TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/3 W163 1433090-4

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Veröffentlicht am 03.11.2021
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Entscheidungsdatum

03.11.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §92 Abs1 Z3
FPG §94 Abs1
FPG §94 Abs5

Spruch


W163 1433090-4/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Daniel LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.09.2021, Zahl XXXX , zu Recht:

A)
Die Beschwerde wird gemäß § 94 Abs. 1 und Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1 Z 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1.       Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (im Folgenden: BVwG) vom 18.02.2015, GZ W117 1433090-1, wurde dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gemäß § 3 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

2.       Mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 05.12.2016, XXXX wurde der BF wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1., 2. und 8. Fall, teils Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 4 Z 1 SMG sowie wegen des Besitzes einer unerlaubten Waffe nach § 50 Abs. 1 Z 2 WaffG unter Anwendung von § 28 Abs. 1 StGB nach § 27 Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

3.       Mit Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 11.10.2019, XXXX , wurde der BF wegen der Vergehenn des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG unter Anwendung von § 42 SMG sowie § 28 Abs. 1 StGB nach § 27 Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Es wurde vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zum Urteil des Landesgerichts Linz vom 05.12.2016 abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

4.       Mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 09.06.2020, XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 11.10.2019 gemäß §§ 31, 40 StGB nach dem Strafsatz des § 83 Abs. 1 StGB zu einer zusätzlichen Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je EUR 6,-, insgesamt somit EUR 600,- verurteilt. Vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zum Urteil des Landesgerichts Linz vom 05.12.2016 wurde abgesehen.

5.       Mit Aktenvermerk des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 03.12.2020, Zahl XXXX , wurde dem BF amtswegig ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 und 2 AsylG erteilt.

6.       Am 11.06.2021 stellte der BF einen Antrag auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses für Asylberechtigte nach § 94 Abs. 1 FPG.

7.       Mit Aktenvermerk vom 03.09.2021 wurde festgehalten, dass dem BF aufgrund des Erkenntnisses des BVwG vom 22.02.2021, rechtskräftig seit 01.03.2021, GZ W231 1433090-3, weiterhin der Status des Asylberechtigten zukommt und demnach der am 03.12.2020 erteilte Aufenthaltstitel derogiert wird.

8.       Mit im Spruch angeführten Bescheid vom 03.09.2021 wurde der Antrag des BF auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses vom 11.06.2021 gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1 Ziffer 3 FPG abgewiesen.

9.       Gegen diese Entscheidung erhob der BF fristgerecht am 30.09.2021, beim BFA eingelangt am 04.10.2021, Beschwerde, in der er im Wesentlichen ausführte, dass seine Verurteilungen nicht zur Asylaberkennung geführt hätten, diese bereits mehrere Jahre zurückliegen würden und jeweils bedingte Freiheitsstrafen verhängt worden seien, weshalb von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen sei. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass er seinen Reisepass dazu verwende, um gegen Bestimmungen des SMG zu verstoßen. Er brauche hingegen ein Reisedokument dringend in allen Lebensbereichen, etwa für Jobbewerbungen, das Eröffnen eines Bankkontos etc. Der BF sei kein Drogendealer und versichere, sich in Zukunft wohl zu verhalten. Er beantragte die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung und legte der Beschwerdeschrift einen Auszug aus dem Heiratseintrag des Standesamtes Linz vom 29.09.2021, eine Beurkundung der Anerkennung der Vaterschaft für sein Kind vom 26.08.2020 sowie den Auftragsstatus einer Finanzamtszahlung der XXXX bei.

10.      Das BFA legte die gegenständliche Beschwerde sowie die bezughabenden Verwaltungsakten dem BVwG am 07.10.2021 vor.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Der BF ist afghanischer Staatsangehöriger.

1.2.    Mit Erkenntnis des BVwG vom 18.02.2015, GZ W117 1433090-1, wurde dem BF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Der Asylstatus wurde mit Bescheid des BFA vom 03.12.2020, Zahl XXXX , zwar aberkannt, dieser Bescheid wurde jedoch mit Erkenntnis des BVwG vom 22.02.2021, GZ W231 1433090-3, ersatzlos behoben, weshalb dem BF aktuell der Status des Asylberechtigten zukommt.

