TE OGH 2021/4/27 10ObS61/21z

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Veröffentlicht am 27.04.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Faber sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Schmid (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dax Wutzlhofer und Partner Rechtsanwälte GmbH in Eisenstadt, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Feststellung von Schwerarbeitszeiten, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. Februar 2021, GZ 8 Rs 12/21z-21, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]            1. Vom Berufungsgericht verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz können im Verfahren dritter Instanz – auch in Sozialrechtssachen (RIS-Justiz RS0043061) – nicht mehr geltend gemacht werden (RS0042963), es sei denn, das Berufungsgericht hätte infolge einer unrichtigen Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge unterlassen (RS0043086 [T8]) oder die Mängelrüge mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen (RS0043086 [T4, T7]).

[2]            2. Im vorliegenden Fall hat sich das Berufungsgericht mit sämtlichen gerügten Verfahrensmängeln auseinandergesetzt. Der Kläger erblickt eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens darin, dass das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, der Kläger hätte die Relevanz der gerügten Verfahrensmängel nicht ausreichend dargetan.

[3]       2.1 Damit wird keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dargetan.

[4]       2.2 Der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist nur dann gegeben, wenn der Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (RS0043049). Der Rechtsmittelwerber muss die abstrakte Eignung des Verfahrensmangels dartun, sofern sie nicht offenkundig ist (RS0116273 [T1]; RS0043027 [T10]; RS0043049 [T6]). Er muss daher in der Berufung grundsätzlich behaupten, welche für die Entscheidung des Rechtsfalls relevanten Ergebnisse ohne den Mangel hätten erzielt werden können (Pimmer in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ § 496 ZPO Rz 37; Lovrek in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ § 503 ZPO Rz 55; RS0043039). Andernfalls ist der Rechtsmittelgrund nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043039 [T4]).

[5]       2.3 Ob das Berufungsvorbringen den Anforderungen an die Darstellung der Wesentlichkeit des Verfahrensmangels genügt, kann jeweils nur nach den Umständen des einzelnen Falls beurteilt werden. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung läge daher nur dann vor, wenn die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht den Grundsätzen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung entspricht.

[6]       2.4 Im vorliegenden Fall traf das Erstgericht detaillierte Feststellungen zum jeweiligen Arbeitsinhalt der insgesamt vier Teilbereiche der Arbeit des Klägers und zur Häufigkeit und Dauer der einzelnen Tätigkeiten. Es gelangte zum Ergebnis, dass schwere körperliche Arbeit im Sinn von § 1 Abs 1 Z 4 SchwerarbeitsV zwar an einzelnen Tagen, jedoch nicht in dem für die Begründung eines Schwerarbeitsmonats gemäß § 4 SchwerarbeitsV iVm § 231 Z 1 lit a ASVG notwendigen Ausmaß erbracht worden sei.

[7]            2.5 Ausgehend von den detaillierten Feststellungen zu den Arbeitsinhalten sowie der Häufigkeit und Dauer der einzelnen Tätigkeiten des Klägers begründet es keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Berufungsgericht das nicht weiter konkretisierte Berufungsvorbringen, bei Durchführung einer förmlichen Parteienvernehmung (anstelle einer informativen Befragung) des Klägers und bei Anleitung des (qualifiziert vertretenen) Klägers zur Stellung weiterer Beweisanträge hätte sich ein „anderes als das festgestellte Arbeitspensum“ ergeben, als nicht ausreichend ansah, um die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel darzutun.

[8]       2.6 Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung wird vom Revisionswerber insofern daher nicht aufgezeigt.

[9]            3. Die Verneinung einer Verletzung der Anleitungspflicht des Erstgerichts ist durch die Aktenlage gedeckt. Das Erstgericht stellte nicht in Abrede, dass der Sachverständige in seinem Gutachten auf Aktenteile aus zwei Verfahren betreffend frühere Arbeitskollegen des Klägers Bezug nahm. Soweit der Kläger in der Berufung die unterbliebene Erörterung dieses Umstands rügte, hat das Berufungsgericht mit vertretbarer Begründung die Dartuung der Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels verneint.

[10]           4. Damit zeigt die außerordentliche Revision des Klägers insgesamt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Textnummer

E131739

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:010OBS00061.21Z.0427.000

Im RIS seit

04.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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