TE OGH 2018/2/23 8ObA53/17b

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Veröffentlicht am 23.02.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger und Dr. Robert Hauser in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R***** S*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler & Dr. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Hofer & Zechner Rechtsanwalts GmbH in Judenburg, wegen 391,47 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. Juli 2017, GZ 6 Ra 20/17h-12, mit dem das Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 24. Jänner 2017, GZ 25 Cga 93/16g-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 252,31 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 42,05 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war ab 2. 5. 2016 bei der Beklagten als Befüllerin von Automaten beschäftigt. Das Dienstverhältnis, das dem Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe (in der Folge: KV) unterlag, endete durch Dienstgeberkündigung am 23. 5. 2016. Die Klägerin befand sich vom 23. 5. bis 13. 8. 2016 im Krankenstand.

Die Klägerin begehrt die Zahlung einer aliquoten Jahresremuneration gemäß Pkt 14 KV unter Berufung auf § 5 EFZG. Die Beklagte wandte ein, der Anspruch auf Jahresremuneration entstehe erst, wenn das Dienstverhältnis mindestens zwei Monate gedauert habe, was bei der Klägerin nicht der Fall gewesen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision wegen Fehlens einschlägiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung für zulässig.

Grundsätzlich sei bei der Entgeltfortzahlung nach dem Ausfallprinzip vorzugehen und daher das bis zum Beginn des Krankenstandes regelmäßig bezogene Entgelt weiter zu zahlen. Ein Anspruch auf Jahresremuneration sei bis zur arbeitsrechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin noch nicht entstanden gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten beantwortete Revision der Klägerin ist im Sinne des Ausspruchs des Berufungsgerichts zulässig, weil die Rechtslage einer Klarstellung bedarf. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

1. Nach § 5 EFZG bleibt der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für die nach diesem Bundesgesetz vorgesehene Dauer bestehen, wenngleich das Arbeitsverhältnis früher endet, wenn der Arbeitnehmer während einer Arbeitsverhinderung gemäß § 2 EFZG gekündigt, ohne wichtigen Grund vorzeitig entlassen wird oder wenn den Arbeitgeber ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers trifft.

Diese Regelung soll verhindern, dass sich der Arbeitgeber von der Pflicht zur Entgeltfortzahlung an den Arbeitnehmer dadurch befreit, dass er während der Arbeitsverhinderung das Dienstverhältnis durch Kündigung oder ungerechtfertigte Entlassung löst (RIS-Justiz RS0109426 [T1]). Der Zeitpunkt des rechtlichen Endes des Arbeitsverhältnisses wird durch die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung nicht hinausgeschoben (vgl 9 ObA 123/10v; 9 ObA 13/07p).

2. Als regelmäßiges Entgelt gilt nach § 3 EFZG das Entgelt, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung eingetreten wäre. Es ist vom arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff auszugehen, der außer dem Grundlohn auch anteilige Sonderzahlungen beinhaltet, wenn und soweit darauf nach Kollektivvertrag oder Vereinbarung ein Anspruch besteht. Diese Rechtsauffassung ist im vorliegenden Verfahren auch gar nicht strittig.

3. Entscheidend ist hier vielmehr, ob der nach dem arbeitsrechtlichen Ende des Dienstverhältnisses gelegene Zeitraum eines Krankenstands bei der Entstehung oder Bemessung der zeitabhängigen Entgeltfortzahlungsansprüche gemäß § 5 EFZG noch einzurechnen ist und anspruchsbegründend wirkt.

Mit diesem Problem hatte sich der Oberste Gerichtshof zwar nicht in Bezug auf die hier strittige Jahresremuneration, aber in anderen Zusammenhängen bereits zu befassen.

3.1. Seit der Entscheidung 9 ObA 36/10z (RIS-Justiz RS0126339) entspricht es seiner ständigen Rechtsprechung, dass § 5 EFZG die Ausschöpfung des noch nicht verbrauchten Kontingents an Entgeltfortzahlungsanspruch für das laufende Arbeitsjahr gewährleistet. Endet jedoch das Arbeitsverhältnis vor Beginn des neuen Arbeitsjahres und kann daher kein neues Arbeitsjahr zu laufen beginnen, gibt § 5 EFZG trotz fortdauernden Krankenstands keine geeignete Grundlage ab, einen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch entstehen zu lassen.

3.2. In der Entscheidung 9 ObA 123/10v hat der Oberste Gerichtshof auch klargestellt, dass der nach der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gelegene Entgeltfortzahlungszeitraum nicht mehr zur Bemessung der Abfertigung einzurechnen ist. Die Regelung des § 5 EFZG solle (nur) verhindern, dass sich der Arbeitgeber von der Pflicht zur Entgeltfortzahlung an den Arbeitnehmer dadurch befreit, dass er während der Arbeitsverhinderung das Arbeitsverhältnis durch Kündigung oder ungerechtfertigte Entlassung löst (vgl RIS-Justiz RS0109426).

3.3. Die für den Standpunkt der Revisionswerberin ins Treffen geführte Rechtsprechung zur Berechnung einer Urlaubsersatzleistung ist nicht einschlägig. Der nicht konsumierte Urlaub ist so zu entschädigen, wie wenn er noch in einem aufrechten Arbeitsverhältnis verbraucht worden wäre, sodass Sonderzahlungen anteilig (ohne Rücksicht auf die Fälligkeitstermine) auch in die Urlaubsersatzleistung einzurechnen sind.

3.4. Diese Betrachtungsweise kann auf den Anspruch nach § 5 EFZG nicht übertragen werden. Diese Bestimmung will missbräuchliche Gestaltungen zur Umgehung der Entgeltfortzahlungspflicht als solcher verhindern, normiert aber keine darüber hinaus gehende Einschränkung des Kündigungsrechts. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses während des Krankenstands ist zulässig und nicht rechtswidrig. Mit § 5 EFZG wird dem Arbeitgeber auch nicht die Möglichkeit genommen, einen Kündigungstermin so zu wählen, dass ein von der Dauer der Dienstzeit abhängiger Anspruch nicht mehr entstehen kann (vgl 9 ObA 123/10v [Abfertigung]).

3.5. Sieht ein Kollektivvertrag, wie der hier anzuwendende, daher vor, dass der Anspruch auf eine Jahresremuneration dem Grunde nach erst nach einer bestimmten Dauer des Arbeitsverhältnisses entsteht und endet es noch vor Ablauf der erforderlichen Zeit, dann umfasst der Fortzahlungsanspruch nach § 5 EFZG auch im weiter dauernden Krankenstand nur das Entgelt, das vor der Beendigung regelmäßig gebührt hat. Ein Anspruch, der nur dann entstanden wäre, wenn das Arbeitsverhältnis fiktiv über den Termin der (rechtmäßigen) Beendigung hinaus gedauert hätte, ist bei einer auf § 5 EFZG gegründeten Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigen.

4. Der Revision war daher keine Folge zu geben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 2 ASGG sowie §§ 41 und 50 ZPO. Die verzeichneten Kosten der beklagten Partei waren um den überhöht beanspruchten ERV-Zuschlag (§ 23a RATG) zu korrigieren.

Textnummer

E121065

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:008OBA00053.17B.0223.000

Im RIS seit

06.04.2018

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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