TE OGH 2021/4/29 9ObA22/21g

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Veröffentlicht am 29.04.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und Hon.-Prof. Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Cadilek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** M*****, vertreten durch Mag. Martin Wakolbinger, Rechtsanwalt in Enns, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Bruckmüller RechtsanwaltsgmbH in Linz, wegen 561,40 EUR brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Dezember 2020, GZ 11 Ra 54/20w-13, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. Oktober 2020, GZ 6 Cga 27/20y-9, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 252,31 EUR (darin 42,05 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]       Der Kläger war von 15. 1. 2016 bis 16. 10. 2019 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der Kollektivvertrag für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung (KVAÜ) anzuwenden. Am 10. 10. 2019 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall und befand sich ab diesem Zeitpunkt bis 6. 12. 2019 im Krankenstand. Das Dienstverhältnis wurde am 16. 10. 2019 einvernehmlich beendet.

[2]            Der Kläger begehrte die Zahlung der anteiligen Sonderzahlungen für den Zeitraum der Entgeltfortzahlung (17. 10. bis 6. 12. 2019) in der unstrittigen Höhe von 561,40 EUR brutto sA, die ihm nach Maßgabe des § 3 EFZG zustünden.

[3]            Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass Sonderzahlungen zwar vom Entgeltbegriff umfasst seien, jedoch nur, wenn und soweit nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag ein Anspruch darauf bestehe. Nach dem KVAÜ sei der Anspruch auf Sonderzahlungen an die Dienstzeit geknüpft und ende mit dem Ende des arbeitsrechtlichen Dienstverhältnisses. Die Frage, ob für die Entstehung oder Bemessung der zeitabhängigen Entgeltfortzahlungsansprüche gemäß § 5 EFZG der nach dem Ende des Dienstverhältnisses gelegene Zeitraum eines Krankenstands einzurechnen sei, werde von der Rechtsprechung verneint.

[4]            Das Erstgericht gab dem Klagebegehren nach Maßgabe der §§ 3 Abs 1 iVm 5 EFZG statt. Der zwischen der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund abgeschlossene Generalkollektivvertrag enthalte keine davon abweichende Regelung. Branchenkollektivverträge könnten lediglich die Berechnungsart abweichend von § 3 Abs 3 und 4 EFZG regeln, nicht aber über die Nichteinbeziehung von Sonderzahlungen in das Entgelt. Ein Anspruch, der nur dann entstanden wäre, wenn das Arbeitsverhältnis fiktiv über den Termin der rechtmäßigen Beendigung hinaus gedauert hätte, sei zwar bei der Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigen; damit seien aber die Aliquotierungsregelungen in Abschnitt XVI und XVII KVAÜ nicht vergleichbar.

[5]            Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten unter Darlegung der Rechtsprechung zu den §§ 3, 5 EFZG und in Analyse der Sonderzahlungsbestimmungen des KVAÜ keine Folge. Es erklärte die ordentliche Revision mangels Rechtsprechung zur hier zu beurteilenden Auslegung des KVAÜ für zulässig.

[6]            In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Beklagte, das Berufungsurteil im Sinn einer Klagsabweisung abzuändern.

[7]       Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[8]            Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

[9]            1. Nach § 5 EFZG idF BGBl I 2017/153 bleibt der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für die nach diesem Bundesgesetz vorgesehene Dauer bestehen, wenngleich das Arbeitsverhältnis früher endet, wenn der Arbeitnehmer während einer Arbeitsverhinderung gemäß § 2 EFZG gekündigt, ohne wichtigen Grund vorzeitig entlassen wird oder wenn den Arbeitgeber ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers trifft. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bleibt auch bestehen, wenn das Arbeitsverhältnis während einer Arbeitsverhinderung gemäß § 2 EFZG oder im Hinblick auf eine Arbeitsverhinderung gemäß § 2 EFZG einvernehmlich beendet wird.

[10]            2. Zweck dieser Bestimmung ist, den auf dem Arbeitsvertrag beruhenden Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, der nur besteht, solange das Arbeitsverhältnis aufrecht ist, auch über die rechtliche Dauer des Arbeitsverhältnisses hinaus zu wahren. Für die Frage der Entgeltleistung wird in diesem Fall die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses ohne den Hinderungsgrund fingiert; die vereinbarte Arbeit gilt als geleistet. Diese Regelung soll verhindern, dass sich der Arbeitgeber von der Pflicht zur Entgeltfortzahlung an den Arbeitnehmer dadurch befreit, dass er während der Arbeitsverhinderung das Dienstverhältnis durch Kündigung oder ungerechtfertigte Entlassung löst (s RS0109426). Der Zeitpunkt des rechtlichen Endes des Arbeitsverhältnisses wird durch die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung nicht hinausgeschoben (8 ObA 53/17b mwN).

