TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/18 W278 2240341-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.03.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

18.03.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


W278 2240341-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter im am 12.03.2021 amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX über die weitere Anhaltung von XXXX geb. XXXX , StA Russische Föderation, vertreten durch MMag. Wolfgang Ebner, RA in 1060 Wien, in Schubhaft, zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

1. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) reiste als Minderjähriger mit seiner Familie unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte erstmals am 05.12.2004 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom 28.12.2007 im Hinblick auf den Status des Asylberechtigten abgewiesen, dem BF jedoch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Eine hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Asylstatus erhobene Beschwerde wurde in weiterer Folge am 11.11.2011 vor dem Asylgerichtshof zurückgezogen, sodass der Bescheid erstinstanzlich in Rechtskraft erwuchs. Zuletzt wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung des BF als subsidiär Schutzberechtigter bis 19.04.2020 verlängert.

2. Aufgrund von Straffälligkeiten wurde mit Bescheid einer Bundespolizeidirektion vom 07.03.2009 gegen den BF ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen. Eine gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde abgewiesen. Der Berufungsbescheid einer Sicherheitsdirektion vom 17.06.2009 erwuchs in Rechtskraft.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) 22.09.2020 wurde dem BF gem. § 9 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt, ihm seine befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung des BF in die Russische Föderation für zulässig erklärt. Gleichzeitig wurden gegen den BF ein auf sieben Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen und eine 14-tägige Frist ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt. Der Bescheid wurde dem Abwesenheitskurators des BF am 24.09.2020 zugestellt und erwuchs erstinstanzlich in Rechtskraft. Der BF verblieb nach Ablauf der Ausreisefrist weiter im Bundesgebiet.

4. Am 19.10.2020 wurde ein Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) gestartet. Am 20.11.2020 wurde der BF im Zuge einer Personenkontrolle aufgrund der COVID-Ausgangsbeschränkungen festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum (PAZ) eingeliefert, wo er am 21.11.2020 niederschriftlich einvernommen wurde. Hier gab der BF im Wesentlichen an, er sei gesund und in Kenntnis über die Rückkehrentscheidung. In Österreich habe er als Lagerlogistiker gearbeitet und zuletzt bei verschiedenen Freunden gewohnt, deren Namen und Adressen er nicht bekannt geben wolle. Er sei drogenabhängig gewesen und mache derzeit einen kalten Entzug. In seinem Herkunftsstaat kenne er niemanden. Seine Familie lebe in Österreich. Einer politischen oder strafrechtlichen Verfolgung in seinem Herkunftsstaat sei er nicht ausgesetzt. Im Anschluss an die Einvernahme am 21.11.2020 wurde ihm der Schubhaftbescheid durch persönliche Übergabe zugestellt und der BF in Schubhaft genommen.

5. Am 12.12.2020 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Hierzu einen Tag später erstbefragt, gab er an, sein Vater sei in seiner Heimat Polizist gewesen und habe sich geweigert mit Dschihadisten zusammen zu arbeiten. Daraufhin habe die Familie fliehen müssen. Als ältester Sohn der Familie sei insbesondere der BF in Gefahr.

6. Ebenfalls am 12.12.2020 wurde dem BF ein begründeter Aktenvermerk zur Aufrechterhaltung der Schubhaft gem. § 76 Abs. 6 FPG persönlich zugestellt.

7. Am 22.01.2021 wurde der BF von der russischen Botschaft als russischer Staatsbürger identifiziert und der Ausstellung eines HRZ zugestimmt.

8. Am 18.12.2020, 08.01.2021 und 22.02.2021 führte das BFA jeweils amtswegige Überprüfungen der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft durch und erachtete diese als verhältnismäßig.

9. Am 04.02.2021 fand die niederschriftliche Einvernahme des BF zu seinem Folgeantrag statt. Hier führte er aus, es gehe ihm gut, er habe Familie in Österreich und zwölf Jahre lang eine Beziehung zu einer Österreicherin geführt. Seinen Lebensunterhalt habe er durch Sozialleistungen und Unterstützung seines Vaters bestritten. Seit dem rechtskräftigen Abschluss des Aberkennungsverfahrens habe sich nichts geändert. Geflüchtet sei die Familie aufgrund von Problemen seines Vaters, da dieser sich weigerte mit Banditen zusammenzuarbeiten. An seinen Fluchtgründen habe sich seit 2007 nichts geändert, er habe Wien seither nicht mehr verlassen. Lieber wolle er in Österreich im Gefängnis sitzen, als in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren. Er wisse nicht, wovon er dort leben solle und fürchte um sein Leben. Mit Bescheid des BFA vom 09.02.2021 wurde der Folgeantrag des BF vom 12.12.2020 gem. § 68 AVG erstinstanzlich rechtskräftig zurückgewiesen.

