TE OGH 2021/2/17 13Os67/20g

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.02.2021
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Strobl in der Finanzstrafsache gegen Stefan K***** wegen des Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 2 lit a, 39 Abs 1 und 3 lit c FinStrG in der Fassung BGBl I 2010/104 und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 9. März 2020, GZ 614 Hv 10/19w-80, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen wegen mehrerer Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB (IV), demzufolge auch im Ausspruch über die Strafe nach dem StGB aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg verwiesen.

Mit seiner auf die Schuldsprüche IV bezogenen Nichtigkeitsbeschwerde und seiner den Ausspruch über die Strafe nach dem StGB betreffenden Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe nach dem FinStrG werden die Akten zunächst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]            Mit dem angefochtenen Urteil wurde Stefan K***** des (richtig) Verbrechens des Abgabenbetrugs nach §§ 33 Abs 2 lit a, 39 Abs 1 „lit b“ und Abs 3 lit c FinStrG in der Fassung BGBl I 2010/104 (II und III) und mehrerer Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB (IV) schuldig erkannt.

[2]       Danach hat er

im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Lilienfeld St. Pölten (US 14) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen sowie „unter Verwendung von Scheingeschäften“ eine Verkürzung von Umsatzsteuer bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, indem er Vorsteuer für nicht erbrachte Leistungen geltend machte, und zwar

(II) als faktischer Geschäftsführer und abgabenrechtlich Verantwortlicher der T***** KG um insgesamt 515.230,55 Euro, nämlich für Mai 2011 um 136.000 Euro, Juni 2011 um 6.000 Euro, September 2011 um 8.000 Euro, Oktober 2011 um 45.200 Euro, Dezember 2011 um 57.000 Euro, Jänner 2012 um 49.400 Euro, März 2012 um 203.000 Euro, Juni 2012 um 8.230,55 Euro und November 2012 um 2.400 Euro, sowie

(III) als faktischer Geschäftsführer und abgabenrechtlich Verantwortlicher der R***** KG um insgesamt 27.910 Euro, nämlich für Februar 2011 um 5.700 Euro, März 2011 um 4.800 Euro, August 2011 um 1.600 Euro, Oktober 2011 um 2.400 Euro und Juni 2012 um 13.410 Euro, weiters

(IV) in S***** und an anderen Orten zwischen 30. Dezember 2012 und 31. Dezember 2013 im Urteil beschriebene Scheinrechnungen und Scheingutschriften, somit falsche Beweismittel, hergestellt und diese im verwaltungsbehördlichen Abgabenverfahren und im gerichtlichen Finanzstrafverfahren gebraucht, indem er sie im Rahmen des abgabenrechtlichen Prüfungsverfahrens des Finanzamts Lilienfeld St. Pölten der zuständigen Prüferin Elisabeth H***** vorlegte.

Rechtliche Beurteilung

[3]       Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde.

[4]       Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das angefochtene Urteil, wie auch die Generalprokuratur zu Recht aufzeigt, mit – nicht geltend gemachter – materieller Nichtigkeit behaftet ist, die zum Nachteil des Angeklagten wirkt und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

[5]       Nach den Feststellungen des Erstgerichts versuchte der Angeklagte, nachdem er erkannt hatte, dass innerhalb der von ihm geleiteten Unternehmensgruppe verwendete Rechnungen von der Abgabenbehörde (zutreffend) als Scheinrechnungen qualifiziert und solcherart abgabenrechtlich nicht anerkannt werden, „zu den längst abgeschlossenen Abgabenbetrugshandlungen“ ein „finanzrechtliches Gegengewicht“ zu schaffen. Zu diesem Zweck stellte er zahlreiche weitere Scheinrechnungen sowie Scheingutschriften her. Dies mit dem Vorsatz, sie in den gegen ihn geführten Verfahren zu gebrauchen und auf diese Weise die bereits entstandene Abgabenlast nachträglich (erneut rechtswidrig) zu mindern. Die falschen Beweismittel legte er in der Folge der Finanzbehörde vor (US 13 f, 33).

[6]            Zum Zeitpunkt des Gebrauchs der falschen Beweismittel finden sich im Urteil keine Feststellungen. Ausgehend vom im Urteilstenor referierten Tatzeitraum (US 4) endete die – bei einer Strafdrohung von einem Jahr Freiheitsstrafe (§ 293 Abs 2 StGB) maßgebliche – Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 57 Abs 3 vierter Fall StGB) mit Ablauf des 31Dezember 2016 (§ 57 Abs 2 StGB). Konstatierungen zu die Frist verlängernden Umständen im Sinn des § 58 StGB wurden vom Erstgericht nicht getroffen, was die (vom Schöffengericht implizit vorgenommene) rechtliche Beurteilung, die Strafbarkeit der in Rede stehenden Taten sei nicht verjährt, unschlüssig (Z 9 lit b) macht (RIS-Justiz RS0122332 [insbesondere T1, T7]).