[11]            3. Als regelmäßiges Entgelt gilt nach § 3 Abs 3 EFZG das Entgelt, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung eingetreten wäre. Es ist vom arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff auszugehen, der außer dem Grundlohn auch anteilige Sonderzahlungen beinhaltet, wenn und soweit darauf nach Kollektivvertrag oder Vereinbarung ein Anspruch besteht (8 ObA 53/17b).

[12]           In diesem Zusammenhang ist es seit der Entscheidung 9 ObA 36/10z ständige Rechtsprechung, dass § 5 EFZG die Ausschöpfung des noch nicht verbrauchten Kontingents an Entgeltfortzahlungsanspruch für das laufende Arbeitsjahr gewährleistet. Endet jedoch das Arbeitsverhältnis vor Beginn des neuen Arbeitsjahres und kann daher kein neues Arbeitsjahr zu laufen beginnen, gibt § 5 EFZG trotz fortdauernden Krankenstands keine geeignete Grundlage ab, einen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch entstehen zu lassen (RS0126339).

[13]           Nach der Entscheidung 8 ObA 53/17b umfasst der Fortzahlungsanspruch nach § 5 EFZG auch dann, wenn der Anspruch auf eine Jahresremuneration nach dem Kollektivvertrag dem Grunde nach erst nach einer bestimmten Dauer des Arbeitsverhältnisses entsteht und es noch vor Ablauf der erforderlichen Zeit endet, im weiter dauernden Krankenstand nur das Entgelt, das vor der Beendigung regelmäßig gebührt hat. Ein Anspruch, der nur dann entstanden wäre, wenn das Arbeitsverhältnis fiktiv über den Termin der (rechtmäßigen) Beendigung hinaus gedauert hätte, ist bei einer auf § 5 EFZG gegründeten Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigen.

[14]     Die Rechtsprechung geht daher davon aus, dass der nach dem arbeitsrechtlichen Ende des Dienstverhältnisses gelegene Entgeltfortzahlungszeitraum nach § 5 EFZG nicht anspruchsbegründend wirkt. Ansprüche, die dem Grunde nach erst dann entstanden wären, wenn das Arbeitsverhältnis über den Beendigungszeitraum hinaus gedauert hätte, sind bei der Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigen (RS0132052). Das ist im Revisionsverfahren nicht strittig.

[15]     Die Rechtsprechung, dass der nach der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gelegene Entgeltfortzahlungszeitraum nicht mehr für den Erwerb des Anspruchs auf Abfertigung und deren Bemessung (§ 23 Abs 1 AngG) maßgebend ist (RS0028373), ist nicht einschlägig.

[16]            4. Die Beklagte ist der Ansicht, dass es den Kollektivvertragsparteien frei steht, das Entstehen des Anspruchs auf Sonderzahlungen an bestimmte Bedingungen zu knüpfen oder einen solchen auch nicht vorzusehen. Hier sei der Anspruch jeweils aliquot an die zurückgelegte Dienstzeit geknüpft worden.

[17]            5. Die maßgeblichen Bestimmungen des Kollektivvertrags für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung lauten:

XVI. Urlaub und Urlaubszuschuss

1. …

2. Anstelle der Regelungen des Beschäftiger-KollV betreffend Urlaubszuschuss gilt einheitlich:

… Alle anderen Arbeitnehmer haben in jedem Kalenderjahr zum gesetzlichen Urlaubsentgelt Anspruch auf einen Urlaubszuschuss. Dieser Urlaubszuschuss beträgt ohne Rücksicht auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit ein Monatsentgelt auf Basis …

3. Der Urlaubszuschuss ist bei Antritt des Urlaubes fällig. Bei Teilung des Urlaubes gebührt nur der entsprechende Teil des Urlaubszuschusses. …

In allen Fällen ist der Urlaubszuschuss jedoch spätestens mit der Abrechnung des Monats Juni eines jeden Jahres fällig. …

4. Arbeitnehmer erhalten im Eintrittsjahr den aliquoten Teil des Urlaubszuschusses vom Eintrittsdatum bis zum Ende des Kalenderjahres (je 1/52). …

5. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach Verbrauch eines Urlaubes und Erhalt des Urlaubszuschusses, jedoch vor Ablauf des Kalenderjahres endet, haben den auf den restlichen Teil des Kalenderjahres entfallenden Anteil des Urlaubszuschusses zurückzuzahlen. Diese Rückzahlungsver-pflichtung des bereits erhaltenen Urlaubszuschusses ist eingeschränkt auf den Teil des Urlaubszuschusses, der dem noch nicht verbrauchten Teil des Urlaubs entspricht.

6. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor Verbrauch eines Urlaubes endet, haben Anspruch auf den aliquoten Teil des Urlaubszuschusses, entsprechend ihrer jeweils im Kalenderjahr zurückgelegten Dienstzeit (je Woche 1/52). Ein über den aliquoten Anteil hinausgehender, bereits ausbezahlter Urlaubszuschuss ist rückzuverrechnen. Dieser Anspruch entfällt bei:

a) Entlassung aus Verschulden des Arbeitnehmers (§ 82 GewO),

b) Austritt ohne wichtigen Grund.

7. ...

XVII. Weihnachtsremuneration

1. Anstelle der Regelungen des Beschäftiger-KollV betreffend Weihnachtsremuneration gilt einheitlich:

Alle Arbeitnehmer haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf eine Weihnachtsremuneration im Ausmaß eines Monatsentgeltes auf Basis …

2. Die Auszahlung der Weihnachtsremuneration hat spätestens am Ende jener Arbeitswoche zu erfolgen, in die der 1. Dezember fällt.

3. Arbeitnehmer, die bis zum Ende des Kalenderjahres weniger als 1 Jahr im Betrieb beschäftigt sind oder deren Arbeitsverhältnis vor Ablauf des Kalenderjahres endet, haben Anspruch auf einen ihrer Dienstzeit entsprechenden Teil der Weihnachtsremuneration (je Woche 1/52).

4. Dieser Anspruch entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis gelöst wird durch:

a) Entlassung aus Verschulden des Arbeitnehmers (§ 82 GewO),

b) Austritt ohne wichtigen Grund.

5. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach Erhalt der Weihnachtsremuneration, jedoch vor Ablauf des Kalenderjahres endet, haben den auf den restlichen Teil des Kalenderjahres entfallenden Anteil der Weihnachtsremuneration dann zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis auf eine der nachstehenden Arten aufgelöst wird:

a) Kündigung durch den Arbeitnehmer,

b) Entlassung aus Verschulden des Arbeitnehmers (§ 82 GewO),

c) Austritt ohne wichtigen Grund.

7. ...“

[18]            6. Der normative Teil eines Kollektivvertrags ist gemäß den §§ 6 und 7 ABGB nach seinem objektiven Inhalt auszulegen (RS0010088). In erster Linie ist dabei der Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrags ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RS0010089). Eine über die Wortinterpretation nach den §§ 6, 7 ABGB (RS0008896) hinausgehende Auslegung ist (nur) dann erforderlich, wenn die Formulierung mehrdeutig, missverständlich oder unvollständig ist, wobei der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung bildet (RS0031382). Entscheidend ist bei der Kollektivvertragsauslegung, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (RS0010088). Bei der Auslegung von kollektivvertraglichen Bestimmungen ist zudem davon auszugehen, dass die Kollektivvertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen wollten, verbunden mit einem gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen (RS0008828, RS0008897).

[19]            7. Der KVAÜ sieht in den Regelungen der Abschnitte XVI und XVII für jedes Kalenderjahr einen einheitlichen Anspruch auf Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration im Ausmaß eines Monatsentgeltes auf einer näher definierten Basis vor. Entsprechend dem Zweck dieser Sonderzahlungen, dem Arbeitnehmer die Finanzierung der Mehrkosten zu erleichtern, die anlässlich des Erholungsurlaubs bzw des Weihnachtsfestes typischerweise auftreten (Schindler Arbeitskräfteüber-lassungs-KV 2018, XVI/XVII Erl 4, 355; Erl 16, 367), ist der Urlaubszuschuss grundsätzlich bei Urlaubsantritt fällig, spätestens jedoch mit der Juniabrechnung, und die Weihnachtsremuneration spätestens am Ende jener Arbeitswoche, in die der 1. Dezember fällt.

[20]     Im Eintrittsjahr erhält der Arbeitnehmer den aliquoten Teil des Urlaubszuschusses vom Eintrittsdatum bis zum Ende des Kalenderjahres (je Woche 1/52; Abschnitt XVI Pkt 4 S 1 KVAÜ) bzw den aliquoten Teil der Weihnachtsremuneration entsprechend seiner Dienstzeit (je Woche 1/52; Abschnitt XVII Pkt 3 Fall 1 KVAÜ).

[21]     Für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sehen Abschnitt XVI Pkt 6 und Abschnitt XVII Pkt 3 Fall 2 KVAÜ eine Aliquotierung des Urlaubszuschusses bzw der Weihnachtsremuneration in Fällen vor, in denen das Arbeitsverhältnis vor Verbrauch eines Urlaubs (vgl 9 ObA 120/16m) bzw vor Erhalt der Weihnachtsremuneration vor Ablauf des Kalenderjahres endet. Hat der Arbeitnehmer, dessen Dienstverhältnis vor Ablauf des Kalenderjahres endet, den Urlaubszuschuss bereits erhalten und den Urlaub (teilweise) verbraucht oder die Weihnachtsremuneration bereits erhalten, besteht eine für den restlichen Teil des Kalenderjahres anteilige Rückzahlungspflicht nach Maßgabe von Abschnitt XVI Pkt 5 und Abschnitt XVII Pkt 5 KVAÜ.

