TE Bvwg Erkenntnis 2021/7/7 W282 2244059-1

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Veröffentlicht am 07.07.2021
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Entscheidungsdatum

07.07.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W282 2244059-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA im am 06.07.2021 amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX , über die weitere Anhaltung von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Tunesien in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung nicht verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, dessen Identität nicht feststeht, wurde am 11.03.2021 in einem Reisezug einer Kontrolle unterzogen und konnte sich nicht ausweisen. Er wurde in der Folge festgenommen und zur weiteren Bearbeitung zur Polizeiinspektion Sillian verbracht.

2. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA), Regionaldirektion Tirol, gab er am 11.03.2021 an, das Ziel seiner Reise sei Italien gewesen, dort wohne sein Bruder, er habe ihn besuchen wollen. Er habe Rumänien verlassen, weil es ihm dort nicht gefallen habe. Er habe in Rumänien aktuell den Aufenthaltsstatus eines Asylwerbers. Er habe in keinem anderen Schenkenstaat einen Aufenthaltstitel. Er sei bis vor 2 Monaten in seinem Heimatstaat gewesen. Er habe sich in den letzten Monaten in Tunesien, Serbien und Rumänien aufgehalten. Er sei gesund und habe keine Verwandten oder engen Bekannten in Österreich. Er habe kein Einkommen und wohne derzeit nicht in Österreich. Eine EURODAC-Abfrage ergab einen Treffer der Kategorie 1 mit Rumänien vom 07.02.2021.

3. Mit verfahrensggst. Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tiro (in Folge: Bundesamt) zur Zl. XXXX vom XXXX 2021 wurde der Beschwerdeführer zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens gemäß Art. 28 VO (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III VO) in Schubhaft genommen und wird seit diesem Datum in Schubhaft angehalten.

4. Am XXXX 2021 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) ein auf Art. 18 Abs. 1 lit.b der VO (EG) Nr. 604/2013 des Rates (in der Folge: Dublin-III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Rumänien. Mit Schreiben vom 25.03.2021 teilten die rumänischen Behörden mit, Rumänien stimme der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-VO zu. Der Antragsteller habe in Rumänien am 07.02.2021 um Asyl angesucht. Der Antrag sei noch offen.

6. Am 26.3.2021 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

7. Im Rahmen seiner Erstbefragung am 26.03.2021 gab der Beschwerdeführer zu seiner Reiseroute an, er sei gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Ahdi von Tunesien legal nach Belgrad geflogen. Während ihres Aufenthaltes in Serbien hätten sie dann Leute getroffen, mit denen sie ohne Hilfe von Schleppern nach Rumänien gereist wären. Er habe in Rumänien einen LKW gesucht, unter dem er sich habe anhängen können und sei bis Österreich gefahren. Sein Bruder sei schon ein paar Tage vor seiner Ankunft auf dieselbe Art und Weise nach Österreich gekommen. Er sei in der Folge ca. 1 Kilometer marschiert, habe den Zug nach Villach genommen und sei in diesem Zug von der österreichischen Polizei festgenommen worden. Rumänien sei kein Land zum Leben. In Rumänien gäbe es keine Hoffnung, aber Österreich sei bekannt als Hoffnungsträger. Österreich sei international stark und gut. Er habe in keinem Land um Asyl angesucht, sei aber in Rumänien gezwungen worden seine Fingerabdrücke abzugeben. Er möchte in Österreich bleiben und die deutsche Sprache lernen. Als Fluchtgrund gab er an, in Tunesien habe man keine Perspektive und keine Hoffnung auf ein Leben. Er müsse viel und lang arbeiten, verdiene aber immer wenig. Er habe nicht mehr in Tunesien bleiben wollen. Weitere Gründe habe er nicht. In Österreich befinde sich sein Bruder Ahdi, geboren 1997, in Schubhaft im AHZ Vordernberg.

8. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 08.04.2021 gab der Beschwerdeführer an, er habe keine Krankheiten und nehme keine Medikamente. Er gehöre der Volksgruppe der Araber an, sei tunesischer Staatsbürger, Moslem, ledig und habe keine Kinder. Er habe zwei Brüder. Er halte seine Angaben bei der Erstbefragung aufrecht. Alles was er wolle, sei hier in Österreich bleiben und arbeiten zu können. Österreich sei ein großartiges Land. Er habe keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität. Er habe im Bereich der EU keine Verwandten oder Familienangehörigen, aber Freunde in Frankreich und Deutschland. In Österreich sei sein am 29.11.1997 geborener Bruder Ahdi. Es wäre damals ein Studentenvisum gewesen. Er habe nur in Österreich einen Asylantrag gestellt. In Rumänien habe er nicht um Asyl angesucht, er sei zur Fingerabnahme gezwungen worden. Bei der Ausreise aus seinem Herkunftsstaat habe er kein Zielland gehabt, aber hier habe er gesehen, das Österreich ein großartiger Staat sei, deswegen möchte er jetzt hier bleiben. Er habe Rumänien verlassen, weil es dort keine Möglichkeiten gäbe, sich ein schönes Leben aufzubauen. Er sei in Rumänien nicht in medizinischer Behandlung gewesen. Als er in Rumänien von der Polizei aufgegriffen worden wäre, hätten sie auf der Polizeistation auf dem Boden geschlafen. Sie wären eigentlich schrecklich behandelt worden. Er habe keine Anzeige erstatten wollen, er habe einfach nur weg von Rumänien nach Österreich gewollt. Er wolle nicht freiwillig nach Rumänien oder in den Herkunftsstaat zurückkehren. Er möchte in Österreich bleiben und hier auch arbeiten. In Rumänien wäre es ihm nicht möglich gewesen, seine Ambitionen zu verwirklichen, er wolle hier leben und hier ein Leben aufbauen. Er sei ein intelligenter Mensch, deswegen möchte er in Österreich bleiben.

9. Mit Bescheid vom XXXX 2021 wies das Bundesamt den Antrag auf internationalen Schutz, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und stellte fest, dass für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit.b der Dublin-III-VO Rumänien zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des Antragstellers gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I. Nr. 100/2005 (FPG) idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung nach Rumänien zulässig sei.

10. Mit Schriftsatz vom 21.04.2021 erhob der BF gegen den in Punkt 9. genannten Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Der Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung vom BVwG in Folge nicht zuerkannt. Mit Erkenntnis des BVwG vom 03.05.2021, GZ. W161 2241759-1/2E, dem BF zugestellt am 07.05.2021, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

11. Die Abschiebung des BF nach Rumänien war für 08.06.2021 geplant bzw. mit den rumänischen Behörden vereinbart. Der BF verweigerte jedoch in der Absicht, seine Abschiebung zu verhindern den verpflichtenden PCR-Test für die Flugabschiebung im Hinblick auf COVID-19. Die Abschiebung musste daher storniert werden.

12. Das Bundesamt bemühte sich in Folge um einen neuerlichen Abschiebetermin, wobei der PCR-Test durch eine 14 tägige Quarantäne ersetzet werden sollte. Sowohl die transportierende Fluglinie als auch die rumänischen Behörden sagten einen Transport bzw. eine Übernahme unter dieser Voraussetzung zu. Die neuerliche Abschiebung wurde für den 14.07.2021 terminiert.

13. Das Bundesamt verfasste am 11.06.2021 einen umfangreich begründeten Aktenvermerk, in dem es festhielt, dass die sechswöchige Haftfrist des Art. 28 Abs. 3 Dublin-III VO analog iSd § 80 Abs. 4 Z 4 FPG überschritten werden könne, wenn der BF seine Überstellung durch von ihm zu verantwortenden Obstruktionshandlungen verhindere.

14. Am 22.06.2021 wurden die endgültigen Überstellungsmodalitäten mit den rumänischen Behörden geklärt, am 29.06.2021 wurde die 14tägige Quarantäne des BF begonnen.

15. Der BF wird zum Entscheidungszeitpunkt nach wie vor in Schubhaft angehalten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird der Verfahrensgang in Punkt I. zur Feststellung erhoben.

