Vermittlung von Geschäften erhält die *****C***** eine Provision in der Höhe von 12,5 % des Projektumsatzes (darunter ist der tatsächliche Zahlungseingang auf dem Konto der K***** zu verstehen). Ausgenommen davon sind Service- oder Wartungsverträge. Kosten und Ausgaben in diesem Zusammenhang hat die *****C***** selbst zu tragen.

VIII. Entstehen und Fälligkeit der Provisionen

Der Provisionsanspruch entsteht mit dem Eingang der Zahlung auf dem Konto der K*****. *****C***** legt für den entsprechenden Provisionsanspruch eine Rechnung, die spätestens innerhalb von 10 Tagen nach Rechnungserhalt überwiesen wird.“

Im Jänner 2008 nahm die Klägerin mit dem ***** K***** Kontakt auf, der Interesse bekundete, fünf seiner Pflegewohnhäuser mit Aquarien auszustatten. Zu diesem Zweck kam es in der Folge auch zu Treffen mit Vertretern des K*****. Da dieses Projekt im November 2008 konkrete Gestalt annahm, ersuchte die Klägerin mit E-Mail vom 10. 11. 2008 die Beklagte, gegenüber dem K***** ein Angebot zu legen und darin die Vermittlungsprovision gesondert auszuweisen. Mit E-Mail vom 12. 11. 2008 antwortete die Beklagte, dass die Provision für die Klägerin in Ordnung sei, wies aber darauf hin, dass die Preisverhandlungen noch die Provision betreffen könnten und dann gemeinsam entschieden werden müsse.

Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2009 oder 2010 erfolgte die Auftragserteilung durch den K***** und die Ausführung durch die Beklagte. Ob die Beklagte die Klägerin über die Auftragserteilung informierte, konnte nicht festgestellt werden. Eine Information über die Zahlung des Kaufpreises durch den K***** erfolgte nicht.

Die Klägerin begehrte, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihr über sämtliche Geschäfte und damit verbundene Zahlungseingänge Rechnung zu legen, die auf ihre vermittelnde Tätigkeit im Rahmen der Vertriebsvereinbarung vom 4. 9. 2007 zurückzuführen seien. Sie habe noch vor Auflösung der Vertriebsvereinbarung den Geschäftsabschluss mit dem K***** vorbereitet. Aus diesem Geschäft stünden ihr daher offene Provisionen zu. Der Provisionsanspruch sei nicht etwa verjährt. Sie sei als Maklerin tätig gewesen, zumal ihr eine wirtschaftlich unabhängige Position zugekommen sei. Aber auch nach dem HVertrG seien die Ansprüche nicht verjährt, weil die Verjährung erst mit Ende des Jahres, in dem die Abrechnung hätte erfolgen sollen, zu laufen begonnen habe. Vom Geschäftsabschluss mit dem K***** habe sie erst kurz vor Klagsführung erfahren. Allerdings habe sie bereits in ihrer E-Mail vom 10. 11. 2008 auf ihr Recht auf die Provision hingewiesen.

Die Beklagte erhob den Einwand der Verjährung. Außerdem sei das Geschäft nicht auf die Verdienstlichkeit der Klägerin zurückzuführen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin sei als Handelsvertreterin für die Beklagte tätig geworden, weil sie mit der Vermittlung von Geschäftsabschlüssen ständig betraut worden sei. Die Verjährung der Ansprüche aus dem Geschäft mit dem K***** habe spätestens Ende 2010 zu laufen begonnen. Die geltend gemachten Ansprüche seien daher verjährt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge und änderte das Urteil des Erstgerichts dahin ab, dass es die Beklagte schuldig erkannte, der Klägerin „über die Geschäfte, die sie seit 1. 11. 2008 mit dem K***** getätigt hat, sowie über die Zahlungseingänge aus derartigen Geschäften Rechnung zu legen“. Das Mehrbegehren in Bezug auf „weitere Geschäfte“ wies es ab. Nach § 18 Abs 3 HVertrG, der eine Fortlaufshemmung der Verjährung durch Anmeldung der Forderung vorsehe, könne ein Anspruch auch vor seinem Entstehen angemeldet werden. Die E-Mail der Klägerin vom 10. 11. 2008 sei eine solche Anmeldung des Provisionsanspruchs. Für den weiteren Fortlauf der Verjährung bedürfe es einer schriftlichen Antwort des Geschäftsherrn. Die E-Mail der Beklagten vom 12. 11. 2008 entspreche nicht dem Schriftformgebot, weshalb die Verjährung für Provisionsansprüche aus Geschäften mit dem K***** nach wie vor gehemmt sei. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zu den Fragen, ob eine Anmeldung von Ansprüchen nach § 18 Abs 3 HVertrG schon vor dem Entstehen der Forderung in Betracht komme und ob eine E-Mail-Erklärung nach dieser Norm „schriftlich“ sei, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten, die auf eine Abweisung des gesamten Klagebegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig; sie ist auch berechtigt.