1.3.    Mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 05.12.2016, XXXX wurde der BF wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1., 2. und 8. Fall, teils Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 4 Z 1 SMG sowie wegen dem Besitz einer unerlaubten Waffe nach § 50 Abs. 1 Z 2 WaffG unter Anwendung von § 28 Abs. 1 StGB nach § 27 Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wurde die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Der gekürzten Urteilsausfertigung ist zu entnehmen, dass der BF vorschriftswidrig Suchtgift erworben, besessen und anderen gewerbsmäßig überlassen hat, indem er zu verschiedenen Zeitpunkten zwischen September 2015 und April 2016 insgesamt 180 Gramm Cannabiskraut an verschiedene Personen, unter anderem einer Minderjährigen, verkaufte und im Zeitraum von Mitte Jänner 2016 bis Mitte Juli 2016 ausschließlich zum persönlichen Gebrauch regelmäßig unbekannte Mengen Cannabiskraut zum jeweiligen Eigenkonsum besaß. Weiters hat er im Zeitraum von ca. Dezember 2015 bis Juli 2016, wenn auch nur fahrlässig, eine verbotene Waffe iSd § 17 WaffG, nämlich einen Schlagring, besessen.

1.4.    Mit Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 11.10.2019, XXXX , wurde der BF wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG unter Anwendung von § 42 SMG sowie § 28 Abs. 1 StGB nach § 27 Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Es wurde vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zum Urteil des Landesgerichts Linz vom 05.12.2016 abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Aus der gekürzten Urteilsausfertigung ergibt sich, dass der BF am 03.11.2018 0,4 Gramm Cannabiskraut besessen sowie von Anfang Oktober 2018 bis 05.11.2018 eine unbekannte Menge Amphetamin und Methamphetamin angekauft und konsumiert hat und somit vorschriftswidrig Suchtgifte erworben sowie besessen hat, wobei er die Straftaten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begangen hat.

1.5.    Mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 09.06.2020, XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 11.10.2019 gemäß §§ 31, 40 StGB nach dem Strafsatz des § 83 Abs. 1 StGB zu einer zusätzlichen Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je EUR 6,-, insgesamt somit EUR 600,- verurteilt. Vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zum Urteil des Landesgerichts Linz vom 05.12.2016 wurde abgesehen.

Der Verurteilung lag der gekürzten Urteilsausfertigung zufolge zugrunde, dass der BF am 31.08.2019 eine andere Person vorsätzlich in Form einer Schädelprellung, einer Zerrung der Halswirbelsäule, Missempfindlichkeiten der Haut im linken Schädelbereich, Erbrechen und Schwindel am Körper verletzt hat, indem er dieser zwei Faustschläge gegen den Kopf bzw. Hals versetzte.

1.6.    Mit Bescheid des BFA vom 03.09.2021 wurde der Antrag des BF auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses abgewiesen.

2.       Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen stützen sich auf die vorgelegten Akten des BFA und die Akten des BVwG.

Die Feststellungen zu den rechtskräftigen Verurteilungen des BF stützen sich auf die jeweiligen Protokollsvermerke und gekürzten Urteilsausfertigungen des Landesgerichts Linz vom 05.12.2016, XXXX , und vom 09.06.2020, XXXX , sowie des Bezirksgerichts Linz vom 11.10.2019, XXXX .

3.       Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (im Folgenden: BFA-VG), entscheidet das BVwG über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden: VwGVG), geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 5 Abs. 1a Z 3 FPG 2005 (im Folgenden: FPG), sowie § 3 Abs. 2 Z 5 BFA-VG obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde gemäß dem 11. Hauptstück des FPG.