1. Zur Person des BF:

Der BF ist in Österreich unter der Identität XXXX bekannt. Seine Identität und Staatsangehörigkeit steht nicht fest, er gibt an Tunesier zu sein. Er verfügt über kein gültiges Dokument welches seine Identität zweifelsfrei bestätigt.

Der BF verfügt in Österreich weder über einen gesicherten Wohnsitz noch über wesentliche soziale oder familiäre Beziehungen. Der BF geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, hat in Österreich kein Einkommen und verfügt über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen. Der BF verfügt aktuell über keine Barmittel-

2. Zum Verfahrensgang und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

Der reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt ins Bundesgebiet ein und wurde am 11.03.2021 von der Polizei aufgegriffen.

Der BF ist im Bundesgebiet nicht Asylwerber oder subsidiär Schutzberechtigter. Der BF hat in Rumänien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der als CAT 1 Antrag in der EURODAC Datenbank gespeichert ist, das Verfahren ist noch offen. Rumänien hat Ende März 2021 einem Wiederaufnahmeersuchen eine Zusage erteilt.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2021 wurde der Beschwerdeführer zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens gemäß Art. 28 VO (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III VO) in Schubhaft genommen und wird seit diesem Datum in Schubhaft angehalten.

Mit Schriftsatz vom 21.04.2021 erhob der BF gegen den Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2021, mit dem sein in Österreich gestellter Antrag auf internationalen Schutz gem.
§ 5 AslyG 2005 zurückgewiesen wurde, Beschwerde. Die Mitteilung gemäß § 16 Abs. 4 BFA-VG wurde vom BVwG am 23.04.2021 an das Bundesamt übermittelt. Der Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung vom BVwG nicht zuerkannt. Mit Erkenntnis des BVwG vom 03.05.2021, GZ W161 2241759-1/2E, dem BF zugestellt am 07.05.2021, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

Der BF befand sich Anfang Juni in einem Hungerstreik, um sich aus der Schubhaft freizupressen. Der BF hat diesen Hungerstreik freiwillig beendet. Der BF ist nicht ausreisewillig und wirkt am Verfahren zu seiner Außerlandesbringung nicht mit. Der BF hat in der Absicht, seine Abschiebung nach Rumänien zu verhindern den für den Abschiebeflug notwendigen PCR-Test auf eine Infektion mit COVID-19 verweigert. Die für 08.06.2021 geplante Abschiebung konnte somit nicht durchgeführt werden. Ein neuer Abschiebetermin steht mit 14.07.2021 fest, wobei der BF zuvor eine 14tägige Quarantäne durchläuft um den verweigerten PCR-Test zu ersetzen.

Der BF ist im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten in besonders ausgeprägtem Maß vertrauensunwürdig und nicht kooperativ. Der BF wird im Falle der Entlassung aus der Schubhaft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Ausland (Italien) untertauchen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die vorgelegten Akten des Bundesamtes und in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Zahlen W161 2241759-1 und durch Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungsinformationssystem sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zu der in Österreich geführten Identität des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, dem Zentralen Fremdenregister und der Anhaltedatei des Bundesministeriums. Dass seine Identität nicht zweifelsfrei feststeht ergibt sich daraus, dass der BF bisher keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt hat und sich bei einer (fremden)polizeilichen Kontrolle nicht ausweisen konnte.

Die Feststellungen zur gänzlich fehlenden sozialen und beruflichen Integration, dem fehlenden Wohnsitz und seinen Sprachkenntnissen ergeben sich aus seiner Einvernahme vor dem Bundesamt. Die Feststellungen zu seinen finanziellen Verhältnissen ergeben sich aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums. Die Tatsache, dass der BF im Bundesgebiet nie berufstätig war, ergibt sich aus einem Versicherungsdatenauszug.

Das der BF einen CAT 1 Treffer in der EURODAC Datenbank hinsichtlich seinen in Rumänien laufenden Verfahrens über seinen dortigen Antrag auf internationalen Schutz ergibt sich aus dem EURODAC Auszug im Verwaltungsakt und dem Erkenntnis des BVwG zur GZ. W161 2241759-1/2E.