10. Am 12.03.2021 legte das BFA dem erkennenden Gericht die Akten zur Prüfung der Rechtmäßigkeit einer fortdauernden Anhaltung des BF vor und führte, nach Wiedergabe des Sachverhalts, aus, dass nach wie vor Sicherungsbedarf vorliege und die Effektuierung der Abschiebung des BF am 08.04.2021 zu erwarten sei.

11. Mit Schriftsatz des BVwG vom 12.03.2021, dem BF am selben Tag zugestellt, wurde der BF über das Ergebnis der Beweisaufnahme im laufenden Haftprüfungsverfahren verständigt. Zudem wurde ihm die Stellungnahme des BFA zur Vorlage vom 12.03.2021 übermittelt und Gelegenheit zum Parteiengehör in Form einer Stellungnahme bis 16.03.2021 gegeben. Der BF wurde in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es ihm freistehe, den im Zuge des Schubhaftverfahrens bestellten Rechtsberater zu kontaktieren.

12. Mit Schriftsatz vom 16.03.2021 gab der BF durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung – zusammengefasst auf das Wesentliche – eine Stellungnahme dahingehend ab, dass er im Bundesgebiet gut integriert sei, bei seinem Vater wohnen könne und daher die Anwendung eines gelinderen Mittels angezeigt sei. Die öffentliche Sicherheit könne die Anordnung der Schubhaft nicht rechtfertigen. Beantragt wurde die Feststellung, dass die Voraussetzungen der weiteren Anhaltung nicht vorlägen und eine solche unverhältnismäßig sei.

13. Am 18.03.2021 langten die vom BVwG angeforderten medizinischen Unterlagen des BF bei Gericht ein.

2. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ausschließlich die Feststellung, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

II. Feststellungen:

1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1. Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger der russischen Föderation, ist volljährig, nicht österreichischer Staatsbürger und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.2. Der BF war im Bundesgebiet in der Zeit von 19.10.2019 bis 11.02.2020 ohne amtliche Hauptwohnsitzmeldung. Von 11.02.2020 bis 09.08.2020 war er als obdachlos gemeldet, jedoch an der angeführten Abgabestelle für die Behörden nicht erreichbar. Ab dem 10.08.2020 war er – bis zu seinem Aufgriff am 20.11.2020 – erneut ohne Wohnsitzmeldung Er hat in den angeführten Zeiten im Verborgenen Unterkunft genommen, übernachtete bei Freunden, und war nicht bereit deren Namen oder Adressen bekanntzugeben.

1.3. Der BF geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, hat kein Einkommen und verfügt über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen. Der BF verfügt aktuell über Barmittel in der Höhe von EUR 70,--.

1.4. Er befand sich in Österreich zu nachfolgenden Zeiträumen in verschiedenen Justizvollzugsanstalten (JA):

1.       29.01.2009-28.05.2009

2.       03.09.2013-01.10.2013

3.       31.10.2014-13.02.2015

1.5. Er befand sich in der Vergangenheit in Österreich zu nachfolgenden Zeiträumen in verschiedenen Polizeianhaltezentren (PAZ):

1.       05.12.2017-21.12.2017

2.       10.09.2019-22.10.2019

1.6. Aktuell wird der BF seit 21.11.2020 in Schubhaft angehalten. Das BFA führte die gesetzlich vorgesehenen Verhältnismäßigkeitsprüfungen nach § 80 Abs. 6 FPG durch. Das BFA hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft zuletzt mit Aktenvermerk vom 22.02.2021 festgestellt.

1.7. Der BF stellte bislang zwei Anträge auf internationalen Schutz in Österreich, zuletzt am 12.12.2020. Dieser Folgeantrag wurde mit Bescheid des BFA vom 09.02.2021, dem BF am selben Tag zugestellt, erstinstanzlich rechtkräftig, aufgrund entschiedener Sache zurückgewiesen.

1.8. Der Beschwerdeführer ist nach eigenen Angaben suchtmittelabhängig und leidet an einer Belastungsstörung und steht diesbezüglich in psychologischer und medikamentöser Behandlung. Er hat im Rahmen des PAZ Zugang zu der erforderlichen medizinischen Betreuung.

2. Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Er ist Fremder iSd Diktion des FPG. Er ist volljährig.