[7]            Hinzugefügt sei, dass die Subsidiaritätsklausel des § 22 Abs 3 FinStrG hier nicht durchschlägt:

[8]       Ob Subsidiarität vorliegt, bestimmt sich im Gegensatz zur Konsumtion, wo die konkreten Umstände der Tatbegehung in die Beurteilung einzubeziehen sind, nach dem abstrakten Verhältnis der strafbaren Handlungen zueinander (RIS-Justiz RS0128225 [T2]). Wird die Subsidiarität vom Gesetz angeordnet, liegt ausdrückliche (formelle), sonst stillschweigende (materielle) Subsidiarität vor (Ratz in WK2 Vor §§ 28–31 Rz 36 mwN).

[9]       § 22 Abs 3 FinStrG erklärt die Tatbestände der §§ 223 und 293 StGB als gegenüber Finanzvergehen subsidiär, wenn sie „im Zusammenhang“ mit diesen begangen worden sind (ausdrückliche Subsidiarität). Durch diese Formulierung wird zum Ausdruck gebracht, dass die genannten strafbaren Handlungen – anders als nach § 22 Abs 2 FinStrG – (nicht nur im Fall der Idealkonkurrenz, sondern) auch dann verdrängt werden, wenn sie mit dem jeweiligen Finanzvergehen (im Zusammenhang stehen und) real konkurrieren (Lässig in WK2 FinStrG § 22 Rz 10).

[10]     Diese Subsidiaritätsklausel wurde durch Art VI Z 3 des StReformG 2005 BGBl I 2004/57 in das FinStrG eingefügt. Die Gesetzesmaterialien gehen diesbezüglich davon aus, dass Finanzvergehen häufig im Zusammenhang mit Urkundendelikten oder Beweismitteldelikten begangen und dabei die falschen oder verfälschten Urkunden oder anderen Beweismittel (insbesondere Rechnungen und sonstige Belege) mit den Steuererklärungen eingereicht werden oder zwecks Vorbereitung von Finanzvergehen erstellt werden, um das unrichtige Rechenwerk zu untermauern und bei Außenprüfungen zur Beweisführung verwendet zu werden. Zufolge des engen Zusammenhangs dieser Delikte sollen somit sowohl bei eintätigem als auch bei mehrtätigem Zusammentreffen nur die Finanzvergehen strafbar sein (EBRV 451 BlgNR 22. GP 31 vgl auch Seiler/Seiler, FinStrG5 § 22 Rz 16).

[11]           Nach den Feststellungen des Erstgerichts waren die Abgabenbetrugshandlungen zum Zeitpunkt des Gebrauchs der falschen Beweismittel bereits abgeschlossen und sollte dieser Beweismittelgebrauch dazu dienen, einen anderen abgabenrechtlichen Sachverhalt als den ursprünglich vorgetäuschten vorzuspiegeln und solcherart die Abgabenlast auf andere als die dem Abgabenbetrug zu Grunde liegende Weise (nachträglich) zu mindern (US 13 f). Der von der Subsidiaritätsklausel verlangte Zusammenhang mit dem Finanzvergehen liegt demzufolge nicht vor (vgl auch 15 Os 37/18g).

[12]     Aufgrund des aufgezeigten Rechtsfehlers war die angefochtene Entscheidung bereits bei der nichtöffentlichen Beratung wie aus dem Spruch ersichtlich aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

[13]     Mit seiner auf die Schuldsprüche IV bezogenen Nichtigkeitsbeschwerde wird der Angeklagte auf die Aufhebung dieser Schuldsprüche verwiesen.

[14]     Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten im Übrigen kommt – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Berechtigung zu.

[15]           Das Verfahren über den Anklagevorwurf betreffend das Unternehmen P***** GmbH (I) wurde in der Hauptverhandlung ausgeschieden (ON 79 S 35).

[16]           Soweit sich die Verfahrensrüge (Z 4) auf Anträge (ON 74 S 146 f und S 150 sowie ON 79 S 33) bezieht, die dieses Anklagefaktum betreffen (Vernehmung des Steuerberaters der P***** GmbH, Beischaffung von Arbeitsbögen über die Prüfung dieser Gesellschaft und Beischaffung fehlender Seiten einer Berufungsschrift), spricht sie daher keinen für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage entscheidenden Aspekt an.