2.2 Zum Verfahrensgang und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

Anhaltspunkte dafür, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, in Österreich Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist, finden sich weder im Akt des Bundesamtes noch in den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes. Es sind auch keine Ermittlungsergebnisse hervorgekommen, dass der BF nicht volljährig wäre.

Die Feststellungen zum Schubhaftbescheid ergeben sich widerspruchsfrei aus dem Verwaltungsakt. Die Feststellung, wonach der BF haftfähig ist und keine die Haftfähigkeit ausschließende gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vorliegen, ergibt sich aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres, gegenteiliges wurde vom BF auch bisher nicht vorgebacht.

Die Umstände der Verweigerung des PCR-Tests auf COVID-19 der für die Abschiebung auf dem Luftweg erforderlich ist, ergeben sich nachvollziehbar aus der Anhaltedatei des BMI und der Stellungnahme des Bundesamtes.

2.3 Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

Dass der BF nicht rückkehrwillig ist, ergibt sich aus seinem gesamten Verhalten im bisherigen Verfahren. So hat er bereits vor dem Bundesamt angegeben, dass er nicht nach Rumänien zurückwill und mit seinem Bruder nach Italien weiterreisen wollte.

Dass der Beschwerdeführer nicht gewillt ist, mit den Behörden zu kooperieren und sich an die Rechtsordnung in Österreich zu halten, ergibt sich aus dem festgestellten bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers, vor allem aus der Vereitelung der Abschiebung nach Rumänien durch Verweigerung des PCR-Tests.

Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten werde.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A):

3.1 Rechtsgrundlagen:

3.1.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs. 4 Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Verfahrensgesetz (BFA-VG) und Art. 28 VO (EU) 604/2013 lauten auszugsweise:

Schubhaft (FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Dauer der Schubhaft (FPG)

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich,
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil,
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (BFA-VG)

§ 22a (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde

Anwendungsbereich (Rückführungsrichtlinie)

Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.

Inhaftnahme (Rückführungsrichtlinie)

Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf. 

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:
a.         mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,
b.         Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.

Artikel 28

Haft

„(1) Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt.

(2) Zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren, dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

(3) Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird.

Wird eine Person nach diesem Artikel in Haft genommen, so darf die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Verfahren gemäß dieser Verordnung durchführt, ersucht in derartigen Fällen um eine dringende Antwort. Diese Antwort erfolgt spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs. Wird innerhalb der Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.

Befindet sich eine Person nach diesem Artikel in Haft, so erfolgt die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat, sobald diese praktisch durchführbar ist und spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person durch einen anderen Mitgliedstaat oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Artikel 27 Absatz 3 keine aufschiebende Wirkung mehr hat.

Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen im Sinne des Unterabsatz 3 statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten. Die Artikel 21, 23, 24 und 29 gelten weiterhin entsprechend.

(4) Hinsichtlich der Haftbedingungen und der Garantien für in Haft befindliche Personen gelten zwecks Absicherung der Verfahren für die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat, die Artikel 9, 10 und 11 der Richtlinie 2013/33/EU.“

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FPG ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Der Behörde kommt aber dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043).

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG darf die Anhaltung in Schubhaft nur bei Vorliegen der dort in den Z 1 bis 4 genannten alternativen Voraussetzungen höchstens achtzehn Monate dauern. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so beträgt die Schubhaftdauer - wie in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG als Grundsatz normiert - nur sechs Monate. Mit § 80 Abs 4 FPG soll Art. 15 Abs. 6 RückführungsRL umgesetzt werden, sodass die Bestimmung richtlinienkonform auszulegen ist. In diesem Sinn ist auch der Verlängerungstatbestand des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG dahingehend auszulegen, dass der Verlängerungstatbestand nur dann vorliegt, wenn das Verhalten des Beschwerdeführers kausal für die längere (mehr als sechsmonatige) Anhaltung ist. Wenn kein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Drittstaatsangehörigen und der Verzögerung der Abschiebung festgestellt werden kann, liegen die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 80 Abs 4 Z 4 FPG über die Dauer von sechs Monaten nicht vor (VwGH vom 15.12.2020, Ra 2020/21/0404).