2.2. Mit Bescheid vom 21.11.2020, vom BF am selben Tag übernommen, wurde über ihn die Schubhaft iSd § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG angeordnet. Dieser Bescheid wurde bislang nicht in Beschwerde gezogen.

2.3. Mit Bescheid des BFA vom 22.09.2020 wurde dem BF ua der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt, seine befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen und eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot gegen ihn erlassen. Der Bescheid erwuchs erstinstanzlich in Rechtskraft. Der zuletzt gestellte Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit erstinstanzlich rechtskräftigem Bescheid des BFA vom 09.02.2021 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Er ist weder Asylberechtigter, subsidiär Schutzberechtigter noch Asylwerber.

2.4. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vor. Eine signifikant erhöhte Gefahr einer Infektion mit COVID-19 besteht im Polizeianhaltezentrum (PAZ), wo der BF in Schubhaft angehalten wird, nicht.

3. Zu Fluchtgefahr, Sicherungsbedarf und zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft:

3.1. Aufgrund von Straffälligkeiten wurde mit Bescheid einer Bundespolizeidirektion (BPD) vom 07.03.2009 gegen den BF ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde abgewiesen. Der Berufungsbescheid einer Sicherheitsdirektion vom 17.06.2009 erwuchs in Rechtskraft.

3.2. Mit Bescheid vom 22.09.2020 wurde dem BF gemäß § 9 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt, ihm seine befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung des BF in die Russische Föderation für zulässig erklärt. Gleichzeitig wurde ein auf sieben Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen und eine 14-tägige Frist ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt. Der Bescheid wurde am 24.09.2020 zugestellt und erwuchs erstinstanzlich in Rechtskraft. Der BF verblieb nach Ablauf der Ausreisefrist weiter im Bundesgebiet.

3.3. Der BF tauchte im österreichischen Bundesgebiet bereits unter, indem er während seines rechtswidrigen Aufenthalts ohne amtliche Wohnsitzmeldung im Inland verblieb. Er konnte lediglich zufällig im Zuge einer polizeilichen Kontrolle am 20.11.2020 aufgegriffen werden.

3.4. Der zuletzt – aus dem Stande der Schubhaft – gestellte Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 12.12.2020 wurde mit erstinstanzlich rechtskräftigem Bescheid des BFA vom 09.02.2021 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

3.5. Gegen den BF besteht eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung.

3.6. Zu einer Einvernahme am 18.06.2020 erschien der BF nicht, obwohl ihm der Termin bekannt war. Er war im Zeitraum von 11.02.2020 bis 09.08.2020 als obdachlos gemeldet, besuchte jedoch die Abgabestelle nur einmal am 10.02.2020, sodass ein Abwesenheitskurator für den BF bestellt werden musste. Im Rahmen der Anhaltung in Schubhaft wurde am 20.12.2020 aufgrund von Körperverletzung eine Disziplinierungsmaßnahme gegen den BF angeordnet, da er mit einem anderen Insassen in eine gewalttätige Auseinandersetzung verwickelt war. Der Vater und die Schwester des BF wussten zeitweise nicht, wo der BF sich aufhielt und hatten auch keine Möglichkeit ihn zu kontaktieren. Trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung und obwohl ihm seine Verpflichtung zur Ausreise bekannt war, reiste der BF nicht aus dem österreichischen Bundesgebiet aus.

3.7. Der BF ist im Hinblick auf seinen Herkunftsstaat nicht ausreisewillig und stellte seinen Folgeantrag auf internationalen Schutz vom 12.12.2020 evident in der missbräuchlichen Absicht, den Vollzug der gegen ihn rechtskräftig bestehenden aufenthaltsbeenden Maßnahme zu verzögern oder gar zu verhindern.

3.8. Der BF ist nicht kooperationswillig, nicht bereit sich den geltenden Rechtsvorschriften zu unterwerfen, kam seiner Mitwirkungspflicht im fremdenrechtlichen Verfahren nicht nach, entzog sich dem Verfahren, tauchte unter und wurde auch im Zuge der Anhaltung in Schubhaft aufgrund einer gegenseitigen Körperverletzung diszipliniert. Der BF verweigerte im Stande der aktuellen Schubhaft zudem die Teilnahme an zwei Röntgen- und zwei Rechtsberaterterminen. Er ist als nicht vertrauenswürdig anzusehen. Im Fall einer Entlassung aus der Schubhaft würde der BF erneut untertauchen um sich seiner Abschiebung zu entziehen.

3.9. Der BF weist im österreichischen Bundesgebiet folgende rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen auf:

1) Urteil eines Landesgerichtes vom 19.11.2007, rechtskräftig am selben Tag, wegen § 107 (1) StGB, Schuldspruch unter Vorbehalt der Strafe, Probezeit 2 Jahre, Jugendstraftat.

