TE OGH 2021/11/25 2Ob173/21m

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Veröffentlicht am 25.11.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Musger und Dr. Nowotny, die Hofrätin Mag. Malesich sowie den Hofrat MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F* W*, vertreten durch Dr. Edgar Veith, Rechtsanwalt in Götzis, und der Nebenintervenientinnen auf Seiten der klagenden Partei 1. H* D*, vertreten durch Mag. Stefan Huchler, Rechtsanwalt in Hohenems, und 2. A* D*, vertreten durch Fischer & Walla Rechtsanwälte OG in Dornbirn, gegen die beklagte Partei A* D*, vertreten durch Dr. Surena Ettefagh und Dr. Eva Müller, Rechtsanwälte in Frastanz, wegen Feststellung (Streitwert 130.000 EUR), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 1. Juli 2021, GZ 4 R 66/21v-62, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 11. Jänner 2021, GZ 7 Cg 41/18a-54, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und

es wird in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

         Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 11.548,88 EUR (darin enthalten 6.104 EUR Barauslagen und 907,48 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig,

a) der Erstnebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei die mit 3.402,42 EUR (darin enthalten 567,07 EUR USt) und

b) der Zweitnebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei die mit 3.402 EUR (darin enthalten 566,65 EUR USt)

bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens jeweils binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]       Die Klägerin und die beiden Nebenintervenientinnen sind die Töchter des 1931 geborenen und 2017 verstorbenen Erblassers; die 1959 geborene Beklagte war mit dem Erblasser von 1994 bis Sommer 2016 in einer Beziehung. Die Verlassenschaft nach dem Erblasser wurde den Töchtern, die jeweils bedingte Erbantrittserklärungen aufgrund des Gesetzes abgegeben hatten, rechtskräftig zu jeweils einem Drittel unter Hinweis auf ein zwischen den Erbinnen geschlossenes Erbteilungsübereinkommen eingeantwortet. In die Verlassenschaft fielen Anteile an mehreren Liegenschaften.

[2]            Ein mit 20. 10. 2015 datiertes Schreiben, das mit dem Namen des Erblassers unterschrieben ist (in der Folge nur: letztwillige Verfügung), lautete:

„Es ist mein letzter Wille, dass meine Lebensgefährtin [Beklagte] [zwei näher bezeichnete Eigentumswohnungen samt Garagenplätzen] nach meinem Ableben erbt.“

[3]       Der Erblasser und die Beklagte wohnten während der Dauer ihrer Beziehung niemals zusammen und wollten auch nicht zusammenziehen. Sie hatten jeweils eine eigene Wohnung, führten den Haushalt nicht gemeinsam, verfügten über kein gemeinsames Konto und beteiligten sich auch nicht wechselseitig an den Haushaltskosten. Die Beklagte besuchte den Erblasser zwei bis drei Mal pro Woche und übernachtete ab und zu, anfangs nur einmal jede Woche, bei ihm. Sie half ihm anfangs nur insoweit im Haushalt, als sie für ihn die Wäsche machte; als es ihm gesundheitlich schlechter ging, führte sie ihm auch den übrigen Haushalt, wobei der Erblasser weiterhin selbst einkaufen ging und kochte. Im Haushalt der Beklagten half der Erblasser nicht mit, er war auch nur sehr selten in deren Wohnung.

[4]       Wenn die Beklagte und der „sehr hausbezogene“ Erblasser einander trafen, gingen sie zusammen spazieren, hörten Musik und unterhielten sich; gelegentlich unternahmen sie auch Tagesausflüge, vorwiegend blieben sie aber „zu Hause“. Sie waren nie gemeinsam auf Urlaub und nur „sehr selten“ bei Familienfesten.

[5]       Die Beklagte und der Erblasser tätigten keine gemeinsamen Anschaffungen. Der Erblasser unterstützte die Beklagte finanziell nicht, gab ihr aber einmal Geld für die Anschaffung eines Fahrzeugs, mit dem sie ihn „bei diversen Ausflügen“ chauffierte. Im November 2015 übergab er ihr weitere 40.000 EUR für den Ankauf eines (neuen) Autos. Der Erblasser und die Beklagte hatten so lange eine sexuelle Beziehung, bis dies dem Erblasser aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich war. Der Erblasser stellte die Beklagte stets als seine Lebensgefährtin vor.

[6]       Im Juli 2016 kam es zu einem Streit, im Zuge dessen die Beklagte dem Erblasser „einen Ring und den Garagenöffner“ zurück gab. Danach gab es keinen persönlichen Kontakt mehr zwischen dem Erblasser und der Beklagten.