In ihrer Revision führt die Beklagte aus, die Klägerin habe mit ihrer E-Mail vom 10. 11. 2008 keinen konkreten Anspruch angemeldet, sondern nur ein Angebot gefordert, um dieses an den K***** weiterzuleiten. Außerdem genüge für die Stellungnahme des Unternehmers im Sinn des § 18 Abs 3 HVertrG die Einhaltung der Textform, die auch durch eine E-Mail-Erklärung erfüllt werde. Davon ausgehend sei entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine Hemmung der Verjährung eingetreten.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

1.1 Die grundlegende Norm für den Entgeltanspruch des Handelsvertreters findet sich in § 8 HVertrG. Nach Abs 2 leg cit gebührt der Anspruch auf Provision für jedes durch die Tätigkeit des Handelsvertreters zustande gekommene (vermittelte) Geschäft. Die weiteren für den Entgeltanspruch relevanten Bestimmungen betreffen das Entstehen (§ 9: mit Ausführung des Geschäfts durch den Dritten), die Fälligkeit (§ 15: im Zeitpunkt der pflichtgemäßen Abrechnung), die Abrechnung und Nachprüfung (§ 14 und § 16) und die Verjährung des Anspruchs (§ 18); dabei handelt es sich um Detailregelungen.

1.2 Nach § 18 Abs 1 HVertrG verjähren alle Ansprüche der Parteien aus dem Handelsvertretervertrag in drei Jahren (9 ObA 187/07a). Dies gilt in erster Linie für den Provisionsanspruch, aber auch für alle anderen Ansprüche und für alle Nebenansprüche (zB Rechnungslegung und Buchauszug), die zur Durchsetzung eines Hauptanspruchs dienen. Die Nebenansprüche verjähren somit mit dem Hauptanspruch (9 ObA 187/07a; 8 ObA 22/11k).

Nach Abs 2 leg cit ist der Beginn der Verjährungsfrist an die (pflichtgemäße) Abrechnung geknüpft. Bei Ansprüchen, die – wie hier – erst nach der Beendigung des Handelsvertretervertrags abzurechnen sind (nachvertragliche Provisionen), beginnt die Verjährungsfrist mit Ende des Jahres, in dem die Abrechnung hätte erfolgen müssen.

Abs 3 leg cit enthält eine Schutznorm zugunsten des Handelsvertreters, um den Eintritt der Verjährung zu verhindern (siehe dazu 5 Ob 2105/96m und 2 Ob 2252/96g, wonach es für den Beginn der Verjährungsfrist nicht auf die Kenntnis des Handelsvertreters ankommt). Hat der Handelsvertreter seine Ansprüche beim Unternehmer angemeldet, so wird der Fortlauf der Verjährung bis zum Einlangen der schriftlichen Antwort des Unternehmers gehemmt.

2.1 Unter „Anmeldung“ eines Anspruchs beim Unternehmer ist nach der Literatur jede Erklärung
– ausdrücklich oder schlüssig – des Handelsvertreters zu verstehen, mit der dieser einen konkreten Anspruch, zB auf Provisionszahlung, Erstellung einer Abrechnung, Erteilung eines Buchauszugs oder Zahlung eines Ausgleichsanspruchs gegenüber dem Unternehmer geltend macht. Dafür genügt es, dass der Anspruch wenigstens der Art nach (Provision, Ausgleich, Auslagenersatz, Abrechnung) beschrieben wird; eine konkrete Bezifferung eines Zahlungsanspruchs ist nicht erforderlich. Für die Anmeldung der Ansprüche ist auch keine bestimmte Form vorgeschrieben (Nocker, HVertrG2 § 18 Rz 26 und 29; Petsche/Petsche-Demmel, HVertrG2 § 18 Rz 8).