2) Urteil eines Landesgerichtes vom 02.04.2008, rechtskräftig am selben Tag, wegen § 142 (1) und (2) StGB, zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 3 Monaten bei einer Probezeit von 3 Jahren – später verlängert auf 5 Jahre – unter Anordnung von Bewährungshilfe, Jugendstraftat.

3) Urteil eines Landesgerichtes vom 17.12.2008, rechtskräftig seit 23.12.2008, wegen § 142 (1) StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 21 Monaten bei einer Probezeit von 3 Jahren, Jugendstraftat.

4) Urteil eines Bezirksgerichtes vom 12.07.2013, rechtskräftig seit 23.07.2013, wegen § 83 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 4 Wochen.

5)Urteil eines Landesgerichtes vom 23.12.2014, rechtskräftig seit 30.12.2014, wegen § 28a (1) 5. Fall SMG zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 20 Monaten bei einer Probezeit von 3 – später 5 – Jahren.

6) Urteil eines Bezirksgerichts vom 08.10.2019, rechtskräftig seit 11.10.2019, wegen § 50 (1) Z 3 WaffG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 1 Monat bei einer Probezeit von 3 Jahren.

3.10. Der BF befindet sich seit dem Jahr 2004 durchgehend im Bundesgebiet. Der Vater, die Schwester sowie der Bruder und die Stiefmutter des BF leben in Österreich, jedoch steht der BF zeitweise nicht in Kontakt zu diesen. Er könnte bei seinem Vater Unterkunft nehmen. Seine familiären Bande hielten den BF bereits in der Vergangenheit nicht von einem Untertauchen ab und würden dies auch künftig nicht tun. Abgesehen von seiner Familie hat der BF keine engen verfahrensrelevanten sozialen Beziehungen im Inland. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF eine wie auch immer geartete Lebenspartnerschaft führt. Er besuchte in Österreich die Schule, spricht Deutsch und machte den Staplerschein. Der BF weist im Bundesgebiet keine nennenswerte berufliche Verankerung auf.

3.11. Der BF ist mittellos und geht in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach. Er war während seines Aufenthalts lediglich wenige Monate berufstätig. Konkret war er von 22.07.2009 bis 05.08.2009, 14.06.2011 bis 01.07.2011, 09.08.2011 bis 19.10.2011, 10.11.2011 bis 18.11.2011, 01.12.2012 bis 31.12.2012, 01.12.2012 bis 28.01.2013, 10.02.2017 bis 09.03.2017 und 24.07.2017 bis 04.09.2017 als Arbeiter beschäftigt. Zuletzt ging der BF von 01.05.2019 bis 31.05.2019 einer geringfügigen Beschäftigung als Arbeiter nach.

3.12. Das BFA ist seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nachgekommen. Es hat rechtzeitig das Verfahren zur Erlangung eines HRZ bei der russischen Vertretungsbehörde eingeleitet und eine bis 22.04.2021 gültige HRZ Zusage erwirkt. Die nächste Charterabschiebung ist für den 08.04.2021 geplant. Es ist davon auszugehen, dass eine Abschiebung des BF mit diesem Charter sehr wahrscheinlich möglich ist

II. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Akt des BFA. Einsicht genommen wurde in das Strafregister, das Zentrale Fremden- (IZR) und Melderegister (ZMR) einen aktuellen Auszug aus der Sozialversicherungsdatenbank, die Anhaltedatei sowie in das GVS-Informationssystem.

1. Zur Person des Beschwerdeführers (1.1.-1.8.):

Die Feststellungen in 1.1. ergeben sich aus dem IZR, der Tatsache, dass der BF als Staatsangehöriger der Russischen Föderation identifiziert wurde, und seinen rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren auf internationalen Schutz.

Die in 1.2. festgestellten Tatsachen sind dem ZMR in Zusammenschau mit dem Vorbringen des BFA in der Vorlage vom 11.03.2021 zu entnehmen. Diese decken sich auch mit den Angaben des Vaters sowie der Schwester des BF in deren Einvernahmen am 18.06.2020 und den Angaben des BF am 21.11.2020.

Dass der BF zur Zeit nicht arbeitet und kein eigenes Einkommen hat (1.3.) ergibt sich aus seinen eigenen Angaben in der Einvernahme am 04.02.2021 und einem aktuellen Versicherungsdatenauszug. Die vorhandenen Barmittel sind in der Anhaltedatei vermerkt.