Der angefochtene Bescheid wurde dem BF am 09.09.2021 durch Hinterlegung zugestellt. Die am 04.10.2021 übermittelte Beschwerde ist somit gemäß § 7 Abs. 4 erster Satz VwGVG rechtzeitig

Zu Spruchpunkt A):

3.2.    Zur Abweisung der Beschwerde

3.2.1.  § 94 FPG regelt die Ausstellung von Fremdenpässen. Dieser lautet:

„Konventionsreisepässe

§ 94. (1) Konventionsreisepässe sind Fremden, denen in Österreich der Status des Asylberechtigten zukommt, auf Antrag auszustellen.

(2) Konventionsreisepässe können darüber hinaus Fremden, denen in einem anderen Staat der Status des Asylberechtigten gewährt wurde, auf Antrag ausgestellt werden, wenn sie kein gültiges Reisedokument besitzen und ohne Umgehung der Grenzübertrittskontrolle eingereist sind.

(3) Das Bundesamt hat bei Ausübung des ihm in Abs. 2 eingeräumten Ermessens einerseits auf die persönlichen Verhältnisse des Antragstellers, andererseits auf sicherheitspolizeiliche Belange sowie auf eine mögliche Beeinträchtigung der Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat Bedacht zu nehmen.

(4) Konventionsreisepässe werden nach dem Muster des Annexes zur Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ausgestellt.

(5) §§ 88 Abs. 4 sowie 89 bis 93 gelten sinngemäß mit der Maßgabe, dass anstelle eines Fremdenpasses der Konventionsreisepass tritt.“

Die Bestimmung des § 92 FPG hat folgenden Wortlaut (der im vorliegenden Fall maßgebliche Tatbestand ist hervorgehoben):

„Versagung eines Fremdenpasses

§ 92. (1) Die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Fremdenpasses ist zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass

1. der Fremde das Dokument benützen will, um sich einer wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung im Inland eingeleiteten Strafverfolgung oder Strafvollstreckung zu entziehen;

2. der Fremde das Dokument benützen will, um Zollvorschriften zu übertreten;

3. der Fremde das Dokument benützen will, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen;

4. der Fremde das Dokument benützen will, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken;

5. durch den Aufenthalt des Fremden im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.

(1a) Die Versagungsgründe des § 14 Abs. 1 Z 3 lit d, e und Z 5 Passgesetz 1992 gelten sinngemäß mit der Maßgabe, dass anstelle des Reisepasses der Fremdenpass tritt.

(2) Die Ausstellung eines Fremdenpasses ist zu versagen, wenn der Fremde unentschuldigt einer Ladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung, in der diese Folge angekündigt ist, nicht Folge leistet oder an der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht mitwirkt.

(3) Liegen den Tatsachen die in Abs. 1 Z 1 bis 4 und Abs. 1a angeführt werden, gerichtlich strafbare Handlungen zugrunde, ist bis zum Ablauf von drei Jahren nach der Tat jedenfalls von einem Versagungsgrund auszugehen, wobei Haftzeiten und Zeiten einer Unterbringung nach §§ 21 bis 23 StGB außer Betracht zu bleiben haben. Im Übrigen gilt § 14 Passgesetz 1992.“

Die Versagungsgründe des § 92 Abs. 1 FPG sind vor dem Hintergrund des Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (im Folgenden: Statusrichtlinie) zu lesen. Diese Bestimmung sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, Reiseausweise – wie im Anhang zur Genfer Flüchtlingskonvention vorgesehen – für Reisen außerhalb ihres Gebietes ausstellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen (vgl. VwGH 16.05.2013, 2013/21/0003).

3.2.2.  Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 04.06.2009, 2006/18/0204; 25.11.2010, 2008/18/0458; 02.12.2008, 2005/18/0614; 27.01.2004, 2003/18/0155; 24.01.2012, 2008/18/0504; 20.12.2013, 2013/21/0055) stellt es zusammengefasst eine Erfahrungstatsache dar, dass bei Suchtgiftdelikten nicht nur eine hohe Sozialschädlichkeit, sondern auch eine überaus hohe Wiederholungsgefahr besteht, weshalb selbst bei einer bloß einmaligen Verurteilung eines Antragstellers die Behörde rechtskonform davon ausgehen kann, dass dieser den Konventionsreisepass dazu benutzen werde, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen. Darüber hinaus besteht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Suchtgiftkriminalität insbesondere auch ein „latenter Auslandsbezug“. Auch wurde eine Dauer an Wohlverhalten im Ausmaß von vier Jahren nach der letzten rechtskräftigen Verurteilung als nicht lange genug qualifiziert, um die vom Antragsteller ausgehende Gefahr der Begehung weiterer Suchtgiftdelikte als weggefallen oder auch nur entscheidend gemindert anzusehen.

