TE OGH 2021/6/1 14Os37/21d

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Veröffentlicht am 01.06.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Juni 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Pentz in der Strafsache gegen ***** A***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 10. Februar 2021, GZ 601 Hv 6/20y-53, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]       Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde ***** A***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

[2]            Danach hat er am 3. Juli 2020 in W***** ***** U***** zu töten versucht, indem er mit einem Keramikmesser mit einer Klingenlänge von zirka 25 cm und einem Klappmesser Stichbewegungen in Richtung Hals-, Brust- und Bauchbereich des Genannten ausführte, wobei die Vollendung der Tat nur deshalb unterblieb, weil dieser den Stichen durch Ausweichbewegungen und Abwehrstöße unter Zuhilfenahme von Sesseln ausweichen konnte.

[3]       Die Geschworenen haben die anklagekonforme Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB bejaht und (demgemäß) die Eventualfrage nach dem Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105, 106 Abs 1 Z 1 StGB unbeantwortet gelassen.

Rechtliche Beurteilung

[4]       Die auf § 345 Abs 1 Z 5 und 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

[5]            Entgegen der Verfahrensrüge (Z 5) wurden durch die Abweisung (ON 52 S 49) des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags des Beschwerdeführers (ON 52 S 47 f) auf Durchführung eines Ortsaugenscheins mit Tatrekonstruktion zum Beweis, dass aufgrund der Verhältnisse vor Ort, insbesondere des Vorhandenseins eines Podests, aus der Position des Angeklagten „ein gefährlicher Angriff nur sehr schwer möglich“ gewesen sei, Verteidigungsrechte nicht verletzt. Denn der unter Beweis zu stellende Umstand ist nicht geeignet, daraus Rückschlüsse auf das tatsächliche Geschehen oder den Vorsatz des Angeklagten zu ziehen, weshalb das Beweisthema keine für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage erhebliche Tatsache betraf (RIS-Justiz RS0116503).

[6]            Zu Recht abgewiesen (ON 52 S 49) wurde auch der Antrag (ON 52 S 48) auf Vernehmung des Zeugen ***** L***** zum Beweis, dass der Angeklagte das Opfer zufällig getroffen habe, am Vorfallstag gearbeitet und „einen Fahrgast genau dorthin transportiert“ habe und „während diesem Vorfall auf Pause geschalten“ gewesen sei, weil er ebenfalls nicht auf erhebliche Tatsachen gerichtet war.

[7]                     Das beide Beweisanträge ergänzende Beschwerdevorbringen unterliegt dem aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierenden  Neuerungsverbot und ist daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).

[8]                     Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert das Unterbleiben der Stellung einer Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlags (§§ 15, 76 StGB), weil der Tat familiäre Konflikte, Kränkungen und eine Körperverletzung (samt Zahlung von Schmerzengeld) durch das Opfer sowie Konflikte im Zusammenhang mit dem Besuchsrecht des Angeklagten betreffend seinen Sohn vorangegangen seien und sich der Angeklagte nach den Beweisergebnissen in einem „heftigen Affektsturm“ zur Tat hinreißen habe lassen. Sie stützt sich dabei auf Passagen der Verantwortung des Angeklagten, wonach er auf die Beleidigung durch das Opfer mit den Worten „Du Ehrloser“ „einen Schock bekommen“ habe, von diesem in der Vergangenheit geschlagen und vor der Tat mit den Äußerungen „ich ficke Dich“, „ich fick Dein Kind“ sowie der Frage, ob „er seinen hungrigen Bauch satt gemacht“ habe, konfrontiert worden sei (ON 52 S 8 f, 11 f), weiters auf die Aussagen einerseits des Zeugen ***** A*****, wonach der Angeklagte „rot gesehen“ habe und es ihm „wurscht“ gewesen sei (ON 52 S 37), andererseits des Zeugen Mag. ***** S*****, derzufolge der Angeklagte „halt aufgebracht“ gewesen sei (ON 52 S 43).

[9]            Damit werden aber nicht Verfahrensergebnisse aufgezeigt, die das Vorliegen einer allgemein begreiflichen (also nach einem objektiven Maßstab sittlich verständlichen [vgl RIS-Justiz RS0092115]) heftigen Gemütsbewegung im Tatzeitpunkt (vgl dazu RIS-Justiz RS0092087, RS0092271, RS0092259, RS0092338) nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung ernsthaft indizieren würden (RIS-Justiz RS0100860 [T1], RS0101087; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23). Darüber hinaus vernachlässigt die Beschwerde, dass der Nachweis von Nichtigkeit nicht auf Grundlage isoliert herausgegriffener Teile der Verantwortung des Angeklagten geführt werden darf, sondern die Einlassung in ihrer Gesamtheit, maW im inneren Sinnzusammenhang, zu berücksichtigen ist (vgl RIS-Justiz RS0120766 [T2, T3, T5]; Lässig, WK-StPO § 314 Rz 3), der Beschwerdeführer aber einen Tötungsvorsatz in Bezug auf das Opfer in Abrede gestellt hat (ON 52 S 10 f, 17, 47).

[10]     Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

[11]     Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO).

Textnummer

E131870

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00037.21D.0601.000

Im RIS seit

16.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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