[7]       Ob der in der letztwilligen Verfügung erwähnten Liegenschaftsanteile wurde – dem Erbteilungsübereinkommen entsprechend – das Eigentum der Erstnebenintervenientin einverleibt. In zwei Schreiben vom Frühjahr 2018 forderte die Beklagte durch ihren Rechtsanwalt die Erstnebenintervenientin zur Übertragung der Liegenschaftsanteile „gemäß der letztwilligen Verfügung“ auf. Sollte die Erstnebenintervenientin Liegenschaftsanteile an die Beklagte übertragen müssen, wäre das Erbteilungsübereinkommen nach dem Willen der Vertragsparteien hinfällig, sodass die Klägerin einen Wertausgleich an die Erstnebenintervenientin leisten müsste.

[8]       Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass das mit 20. 10. 2015 datierte Schriftstück „ungültig bzw rechtsunwirksam“ sei; in eventu begehrt sie die Feststellung, dass der Beklagten keine Ansprüche aus dem Nachlass nach dem Erblasser zustehen. Soweit für das Rekursverfahren von Bedeutung brachte sie vor, dass sie die Rechtsanmaßung der Beklagten in ihrer vermögensrechtlichen Freiheit unmittelbar betreffe, weil deren Forderung nach einer Übertragung von Liegenschaftsanteilen das zwischen der Klägerin und ihren Schwestern geschlossene Erbteilungsübereinkommen hinfällig machen würde. Die Beklagte sei im Oktober 2015 die Lebensgefährtin des Erblassers gewesen, diese Lebensgemeinschaft sei aber im Sommer 2016 – sohin noch zu Lebzeiten des Erblassers – beendet worden. Die letztwillige Verfügung, in der die Beklagte als „Lebensgefährtin“ bezeichnet worden sei, sei daher gemäß § 725 ABGB als aufgehoben zu betrachten. Wesentlich für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft sei vor allem das aus einer seelischen Gemeinschaft resultierende Zusammengehörigkeitsgefühl, ein ständiges gemeinsames Wohnen sei kein zwingendes Element einer Lebensgemeinschaft.

[9]            Darüber hinaus stützt die Klägerin das Klagebegehren darauf, dass die letztwillige Verfügung gar nicht vom Erblasser stamme, dieser nicht testierfähig gewesen und das Schreiben unter Zwang zustande gekommen sei. Außerdem sei die Beklagte erbunwürdig, weil sie die Hilfeleistung für den Erblasser unterlassen habe, als dieser einen Schlaganfall erlitten habe.

[10]     Die Nebenintervenientinnen schließen sich – soweit für das Rekursverfahren von Relevanz – im Wesentlichen dem Vorbringen der Klägerin an.

[11]     Die Beklagte wendet ein, dass der Erblasser die letztwillige Verfügung eigenhändig aus freien Stücken und in testierfähigem Zustand verfasst habe. Die Beklagte sei auch nicht erbunwürdig. Das rechtliche Interesse der Klägerin an der Feststellung werde bestritten, weil es nur mit hypothetischen Abläufen begründet werde.

[12]           Zwischen der Beklagten und dem Erblasser habe keine Lebensgemeinschaft bestanden; es habe weder eine Wohn- noch eine Wirtschafts- und zuletzt nicht einmal mehr eine Geschlechtsgemeinschaft bestanden. Im letzten Jahr vor dem Tod des Erblassers sei es nur mehr zu sporadischen telefonischen Kontakten zwischen dem Erblasser und der Beklagten gekommen, weil ihn die Klägerin abgeschirmt habe.

[13]     Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren mit der Maßgabe statt, dass es aussprach, dass zwischen den Streitteilen die Aufhebung der letztwilligen Verfügung festgestellt werde. Unter „Lebensgemeinschaft“ iSd § 725 ABGB sei nach der Rechtsprechung eine Lebens-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft zu verstehen. Da die Beklagte und der Erblasser weder zusammen gewohnt noch gemeinsam gewirtschaftet hätten, handle es sich bloß um eine „dauerhafte Lebenspartnerschaft“. Es liege aber eine planwidrige Lücke des Gesetzes vor, weil der Gesetzgeber den Begriff „Lebensgefährte“ in § 725 ABGB offenbar im umgangssprachlichen Sinn verwendet habe, sodass sämtliche Geschlechtsbeziehungen vom Anwendungsbereich des § 725 ABGB erfasst seien. Da die Lebenspartnerschaft seit Juli 2016 aufgehoben gewesen sei, sei die letztwillige Verfügung gemäß § 725 ABGB aufgehoben worden.