Sein Aufenthalt in verschiedenen JA und PAZ ist dem ZMR zu entnehmen (1.4. und 1.5.).

Die Anhaltung in Schubhaft seit 21.11.2020 geht aus der Anhaltedatei hervor, die Aktenvermerke des BFA zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung sind im Akt einliegend (1.6.). Selbiges gilt für den Bescheid des BFA vom 09.02.2021 und den zugehörigen Zustellnachweis (1.7.).

Die Suchtmittelabhängigkeit des BF ist seinen eigenen Angaben in der EV vom 21.11.2020 zu entnehmen. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich aus der Krankendatei des PAZ. (1.8.).

2. Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft (2.1.-2.4.):

Die Volljährigkeit des BF ergibt sich aus dessen Geburtsdatum, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen würde ergibt sich aus dem gesamten Akteninhalt nicht und wurde auch nicht vorgebracht (2.1.).

Der Schubhaftbescheid vom 21.11.2020 ist vorliegend, eine Beschwerdeerhebung ist dem erkennenden Gericht bislang nicht bekannt (2.2.). Ebenso liegen die Bescheide vom 22.09.2020 und 09.02.2021 im Akt ein. Die jeweilige Rechtskraft der Bescheide ist dem IZR zu entnehmen (2.3.).

Es sind keine Hinweise betreffend eine mögliche Haftunfähigkeit hervorgekommen, noch wurde solche in der Stellungnahme vom 16.03.2021 vorgebracht Für eine erhöhte Gefahr einer COVID-19 Infektion im PAZ gibt es keine Anhaltspunkte (2.4.).

3. Zu Fluchtgefahr, Sicherungsbedarf und zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft (3.1.-3.13.):

Der Bescheid einer BPD vom 07.03.2009, der angesprochene Berufungsbescheid vom 17.06.2009 und der Aberkennungsbescheid vom 22.09.2020 sind im Verwaltungsakt des BFA enthalten. Der Verbleib des BF im Bundesgebiet, auch nach Ablauf der Ausreisefrist, ist der im Akt einliegenden Anzeige vom 21.11.2020 zu entnehmen (3.1. und 3.2.). Aus Letzterer geht auch der Aufgriff des BF am 20.11.2020 hervor, der sich mit der in der Anhaltedatei vermerkten Anhaltung in Verwaltungsverwahrungshaft ab eben diesem Tag deckt. Zu den meldefreien Zeiten ist auf 1.2. zu verweisen (3.3.).

Der Bescheid vom 09.02.2021 ist, wie bereits erwähnt, im Akt enthalten. Die Antragstellung ergibt sich aus der Erstbefragung (3.4.).

Das Vorliegen einer rechtskräftigen – und durchsetzbaren – Rückkehrentscheidung (3.5.) ist aufgrund des vorliegenden Bescheides vom 22.09.2020 und des Eintrags im IZR evident.

Die Meldevergehen des BF ergeben sich daraus, dass er, wie in 1.2. bereits eingehend erläutert, über beträchtliche Zeiträume keine amtliche Wohnsitzmeldung aufwies, obwohl er sich – nach eigenen Angaben – in dieser Zeit im Bundesgebiet befand. Zwar war er für den Zeitraum von 11.02.2020 bis 09.08.2020 als obdachlos gemeldet, jedoch war er an dieser Abgabestelle, wie sich aus dem Akt ergibt, nicht erreichbar. Die Behörde versuchte mehrfach ihm Schriftstücke an die entsprechende Adresse zuzustellen, was jedoch nicht gelang, da der BF dort nach dem 10.02.2020 nie anwesend war. Dies selbst, nachdem seine Schwester nach der Einvernahme am 18.06.2020 versicherte, ihr Bruder werde hinkünftig regelmäßig bei der gemeldeten Adresse Nachschau halten. Die Bestellung eines Abwesenheitskurators geht ebenfalls aus dem Akt hervor. Der Einvernahmetermin am 18.06.2020 war dem BF evident bekannt, da er dem zuständigen Referenten am Vortag telefonisch seine Teilnahme zusicherte. Die Maßnahmenmeldung betreffend den Vorfall am 20.12.2020 ist vorliegend. Dass die Familie des BF diesen zeitweise selbst nicht erreichen konnte, ist deren schriftlicher Zeugenbefragung zur Aufenthaltsermittlung des BF, welche im rechtskräftigen Aberkennungsbescheid vom 22.09.2020 angeführt wird, zu entnehmen. Auch hatte der BF keine Möglichkeit, seine Schwester zu kontaktieren, da er ihre Telefonnummer nicht hatte, wie er bei seiner Festnahme am 20.11.2020 selbst angab. Der BF selbst führte in der EV vom 21.11.2020 auch aus, sich seines illegalen Aufenthalts bewusst zu sein (3.6.).

In der Einvernahme vom 21.11.2020 gab der BF noch an, keinen Antrag iSd § 51 FPG stellen zu wollen. Auch führte er in seiner Einvernahme am 04.02.2021 aus, seit dem rechtskräftigen Abschluss seines Aberkennungsverfahrens am 09.10.2020 habe sich nichts geändert und ebenso sei im Hinblick auf seine Fluchtgründe seit dem Jahr 2007 keine Änderung eingetreten. Der BF ist evident nicht ausreisewillig, er gab in der EV am 04.02.2021 an, lieber in Österreich im Gefängnis „sitzen“ zu wollen, bevor er zurückkehre. Aus all diesen Gründen ist die missbräuchliche Antragsstellung des BF aus dem Stande der Schubhaft evident. Es stellt sich dem erkennenden Gericht klar da, dass der BF allein deshalb einen Folgeantrag stellte, weil er eine Rückkehr erschweren respektive verhindern wollte (3.7.).

Die mangelnde Kooperationsbereitschaft des BF ergibt sich insbesondere daraus, dass er für die Behörden über einen signifikanten Zeitraum nicht erreichbar war, trotz seines Wissens über die Relevanz einer Abgabestelle – an welcher er auch erreichbar sein sollte – eine solche nicht bekanntgab und auch zur Einvernahme vor dem BFA am 18.06.2020 nicht erschien. Der BF kam somit seiner Mitwirkungspflicht bereits mehrfach nicht nach und entzog sich dem Verfahren. Obwohl ihm klar war, dass er das Bundesgebiet verlassen musste, war er nicht greifbar. Er tauchte vorgeblich bei Freunden unter, weigerte sich jedoch deren Identitätsdaten und Adressen herauszugeben. Der BF ist bereits mehrfach wegen einschlägigen Gewalt- und Drogendelikten rechtskräftig vorbestraft, wurde mehrmals aufgrund von Lenken eines PKWs ohne Lenkberechtigung angezeigt, verstieß wiederholt gegen das Meldegesetz und fiel auch im Rahmen der gegenständlichen Anhaltung in Schubhaft als gewaltbereit auf. Die Verweigerung der angeführten Termine ist zudem der Anhaltedatei zu entnehmen. Die mangelnde Vertrauenswürdigkeit des BF war, in einer Gesamtschau des oben Dargestellten, festzustellen. Das Gericht hegt keinen Zweifel daran, dass der BF im Fall einer Entlassung aus der Schubhaft erneut untertauchen würde, hat er doch bereits mehrfach gezeigt, dass er an einer Zusammenarbeit mit den Behörden keinerlei Interesse hat und zur Einhaltung der geltenden Rechtsordnung verhalten werden muss (3.8.).

Die Verurteilungen des BF (3.9.) sind dem Strafregister zu entnehmen.

Die Feststellungen in 3.10. ergeben sich aus den Angaben des BF zu seiner Familie und den Einvernahmen seines Vaters sowie seiner Schwester vom 18.06.2020. Zwar brachte der BF vor, zwölf Jahre lang eine Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin geführt zu haben, konnte jedoch selbst nicht angeben, ob diese bis zu seiner Festnahme am 20.11.2020 bestanden habe, da er unter Drogeneinfluss gestanden sei. Auch wussten weder sein Vater noch seine Schwester über eine solche Beziehung bescheid. Dass die Familie des BF diesen jedenfalls eine gewisse Zeit lang nicht erreichen konnte, ist dem Akteninhalt ebenso zu entnehmen wie die Tatsache, dass der BF in der Vergangenheit bereits über einen längeren Zeitraum untertauchte, obwohl seine Familie sich im Inland aufhielt. Auch der BF selbst hatte keine Kontaktdaten seiner Familie, als er am 20.11.2020 festgenommen wurde. Das Gericht zweifelt nicht daran, dass der BF – wie in der Stellungnahme vom 16.03.2021 vorgebracht – bei seinem Vater Unterkunft nehmen könnte, warum dies jedoch an seinem bisherigen Verhalten etwas ändern sollte, ist nicht ersichtlich. Auch zuvor war dem BF bewusst, dass es wichtig war, für die Behörden erreichbar zu sein, dies hinderte ihn jedoch nicht daran, von einer Wohnmöglichkeit bei seinem Vater keinen Gebrauch zu machen und stattdessen im Verborgenen zu leben. Diesbezüglich war die Feststellung zu treffen, dass diese Wohnmöglichkeit und seine familiären Bande im Bundesgebiet den BF auch in weiterer Folge nicht an einem erneuten Untertauchen hindern würden. Insbesondere, da die Abschiebung des BF unmittelbar bevorsteht, der BF klar kundgetan hat, nicht ausreisen zu wollen und ihn auch in der Vergangenheit seine Familie nicht an einem Untertauchen hinderte. Sein Vater selbst gab in der Einvernahme vom 18.06.2020 an, er wisse nicht alles und kontrolliere nicht, sein Sohn sei erwachsen. Sonstige nennenswerte soziale Bindungen im Inland konnten schon mangels Willigkeit des BF, Angaben zu seinen Freunden zu machen, nicht festgestellt werden. Da diese Freunde den BF bei seinem Leben im Verborgenen bereits unterstützten wäre aber auch aus einem unterstellten Vorliegen dieser Freundschaften nichts gewonnen.