3.2 Zum konkret vorliegenden Fall:

Aufgrund des § 22a Abs. 4 BFA-VG hat das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt rechtzeitig zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist hinausgehen soll, vorzulegen. Nach rezenter Judikatur des VwGH (VwGH 16.07.2020, Ra 2020/21/0099, Rn. 14f) ist die Frist für das viermonatige Überprüfungsintervall nach § 22a Abs. 4 S 1 BFA-VG unter Außerachtlassung des § 32 Abs. 2 AVG unter Einrechnung des Tages der Inschubhaftnahme zu berechnen. Der BF wurde am XXXX 2021 in Schubhaft genommen und wird seitdem durchgehend in Schubhaft angehalten. Jener Tag an dem die Schubhaftdauer von vier Monaten im Sinne des ersten Satzes des § 22a Abs. 4 BFA-VG „überschritten“ wird ist somit der 11.07.2021. Die ggst. Überprüfung hat spätestens am Tag danach, also spätestes am 12.07.2021 zu ergehen. Gleichzeitig verbleibt dem BVwG ein Spielraum zur Entscheidung von einer Woche vor diesem Termin (VwGH aaO. Rn. 15). Die gegenständliche Entscheidung kann bzw. muss daher zwischen dem 05.07.2021 und dem 12.07.2021 ergehen.

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist. Im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme in Form der durchführbaren Anordnung zur Außerlandesbringung vor.

3.2.1. Zur Überschreitung der Haftfristen des Art. 28 Abs. 3 Dublin-III VO:

Die Anordnung der Schubhaft erfordert zu allererst das Vorliegen eines bestimmten Sicherungsbedarfs iSd § 76 Abs. 2 FPG. Im gegenständlichen Fall hat das Bundesamt die Schubhaft auf § 76 Abs. 2 Z 3 FPG gestützt. Gemäß § 76 Abs. 2 Z 3 FPG kann die Schubhaft zur Sicherung des Rücküberstellung nach Art28 Dublin-III VO verhängt werden, wobei sich der Sicherungsbedarf und Fluchtgefahr nach Art. 2 lit. n) iVm § 76 Abs. 3 FPG richten.

Im ggst. Fall ist klar, dass der BF unter die Bestimmungen der Dublin-III VO fällt, da er in Rumänien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der in der EURODAC Datenbank als Kategorie 1 Eintrag gespeichert wurde, dieses Verfahren läuft noch. Unmittelbar nach der Inhaftnahme hat das Bundesamt ein Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 24 leg. cit. an Rumänien gerichtet, das am 25.03.2021 von Rumänien mit der Zusage der Wiederaufnahme des BF beantwortet wurde. Der BF hat einen Tag später, am 26.03.2021, aus dem Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Es ist daher grundsätzlich der Sicherungszweck des § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm Art. 28 Dublin-III VO gegeben.

Der EuGH hält zur Auslegung der Haftfristen des Art. 28 Abs. 3 Dublin-III VO in seinem Urteil vom 13. September 2017, Rs. C?60/16 auszugsweise fest: 

„1. Art. 28 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, ist im Licht von Art. 6 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen,

?        dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die vorsieht, dass in einer Situation, in der die Inhaftnahme einer um internationalen Schutz nachsuchenden Person erfolgt, nachdem der ersuchte Mitgliedstaat dem Aufnahmegesuch stattgegeben hat, die Haft für höchstens zwei Monate aufrechterhalten werden darf, nicht entgegensteht, soweit zum einen die Haftdauer den für die Zwecke des Überstellungsverfahrens erforderlichen Zeitraum, der unter Berücksichtigung der konkreten Anforderungen dieses Verfahrens in jedem Einzelfall zu beurteilen ist, nicht übersteigt und zum anderen diese Haftdauer gegebenenfalls nicht länger ist als sechs Wochen von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung keine aufschiebende Wirkung mehr hat, und

?        dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die es in einer solchen Situation erlaubt, die Haft während drei bzw. zwölf Monaten aufrechtzuerhalten, in denen die Überstellung effektiv vorgenommen werden konnte, entgegensteht. 

