TE OGH 2021/6/1 14Os41/21t

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Veröffentlicht am 01.06.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Juni 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Pentz in der Strafsache gegen ***** B***** wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 und 2 (erster Fall) StGB idF BGBl 1974/60 und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 10. Dezember 2020, GZ 13 Hv 46/20g-66, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Gföllner, des Angeklagten ***** B***** und seines Verteidigers Mag. Werner Tomanek zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Punkten A/VII (mit Ausnahme der zu A/IV und A/VI angelasteten Taten, die § 207 Abs 1 StGB und § 206 Abs 1 StGB, jeweils idF BGBl I 2013/116 zu subsumieren sind) und B des Schuldspruchs, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

***** B***** hat durch die zu A/IV (soweit § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 subsumierbar) und A/V beschriebenen Taten auch die Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 sowie durch die zu B bezeichnete Tat das Vergehen der Tierquälerei nach § 222 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 begangen und wird hiefür sowie für die ihm weiterhin zur Last liegenden Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60, des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (idgF), der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl 1989/242 und des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, in einem Fall auch nach Abs 3 erster Fall StGB (idgF) sowie für die Vergehen des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 1 StGB (idgF), der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs 1, § 84 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60, der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB, des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (idgF), der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 und nach § 83 Abs 1 StGB (idgF), der sexuellen Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen nach § 218 Abs 1a StGB und nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 206 Abs 3 (idgF) zu einer Freiheitsstrafe von

13 Jahren

verurteilt.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird die von B***** vom 2. Dezember 2019, 8:35 Uhr, bis zum 15. Jänner 2020, 13:30 Uhr, erlittene Vorhaft auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]            Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** B***** der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (A/IV), der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl 1989/242 (A/V) und des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1, in einem Fall auch Abs 2 (erster Fall) StGB idF BGBl 1974/60 (A/VI) sowie der Vergehen des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 1 StGB (A/I und C), der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs 1, § 84 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (A/II/1 und 2), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs (zu ergänzen: 1 und) 2 StGB (A/III und E), des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (A/VII), der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (A/VIII), der Tierquälerei nach § 222 Abs 1 (zu ergänzen: Z 1) StGB (B), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (D), der sexuellen Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen nach § 218 Abs 1a StGB (F) und nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (G) schuldig erkannt.

[2]            Danach hat er in S*****

A/I/ von 1980 bis 1990 ***** G*****, die seiner Obhut unterstand und im Tatzeitraum das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, körperliche und seelische Qualen zugefügt, indem er sie zumindest einmal pro Woche durch Ohrfeigen, Faustschläge ins Gesicht, Treten mit den Füßen, Schlagen mit einer Peitsche und mit einem Gürtel, Drücken auf den Boden mit seinen Knien, Stoßen gegen die Wand, Drücken ihres Halses gegen die Wand, Werfen von Holzscheiten gegen ihren Körper, Stechen eines Messers in ihre Hand und Drücken ihres Kopfes in eine Regentonne am Körper misshandelte, wodurch sie Prellungen unter anderem der Brustwirbelsäule und der Nase, Rissquetschwunden, eine Zerrung der Halswirbelsäule, Hämatome, Schwellungen, Schürfwunden, Rötungen und Schnittwunden an der Hand erlitt;

II/ G***** schwere Körperverletzungen, verbunden mit einer Gesundheitsschädigung von über 24 Tagen zugefügt, und zwar

1/ einmal zwischen 1985 und 1988, indem er ihr den linken Arm verdrehte, wodurch das Schultergelenk ausgerenkt wurde,

2/ 1982 oder 1983, indem er sie mit seinem Ellenbogen gegen die Wand stieß, wodurch ihr ein Handgelenk gebrochen wurde;

III/ einmal zwischen 1987 und 1989 G***** gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er mit seinem Gewehr gegen ihre Schläfe zielte und abdrückte, wobei die Waffe ohne das Wissen des Opfers nicht geladen war;

A/IV/ vielfach von 1982 bis Anfang 1989 G*****, als sie noch unmündig war, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, indem er mit seiner Hand ihre unbekleidete Brust und den Vaginalbereich massierte, sie mit den Fingern vaginal penetrierte und sich von ihr an seinem Penis anfassen und mit der Hand befriedigen ließ;