2.2 Nach allgemeinem Verständnis kann ein „konkreter Anspruch“ erst dann „geltend gemacht werden“, wenn er bereits entstanden ist. Dazu ist in der Rechtsprechung geklärt, dass der Provisionsanspruch gemäß § 9 Abs 2 HVertrG einseitig zwingend spätestens (mangels abweichender Vertragslage) mit Ausführung des abgeschlossenen Geschäfts, also mit Erbringung der vertragsgemäßen Leistung durch den Dritten (Kunden) entsteht. Bei periodisch wiederkehrenden Kundenleistungen entsteht der Provisionsanspruch ab der erstmaligen (Prämien-)Zahlung zumindest zeitlich anteilsmäßig im Verhältnis zum liquidierten Prämienzeitraum (8 ObA 20/14w; 8 ObA 22/15s jeweils mwN). Ein entstandener Anspruch kann auch dem Grunde nach geltend gemacht werden, weshalb die Bezifferung der Höhe nach, die zusätzlich die Abrechnung des Anspruchs voraussetzt, auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist.

2.3 § 18 Abs 3 HVertrG stellt allerdings nicht auf die „Geltendmachung“, sondern auf die „Anmeldung“ ab. Es stellt sich daher die Frage, ob auch solche Ansprüche angemeldet werden können, die noch nicht entstanden sind. Dies ist nach den Wertungen des HVertrG zu bejahen:

§ 18 Abs 3 HVertrG bezieht sich unterschiedslos auf alle Provisionsansprüche und daher auch auf solche, die erst nach Beendigung des Handelsvertretervertrags entstehen (nachvertragliche Provisionen; vgl Nocker, HVertrG2 § 18 Rz 27). Nach ihrem Zweck soll diese Regelung verhindern, dass der Handelsvertreter seine Ansprüche aufgrund fehlender Informationen allzu leicht durch Verjährung verliert. Neben der Verhinderung der Verjährung zugunsten des Handelsvertreters soll diese Bestimmung gleichzeitig den Unternehmer in die Lage versetzen, die Ansprüche zu prüfen und gegebenenfalls abzurechnen und zu begleichen. Dieser Zweck ist dann nicht erfüllt, wenn noch keine Grundlage für die Abrechnung besteht und sich die Anmeldung aus Sicht des Unternehmers daher auf einen reinen Formalakt reduziert. Daher genügt es beispielsweise nicht, wenn der Handelsvertreter rein prophylaktisch die Erklärung abgibt, die Ansprüche aus sämtlichen Geschäften, die er vermittelt, anzumelden. Rein hypothetische Ansprüche können daher nicht Gegenstand der Anmeldung sein.

Zu berücksichtigen ist allerdings, dass sich die Provisionsregelungen des HVertrG auch auf nachvertragliche Ansprüche (nachvertragliche Provisionen) beziehen, was daher auch für § 18 Abs 3 HVertrG gelten muss (vgl Nocker, HVertrG2 § 18 Rz 27).

Da nach Beendigung des Handelsvertretervertrags der Informationsfluss zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer in der Regel abgeschnitten ist, muss es dem Handelsvertreter bei Beendigung des Handelsvertretervertrags grundsätzlich auch möglich sein, neben den bisher entstandenen, aber noch nicht abgerechneten Ansprüchen auch seine nachvertraglichen Ansprüche anzumelden. Bei den nachvertraglichen Ansprüchen sind zwei Kategorien zu unterscheiden, nämlich jene, die sich auf bereits abgeschlossene Geschäfte beziehen, sowie jene, die aus künftigen Geschäftsabschlüssen resultieren.

Nach der Grundwertung des § 8 HVertrG kommt es für den Provisionsanspruch auf den Abschluss des vermittelten Geschäfts an. Wurde das Geschäft bereits abgeschlossen, so kann der Handelsvertreter seine Ansprüche der Art nach ausreichend konkretisieren und der Unternehmer sich auf die Prüfung und Abrechnung der Ansprüche einstellen, sodass die ratio legis des § 18 Abs 3 HVertrG erfüllt ist. Daraus folgt, dass eine Anmeldung mit der Wirkung der Fortlaufshemmung jedenfalls für solche nachvertragliche Ansprüche in Betracht kommt, die aus (bei Auflösung des Handelsvertretervertrags) bereits abgeschlossenen Geschäften resultieren (vgl Nocker, HVertrG2 § 18 Rz 26).