[22]            8. Wie schon vom Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, geht aus den Regelungen insgesamt hervor, dass der Anspruch auf Sonderzahlungen nach Abschnitt XVI und Abschnitt XVII KVAÜ dem Grunde nach durch ein, wenn auch nur kurzfristig aufrechtes Dienstverhältnis in einem Kalenderjahr erworben wird und – anders als in dem der Entscheidung 8 ObA 53/17b zugrunde liegenden Kollektivvertrag – nicht von einer bestimmten Mindestdauer des Dienstverhältnisses abhängig ist. Art XVI Pkt 3 und Art XVII Pkt 2 KVAÜ enthalten diesbezüglich nur Fälligkeitsregelungen.

[23]            9. Im Übrigen ist Inhalt und offenkundiger Zweck der Abschnitte XVI Pkt 6 und XVII Pkt 3 Fall 2 KVAÜ, bei unterjähriger Vertragsbeendigung die Höhe des jeweiligen
– dem Grunde nach bestehenden – Sonderzahlungsanspruchs anteilig im Verhältnis der (zurückgelegten) Dienstzeit zur vollen Dauer eines Kalenderjahres zu begrenzen. Abweichungen davon gelten lediglich im Hinblick auf die Rückzahlungspflicht eines Arbeitnehmers (Abschnitt XVI Pkt 5, Abschnitt XVII Pkt 5 KVAÜ). Dementsprechend stellen die Abschnitte XVI Pkt 6 und XVII Pkt 3 bei unterjährigem Ende des Arbeitsverhältnisses für die Aliquotierung der Sonderzahlungen auf die entsprechende Dienstzeit im Kalenderjahr ab. Das ist für den Regelfall auch nur folgerichtig.

[24]            10. Der Regelungskomplex nimmt nicht auf die Frage der Entgeltfortzahlung im Krankenstand Bezug. Er bietet insbesondere keinen Anhaltspunkt dafür, dass das der Entgeltfortzahlung zugrunde liegende Ausfallprinzip des EFZG im Hinblick auf Sonderzahlungen beschränkt werden sollte. So ist unzweifelhaft, dass die während des aufrechten Dienstverhältnisses „im Kalenderjahr zurückgelegte Dienstzeit“ nicht um Zeiten der Entgeltfortzahlung zu reduzieren ist. Die in den Aliquotierungsregelungen enthaltenen Wendungen „entsprechend ihrer jeweils im Kalenderjahr zurückgelegten Dienstzeit“ bzw „einen ihrer Dienstzeit entsprechenden Teil“ können damit lediglich als Ausdruck dafür verstanden werden, dass die Sonderzahlungen bei Beendigung des Dienstverhältnisses während des laufenden Kalenderjahres aliquot anfallen, sie treffen aber keine Aussage über die Frage ihrer Einbeziehung in die Berechnung der Entgeltfortzahlung. Die Bestimmungen schließen damit nicht aus, dass das im Entgeltfortzahlungszeitraum zu zahlende „regelmäßige Entgelt“ (§ 3 Abs 3 EFZG) anteilige Sonderzahlungen umfasst, und dies auch, wenn der Entgeltfortzahlungszeitraum über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinausreicht. Entgegen der Ansicht der Beklagten wird in den Abschnitten XVI Pkt 6 und XVII Pkt 2 KVAÜ daher auch keine entsprechende Bedingung für die Gewährung der Sonderzahlungen festgelegt. Die Frage, ob der Entgeltbegriff im Anwendungsbereich des § 5 iVm § 3 EFZG überhaupt zum Nachteil des Arbeitnehmers verändert werden könnte (s § 3 Abs 5 EFZG), stellt sich folglich nicht.

[25]            11. Die Vorinstanzen sind danach zutreffend zum Ergebnis gekommen, dass die Entgeltfortzahlung hier für den gesamten Entgeltfortzahlungszeitraum nach Maßgabe des Ausfallsprinzips der §§ 3, 5 EFZG vorzunehmen ist. Dass von diesem auch die Sonderzahlungen umfasst sind, ist nicht weiter strittig. Die Revision erweist sich danach als nicht berechtigt, sodass ihr keine Folge zu geben ist.

[26]            12. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E131725

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:009OBA00022.21G.0429.000

Im RIS seit

04.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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