V/ von „1986“ bis Juni 1990 G***** vielfach mit schwerer gegen sie gerichteter Gewalt, indem er sie grob festhielt, auf ihr Bett warf, ihr eine Ohrfeige versetzte, ihre Beine gewaltsam auseinander riss, sie an den Haaren zog, zwickte, unter der Bettdecke, unter dem Bett oder aus einem Versteck in der Wand gewaltsam hervorzog, wenn sie versuchte, sich zu verstecken, zur Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender Handlungen, nämlich der vaginalen Penetration mit seinen Fingern, genötigt, wobei er nicht einmal von ihr abließ, wenn sie während der Tathandlungen einnässte oder sich übergab;

VI/ von 1984 bis Anfang 1989 mit G*****, als sie noch unmündig war, vielfach den außerehelichen Beischlaf unternommen, wobei dies in Summe eine schwere Körperverletzung des Opfers, verbunden mit einer Gesundheitsschädigung von über 24 Tagen, nämlich einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung mit Angstzuständen, Suizidgedanken, Schlaf- und Essstörungen zur Folge hatte;

VII/ mit G*****, seiner Stieftochter, durch die zu IV, V und VI beschriebenen Tathandlungen, geschlechtliche Handlungen vorgenommen;

VIII/ zwischen 1987 und 2000 G***** mehrfach durch die Äußerung, sie dürfe niemandem von den sexuellen Handlungen erzählen, sonst würde er sie einsperren oder erschlagen, durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Mitteilung an Dritte oder einer Anzeigeerstattung wegen dieser Handlungen genötigt;

B/ zwischen 1980 und 1990 eine Hauskatze roh misshandelt, indem er sie in Anwesenheit von G***** und seiner Tochter ***** K***** so lange grundlos mit einem Holzstiel schlug, bis sie starb;

C/ von 1983 bis 1996 seinen drei, im angefochtenen Urteil namentlich genannten Kindern, die seiner Obhut unterstanden und das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, körperliche und seelische Qualen zugefügt, indem er ihnen regelmäßig, nämlich mehrmals pro Woche, Ohrfeigen versetzte, sie mit den Füßen trat, mit der Faust in das Gesicht sowie mit Gegenständen schlug, sie würgte und Holzscheite gegen ihren Körper warf, solcherart am Körper misshandelte, wodurch die Opfer Hämatome, Rötungen und Prellungen am ganzen Körper erlitten sowie sie regelmäßig mit den Worten, „ich zünde das Haus an, ich zünde euch alle an“, bedrohte;

D/ von 1980 bis 2012 seine Ehefrau vielfach am Körper verletzt, indem er sie würgte, ihr Schläge und Tritte versetzte, wodurch sie Rötungen, Schwellungen und Hämatome erlitt;

E/ einmal zwischen 1984 und 1990 seine Kinder und seine Frau durch Vorhalten seines Gewehrs und gleichzeitiger Äußerung, „ich bringe euch alle um, ihr seid alle Huren“, gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

F/ im Dezember 2018 seine fünfzehnjährige Enkelin durch eine intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in ihrer Würde verletzt, indem er ihr intensiv auf das Gesäß griff und dieses massierte;

G/ vom 22. Mai 1996 bis zum 2. Dezember 2019 trotz bestehenden Waffenverbots Waffen, nämlich eine Repetierbüchse, im Urteil näher bezeichnete Patronen samt Magazin und zwei Bajonette, besessen.

Rechtliche Beurteilung

[3]            Die gegen die Punkte A/VII, B und F des Schuldspruchs aus den Gründen der Z 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist teilweise im Recht.

[4]            Die zu F geäußerte Kritik der Rechtsrüge (Z 9 lit a), das Urteil enthalte in objektiver Hinsicht keine Feststellungen zu einer Verletzung des Opfers in seiner Würde (vgl dazu Philipp in WK2 StGB § 218 Rz 19/9), legt nicht dar, weshalb dies angesichts der (mit ausreichendem Sachverhaltsbezug getroffenen) Konstatierungen zu einem darauf gerichteten Vorsatz des Beschwerdeführers (US 14 iVm US 19 und 24) entscheidend sei (vgl RIS-Justiz RS0122138 ?zur rechtlichen Gleichwertigkeit von Versuch und Vollendung?).