Das HVertrG berücksichtigt aber auch Provisionsansprüche aus künftigen Geschäftsabschlüssen. Gemäß § 11 Abs 1 leg cit gebührt dem Handelsvertreter für solche Geschäfte eine Provision, wenn und soweit

1. das Geschäft überwiegend auf seine Tätigkeit während des Vertragsverhältnisses zurückzuführen ist und der Abschluss innerhalb einer angemessenen Frist nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zustande gekommen ist oder

2. die verbindliche Erklärung des Dritten, das Geschäft schließen zu wollen, noch vor Beendigung des Vertragsverhältnisses dem Handelsvertreter oder dem Unternehmer zugegangen ist.

Auch zu den nach dieser Bestimmung provisionspflichtigen Geschäften liegen dem Handelsvertreter bei Beendigung des Handelsvertretervertrags bereits ausreichende Informationen vor, um seinen Provisionsanspruch im Sinn des § 18 Abs 3 HVertrG konkretisieren zu können.

2.4 Insgesamt ist es daher systemkonform, die Anmeldung im Sinn des § 18 Abs 3 HVertrG auf alle Provisionsansprüche zu beziehen, die im HVertrG in den §§ 8 und 11 ausdrücklich vorgesehen sind.

2.5 Die Anmeldung muss als rechtserhebliche Erklärung auch einen bestimmten Mindestinhalt aufweisen. Damit die Zweckvorgaben des § 18 Abs 3 HVertrG erfüllt sind, muss sich aus der Erklärung mit ausreichender Deutlichkeit ergeben, dass der Handelsvertreter einen konkreten Anspruch abgerechnet und ausbezahlt haben möchte. Der Anspruch muss seiner Art nach präzisiert sein und in Bezug auf das vermittelte Geschäft eindeutig zuordenbar beschrieben werden. Im Fall eines nachvertraglichen Anspruchs im Sinn des § 11 HVertrG muss zusätzlich angegeben werden, inwieweit der Handelsvertreter im Hinblick auf das noch nicht abgeschlossene Geschäft tätig war oder die Vertragserklärung des Dritten bereits vorliegt.

2.6 Im Anlassfall nahm die Klägerin in ihrer E-Mail vom 10. 11. 2008 auf den bevorstehenden Geschäftsabschluss mit dem K***** Bezug und ersuchte, dass im Angebot die Vermittlungsprovision gesondert ausgewiesen wird. In ihrer Antwort-E-Mail vom 12. 11. 2008 teilte die Beklagte mit, dass die Provision für die Klägerin grundsätzlich in Ordnung sei, und wies auf die ausstehenden Preisverhandlungen hin.

Mit der Erklärung, dass die Provision gesondert ausgewiesen werden solle, hat die Klägerin für einen verständigen Erklärungsempfänger ausreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie diese Provision beansprucht und der Betrag aus diesem Grund ausdrücklich angeführt werden soll. Dies hat die Beklagte auch in diesem Sinn verstanden. Der Antwort der Beklagten kam der Erklärungswert zu, dass der geltend gemachte Provisionsanspruch aus dem nachvertraglichen Geschäft mit dem K*****, sollte dieses zustande kommen, akzeptiert werde, die Höhe der Provision aber von den Preisverhandlungen abhängig sei.

2.7 Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass der Fortlauf der Verjährung der Provisionsansprüche der Klägerin aus dem Geschäft mit dem K***** durch die E-Mail vom 10. 11. 2008 in ihrem Fortlauf gehemmt wurde.

3.1 Nach § 18 Abs 3 HVertrG ist Verjährung eines beim Unternehmer angemeldeten Anspruchs bis zum Einlangen der schriftlichen Antwort des Unternehmers gehemmt. Zweck dieser Regelung ist es, zu verhindern, dass der Handelsvertreter seine Ansprüche zur Vermeidung von deren Verjährung schon zu einem Zeitpunkt gerichtlich geltend machen muss, zu dem noch keine Reaktion des Unternehmers auf die geltend gemachten Ansprüche vorliegt. Eine Antwort muss daher, um diesen Zweck erfüllen zu können, eine inhaltliche Stellungnahme zur erhobenen Forderung enthalten. Einer abschließenden zustimmenden oder ablehnenden Äußerung bedarf es aber nicht (RIS-Justiz RS0128617; 3 Ob 222/12m; Nocker, HVertrG2 § 18 Rz 29; Petsche/Petsche-Demmel, HVertrG2 § 18 Rz 8).

3.2 Die Antwort des Unternehmers hat allerdings schriftlich zu erfolgen, um die Verjährungsfrist wieder in Gang zu setzen. Es stellt sich daher die Frage, ob die Antwort-E-Mail der Beklagten vom 12. 11. 2008 dieser Anforderung entsprach.