2. Art. 28 Abs. 3 der Verordnung Nr. 604/2013 ist dahin auszulegen, dass auf die mit dieser Bestimmung eingeführte Frist von sechs Wochen von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung keine aufschiebende Wirkung mehr hat, die Tage, während deren die betreffende Person bereits in Haft war, nachdem ein Mitgliedstaat dem Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch stattgegeben hat, nicht anzurechnen sind. 

3. Art. 28 Abs. 3 der Verordnung Nr. 604/2013 ist dahin auszulegen, dass die mit dieser Bestimmung eingeführte Frist von sechs Wochen von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung keine aufschiebende Wirkung mehr hat, auch dann gilt, wenn die Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung nicht ausdrücklich von der betreffenden Person beantragt worden ist.“

Wie aus dem Spruch des Judikats des EuGH hervorgeht, entspringen Art. 28 Abs. 3 Dublin-III VO grds. zwei max. sechswöchige Haftfristen, wobei die zweite (und somit letzte) maximal sechswöchige Frist spätestens ab jenem Zeitpunkt zu berechnen ist, ab dem ein gegen die Überstellungentscheidung erhobener Rechtsbehelf oder die Überprüfung der Überstellungsentscheidung auch ohne Erhebung eines Rechtsbehelfes keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Diese (zweite und letzte) sechswöchige Haftfrist gilt, wie EuGH in Spruchpunkt 3. festhält, auch für den Fall als Maximalfrist, wenn der zu überstellende Fremde kein Rechtsmittel gegen die Überstellungentscheidung erhebt. Weiters stellt der EuGH in Spruchpunkt 1. mehr als deutlich klar, dass eine nationale Bestimmung dem Unionsrecht widerstreitet, wenn diese eine mehr als sechswöchige Haftfrist, berechnet von dem Zeitpunkt an ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung der Überstellungsentscheidung keine aufschiebende Wirkung mehr hat, vorsieht. Letztlich ergibt sich die Absolutheit dieser Frist aber auch schon expressis verbis legis aus dem letzten UAbs. des Art. 28 Abs. 3 leg. cit., der klar festhält „Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen im Sinne des Unterabsatz 3 statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten.“.

In diese Richtung deutet auch die Rsp. des VwGH, wenngleich im folgenden Ausgangsfall keine aktiven Obstruktionshandlungen des Fremden für die Nicht-Durchführbarkeit der Überstellung binnen der sechswöchigen Frist ausschlaggebend waren und die Haftfrist noch nicht vollständig verstrichen war:

„12 Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 2 Dublin III-VO verkürzt für Personen, die nach Art. 28 Dublin III-VO in Haft genommen worden sind, die in Art. 21, 23 und 24 Dublin III-VO vorgesehenen Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuches auf einen Monat ab Stellung des Antrages auf internationalen Schutz und die in Art. 22 bzw. Art. 25 Dublin III-VO normierte Frist für die Antwort auf dieses Gesuch bzw. für den Eintritt der Zustimmungsfiktion durch Verschweigung auf zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs. Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 Dublin III-VO verkürzt in diesen Fällen die in Art. 29 Dublin III-VO vorgesehene Frist für die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat auf sechs Wochen. Die sechswöchige Frist beginnt mit der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme oder mit dem Zeitpunkt, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO keine aufschiebende Wirkung mehr hat.

13 Vom Begriff der aufschiebenden Wirkung im Sinn des Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 Dublin III-VO ist auch die "automatische" Aussetzung der Überstellung nach Art. 27 Abs. 3 lit. b Dublin III-VO erfasst, dem das in §§ 16 Abs. 2 Z 1, Abs. 4 und 17 Abs. 1 BFA-VG nach nationalem österreichischen Recht vorgesehene Modell entspricht. Von diesem Verständnis geht auch der EuGH im Urteil EuGH 13.9.2017, C-60/16, ausdrücklich aus, indem er in Beantwortung der vierten Vorlagefrage darauf hinweist, dass die zweite mit Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 3 Dublin III-VO eingeführte Frist für die Durchführung der Überstellung zu dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO keine aufschiebende Wirkung mehr hat, wobei es nicht darauf ankommt, ob dem Rechtsbehelf oder der Überprüfung im Sinn des Art. 27 Abs. 3 lit. a und b Dublin III-VO ex lege aufschiebende Wirkung zukommt oder deren Gewährung im Sinn des Art. 27 Abs. 3 lit. c Dublin III-VO von einem Antrag der betroffenen Person abhängig gemacht wird (Rn. 61 ff, insbesondere Rn. 64).

14 An diese verkürzten Fristen nach Art. 28 Abs. 3 Dublin III-VO knüpft Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 4 Dublin III-VO an, indem er anordnet, dass die Haft bei Überschreiten der Fristen nicht aufrecht erhalten werden darf.“ (VwGH 26.04.2018, Ro 2017/21/0010)

Für den ggst. Fall bedeutet dies folgendes:

Gemäß § 16 Abs. 2 Z 1 u 3 BFA-VG kommt einer Beschwerde gegen einen Bescheid mit dem ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist bzw. eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wird ex-lege keine aufschiebende Wirkung zu. Kommt einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen oder abgewiesen wurde, oder mit der eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wurde, die aufschiebende Wirkung nicht zu, ist diese durchsetzbar. Mit der Durchführung der mit einer solchen Entscheidung verbundenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der die bereits bestehende Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung ist bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Einlangen der Beschwerdevorlage, zuzuwarten (§ 16 Abs. 4 leg. cit).

Im ggst. Fall wurde gegen den die zurückweisende Entscheidung des Bundesamtes samt Anordnung zu Außerlandesbringung am 21.04.2021 Beschwerde erhoben. Der Verwaltungsakt langte am 23.04.2021 vollständig beim BVwG ein und wurde das Bundesamt mit Mitteilung gemäß § 16 Abs. 4 BFA-VG davon in Kenntnis gesetzt. Die siebentägige Wartefrist iSd letztgenannten Bestimmung bis zur Durchführbarkeit der Überstellung nach Rumänien endete daher mit Ablauf des 30.04.2021. Die vom EuGH spezifizierte zweite sechswöchige Haftfrist iSd Art. 28 Abs. 3 UAbs. 3 letzter Satz begann daher mit 01.05.2021 zu laufen, da ab diesem Zeitpunkt die Überstellungsentscheidung durchführbar wurde („Wegfall des Hindernisses“) und endete somit am 12.06.2021. Der BF hätte daher spätestens mit Ablauf des 12.06.2021 aus der Schubhaft entlassen werden müssen.

Aus dieser Überschreitung der zulässigen Haftdauer iSd Art. 28 Abs. 3 Dublin-III VO ergibt sich bereits ohne weitere Eingehen auf das Vorliegen von erheblicher Fluchtgefahr die rechtliche Tatsache, dass iSd § 22a Abs. 4 BFA-VG zum Entscheidungszeitpunkt die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr verhältnismäßig ist.

Das BVwG verkennt dabei in keiner Weise, dass es ganz offensichtliches Ziel des BF war, sich durch seine missbräuchliche Obstruktionstaktik im Form der Verweigerung des für die Flugabschiebung notwendigen PCR-Tests auf COVID-19 seiner Abschiebung nach Rumänien zu entziehen und einen weiteren Abschiebeversuch durch Verstreichen der Haftfrist zu vereiteln. Es soll an dieser Stelle daher auch nicht verschwiegen werden, dass sich die diesbezüglichen Bestimmungen des Haftregimes der Dublin-III VO in hohem Maße als nicht Realitäts- bzw. Praxistauglich erweisen, da im Gegensatz zum Haftregime der RückführungsRL (vgl. Art 15 Abs. 5 u. 6 lit a RL 2008/115/EG) unverständlicherweise keinerlei Verlängerungsmöglichkeiten der Haft vorgesehen sind, wenn ein Fremder in voller Absicht seine Abschiebung zu vereiteln, durch gezielte Obstruktionshandlungen wie z.B. Randalieren im Abschiebeflieger oder eben auch der Verweigerung von notwendigen PCR-Tests ebendiese zu verhindern weiß. Aufgrund der knappen Befristung von (nur) sechs Wochen liegt es daher auf der Hand, dass damit in einer Vielzahl von Fällen aufgrund Erreichen der sechswöchigen Haftfrist der Fremde aus der Schubhaft entlassen werden muss, ungeachtet der Tatsache wie groß die Fluchtgefahr bzw. die Gefahr des Untertauchens auch sei mag. Hierfür Abhilfe zu schaffen ist aber zweifelsfrei Aufgabe des unionsrechtlichen Gesetzgebers.