3.2.3.  Unter Zugrundelegung der Leitgedanken der zitierten Entscheidungen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde im gegenständlichen Fall die begehrte Ausstellung eines Konventionsreisepasses zu Recht versagt hat:

Der BF hat vorschriftswidrig Suchtgift erworben, besessen und gewerbsmäßig überlassen, indem er zu verschiedenen Zeitpunkten zwischen September 2015 und April 2016 insgesamt 180 Gramm Cannabiskraut an verschiedene Personen, unter anderem einer Minderjährigen, verkaufte. Zudem wurde er schuldig gesprochen, im Zeitraum von Mitte Jänner 2016 bis Mitte Juli 2016 ausschließlich zum persönlichen Gebrauch regelmäßig unbekannte Mengen Cannabiskraut zum jeweiligen Eigenkonsum besessen zu haben. Dafür wurde er zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt, wobei die Strafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Darüber hinaus hat der BF am 03.11.2018 0,4 Gramm Cannabiskraut besessen sowie von Anfang Oktober 2018 bis 05.11.2018 eine unbekannte Menge Amphetamin und Methamphetamin angekauft und konsumiert, weshalb er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt wurde.

Auch in der Beschwerde wird auf die rechtskräftigen Verurteilungen des BF hingewiesen und blieb dieser Sachverhalt somit unbestritten.

Im Hinblick auf die Verurteilungen und die Tatsache, dass Suchtgiftdelikten eine besonders hohe Wiederholungsgefahr innewohnt, kommt das erkennende Gericht zum Ergebnis, dass die festgestellten Tatsachen die Annahme im Sinne des § 92 Abs. 1 Z 3 FPG rechtfertigen, der BF könnte den Konventionsreisepass dazu benutzen, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen (vgl. VwGH 02.12.2008, 2005/18/0614). So ist auch der Umstand, dass der BF bei der Begehung der seiner Verurteilung zu Grunde liegenden Straftat kein Reisedokument verwendet hat, nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes „nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung, ist es doch notorisch, dass der inländische Drogenmarkt und Drogenhandel in den meisten Fällen mit Suchtgiftimporten aus dem Ausland verknüpft ist. Ein Reisedokument würde einen Handel mit Suchtgift jedenfalls erleichtern“ (vgl. VwGH 24.01.2012, 2008/18/0504, mit Verweis auf VwGH 02.04.2009, 2009/18/0095).

Soweit in der Beschwerde im Wesentlichen bemängelt wird, dass die Verurteilungen nicht zur Aberkennung seines Asylstatus geführt hätten, bereits mehrere Jahre zurückliegen würden und keine unbedingte Freiheitsstrafe ausgesprochen worden, weshalb von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen sei, ist dieses Vorbringen nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Zum einen schließt auch ein zwischenzeitliches Wohlverhalten des BF eine neuerliche einschlägige Tatbegehung nicht aus, zum anderen reicht der seit der Begehung der letzten einschlägigen Straftat verstrichene Zeitraum (drei Jahre) nicht aus, um die vom BF ausgehende Gefahr der Begehung weiterer Suchtgiftdelikte als weggefallen oder auch nur entscheidend gemindert anzusehen (vgl. VwGH 24.01.2012, 2008/18/0504).

Ergänzend ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Frage des Vorliegens eines Versagungsgrundes für die Ausstellung eines Fremden- bzw. Konventionspasses nach den hierfür vom Gesetz vorgesehenen Kriterien eigenständig zu beurteilen ist, ohne an die Erwägungen des Strafgerichts im Zusammenhang mit der Strafbemessung gebunden zu sein (vgl. VwGH 24.01.2012, 2008/18/0504; 04.06.2009, 2006/18/0204). So konnte der Verwaltungsgerichtshof etwa im Fall der Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten eines Beteiligten, der bloß als „Aufpasser“ dazu beigetragen hatte, dass rund 1 kg Cannabiskraut durch Verkauf in Verkehr gesetzt worden waren, die Annahme der Erfüllung des Tatbestands des § 92 Abs. 1 Z 3 FPG nicht als rechtswidrig erkennen (vgl. VwGH 24.01.2012, 2008/18/0504). Auch wenn der BF bei seiner ersten Straftat nach dem SMG, wie er in seiner Beschwerdeschrift hervorhob, zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde, nahm die belangte Behörde demnach zu Recht den Tatbestand des § 92 Abs. 1 Z 3 FPG an, zumal aus der gekürzten Urteilsausfertigung der zweiten Verurteilung des BF vom 11.10.2019 nicht hervorgeht, dass die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen wurde.

Im Ergebnis ist somit der Tatbestand des § 92 Abs. 1 Z 3 FPG als erfüllt zu sehen und sind – im Sinne des Art. 25 Abs. 1 Statusrichtlinie – zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die der Ausstellung eines Konventionsreisepasses entgegenstehen, zu bejahen.

Soweit im Verfahren vorgebracht wurde, dass das Fehlen eines Konventionsreisedokuments das private und berufliche Fortkommen des BF schwer stören würde, ist darauf hinzuweisen, dass ein Konventionsreisepass zur Darlegung der Flüchtlingseigenschaft nicht erforderlich ist (vgl. VwGH 07.11.2012, Zl. 2012/18/0024) und bei Versagung eines Konventionsreisepasses eine Identitätskarte gem. § 94a Abs. 1 FPG ausgestellt werden kann.

Im gegenständliche Fall liegen die Voraussetzungen für die Versagung der Ausstellung eines Konventionsreisepasses gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1 Z 3 FPG vor und es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.3.    Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich ausführlich in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, mit dem Verständnis dieser Bestimmung auseinandergesetzt und geht seitdem in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. dazu statt vieler die Erkenntnisse vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, vom 2. September 2015, Ra 2014/19/0127, vom 15. März 2016, Ra 2015/19/0180, vom 18. Mai 2017, Ra 2016/20/0258, und vom 20. Juni 2017, Ra 2017/01/0039) davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich sind:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall hat das BVwG keinerlei neue Beweismittel beigeschafft und sich für seine Feststellungen über die Person des BF in ihren entscheidungsmaßgeblichen Aspekten auf jene des angefochtenen Bescheids gestützt. Die Beschwerde ist der Richtigkeit der entscheidungsrelevanten Feststellungen und der zutreffenden Beweiswürdigung der Behörde nicht substantiiert entgegengetreten (VwGH vom 20.12.2016, Ra 2016/01/0102) und hat keine neuen Tatsachen vorgebracht. Die dem Sachverhalt zugrundeliegenden strafgerichtlichen Verurteilungen stehen aufgrund der im Akt befindlichen gekürzten Urteilsausfertigungen des Landesgerichts bzw. des Bezirksgerichts Linz fest und wurden auch vom BF in der Beschwerdeschrift nicht bestritten. Überdies wurden in der Beschwerde keine Sachverhaltselemente aufgezeigt, die einer mündlichen Erörterung bedürften.

Das BVwG konnte daher im vorliegenden Fall von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgehen; es war nach den oben dargestellten Kriterien nicht verpflichtet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Verwehrung eines Konventionsreisepasses auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben.

Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Konventionsreisepass Körperverletzung Reisedokument strafrechtliche Verurteilung Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Versagung Konventionsreisepass Versagungsgrund Wiederholungsgefahr Wohlverhalten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W163.1433090.4.00

Im RIS seit

22.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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