„Schriftlichkeit“ im Sinn des § 886 ABGB verlangt – wenn das Gesetz keine ausdrückliche Ausnahme vorsieht (vgl etwa § 3 Abs 4 KSchG) – die eigenhändige Unterschrift des Erklärenden (9 ObA 14/08m; 8 Ob 102/16g). Im Bereich der elektronischen Kommunikation ist dafür die Verwendung der qualifizierten elektronischen Signatur nach § 4 Abs 1 SVG (Art 25 Abs 2 elDAS-VO 910/2014/EU) erforderlich. Einfache, nicht mit elektronischer Signatur versehene E-Mails entsprechen dem Schriftformerfordernis nicht (vgl 5 Ob 133/10k; 8 Ob 102/16g). Die Bestimmung des § 886 ABGB ist nicht nur auf Verträge, sondern auch auf einseitige Erklärungen anzuwenden, für die das Gesetz Schriftlichkeit normiert (RIS-Justiz RS0017216).

Das Erfordernis der Schriftform soll sicherstellen, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, zuverlässig entnommen werden können (Echtheitsfunktion: RIS-Justiz RS0078934; RS0017221). Darüber hinaus liegt der Zweck der Schriftform im Übereilungsschutz, in der Beweissicherung oder in der Rechtssicherheit des Geschäftsverkehrs (9 ObA 110/15i; 9 ObA 57/16x jeweils mwN).

Nach der Rechtsprechung kann einer gesetzlichen Anforderung, nach der eine Erklärung „schriftlich“ abgegeben werden muss, im Einzelfall allerdings auch ohne Unterfertigung der Erklärung entsprochen werden; die Zulässigkeit einer solchen Ausnahme richtet sich nach dem Zweck des jeweiligen Formgebots. Eine teleologische Reduktion von Formvorschriften ist aber mit größter Vorsicht handzuhaben (RIS-Justiz RS0017221). In diesem Sinn lässt die Rechtsprechung bei bloßen Informationspflichten grundsätzlich die Textform genügen, weil es in erster Linie nur darum geht, dem Empfänger bestimmte Angaben in dauerhafter Weise zur Verfügung zu stellen (5 Ob 71/16a; 8 Ob 102/16g; siehe auch das VersRÄG 2012, BGBl I 2012/34, sowie das AktRÄG 2009, BGBl I 2009/71, mit denen die „geschriebene Form“ bzw die „Textform“ eingeführt und der Schriftform gegenübergestellt wird).

3.3 Die hier in Rede stehende (abdingbare) Anforderung der schriftlichen Antwort des Unternehmers nach § 18 Abs 3 HVertrG dient nach der Lehre dem Schutz des Handelsvertreters (Petsche/Petsche-Demmel, HVertrG2 § 18 Rz 9 mwN). Er soll mit der Antwort über die weitere Vorgangsweise im Klaren sein und aufgrund der Reaktion des Unternehmers wissen, ob er mit der Erfüllung des Anspruchs rechnen kann. Die für den Fortlauf der Verjährungsfrist erforderliche Stellungnahme des Unternehmers hat somit den Charakter einer Informationserteilung. Dafür bedarf es nicht der Einhaltung der Schriftform im Sinn des § 886 ABGB.

3.4 Als weiteres Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die Antwort-E-Mail der Beklagten vom 12. 11. 2008 eine wirksame Stellungnahme im Sinn des § 18 Abs 3 HVertrG war, wodurch die Fortlaufshemmung der Verjährung beseitigt wurde.

Die Klägerin wäre daher gehalten gewesen, den weiteren Verlauf des Geschäftsgangs mit dem K***** zu beobachten und erforderlichenfalls eine Anfrage an die Beklagte zu richten. Hätte die Beklagte die Umstände verschwiegen oder nicht wahrheitsgemäß aufgeklärt, so hätte dem Verjährungseinwand der Einwand der Arglist entgegengehalten werden können (vgl dazu Nocker, HVertrG2 § 18 Rz 16).

4. Zusammenfassend ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der Einbringung der vorliegenden Klage (auch) der Provisionsanspruch der Klägerin aus dem (nachvertraglichen) Geschäftsabschluss mit dem K***** verjährt war. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält damit der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht stand. In Stattgebung der Revision der Beklagten war die abweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E124393

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00006.19I.0226.000

Im RIS seit

26.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

19.03.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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