Dass der BF Deutsch spricht, im Inland in die Schule ging und den Staplerschein machte, ist unbestritten. Nennenswerte berufliche Verankerung im Inland konnten jedoch weder den Angaben des BF noch dem vorliegenden Versicherungsdatenauszug entnommen werden.

Die Mittellosigkeit des BF geht aus der Anhaltedatei, seinen eigenen Angaben und einem SV-Auszug hervor. Zu einer legalen Berufstätigkeit im Inland ist der BF zudem nicht berechtigt (3.11.).

Das erlangte Heimreisezertifikatzusage ist dem Akteninhalt und dem IZR zu entnehmen. Die Chartabschiebung am 08.04.2021 geht aus dem Vorlagevorbringen des BFA hervor (3.12.) und deckt sich mit dem Gerichtswissen über den Charterabschiebeplan des Bundesamts.

Umstände, die für eine Freilassung des BF sprechen würden, liegen im Zeitpunkt der aktuellen Entscheidung nicht vor. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass der BF nunmehr sein bislang gesetztes Verhalten ändern würde (3.13.).

III. Rechtliche Beurteilung:

1. Zu A)

1.1 Gesetzliche Grundlagen:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Der mit „Gelinderes Mittel“ betitelte § 77 FPG idgF lautet:

„§ 77. (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
3. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“

Der mit „Dauer der Schubhaft“ betitelte § 80 FPG idgF lautet:

„(1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.“

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes idgF lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

In Verfahren nach § 22a Abs. 4 BFA-VG vom BFA erstattete Stellungnahmen sind einem Parteiengehör zu unterziehen. Dies kann schriftlich oder auch im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erfolgen. Jedenfalls ist dem in Schubhaft angehaltenen Fremden Gelegenheit zu geben, sich zu der Stellungnahme und zum maßgeblichen Sachverhalt zu äußern (vgl. VwGH 27.08.2020, Ro 2020/21/0010, mwN).

In seinem Erkenntnis zur Zahl Ra 2020/21/0070 vom 26.11.2020 hielt der VwGH fest, dass die Frage der rechtzeitigen Erlangbarkeit eines Heimreisezertifikates bei länger andauernden Schubhaften, die gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG überprüft werden, für die weitere Verhältnismäßigkeit der Anhaltung (typischerweise) entscheidend ist. Dabei ist insbesondere relevant, ob die Bemühungen der Behörde mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erfolgsversprechend sind. Bei der Ermittlung des geforderten Grades dieser Wahrscheinlichkeit können auch die bisherige Anhaltedauer und die Schwere der Gründe für ihre Verhängung und Aufrechterhaltung eine Rolle spielen. Bisherige Erfahrungswerte mit der jeweiligen Vertretungsbehörde können – sofern diese nachvollziehbar festgestellt und nicht bloß behauptet würden – wesentliche Anhaltspunkte für die Beurteilung bieten (vgl. VwGH Ra 2020/21/0070 vom 26.11.2020 Ra 2020/21/0174 vom 22.12.2020, mwN).

1.3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft:

Sicherungsbedarf:

Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Bundesamt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung vorzulegen. Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen.

Im Rahmen dieser Überprüfung hat sich im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Bundesverwaltungsgericht ergeben, dass die weitere Anhaltung des BF als verhältnismäßig angesehen werden kann:

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter oder auch Asylwerber weshalb die Aufrechterhaltung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft) – möglich ist.

Der BF war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin. Für Gegenteiliges gab es im Verfahren keinerlei Anhaltspunkte.

Die Schubhaft wurde ursprünglich auf § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG gestützt verhängt. Aktuell liegen gegen den BF eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung sowie ein Einreiseverbot vor. Die weitere Anhaltung kann daher im Entscheidungszeitpunkt weiterhin auf leg cit. und die Sicherung der Abschiebung gestützt werden. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass das in der Stellungnahme geltend gemachte Argument, die Schubhaft sei aus Gründen der öffentlichen Sicherheit in Bezug auf den Beschwerdeführer nicht nötig, schon deshalb ins Leere geht, als im Falle einer Anhaltung nach Z. 2 leg cit. eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit für die Anhaltung nicht erforderlich ist.

Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus:

Gemessen an § 76 Abs. 3 FPG, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 2" - immer noch - vor, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der BF einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird. Die Gründe, aus denen das Bundesamt die Schubhaft anordnete (Ziffer 1 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG), haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Im Einzelnen ist hierzu auszuführen:

§ 76 Abs. 3 Z. 1 FPG ist insbesondere deshalb als erfüllt anzusehen, weil der BF seine Mitwirkungspflicht verletzte, indem er keine Adresse bekannt gab, an welcher er zu erreichen war, trotz Kenntnis vom Einvernahmetermin am 18.06.2020 nicht erschien, im Verborgenen lebte und auch nach der Angabe, er werde ab nun regelmäßig an der Adresse seiner Meldung als obdachlos vorstellig werden, nie wieder dort auftauchte. Er entzog sich bewusst den Behörden indem er bei Freunden lebte und keine Anhaltspunkt für seinen tatsächlichen Aufenthalt vorlagen. Er konnte lediglich zufällig festgenommen werden.

Wie festgestellt ist der BF im Inland sozial nicht in einer solchen Weise verankert, die ihn an einem erneuten Untertauchen zu hindern vermögen würde. Zwar hat er in Österreich Familie, jedoch hinderte ihn diese auch in der Vergangenheit nicht an einem Leben im Verborgenen. Wie in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt, ist auch in Zukunft nicht davon auszugehen, dass sich dies ändern würde. Dies auch nicht im Fall einer Unterkunftnahme bei seinem Vater. Sonstige verfahrensrelevante soziale Beziehungen sind nicht hervorgekommen. Der BF spricht zwar deutsch, geht jedoch keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und vermag keine ausreichenden Existenzmittel vorzuweisen. Das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft des BF in Österreich konnte zudem nicht festgestellt werden. Auch Ziffer 9 des § 76 Abs. 3 FPG ist somit als erfüllt anzusehen.

Zu den, bereits im Schubhaftbescheid vorgebrachten, Gründen für das Vorliegen von Fluchtgefahr hinzukommt, dass auch Ziffer 3 und 5 leg cit nunmehr als erfüllt anzusehen sind.

Ziffer 3 ist erfüllt, da gegen den BF eine rechtskräftige und damit durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliegt. Zudem entzog sich der BF dem fremdenrechtlichen Verfahren bereits mehrfach, indem er untertauchte und für die Behörden nicht greifbar war.

Da der BF zudem aus dem Stande der Schubhaft einen Folgeantrag auf internationalen Schutz in Missbrauchsabsicht stellte ist nunmehr auch § 76 Abs. 3 Z. 5 FPG schlagend.

Sein bisheriges Verhalten – Untertauchen, mangelnde Kooperationsbereitschaft, Stellung eines weiteren Folgeantrages in klarer Missbrauchsabsicht, Verwicklung in eine gewaltsame Auseinandersetzung im PAZ, Verweigerung von Terminen – und auch die vorzunehmende Verhaltensprognose haben bei dem BF ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie einen Sicherungsbedarf ergeben. Trotz seines langjährigen Aufenthalts liegen auch keine derartigen Bindungen vor, die diesen Eindruck zu verändert vermochten.

In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden von der Judikatur bereits als erhöht angesehen wird. Überdies war aufgrund seines aktuellen sowie seines Verhaltens in der Vergangenheit festzustellen, dass der BF als nicht vertrauenswürdig anzusehen war. Im Lichte dieser Umstände bestehen aktuell Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der BF untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten, um sich einer Abschiebung zu entziehen.

Insgesamt ergibt sich sohin klar das Vorliegen von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 5 und 9 FPG.

Verhältnismäßigkeit und Dauer der Anhaltung:

Die Anhaltung in Schubhaft darf gemäß § 80 Abs. 2 FPG grundsätzlich die Dauer von sechs Monaten nicht übersteigen. Dies steht im Einklang mit Art. 15 Abs. 5 der Rückführungs-RL.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten