TE OGH 2021/2/25 12Os3/21i

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Veröffentlicht am 25.02.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Februar 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in der Strafsache gegen Jürgen H***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 1 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Jürgen H***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Jugendschöffengericht vom 28. September 2020, GZ 36 Hv 50/20g-56, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch A./I./ und A./II./ erfassten Tat des Angeklagten Jürgen H***** unter § 28a Abs 2 Z 1 SMG, demzufolge auch im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie im Einziehungserkenntnis betreffend 2.196,9 Gramm GBL (Standblatt Nummer 546/20, Pos 6), 59 Kapseln „Andriol Testocaps“ (Standblatt Nummer 546/20, Pos 12), 17 Tabletten „Epherit 50 mg“ (Standblatt Nummer 546/20, Pos 13), 1 Tablette „Kamagra 100 mg“ (Standblatt Nummer 546/20, Pos 14) und 1 Packung „Oral Jelly Kamagra 100 mg“ (Standblatt Nummer 546/20, Pos 15) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]       Mit dem angefochtenen – rechtskräftige Schuldsprüche eines Mitangeklagten enthaltenden – Urteil wurde Jürgen H***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 1 SMG (A./I./ und A./II./), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster Satz zweiter Fall SMG (B./) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG (C./I./) schuldig erkannt.

[2]       Danach hat er – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – in N***** und an anderen Orten Österreichs vorschriftswidrig Suchtgift

A./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge in vielfachen Angriffen teils unentgeltlich, überwiegend jedoch durch gewinnbringenden oder für den gewinnbringenden Weiterverkauf anderen überlassen, und zwar

I./ im Zeitraum von etwa Mitte März 2020 bis Ende März 2020/Anfang April 2020 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten Fabian W***** insgesamt 1.000 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend insgesamt zumindest 111,84 Gramm reines THCA [2,8-fache Grenzmenge] und 8,5 Gramm reines Delta-9-THC [0,4-fache Grenzmenge]) an namentlich bezeichnete und unbekannte Abnehmer;

II./1./ im Anschluss an den unter Punkt A./I./ angeführten Zeitraum, nämlich ab Ende März 2020/Anfang April 2020 bis 27. Mai 2020 an Fabian W***** für den überwiegend gewinnbringenden Weiterverkauf an bekannte, im Urteil angeführte und an unbekannte Suchtgiftabnehmer auf Kommissionsbasis, und zwar

a./ 1.600 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend zumindest 178,944 Gramm THCA [4,5-fache Grenzmenge] und 13,6 Gramm reines Delta-9-THC [0,7-fache Grenzmenge]),

b./ eine geringe Menge cocainhältiges Kokain,

c./ 50 Ecstasy-Tabletten (beinhaltend insgesamt zumindest 1,25 Gramm reines MDMA [0,04-fache Grenzmenge]) und

d./ 30 Gramm Speed (beinhaltend insgesamt zumindest 3,102 Gramm reines Amphetamin [0,3-fache Grenzmenge]);

2./ im Zeitraum von 26. Februar 2020 bis 28. Mai 2020 über die unter Punkt A./I./ und A./II./1./ angeführten Mengen hinaus an unbekannte Abnehmer weitere

a./ 500 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend insgesamt zumindest 55,92 Gramm reines THCA [1,4-fache Grenzmenge] und 4,25 Gramm reines Delta-9-THC [0,2-fache Grenzmenge]),

b./ 150 Gramm Speed (beinhaltend insgesamt zumindest 15,51 Gramm reines Amphetamin [1,6-fache Grenzmenge]),

c./ 20 Gramm Crystal Meth (beinhaltend insgesamt zumindest 14,15 Gramm reines Methamphetamin [1,4-fache Grenzmenge]) und

d./ 5 Gramm Kokain (beinhaltend insgesamt zumindest 0,5 Gramm reines Cocain [0,3-fache Grenzmenge]),

wobei er die Straftat nach § 28a Abs 1 SMG gewerbsmäßig beging (§ 70 Abs 1 Z 3 zweiter Fall, Abs 2 und Abs 3 StGB) und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG, nämlich zuletzt mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 9. April 2019, AZ 61 Hv 30/19f, verurteilt worden ist;

B./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar am 28. Mai 2020 65,9 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend insgesamt 8,04 Gramm reines THCA [0,2-fache Grenzmenge] und 0,61 Gramm reines Delta-9-THC [0,03-fache Grenzmenge]), 62,7 Gramm Speed (beinhaltend insgesamt 4,95 Gramm reines Amphetamin [0,5-fache Grenzmenge]), 35,2 Gramm Crystal Meth (beinhaltend insgesamt 18,48 Gramm reines Methamphetamin [1,8-fache Grenzmenge]), 15 Milliliter diacepamhältige Psychopax-Tropfen und 0,3 Gramm Heroin;

C./1./ über das unter Punkt A./ und B./ Beschriebene hinaus in nicht mehr festzustellenden Mengen erworben und besessen und zwar im Zeitraum von 26. Februar 2020 bis 28. Mai 2020 Cannabiskraut, Speed, Crystal Meth und Kokain, wobei dies ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erfolgte.

Rechtliche Beurteilung

[3]       Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Jürgen H*****, der keine Berechtigung zukommt.

[4]       Wesen und Ziel der Tatsachenrüge (Z 5a) ist es anhand aktenkundiger Beweisergebnisse erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen aufzuzeigen. Einwendungen ausschließlich gegen die Beweiswerterwägungen der Tatrichter können erhebliche Bedenken von vornherein nicht hervorrufen, weil Beweiswürdigungskritik nach Art einer Schuldberufung im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen ist (RIS-Justiz RS0119583).

[5]            Mit der Behauptung, der Mitangeklagte Fabian W***** sei aufgrund wechselnder Verantwortung – den anderslautenden Erwägungen der Tatrichter zuwider US 22 f) – unglaubwürdig, zielt die Beschwerde außerhalb dieses Anfechtungsrahmens auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung des Erstgerichts ab.

[6]            Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[7]            Aus deren Anlass überzeugte sich jedoch der Oberste Gerichtshof davon (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass das angefochtene Urteil einen dem Angeklagten Jürgen H***** zum Nachteil gereichenden Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) in Bezug auf die Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung (§ 28a Abs 2 Z 1 SMG [Schuldspruch A./I./ und A./II./]) enthält. Denn diese Qualifikation verlangt (ua) die Absicht des Täters, sich durch die wiederkehrende Begehung von (nicht „Suchtmittelverkäufen“ schlechthin [vgl US 20], sondern) Taten nach § 28a Abs 1 SMG längere Zeit hindurch ein den Voraussetzungen des § 70 Abs 2 StGB entsprechendes Einkommen zu verschaffen, die (mit Blick auf die Entscheidung des verstärkten Senats 12 Os 21/17f) jeweils für sich allein in Bezug auf eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Suchtgiftquantität begangen werden (12 Os 66/20b, 15 Os 47/18b, 12 Os 125/18a). Eine derartige Intention des Angeklagten bringen die tatrichterlichen Feststellungen jedoch nicht zum Ausdruck (US 20: „wiederkehrende Begehung von Suchtmittelverkäufen in einer die Grenzmenge insgesamt übersteigenden Menge“).

[8]            Zudem ist auch das (durch den Verweis auf die Standblätter gerade noch hinreichend konkretisierte) Einziehungserkenntnis in Ansehung von 2.196,9 Gramm GBL, 59 Kapseln „Andriol Testocaps“, 17 Tabletten „Epherit 50 mg“, 1 Tablette „Kamagra 100 mg“ und 1 Packung „Oral Jelly Kamagra 100 mg“ mit nicht geltend gemachter, dem Angeklagten Jürgen H***** zum Nachteil gereichender und deshalb ebenfalls von Amts wegen wahrzunehmender Nichtigkeit (§§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) behaftet.

[9]            Unter Suchtmittel iSd § 34 Abs 1 SMG sind Suchtgifte (§ 2 SMG) und psychotrope Stoffe (§ 3 SMG) zu verstehen (§ 1 Abs 2 SMG), sodass deren Einziehung Sachverhaltsannahmen zu ihrer eine Einordnung unter eine dieser beiden Kategorien ermöglichenden Beschaffenheit erfordert (vgl RIS-Justiz RS0114428, RS0128204). Außerdem ist die Einziehung nach § 34 Abs 1 SMG nur dann zulässig, wenn das Suchtmittel mit einer (etwa in dessen Besitz bestehenden [Hinterhofer in Hinterhofer SMG² § 34 Rz 14]) Anlasstat nach dem SMG in Verbindung steht (vgl RIS-Justiz RS0088115 [T3]; Hinterhofer in Hinterhofer SMG² § 34 Rz 13 ff; siehe auch Ratz in WK² StGB § 26 Rz 3 ff). Die Urteilspassage, wonach das sichergestellte Suchtgift einzuziehen war, weil bereits der Besitz von Suchtgift mit Strafe bedroht ist (US 31), weist keinen erkennbaren Bezug zu Gamma-Butyrolacton (GBL [siehe Anhang IV, Punkt IV.1. aE der Suchtgiftverordnung]) oder zu den genannten Tabletten, Kapseln und Tropfen auf, sodass dem Ersturteil die für die Einziehung erforderliche Tatsachengrundlage nicht entnommen werden kann.

[10]     Diese Rechtsfehler führten zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

[11]           Die Kostenersatzpflicht, welche die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E130866

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00003.21I.0225.000

Im RIS seit

10.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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