Das vom Bundesamt vorgenommen sinngemäße Rekurrieren auf § 80 Abs. 4 Z 4 FPG scheidet aber in einem Dublin-Kontext wie dem ggst. von vornherein aus. § 80 Abs. 4 FPG stellt die nationale Umsetzung von Art 15 Abs. 6 lit a u. b der RückführungsRL dar, wobei die Anwendung dieser Bestimmung, aber schon dem Grunde nach voraussetzt, dass es sich um eine Schubhaft handelt, die auf Art. 15 der RückführungsRL und somit auf § 76 Abs. 2 Z 2 FPG basiert. Das Haftregime der Dublin-III VO ist insoweit daher von jenem der RückführungsRL zu klar trennen (vlg. hierzu VwGH 18.02.2021, Ra 2021/21/0025 Rn. 18f) hinsichtlich der Haftbedingungen verweist Art. 28 Abs. 4 Dublin-III VO auf die AufnahmeRL (RL 2013/33/EU). Es macht daher im Ergebnis (auch wenn dies rechtlich unbefriedigend sein mag) mangels anderslautender Bestimmungen in der Dublin-III VO keinen Unterschied, ob der BF durch seine Vereitelungstaktik die Nicht-Durchführung seiner Überstellung (Abschiebung) nach Rumänien selbst zu vertreten hat. Letztlich ordnet auch § 80 FPG in seinem Absätzen 2 und 5 an, dass die dortigen Modalitäten bzw. Haftfristen vorbehaltlich der „Dublin-Verordnung“ gelten. Da in diesem Fall ebendiese „Dublin-Verordnung“ andere, nur sechswöchige maximale Haftfristen vorsieht (siehe die oben wiedergegebenen Judikate des EuGH und des VwGH), scheidet eine Aufrechterhaltung der Schubhaft auf Basis des § 80 Abs. 4 in diesen Fällen über sechs Wochen hinaus pauschal aus. Jede Art von „analoger“ Ausdehnung des Anwendungsbereiches der genannten Bestimmung hat schon aufgrund des Anwendungsvorranges des Unionsrechts zu unterbleiben.

Abseits des Gesagten ist jedoch noch festzuhalten, dass die entsprechenden Fristen des Art. 28 Abs. 3 Dublin-III VO sich offenkundig nur auf die Inhaftnahme beziehen. Die Anordnung eines gelinderen Mittels iSd § 77 FPG schiene daher im ggst. Fall angesichts eines zweifelsfrei bestehenden Sicherungsbedarfs nicht von vornherein ausgeschlossen.

Zu B):

Zulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist der Fall wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt finden sich Hinweise auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts gegeben. Es erscheint in der Rsp. des VwGH zumindest in dieser konkreten Ausprägung ungeklärt, ob die von Art. 28 Abs. 3 Dublin-III VO im Lichte des Urteils des EuGH vom 13. September 2017, Rs. C?60/16 definierten Haftfristen einer Verlängerung zugänglich sind, wenn der in Haft genommene Fremde durch bewusste und vorsätzlich Vereitelungshandlungen seine Abschiebung bzw. Überstellung in den wiederaufnehmenden Mitgliedsstaat verhindert und ein neuerlicher Überstellungsversuch binnen der verbleibenden Haftfrist nicht möglich ist.

Die Revision war daher zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Dauer Dublin III-VO Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Fristablauf Identität Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Revision zulässig Schubhaft Sicherungsbedarf Überstellung Vereitelung Verlängerung Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W282.2244059.1.00

Im RIS seit

18.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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