[14]     Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil auf, sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand 5.000 EUR übersteige und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu. Die in § 725 Abs 1 ABGB genannte Lebensgemeinschaft müsse schon wegen der Überschrift „Angehörigenstellung“ eine einem Angehörigenverhältnis ähnliche Intensität erreichen. Zur Auslegung des im Gesetz nicht definierten Begriffs der Lebensgemeinschaft könne auf die von der Rechtsprechung vor allem im Zusammenhang mit dem Ruhen des Unterhaltsanspruchs bei Eingehen einer Lebensgemeinschaft entwickelten Kriterien zurückgegriffen werden. Da im vorliegenden Fall bloß eine Geschlechts-, aber weder eine Wohn- noch eine Wirtschaftsgemeinschaft bestanden habe, liege trotz der langen Dauer der Beziehung keine Lebensgemeinschaft vor. Eine analoge Anwendung des § 725 Abs 1 ABGB auf andere Beziehungen sei abzulehnen; vielmehr liege der Umkehrschluss nahe, dass der Gesetzgeber alle nicht als Lebensgemeinschaft zu qualifizierenden Beziehungen nicht in den Regelungskreis des § 725 Abs 1 ABGB einbeziehen habe wollen. Da das Erstgericht die letztwillige Verfügung als vom Erblasser stammend qualifiziert habe, ohne die zu dieser Frage angebotenen Beweise aufzunehmen, sei eine Aufhebung der Entscheidung erforderlich.

[15]     Der Rekurs sei zuzulassen, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, wie der in § 725 Abs 1 ABGB verwendete Begriff des Lebensgefährten bzw der Lebensgemeinschaft zu verstehen sei.

[16]     Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[17]           Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[18]     Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; er ist im Sinn der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils auch berechtigt.

[19]     Die Klägerin argumentiert, dass die Beziehung zwischen dem Erblasser und der Beklagten als Lebensgemeinschaft iSd § 725 Abs 1 ABGB zu qualifizieren sei; Bedacht zu nehmen sei dabei auch auf den Willen des letztwillig Verfügenden, der die Beklagte als seine Lebensgefährtin angesehen habe und auch (nur) als solche bedenken habe wollen.

Dazu hat der erkennende Fachsenat erwogen:

[20]     1. Bei Vorliegen eines rechtlichen Interesses ist im Zusammenhang mit der Frage, ob eine letztwillige Verfügung nach § 725 ABGB aufzuheben ist, auch eine Feststellungsklage (§ 228 ZPO) zuzulassen (Umlauft/Huf in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 725 ABGB Rz 14 mwN). Ein solches rechtliches Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung (§ 228 ZPO) ist aus folgenden Erwägungen zu bejahen:

[21]     1.1. Der Zweck der negativen Feststellungsklage ist primär, einen für beide Teile nachteiligen Schwebezustand zu beenden, eine Rechtsanmaßung des Beklagten als Ursache der Rechtsunsicherheit abzuwehren und den Gegner zu zwingen, das angemaßte Recht zu beweisen oder aufzugeben (RS0039109; RS0038974). Nach der Rechtsprechung erfordert das rechtliche Interesse neben der „Berühmung“ eines solchen Rechts auch eine dadurch hervorgerufene Gefährdung der Rechtsstellung des Klägers. Es genügt dabei schon, wenn der Kläger in seiner Bewegungsfreiheit im Rechtsleben oder in der Vornahme wirtschaftlicher Maßnahmen behindert wird (RS0039096; vgl auch RS0038968).

[22]     1.2. Die (wenn auch vorprozessual nur der Erstnebenintervenientin gegenüber erfolgte) Berühmung durch die Beklagte schränkt vor dem Hintergrund der Feststellungen über die Auswirkungen eines der Beklagten zustehenden Vermächtnisses auf das Erbteilungsübereinkommen die Bewegungsfreiheit (auch) der Klägerin im Rechtsleben ein, sodass die Vorinstanzen das rechtliche Interesse der Klägerin zutreffend bejaht haben, was die Beklagte im Übrigen im Rechtsmittelverfahren nicht mehr in Zweifel zieht.

[23]     2. Aufgrund des Todeszeitpunkts des Erblassers ist § 725 ABGB in der Fassung des ErbRÄG 2015 (I 2015/87) anzuwenden (§ 1503 Abs 7 Z 1 und 2 ABGB). Auf das Datum der Errichtung der letztwilligen Verfügung kommt es nicht an. Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf den „rückwirkenden Charakter“ dieser gesetzlichen Bestimmung bestehen nicht (2 Ob 192/18a).