[5]       Insoweit war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

[6]            Im Recht ist allerdings der Einwand der Subsumtionsrüge (Z 10), das Erstgericht habe zu B das falsche Strafgesetz angewendet. Nach § 61 zweiter Satz StGB ist Tatzeitrecht anzuwenden, wenn dieses in seiner Gesamtauswirkung günstiger war als das im Urteilszeitpunkt geltende Recht. Tierquälerei nach § 222 Abs 1 StGB wies in der zur Tatzeit geltenden Fassung (BGBl 1974/60) einen Strafsatz von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen auf und war daher gegenüber der im Urteilszeitpunkt geltenden Fassung (mit einer Strafdrohung von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe) die günstigere Strafnorm. Zu diesem Punkt wurde der Beschwerdeführer des Vergehens der Tierquälerei nach § 222 „Abs 1“ StGB ohne Beifügung einer bestimmten Fassung schuldig erkannt (US 4). Mit Blick auf die Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (US 24) ist davon auszugehen, dass damit die im Urteilszeitpunkt geltende Fassung gemeint war und die Tat damit der falschen Strafnorm subsumiert wurde.

[7]            Ebenso zutreffend zeigt sie einen Subsumtionsfehler zu A/VII auf. Bei Idealkonkurrenz ist die (einzelne) Tat, also der zu beurteilende Lebenssachverhalt, in Bezug auf alle eintätig zusammentreffenden strafbaren Handlungen (ohne Kombination verschiedener Rechtsschichten) entweder dem Urteilszeit- oder dem Tatzeitrecht zu unterstellen (14 Os 129/10t; RIS-Justiz RS0089011 ?T3?; Höpfel in WK2 StGB § 61 Rz 6). Da das Erstgericht zu A/V – soweit dieser Schuldspruch auch Taten ab dem 1. Juli 1989 erfasst (vgl US 11 [näher dazu weiter unten]) – wegen der niedrigeren Strafuntergrenze (von einem Jahr Freiheitsstrafe) zutreffend § 201 Abs 1 StGB idF BGBl 1989/242 anwendete, hätte es diese Taten richtig idealiter § 212 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 subsumieren müssen. Gleiches gilt für das Zusammentreffen mit den zu A/IV inkriminierten Taten, soweit diese richtig (näher dazu weiter unten) § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 unterstellt wurden. Der Schuldspruch zu A/VII wegen Vergehen nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (ersichtlich in der zur Urteilszeit geltenden Fassung [US 4]) erfolgte daher in diesem Umfang ebenfalls rechtsfehlerhaft.

[8]            Die aufgezeigten Subsumtionsfehler erforderten die Aufhebung der betroffenen Schuldsprüche (A/VII [teiweise] und B), demgemäß auch des Strafausspruchs (einschließlich der Vorhaftanrechnung). Unter Zugrundelegung der vom Erstgericht festgestellten Tatsachen (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Fall StPO) waren insoweit Schuldsprüche nach den Tatbeständen des jeweiligen Tatzeitrechts zu fällen.

[9]       Bleibt mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO Folgendes klarzustellen:

[10]           Nach den Feststellungen setzte der Beschwerdeführer die zu A/V (VI und VII) inkriminierten Taten „im Durchschnitt einmal pro Monat“ beginnend mit 1986 (US 10 f). Bis zum 30. Juni 1989 stand § 201 StGB idF BGBl 1974/60 in Geltung, dessen Abs 1 unter anderem verlangte, dass der Täter das Opfer durch den Einsatz der Nötigungsmittel widerstandsunfähig machte. Konstatierungen zur Beurteilung dieser Voraussetzung (vgl zum [strengen] Maßstab RIS-Justiz RS0095322) traf das Erstgericht weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht. Da insoweit die einzelnen Taten bloß pauschal individualisiert und zu einer gleichartigen Verbrechensmenge zusammengefasst wurden, blieb dieses Konstatierungsdefizit ohne Einfluss auf den Schuldspruch zu A/V, der jedenfalls auch mehrere Verbrechen der Vergewaltigung im (zeitlichen) Geltungsbereich des § 201 Abs 1 StGB idF BGBl 1989/242 erfasste (vgl RIS-Justiz RS0117436; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 576). Soweit allerdings der Urteilssachverhalt einen Schuldspruch hinsichtlich der bis zum 15. Jänner 1989 begangenen Taten (auch) nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 nicht trägt, wären sie auf dieser Basis § 206 Abs 1 StGB in der (gleich günstigen) Fassung nach Urteilszeitrecht zu unterstellen gewesen. Die Subsumtion dieser Taten (auch) nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (idgF) erweist sich in diesem Umfang demzufolge als rechtsrichtig.