[17]           Entgegen der darüber hinausgehenden Kritik der Verfahrensrüge wurden durch die Abweisung (ON 79 S 35) der weiteren Beweisanträge des Angeklagten Verteidigungsrechte nicht geschmälert.

[18]           Weshalb Mag. Ko***** als Steuerberater zur inhaltlichen Richtigkeit von Rechnungen hätte Auskunft geben können, war dem Antrag auf Ladung und Vernehmung desselben (ON 79 S 34) nicht zu entnehmen (siehe aber RIS-Justiz RS0118444).

[19]           Die Beurteilung allfälliger „Willkür“ ist von vornherein kein Gegenstand des Zeugenbeweises (RIS-Justiz RS0097573).

[20]           Weshalb Mag. Michael L***** und Norbert W***** Angaben über eine Geschäftstätigkeit der Kommanditgesellschaften in den Jahren 2011 und 2012 tätigen können sollten, war den diesbezüglichen Beweisanträgen (ON 74 S 150 und ON 79 S 33 f) nicht zu entnehmen. Die übrigen von diesen Anträgen genannten Beweisthemen betrafen keinen für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage entscheidenden Aspekt.

[21]     Gleiches gilt für den Antrag, Alexander Kr***** als vormaligen Geschäftsführer der C***** GmbH als Zeugen zu vernehmen, um nachzuweisen, dass zwischen der O***** KG und der C***** GmbH ab Sommer 2011 eine ständige Geschäftsbeziehung bestand (ON 79 S 31).

[22]           Welche Auskünfte dem Angeklagten vor der Gründung der Kommanditgesellschaften in Bezug auf die Möglichkeit der Förderung von Projekten erteilt wurden, ist für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage ebenso wenig von Bedeutung.

[23]           Subjektive Einschätzungen über den Beweggrund des Angeklagten für die Unternehmensgründung sind kein Gegenstand des Zeugenbeweises (siehe erneut RIS-Justiz RS0097573), sodass die dazu beantragte Vernehmung der Kathrin V***** als Zeugin (ON 79 S 32 f) zu Recht unterblieb.

[24]           Das mit Schriftsatz vom 3. März 2020 vorgelegte Urkundenkonvolut wurde vom Gericht nach dem – insoweit nicht beanstandeten – Protokoll über die Hauptverhandlung ohnedies verlesen (ON 79 S 35). Soweit sich die Verfahrensrüge auf diesen Antrag stützt, verfehlt sie somit den gesetzlichen Bezugspunkt der Anfechtung.

[25]           Inwiefern die Verlesung „diverser Urkunden“ für die Klärung schuld- oder subsumtionsrelevanter Tatsachen von Bedeutung sein sollten, blieb bei der betreffenden Antragstellung offen (ON 79 S 36 bis 41).

[26]           Entgegen dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ließ das Erstgericht bei den Feststellungen zur Verwendung einer Scheinrechnung im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer-Verkürzung für den Monat Februar 2011 (III) die Aussage des Zeugen Dr. U***** nicht unberücksichtigt (US 27). Zu einer Auseinandersetzung mit sämtlichen Details dieser Aussage war es mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS-Justiz RS0098778 und RS0106295).

[27]           Dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 12 f) zuwider begegnet deren Ableitung aus dem objektiven Geschehen (US 32 iVm US 8 f, 10 f, 12 ff) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken (RIS-Justiz RS0116882).

[28]           Die Feststellungen zur Fakturierung nicht erbrachter Leistungen erschloss das Erstgericht aus der Nichtentfaltung einer Geschäftstätigkeit (US 17 f), der sanktionslosen Nichtbegleichung der jeweiligen Rechnungen (US 18 f), „schwammigen“ Leistungsbeschreibungen und den Angaben der Mitarbeiter des Finanzamts (US 21 ff). Dem Vorbringen der Mängelrüge zuwider ist die dargelegte Ableitung logisch und empirisch einwandfrei.

[29]     Entgegen der weiteren Kritik ist die Begründung von Konstatierungen mittels Verweises auf bestimmte Aktenteile – wie hier auf konkrete Ordnungsnummern – nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0119301).

[30]     Der Verweis der Mängelrüge und der Rechtsrüge auf das zu jeweils anderen Nichtigkeitsgründen Vorgebrachte entspricht nicht der Strafprozessordnung (RIS-Justiz RS0115902).

[31]           Unter Berücksichtigung der – ohne Verstoß gegen die Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungssätze begründeten (US 18 f) – Feststellungen zur Verwendung von Scheinrechnungen (US 10 ff iVm US 2 f) bezieht sich der Vorwurf der offenbar unzureichenden Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf die Verwendung von „Scheingeschäften“ auf keinen für die Schuldfrage oder die Subsumtionsfrage entscheidenden Aspekt.