§ 725 Abs 1 ABGB lautet auszugsweise:

„[D]urch Verlust der Angehörigenstellung

Mit Auflösung der Ehe, der eingetragenen Partnerschaft oder der Lebensgemeinschaft zu Lebzeiten des Verstorbenen werden davor errichtete letztwillige Verfügungen, soweit sie den früheren Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten betreffen, aufgehoben, es sei denn, dass der Verstorbene ausdrücklich das Gegenteil angeordnet hat. […]“

[24]     Nach den Gesetzesmaterialien (ErlRV 688 BlgNR XXV. GP 20) sehe § 725 Abs 1 ABGB die Vermutung eines stillschweigenden Widerrufs jener letztwilligen Verfügungen vor, die vor der – zu Lebzeiten des Verstorbenen erfolgten – Auflösung der Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft zugunsten des früheren Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten errichtet worden seien. Üblicherweise spiegle diese Bestimmung wohl den mutmaßlichen Willen eines Erblassers wider, weil der frühere Partner gerade nicht wolle, dass der andere Teil nach ihm erbe. Wolle der Erblasser diese Rechtsfolge vermeiden, könne er letztwillig ausdrücklich das Gegenteil vorsehen.

[25]     3. Der erkennende Fachsenat hat sich bisher in drei Entscheidungen mit der Bestimmung des § 725 Abs 1 ABGB befasst.

[26]     3.1. In den Entscheidungen 2 Ob 192/18a SZ 2019/35 = NZ 2019/82, 263 (Dukic) = iFamZ 2019/201, 329 (Mondel) = EF-Z 2019/130, 229 (Tschugguel) und 2 Ob 43/19s JEV 2019/13, 189 (Zak) legte der Senat dar, dass sich der Wille des Erblassers, eine während aufrechter Ehe, eingetragener Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft errichtete letztwillige Verfügung solle betreffend den Partner auch im Fall der Auflösung der Ehe, der eingetragenen Partnerschaft oder der Lebensgemeinschaft zu Lebzeiten des Verstorbenen aufrecht bleiben, aus der Auslegung einer letztwilligen Verfügung ergeben und daher in deren Wortlaut zumindest angedeutet sein muss (RS0132603).

[27]     3.2. In der Entscheidung 2 Ob 76/21x erwog der Senat, dass § 725 Abs 1 Satz 1 ABGB auch solche letztwillige Verfügungen erfasst, die der Erblasser vor Eingehen einer Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft errichtet hat. Er wies darauf hin, dass § 725 Abs 1 ABGB an die Beendigung der Ehe, Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft – außer bei gegenteiliger Anordnung – die Rechtsfolge der „Aufhebung“ der letztwilligen Begünstigung knüpft (Rz 17). Der Senat führte weiters aus, dass § 725 Abs 1 ABGB als typisierende – also von den Umständen des Einzelfalls unabhängige – Sonderregelung für einen bestimmten Fall des Motivirrtums gedeutet werden kann und auf dieser Grundlage die Errichtung der Verfügung während eines aufrechten Familienverhältnisses eine Berücksichtigung des konkreten Motivs jedenfalls ausschließt (Rz 31 f). Im Hinblick auf den Zweck der Norm könne § 725 Abs 1 ABGB objektiv die Annahme unterstellt werden, dass bei Beendigung eines Familienverhältnisses regelmäßig eine solche Zerrüttung der Beziehung zwischen dem Erblasser und dem Bedachten vorliegt, dass das Erlöschen der Verfügung dem mutmaßlichen Willen des Erblassers entspricht. Die letztwillige Verfügung zugunsten einer natürlichen Person werde zudem regelmäßig darauf beruhen, dass eine Nahebeziehung zwischen dem Erblasser und dem Bedachten besteht und der Erblasser mit dem Fortbestehen dieser Beziehung rechnet (Rz 35 f).

[28]     4. Zentraler Streitpunkt im Rekursverfahren ist die Frage, ob die Beziehung zwischen dem Erblasser und der Beklagten als Lebensgemeinschaft iSd § 725 Abs 1 ABGB zu qualifizieren ist.

[29]     Erst mit dem ErbRÄG 2015 hat der Begriff des „Lebensgefährten“ bzw der „Lebensgemeinschaft“ Eingang ins Erbrecht gefunden (vgl Christandl, Die Lebensgemeinschaft im gesetzlichen Erbrecht – zur Überwindung der reinen Statusorientierung im Intestaterbrecht, JBl 2016, 21 [22] mwN; Details etwa bei Fischer-Czermak, Ehegattenerbrecht, Rechte des Lebensgefährten und Abgeltung von Pflegeleistungen, in Rabl/Zöchling-Jud, Das neue Erbrecht [2015], 27 [35 ff]).

[30]     In einzelnen Bestimmungen finden sich zumindest Ansätze einer Definition dieser Begriffe, indem nämlich § 745 Abs 2 ABGB („gesetzliches Vorausvermächtnis“) und § 748 Abs 1 ABGB („außerordentliches Erbrecht des Lebensgefährten“) auf das Bestehen eines zumindest in den letzten drei Jahren vor dem Tod des Erblassers bestehenden gemeinsamen Haushalts abstellen; § 748 Abs 2 ABGB sieht wiederum ein Absehen von diesem Erfordernis vor, wenn diesem „erhebliche Gründe, etwa gesundheitlicher oder beruflicher Art, entgegenstanden, ansonsten aber eine für Lebensgefährten typische besondere Verbundenheit bestand“.

[31]     § 725 Abs 1 ABGB enthält keine vergleichbare Regelung. Eine allgemeine Definition der Begriffe „Lebensgemeinschaft“ bzw „Lebensgefährte“ im Erbrecht (Zivilrecht) fehlt (Deixler-Hübner, Familienrechtliche Aspekte des Erbrechts, in Deixler-Hübner/Schauer, Erbrecht NEU [2015], 29 [34]).

[32]     5. Zur Auslegung der Begriffe „Lebensgemeinschaft“ bzw „Lebensgefährte“ in § 725 Abs 1 ABGB liegt bisher keine Rechtsprechung vor. Es besteht jedoch umfassende Judikatur zur Frage, wann (allgemein) vom Vorliegen einer Lebensgemeinschaft auszugehen ist:

[33]     5.1. Nach den vom Obersten Gerichtshof entwickelten Kriterien wird unter einer Lebensgemeinschaft ein jederzeit lösbares familienrechtsähnliches Verhältnis verstanden, das der Ehe nachgebildet, aber von geringerer Festigkeit ist (RS0021733 [T5]). Für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft spielen neben der Eheähnlichkeit aber auch eine gewisse Dauer, auf die sie eingerichtet ist (RS0047000 [T8]), und das Zusammenspiel der Elemente Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft eine Rolle, wobei anerkannt ist, dass im Sinn eines beweglichen Systems nicht stets alle drei Merkmale vorhanden sein müssen (RS0047000); vielmehr kann das Fehlen eines Kriteriums durch das Vorliegen der anderen stets ausgeglichen werden, wobei die Umstände des Einzelfalls entscheidend sind (vgl 3 Ob 237/11s; RS0047000 [T1, T7]). Wesentlich ist überdies eine aus einer seelischen Gemeinschaft und dem Zusammengehörigkeitsgefühl heraus entstandene Bindung (RS0047064).

[34]     5.2. Eine Wohngemeinschaft liegt grundsätzlich vor, wenn die Lebensgefährten tatsächlich in einer Wohnung leben, die ihr dauernder gemeinsamer Lebensmittelpunkt sein soll; sie muss über die bloßen „Nebenerscheinungen“ der Geschlechtsgemeinschaft hinausgehen. Durch fallweises gemeinsames Übernachten in unregelmäßigen Abständen wird sie daher nicht begründet (3 Ob 35/20y mwN). Eine fehlende Wohngemeinschaft allein indiziert nicht zwingend, dass keine Lebensgemeinschaft vorliegt (3 Ob 237/11s).

[35]           5.3. Unter einer Wirtschaftsgemeinschaft wird verstanden, dass die beiden Partner Freud und Leid miteinander teilen, einander Beistand und Dienste leisten und einander an den zur Bestreitung des Unterhalts, der Zerstreuung und der Erholung dienenden gemeinsamen Gütern teilnehmen lassen (RS0047035). Die Lebensgemeinschaft ist damit sowohl von einer zwischenmenschlichen als auch von einer wirtschaftlichen Komponente geprägt (3 Ob 35/20y mwN). Auch die Wirtschaftsgemeinschaft ist kein unbedingt notwendiges Kriterium für die Annahme einer Lebensgemeinschaft, genügt andererseits aber allein auch noch nicht (3 Ob 237/11s mwN).

[36]     5.4. Eine Geschlechtsgemeinschaft ist zur Annahme einer Lebensgemeinschaft ebenfalls nicht unter allen Umständen erforderlich, insbesondere dann nicht, wenn die zusammenlebenden Personen schon über ein gewisses Alter hinaus sind. Sie müssen aber so gemeinsam leben, wie Ehegatten unter gleichen Verhältnissen leben würden (RS0047017).

[37]     6. In der Lehre werden folgende Positionen zur Auslegung der Begriffe „Lebensgemeinschaft“ bzw „Lebensgefährte“ im Erbrecht und speziell in § 725 Abs 1 ABGB vertreten:

[38]     6.1. Cach (ErbRÄG 2015 – Die Stellung des Lebensgefährten im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge, Zak 2016/495, 267 [268]) weist darauf hin, dass ausgehend von der bisherigen Judikatur und Literatur die faktische nichteheliche Lebensgemeinschaft eine verschieden- oder gleichgeschlechtliche Partnerschaft im Rahmen einer monogamen und eheähnlichen Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft sei, die auf Dauer angelegt sei, aber jederzeit ohne Formalakt wieder aufgelöst werden könne. Die einzelnen Kriterien einer Lebensgemeinschaft seien im Rahmen eines beweglichen Systems zu bewerten. Auf subjektiver Ebene seien das Zusammengehörigkeitsgefühl und die seelische Verbindung der beiden Partner zu berücksichtigen.

[39]     In ähnlicher Weise argumentiert Hueber (Der Lebensgefährte im neuen Erbrecht, EF-Z 2016/142, 306 [307]), dass für die Einordnung als Lebensgefährte „weiterhin die Rechtsprechung“ herangezogen werden müsse. Seine Ausführungen befassen sich jedoch primär mit den Bestimmungen der § 745 Abs 2 und § 748 ABGB.

[40]     Auch Eccher/Umlauft (Erbrecht7 [2020] Rz 3/17) plädieren für einen Rückgriff auf die „bisherige Auslegung in anderen Zusammenhängen“.

[41]     6.2. Christandl (JBl 2016, 21 [22, 28]) spricht sich ebenfalls erkennbar dafür aus, die von der Rechtsprechung für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft entwickelten Kriterien anzuwenden. Er betont, dass die drei Kriterien einer Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft dabei im Sinn eines beweglichen Systems nicht stets vorhanden sein müssen. Das Fehlen eines Kriteriums könne durch das Vorhandensein oder die besondere Intensität der anderen kompensiert werden bzw durch die Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt sein. Die Beziehung müsse sich jedenfalls deutlich von einer freundschaftlichen Nahebeziehung abheben.

[42]     6.3. Verweijen (ErbRÄG 2015 – zu den Rechten des Lebensgefährten, ÖJZ 2016/114, 853 [855]) verweist darauf, dass die Rechtsprechung bereits wesentliche Kriterien für das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft herausgearbeitet habe. Grundsätzlich müsse kumulativ eine auf Dauer angelegte Haushalts-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft vorliegen, nur bei Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger Gründe könne ein Element entfallen. Daneben sei wesentlich, dass die Beteiligten einander Beistand leisten und ein subjektives Zusammengehörigkeitsgefühl haben.

[43]     6.4. Zankl (Erbrecht9 [2019] Rz 17a) verweist darauf, dass eine eheähnliche Verbindung vorliegen müsse, in der eine seelische Verbundenheit zwischen den Partnern vorliege und die grundsätzlich auch durch eine Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft geprägt sei. Es dürfe keine bloße Freundschaft, sondern es müsse eine Lebens- und Schicksalsgemeinschaft bestanden haben.

[44]     6.5. Deixler-Hübner (Familienrechtliche Aspekte des Erbrechts, in Deixler-Hübner/Schauer, Erbrecht NEU, 29 [34 f]) argumentiert, dass im Hinblick auf das Fehlen einer allgemeinen Legaldefinition im Sinn der ständigen Rechtsprechung und Lehre davon auszugehen sei, dass eine „Lebensgemeinschaft“ eine eheähnliche Verbindung zwischen zwei Personen voraussetze, die einerseits in einer seelischen Verbundenheit wurzle, anderseits in der Regel auch die Parameter einer Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft aufweisen müsse. Es dürfe keine bloße Freundschaft vorliegen; vielmehr müssten die Beteiligten eine Lebens- und Schicksalsgemeinschaft führen, in der auch geschlechtliche Aspekte – wie etwa der Austausch von Zärtlichkeiten – eine Rolle spielten (ganz ähnlich auch Deixler-Hübner, Erbrechtliche Absicherung des Ehegatten, eingetragenen Partners und Lebensgefährten, in Barth/Pesendorfer, Praxishandbuch des neuen Erbrechts [2016], 39 [47]).

[45]     6.6. N. Brandstätter (Die Stellung des Lebensgefährten im neuen Erbrecht, Zak 2017/147, 84) spricht sich mangels Vorliegens einer Legaldefinition ebenfalls dafür aus, für die Einordnung als Lebensgefährte die von der Rechtsprechung bereits in anderen Bereichen entwickelten Merkmale heranzuziehen. Da nur § 745 Abs 2 und § 748 ABGB auf ein Zusammenleben über einen Zeitraum von drei Jahren abstellten, die übrigen, Lebensgefährten betreffenden Neuregelungen durch das ErbRÄG 2015 ein solches Erfordernis jedoch gerade nicht festlegten, sei es naheliegend, für diese anderen Bestimmungen – so auch § 725 Abs 1 ABGB – auf die von der Rechtsprechung entwickelte „allgemeine Definition“ zurückzugreifen (ähnlich wohl auch Verweijen, ÖJZ 2016/114, 853 [854]).

[46]     6.7. Schauer (Familie und Erbrecht, in Deixler-Hübner, Handbuch Familienrecht² [2020] 755 [769 f]) lehrt, dass es sich beim „Lebensgefährten“ um einen Typusbegriff handle, der anhand der in der Rechtsprechung entwickelten Merkmale der Geschlechts-, Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zu konkretisieren sei, wobei nicht alle Elemente in der selben Ausprägung vorhanden sein müssten. Im erbrechtlichen Zusammenhang sei ein noch höheres Maß an Flexibilität zu verlangen.

[47]           7. Der Senat schließt sich der übereinstimmenden Lehre an, wonach zur Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffs der „Lebensgemeinschaft“ in § 725 ABGB ein Rückgriff auf vorhandene Rechtsprechung (und Lehre) geboten ist. Dass der Gesetzgeber in den Bestimmungen der § 745 Abs 2 und § 748 ABGB ein besonderes Augenmerk auf das Bestehen einer dreijährigen Haushaltsgemeinschaft legt (und die Notwendigkeit von deren Vorliegen in § 748 Abs 2 ABGB wiederum relativiert), spielt für die Auslegung des Begriffs in § 725 ABGB nach den überzeugenden Ausführungen N. Brandstätters (siehe oben Punkt 6.6.) keine Rolle.

[48]           Die Verwendung des Begriffs „Angehörigenstellung“ in der Überschrift des § 725 ABGB spricht ebenfalls für einen Rückgriff auf die bestehende Rechtsprechung zum Begriff „Lebensgemeinschaft“, betont diese doch (unter anderem) deren Eheähnlichkeit. Nicht übersehen werden darf bei der Auslegung allerdings der Zweck der Bestimmung des § 725 Abs 1 ABGB (vgl Beclin, Nichteheliche Lebensgemeinschaften, in Deixler-Hübner, Handbuch Familienrecht² 119 [127, 136]). Da die Norm auf einen typisierten Erblasserwillen abstellt (vgl oben Punkt 3.2.), kommt – wie die Klägerin zutreffend
hervorhebt – der Frage, ob der letztwillig Verfügende selbst jemanden als „Lebengefährten“ ansah, nicht zu vernachlässigende Bedeutung zu.

Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten:

[49]     Eine „Lebensgemeinschaft“ iSd § 725 Abs 1 ABGB ist eine eheähnliche Verbindung zwischen zwei Personen, die einerseits in einer seelischen Verbundenheit wurzelt, anderseits in der Regel auch die Merkmale einer Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft aufweisen muss. Allerdings müssen im Sinn eines beweglichen Systems nicht stets alle drei vorhanden sein, sondern kann das Fehlen eines Kriteriums durch das Vorliegen der anderen ausgeglichen werden, wobei stets die Umstände des Einzelfalls entscheiden. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, wie der letztwillig Verfügende selbst die von ihm gelebte Beziehung charakterisierte.

[50]     8. Ausgehend davon ist das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft im konkreten Einzelfall zu bejahen:

[51]     Gegen die Annahme einer Lebensgemeinschaft spricht, dass zwischen dem Erblasser und der Beklagten keine Wohngemeinschaft bestand. Allerdings ist in diesem Zusammenhang der erhebliche Altersunterschied zwischen den Partnern zu berücksichtigen, aufgrund dessen der Erblasser bereits am Beginn der Beziehung dem gesetzlichen Pensionsantrittsalter nahe war, wohingegen die Beklagte mitten im Berufsleben stand. Auch auf das „sehr hausbezogene“ Wesen des Erblassers ist Bedacht zu nehmen.

[52]     Eine Wirtschaftsgemeinschaft zwischen dem Erblasser und der Beklagten lag zwar insoweit nicht vor, als kein gemeinsames Konto vorhanden war, keine Beteiligung an den wechselseitigen Haushaltskosten erfolgte und die Partner keine gemeinsamen Anschaffungen tätigten. Allerdings übergab der Erblasser der Beklagten nach den Feststellungen zwei Mal Geldbeträge für die Anschaffung eines PKW. Die Beklagte wiederum erbrachte (im Lauf der Zeit immer umfangreicher werdende) Arbeiten im Haushalt des Erblassers, was als Teil der Wirtschaftsgemeinschaft angesehen werden kann (vgl Beclin, Nichteheliche Lebensgemeinschaften, in Deixler-Hübner, Handbuch Familienrecht² 119 [131] mwN). Die Feststellungen lassen überdies nicht nur auf das gemeinsame Verbringen von Freizeit, sondern auch auf das Vorliegen einer seelischen Gemeinschaft zwischen den Partnern schließen.

[53]     Zu bejahen ist das Vorliegen einer Geschlechtsgemeinschaft bis zu jenem Zeitpunkt, in dem dem Erblasser deren Fortführung altersbedingt nicht mehr möglich war.

[54]           Berücksichtigt man weiters, dass der Erblasser und die Beklagte 22 Jahre lang eine Beziehung führten, der Erblasser die Beklagte als seine Lebensgefährtin ansah und auch als solche in der letztwilligen Verfügung bezeichnete, so ist bei Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls vom Vorliegen einer Lebensgemeinschaft auszugehen.

[55]     9. Dass die zwischen Erblasser und Beklagter bestehende Lebensgemeinschaft noch zu dessen Lebzeiten aufgelöst wurde, ist ausgehend von den Feststellungen zu bejahen und wird von der Beklagten im Rechtsmittelverfahren auch nicht mehr in Zweifel gezogen.

[56]     10. Die letztwillige Verfügung ist daher gemäß § 725 Abs 1 ABGB aufgehoben. Dass die von ihm verfügte Einsetzung seiner Lebensgefährtin zur Vermächtnisnehmerin auch im Fall der Beendigung der Lebensgemeinschaft aufrecht bleiben sollte, hat der Erblasser in der letztwilligen Verfügung nicht angedeutet.

11. Ergebnis und Kosten

[57]     11.1. Aus den angeführten Gründen ist die Entscheidung des Erstgerichts in der Hauptsache wiederherzustellen.

[58]     11.2. Dies macht ein Eingehen auf den Kostenrekurs der Klägerin erforderlich (vgl 3 Ob 116/18g mwN), der allerdings aus folgenden Erwägungen erfolglos bleiben muss:

[59]     Einen Streitgenossenzuschlag zur Pauschalgebühr hat das Erstgericht zutreffend nicht zugesprochen. Gemäß § 19a GGG gebührte ein solcher nämlich nur dann, wenn in einer Rechtssache mehrere Personen gemeinsam einen Anspruch geltend machen oder gerichtlich in Anspruch genommen werden. Der Streitbeitritt zweier Nebenintervenientinnen auf Seiten der Klägerin kann daher nicht zur Erhöhung der gerichtlichen Pauschalgebühr führen.

[60]           Von den beiden am selben Tag gesondert eingebrachten, beinahe wortidenten Streitverkündigungen an die beiden Nebenintervenientinnen hat das Erstgericht unter Beachtung der Verbindungspflicht (§ 22 RATG) zutreffend nur eine honoriert.

[61]     Den „Widerspruch zu Protokoll“ vom 9. 1. 2019 hat das Erstgericht schon deswegen zu Recht nicht honoriert, weil er keine sinnstörenden Fehler betraf und daher nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war (Obermaier, Kostenhandbuch³ Rz 1.256).

[62]     Der „Fristsetzungsantrag“ war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ebenfalls nicht erforderlich, weil das Erstgericht die Übermittlung des Gutachtens durch den Sachverständigen ohnehin in regelmäßigen Abständen (insgesamt zumindest sechs Mal) betrieben hat, was die Klägerin durch entsprechende Nachfrage bei Gericht in Erfahrung bringen hätte können.

[63]     Den Schriftsatz vom 25. 2. 2020, mit dem die Klägerin die Erörterung des Sachverständigengutachtens beantragte, hat das Erstgericht ohnehin nach TP 2 RATG honoriert.

[64]     11.3. Die Kostenentscheidung für das Rechtsmittelverfahren gründet sich auf § 41 iVm § 50 ZPO.

[65]     Der Zweitnebenintervenientin ist bei Verzeichnung der Kosten für die Berufungsbeantwortung ein zu korrigierender Additionsfehler unterlaufen.

[66]     Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Kostenrekurses, dessen Beantwortung durch die Beklagte unterblieben ist, selbst zu tragen.

[67]     Der von der Klägerin in ihrem Rekurs an den Obersten Gerichtshof verzeichnete Streitgenossenzuschlag steht nicht zu, weil ihr im Rekursverfahren lediglich die Beklagte als Rechtsmittelgegnerin gegenüberstand (§ 15 RATG; § 19a GGG).

Textnummer

E133720

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00173.21M.1125.000

Im RIS seit

08.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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