[11]           Zu A/IV des Schuldspruchs subsumierte das Erstgericht die inkriminierten Taten mehreren Verbrechen nach § 207 Abs 1 idF BGBl 1974/60, welche Fassung jedoch für den Großteil der Handlungen nicht günstiger war als die im Urteilszeitpunkt geltende. Es wäre daher insoweit nach § 61 zweiter Satz StGB Letztere anzuwenden gewesen. Lediglich hinsichtlich des (auch) inkriminierten Einführens des Fingers in die Vagina des Opfers war das Tatzeitrecht günstiger als das Urteilszeitrecht, welches solche geschlechtliche Handlungen als dem Beischlaf gleichzusetzende nach § 206 Abs 1 StGB strenger strafbedroht (vgl RIS-Justiz RS0095004 [T17]). Der Günstigkeitsvergleich wäre daher richtig für die – wenn auch bloß pauschal individualisierten – real konkurrierenden strafbaren Handlungen gesondert vorzunehmen gewesen (RIS-Justiz RS0089011), was (im Sinn der obigen Ausführungen) auch auf die Anwendung der jeweiligen Fassung des § 212 Abs 1 StGB durchschlägt.

[12]           Zu D wiederum wird dem Beschwerdeführer die Begehung einer unbestimmten Anzahl von Körperverletzungen nach § 83 Abs 1 StGB zwischen 1980 und 2012 angelastet. Bis zum 28. Februar 1997 wies dieser (idF BGBl 1974/60) einen Strafsatz bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 360 Monaten auf, war also günstiger als die im Urteilszeitpunkt geltende Fassung. Richtigerweise wären daher die zu einer gleichartigen Verbrechensmenge zusammengefassten, bloß pauschal individualisierten Taten des Zeitraums 1980 bis 28. Februar 1997 dem Tatzeitrecht zu subsumieren gewesen (vgl 14 Os 29/16w, 42/16g).

[13]           Da diese Subsumtionsfehler den angewendeten Strafrahmen nicht tangierten, sich daher in concreto nicht zum Nachteil des Angeklagten auswirkten, sah sich der Oberste Gerichtshof nicht zu amtswegiger Wahrnehmung veranlasst (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 f). Angesichts dieser Klarstellung besteht bei der Entscheidung über die Straffrage keine Bindung an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch (RIS-Justiz RS0118870).

[14]           Bei der erforderlichen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof die Begehung einer Vielzahl strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art durch längere Zeit (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) und die teilweise Ausnützung der Hilflosigkeit der Opfer (§ 33 Abs 1 Z 7 StGB) erschwerend, mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB), dass es (auf Basis der Feststellungen zu F) teilweise beim Versuch geblieben ist (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB) und das großteils reumütige Geständnis (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB). Im Rahmen allgemeiner Strafbemessungserwägungen war zum Nachteil des Angeklagten das teils geringe Alter der Opfer (vgl RIS-Justiz RS0090958) und der Umstand in Rechnung zu stellen, dass dieser – soweit die Strafdrohung nicht bereits dadurch bestimmt war – Straftaten gegen seiner Obhut unterstellte nahe Angehörige, somit unter Verletzung des daraus resultierenden Vertrauensverhältnisses, beging (RIS-Justiz RS0108400).

[15]           Auch unter Berücksichtigung des hohen Alters des Angeklagten (von 72 Jahren; vgl Ebner in WK2 StGB § 32 Rz 34) und des Umstandes, dass die gewichtigsten Straftaten vor längerer Zeit begangen wurden, erscheint dem erkennenden Senat die ausgemessene Strafe dem außergewöhnlich hohen Schuldvorwurf (vgl § 32 Abs 3 StGB) angemessen.

[16]     Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

[17]           Die Vorhaftanrechnung beruht auf § 38 Abs 1 Z 1 StGB.

[18]     Der Kostenausspruch gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E131871

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00041.21T.0601.000

Im RIS seit

16.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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