TE OGH 2021/2/22 15Os134/20z

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Veröffentlicht am 22.02.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Februar 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen D***** K***** wegen des Verbrechens des schweren räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 131 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 15. September 2020, GZ 40 Hv 148/19t-21, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der Tat (auch) nach § 131 StGB, demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Entscheidung über die gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche gerichtete Berufung obliegt dem Oberlandesgericht Linz.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]       Mit dem angefochtenen Urteil wurde D***** K***** des Verbrechens des schweren räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 131 [gemeint:] erster Fall StGB schuldig erkannt.

[2]       Danach hat er am 18. September 2019 in S***** 7.600 Euro Bargeld L***** S***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, wobei er sie bei seiner Betretung auf frischer Tat dadurch, dass er ihr gegenüber äußerte, sie solle auf die Seite gehen, da es ansonsten eskalieren würde, mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben bedroht hat, um sich die weggenommene Sache zu erhalten.

Rechtliche Beurteilung

[3]       Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5 a und Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der teilweise Berechtigung zukommt.

[4]            Voranzustellen ist, dass Bezugspunkt der Mängelrüge (Z 5) und der Tatsachenrüge (Z 5a) nur entscheidende, also für die Schuld- oder Subsumtionsfrage relevante Tatsachenfeststellungen sein können (RIS-Justiz RS0106268, RS0117499). Kritik an den Feststellungen (US 2 f) zum Erwerb des Fahrzeugs A***** durch den Angeklagten und L***** S*****, zum nachträglichen Abschluss eines Kaufvertrags zwischen den Genannten und zu den zivilrechtlichen Eigentumsverhältnissen am Fahrzeug geht daher von vornherein ins Leere.

[5]            Soweit sich die Tatsachenrüge (Z 5a) gegen die Feststellungen zur Fremdheit des Bargeldbetrags (US 3 f) richtet, weckt sie mit Hinweisen auf Angaben einerseits der Zeugin S***** (ON 15 S 8), wonach das Fahrzeug A***** vom Angeklagten gekauft und danach aus Versicherungsgründen auf sie „überschrieben wurde“, andererseits des Angeklagten (ON 15 S 3), er habe mit S***** nur deshalb einen Kaufvertrag abgeschlossen, „weil das Auto auf sie angemeldet wurde“, keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS-Justiz RS0118780).

[6]       Die weiteren eigenständigen Überlegungen zur zivilrechtlichen Gültigkeit dieses Vertrags und zu den Eigentumsverhältnissen am Fahrzeug werden den Kriterien der Z 5a nicht gerecht (RIS-Justiz RS0119424 [T1]).

[7]       Im Ergebnis zutreffend zeigt die Subsumtionsrüge (Z 10) das Fehlen von Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der dem Schuldspruch zugrundeliegenden Äußerung des Angeklagten auf.

[8]            Der räuberische Diebstahl verlangt unter anderem, dass die zum Erhalt einer weggenommenen Sache eingesetzte (hier relevant:) Bedrohung einer Person mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben erfolgt. Präzisiert wird die Gefahr für Leib und Leben durch den Hinweis auf § 89 StGB, womit klargestellt wird, dass die Ankündigung einer minimalen, im Bagatellbereich liegenden Beeinträchtigung der körperlichen Integrität oder die bloße Drohung mit einer Misshandlung (vgl dazu § 83 Abs 2, § 115 Abs 1 StGB) für die Subsumtion nach § 131 StGB nicht ausreicht (vgl Stricker in WK2 StGB § 131 Rz 35 und 39; s auch [zu § 142 StGB] Eder-Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 32 und RIS-Justiz RS0118696).

[9]            Darüber hinaus muss die Drohung nach einem objektiv-individuellen Maßstab aus Sicht des Opfers ernst gemeint erscheinen, die bedrohte Person muss daher in der Gesamtsituation den Eindruck gewinnen, der Täter könne und wolle das angedrohte Übel unverzüglich verwirklichen (vgl Stricker in WK2 StGB § 131 Rz 38 und [zu § 142 StGB] Eder-Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 28; zum objektiv-individuellen Maßstab s auch RIS-Justiz RS0092255, RS0092538, RS0092753, RS0092160, RS0092568).

[10]           Im vorliegenden Fall stellte das Erstgericht (unter anderem) fest (US 4), dass der Angeklagte „sinngemäß“ die Worte „Geh auf die Seite, sonst eskaliert es“ äußerte und ihm klar war, dass das Opfer „seine Aussage als Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben auffassen und aus dem Weg gehen werde“. Da der Angeklagte in der Vergangenheit bereits mehrmals gegen das Opfer gewalttätig geworden sei, weswegen Betretungsverbote gegen ihn verhängt worden wären, sei das Opfer der Aufforderung des Angeklagten nachgekommen, weil es „befürchtete, dass er erneut handgreiflich werde“.

[11]           Durch die bloße Wiedergabe des Wortlauts der Ankündigung und die Verwendung der verba legalia sowie des Begriffs „handgreiflich“ ist den Feststellungen nicht mit Bestimmtheit zu entnehmen, welches konkrete Übel der Angeklagte dem Opfer angekündigt hat. Damit kann aber nicht beurteilt werden, ob die gegenständliche Äußerung die rechtliche Annahme des Vorliegens einer den Kriterien des § 131 StGB entsprechenden Drohung trägt.

[12]     Der aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen erforderte die Aufhebung der rechtlichen Unterstellung der Tat (auch) nach § 131 StGB bereits bei nichtöffentlicher Beratung und ist mit dem Auftrag zur Verfahrenserneuerung verbunden (§§ 285e, 288 Abs 2 Z 3 StPO).

[13]     Mit seiner gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

[14]     Über die gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche gerichtete Berufung wird das Oberlandesgericht Linz zu entscheiden haben.

[15]     Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E130874

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0150OS00134.20Z.0222.000

Im RIS seit

10.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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