[32]     Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst mit Blick auf die Regelung des § 21 UStG 1994 Feststellungen dahingehend, „von welcher Summe der Umsätze der Angeklagte betreffend sämtlicher beteiligter Unternehmen auszugehen gehabt hätte, in welcher Höhe die USt konkret entstanden wäre und in welcher Höhe Vorsteuerbeträge (ungerechtfertigter Weise) geltend gemacht wurden“.

[33]     Aus welchem Grund die konstatierten Verkürzungshandlungen bezüglich der in den jeweiligen Kalendermonaten geschuldeten Umsatzsteuervorauszahlungen (US 11 f, US 22) die Subsumtion nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG nicht tragen sollen, leitet sie aber nicht aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116565).

[34]     Weshalb der in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) zu den Schuldsprüchen II und III vorgenommene ausdrückliche Verweis (US 11 und 12) auf das Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) den Feststellungserfordernissen nicht genügen sollte (dazu RIS-Justiz RS0119090 [T4] und RS0098936 [T15]), macht die Rüge ebenso wenig klar.

[35]           Die Annahme der Verwirklichung des Tatbestands der lit b (anstelle von lit a) des § 39 Abs 1 FinStrG durch das Erstgericht (US 3) ist im Hinblick auf die rechtliche Gleichwertigkeit der Begehungsformen des § 39 Abs 1 FinStrG (RIS-Justiz RS0130666) aus dem Blickwinkel rechtsrichtiger Subsumtion bedeutungslos. Weshalb die Feststellungen zur gezielten und wissentlichen (US 32) Verwendung von „Scheinrechnungen“ (US 11 f und 34), also von falschen Beweismitteln (vgl dazu Lässig in WK2 FinStrG § 39 Rz 5 ff), die Subsumtion nach § 39 Abs 1 FinStrG nicht tragen sollen, erklärt die insoweit einen Rechtsfehler mangels Feststellungen behauptende Beschwerde (Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) nicht (siehe aber RIS-Justiz RS0116565).

[36]           Deren weiterer Einwand, verpönte Tatmittel würden nur dann verwendet, wenn sie der Steuererklärung angefügt oder der Behörde selbst vorgelegt werden, erschöpft sich ebenso in einer bloßen Behauptung (siehe aber erneut RIS-Justiz RS0116565). Hinzugefügt sei, dass der Abgabepflichtige die seiner Abgabenerklärung zu Grunde liegenden Beweismittel nur bereit halten, sie aber erst auf Verlangen der Behörde vorlegen muss (§§ 137 f BAO). Abgabenerklärung und Beweismittel stellen solcherart eine Einheit dar, die der Behörde durch die Erstattung der Erklärung zugänglich gemacht wird, woran der Umstand, dass (aus verfahrensökonomischen Gründen) ein Teil dieser Einheit (vorerst) räumlich beim Abgabepflichtigen verbleibt, nichts ändert (Lässig in WK2 FinStrG § 39 Rz 6).

[37]     Der gegen den Strafausspruch nach dem FinStrG gerichteten Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) zuwider verstößt die aggravierende Wertung der „besonders auffallende[n] hohe[n] kriminelle[n] Energie“ des Angeklagten (US 36) nicht gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 23 Abs 2 erster Satz FinStrG), weil der angeführte Umstand die Strafdrohung des § 39 Abs 1 FinStrG nicht bestimmt (vgl RIS-Justiz RS0130193).

[38]     In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[39]     Mit seiner Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe nach dem StGB war der Angeklagte auf die Kassation des bekämpften Ausspruchs zu verweisen.

[40]     Die Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe nach dem FinStrG kommt dem Oberlandesgericht Wien zu (§ 285i StPO).

[41]     Hinzugefügt sei (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO), dass der Ausspruch über die Strafe nach dem FinStrG an nicht geltend gemachter Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO) leidet, die dem Angeklagten zum Nachteil gereicht:

[42]     Die Wertung der fehlenden Schuldeinsicht des Angeklagten als eine für die Strafbemessung entscheidende Tatsache (US 38) stellt eine im Sinn des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO unrichtige Gesetzesanwendung dar (RIS-Justiz RS0090897 [T1]). Diesem Umstand wird das Oberlandesgericht bei seiner Berufungsentscheidung Rechnung zu tragen haben (RIS-Justiz RS0122140).

[43]           Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E130869

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0130OS00067.20G.0217.000

Im RIS seit

10.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten