TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/14 W140 2227065-7

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Veröffentlicht am 14.08.2020
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Entscheidungsdatum

14.08.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch

W140 2227065-7/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. HÖLLER als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl: XXXX , über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, in Schubhaft zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.07.2020, W140 2227065-6/3E, wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Das Bundesverwaltungsgericht führte u. a. Folgendes aus:
„Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.06.2020, W171 2227065-5/3E, wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Das Bundesverwaltungsgericht führte u. a. Folgendes aus:

„I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste im Jahr 2005 mit seinen Eltern in das Bundesgebiet ein. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge auch als BFA oder Behörde bezeichnet) vom 25.01.2018 wurde dem Beschwerdeführer der 2009 verliehene Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt und mit einer Rückkehrentscheidung in den Herkunftsstaat verbunden. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts mit Beschluss vom 04.05.2018 als verspätet zurückgewiesen.

2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 14.02.2018 wurde der (bereits vorbestrafte) Beschwerdeführer gemäß §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 1. Fall StGB, §§ 15, 83 Abs. 1 StGB sowie § 50 Abs. 1 Z 3 WaffG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten rechtskräftig verurteilt. Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 02.05.2018 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 50 Abs. 1 Z 3 WaffG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Wochen rechtskräftig verurteilt.

3. Mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamtes vom 07.03.2018 wurde dem BF gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 Z 1 FPG sein Konventionsreisepass entzogen und ihm aufgetragen, das Dokument gemäß § 93 Abs. 2 FPG unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen. Am 10.09.2018 wurde dem Beschwerdeführer während seiner Anhaltung in Strafhaft der Konventionsreisepass abgenommen.

4. Während sich der Beschwerdeführer in Strafhaft befand, wurde vom BFA bei der Vertretungsbehörde der Russischen Föderation ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer eingeleitet. Zu diesem Zweck wurde der Beschwerdeführer am 14.11.2018 während seiner Anhaltung in Strafhaft vom BFA niederschriftlich einvernommen. Er verweigerte jedoch die Beantwortung der an ihn gestellten Fragen, sodass die Einvernahme ergebnislos abgebrochen werden musste.

5. Am 03.06.2019 kehrte der Beschwerdeführer von einem Haftausgang nicht mehr in die Justizanstalt zurück und wurde daraufhin zur Fahndung ausgeschrieben. Nach seiner erneuten Festnahme befand sich der Beschwerdeführer bis 06.12.2019 in Strafhaft.

6. Am 11.11.2019 richtete das Bundesamt im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates ein Schreiben an die Vertretungsbehörde der Russischen Föderation zwecks Vorführung des Beschwerdeführers zur Identitätsfeststellung.

7. Mit Bescheid vom 26.11.2019 ordnete das Bundesamt gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an. Dieser Bescheid wurde nach der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft am 06.12.2019 in Vollzug gesetzt und der Beschwerdeführer wird seither in Schubhaft angehalten. Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Schubhaftbescheid vom 26.11.2019 erhobene Beschwerde wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.01.2020 als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen.

Begründend wurde dabei insbesondere auf das Entziehen aus der Strafhaft (im Zuge eines Freiganges) und das besondere Interesse des Staates an der Sicherstellung einer Überstellung verwiesen.

8. Am 26.03.2020 legte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vor. Mit Erkenntnis vom 31.03.2020 erkannte das Bundesverwaltungsgericht, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig war. Begründend wurde insbesondere auf die fehlende Kooperationsbereitschaft sowie die fehlende Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers verwiesen. Von der Erlangung eines Heimreisezertifikats (HRZ) und der Überstellung im Rahmen der zulässigen Anhaltedauer in Schubhaft sei auszugehen gewesen.

9. Am 27.04.2020 legte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG neuerlich zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vor. Mit Erkenntnis vom 28.04.2020 sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig war. Am entscheidungsrelevanten Sachverhalt habe sich nichts geändert; die Haftfähigkeit sei durch ein amtsärztliches Schreiben vom 28.04.2020 ausdrücklich bestätigt.

10. In weiterer Folge legte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG neuerlich zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vor. Mit Erkenntnis vom 26.05.2020 sprach das Bundesverwaltungsgericht abermals aus, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig war.

11. Das Bundesamt legte am 15.06.2020 erneut die Akten zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung vor und legte dar, dass insbesondere das Vorverhalten des Beschwerdeführers und die fehlende Kooperationswilligkeit (auch seiner Familienangehörigen) des BF eine weitere Anhaltung des BF erfordern würden. Zwischenzeitlich sei der Vater des Beschwerdeführers von den russischen Behörden identifiziert worden. Dieser sei jedoch mittlerweile untergetaucht, sodass eine Identifizierung des BF durch seinen Vater aktuell nicht möglich sei. Der Vater sei allerdings zur Festnahme ausgeschrieben und selbst bereits als russischer Staatsangehöriger identifiziert. Es sei daher die Chance auf eine Identifizierung des BF weiter gestiegen. Zudem habe man neuerlich bei der Botschaft urgiert. Der Beschwerdeführer sei wegen gesundheitlicher Beschwerden am 09.06.2020 im Spital untersucht worden, lehnte jedoch eine konkrete Abklärung der Ursachen seiner Beschwerden trotz eingehender ärztlicher Beratung aufgrund der Empfehlung seines Rechtsvertreters ab. Eine Haftunfähigkeit sei jedoch nach der Sanitätsstelle des PAZ nicht gegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Es besteht gegen den BF eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme, die mit einem auf 10 Jahre befristeten Einreiseverbot verbunden ist. Seit der Entlassung aus der jüngsten Strafhaft am 06.12.2019 befindet sich der Beschwerdeführer in Schubhaft.

1.2. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich seit 2013 sechsmal – vorrangig wegen Gewalt- und Vermögensdelikten – zu weitestgehend unbedingten Freiheitsstrafen von knapp 70 Monaten, umgerechnet fast 6 Jahren verurteilt. Er wurde in dieser Zeit – bis zum Vollzug der Schubhaft – auch praktisch durchgehend in Justizanstalten angehalten. Einen genehmigten Freigang nutzte er, um sich der Strafhaft zu entziehen.

1.3. Er ist im Zusammenhang mit der Organisation seiner Abschiebung in keiner Form kooperativ und in besonderem Maße vertrauensunwürdig. Mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikats und der Abschiebung ist jedenfalls im Verlauf der rechtlich zulässigen Anhaltedauer zu rechnen.

Der BF achtet die österreichische Rechtsordnung insgesamt nicht. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten um einer Abschiebung zu entgehen.

1.4. In Österreich leben die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers. Er ging jedenfalls in den letzten sechs Jahren keiner legalen Beschäftigung (außerhalb der Strukturen der Justizanstalten) nach. Er konnte seit 2014 soziale Kontakte außerhalb der Justizanstalten nur in sehr reduziertem Maße pflegen, verfügt jedoch über einen gesicherten Wohnsitz im Bundesgebiet.

1.5. Der Beschwerdeführer litt an einer Pilzpneumonie (Lungenentzündung); ein Zusammenhang mit CoVid-19 besteht nicht. Er wurde am 09.06.2020 zu einer Untersuchung in ein Krankenhaus gebracht, weigerte sich dort jedoch nach eingehender Aufklärung durch die Ärzte, eine genaue Abklärung seiner Beschwerden durchführen zu lassen. Eine diesbezügliche Haftunfähigkeit besteht jedoch nicht. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer ist realistischerweise möglich. Diese verzögert sich vorrangig, da der BF nicht mit den Behörden zusammenarbeitet. Nach Ausstellung eines Heimreisezertifikats kann eine zeitnahe Abschiebung des BF erfolgen.

Eine Änderung der entscheidungswesentlichen Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit 03.01.2020 hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren, aus den Gerichts- und Verwaltungsakten zu seinen Asylverfahren und den bisherigen Schubhaftprüfungen. Dies gilt insbesondere für die abgeschlossenen asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren des Beschwerdeführers, deren Status unstrittig ist. Die jüngste (mit einem Einreiseverbot verbundene) Rückkehrentscheidung wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.05.2018 rechtskräftig. Diese Entscheidung wurde vor den Höchstgerichten nicht in Beschwerde/Revision gezogen.

Die Feststellungen bezüglich der Anhaltungen ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere aus einer rezenten ZMR-Abfrage. Die aufrechte Hauptwohnsitzmeldung im familiären Umfeld ändert nichts an der faktischen (fast durchgehenden) Anhaltung in Strafhaft.

2.2. Aus der Einsichtnahme in das Strafregister ergeben sich die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers, die im Übrigen auch nicht bestritten werden. Unstrittig ist auch, dass sich der Beschwerdeführer bei einem Freigang im Rahmen der Strafhaft dieser entzogen hat um eine Abschiebung in die Russische Föderation zu verhindern. Dies hat er in der mündlichen Beschwerdeverhandlung im ersten Schubhaftprüfungsverfahren ausdrücklich zu Protokoll gegeben.

2.3. Dass der Beschwerdeführer nicht bereit ist freiwillig in den Herkunftsstaat zurückzukehren oder am Verfahren zu seiner Abschiebung mitzuwirken, hat er selbst angegeben; dies ergibt sich auch aus der Aktenlage. Die in besonderem Maße fehlende Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus seiner Straffälligkeit, der zunächst erfolgreichen Flucht aus der Strafhaft (im Zuge eines Freigangs) und dem Verhalten in den bisherigen Verfahren.

Seit Anordnung der Schubhaft (und dem Schubhaftbeschwerdeverfahren) hat sich der Vater des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit seiner eigenen Rückkehr in die Russische Föderation kooperativ gezeigt. Nunmehr hat er gegen ein über ihn verhängtes gelinderes Mittel verstoßen und ist untergetaucht. Dadurch – insbesondere die schriftliche Bestätigung seiner Vaterschaft am 06.02.2020 – hat sich jedoch die Wahrscheinlichkeit einer HRZ-Ausstellung für den Beschwerdeführer weiter erhöht. Die Gesamtdauer dieses Vorganges hängt aber wesentlich von der Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers selbst im Verfahren ab.

Die grundlegende Missachtung der österreichischen Rechtsordnung durch den Beschwerdeführer ergibt sich aus seinem Verhalten seit 2013. Er hat schon kurz nach Erreichen der Strafmündigkeit derart schwere Straftaten begangen, dass er sich ab dem 16. Lebensjahr fast durchgehend in Strafhaft befunden hat – darunter eine unbedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten 2014 und von 21 Monaten 2015; dies jeweils unter Anwendung des reduzierten (!) Strafrahmens im Jugendstrafrecht. Angesichts dieses Vorverhaltens und der vorübergehenden Flucht aus der Strafhaft im Juni 2019 sowie der weiterhin demonstrierten Kooperationsunwilligkeit besteht keinerlei Zweifel darüber, dass sich der Beschwerdeführer im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft dem behördlichen Zugriff umgehend (erneut) entziehen würde.

2.4. Die Feststellungen zum gesicherten Wohnsitz und den familiären Anknüpfungspunkten im Bundesgebiet ergeben sich aus der Aktenlage und werden auch vom Bundesamt nicht bestritten. Die Feststellungen zur fehlenden legalen Beschäftigung und der deutlichen Reduktion sozialer Kontakte während der letzten 6 Jahre ergeben sich aus der unstrittigen, fast durchgehenden Anhaltung in Justizanstalten und Polizeianhaltezentren.

2.5. Aus der Aktenlage ergeben sich weiterhin keine Hinweise auf derart gravierende gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers, die zu einer Haftunfähigkeit führen könnten. Er wurde nach einer Untersuchung im Krankenhaus wieder in die Schubaft überstellt, unterliegt einer engmaschigen ärztlichen Kontrolle im PAZ und ist nach den Angaben in der Stellungnahme des BFA im Rahmen der Aktenvorlage vom 15.06.2020 weiterhin haftfähig. Die gegenwärtige Anhaltung in Schubhaft besteht erst seit knapp mehr als sechs Monaten, schöpfte also nur ein Drittel des gesetzlichen Rahmens aus. Es ist daher nach wie vor realistisch, dass die Erlangung eines Heimreisezertifikats und eine Abschiebung – ungeachtet der fehlenden Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers – während der gesetzlich zulässigen Anhaltedauer möglich ist.

Für eine Änderung der entscheidungsrelevanten Umstände seit dem Beschwerdeverfahren gibt es – im Zusammenhang mit einem Wegfall der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung - keinen Hinweis. Vielmehr hat sich durch die nunmehr (zumindest teilweise) gegebene Kooperationsbereitschaft des Vaters die Chance auf eine Beschleunigung der HRZ-Ausstellung erhöht. Die Tatsache des Untertauchens des Vaters (dieser hatte sich zuletzt einem gelinderen Mittel entzogen) zeigt einmal mehr, dass im vorliegendem Fall familiärer Konsens darüber bestehen dürfte, eine rechtmäßige Abschiebung des BF mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu torpedieren.

3. Rechtliche Beurteilung (…)

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 2 - immer noch - vor, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete, haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Insbesondere hat der Beschwerdeführer das Kriterium der Ziffer 1 des § 76 Abs. 3 FPG durch die Verweigerung jeder Kooperation im Zusammenhang mit der Umsetzung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung erfüllt.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann trotz des gesicherten Wohnsitzes und der familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts (in besonderem Umfang) fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit – siehe dazu das aktenkundige und unstrittige Vorverhalten des Beschwerdeführers, insbesondere die einschlägig motivierte Flucht aus der Strafhaft – kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht. Die mangelnde Wertschätzung des Beschwerdeführers gegenüber der österreichischen Rechtsordnung ist ein weiteres klares Indiz dafür, dass die Anordnung des gelinderen Mittels zur Erfüllung des Sicherungszweckes nicht einmal im Ansatz geeignet ist. Darüber hinaus zeigt das Untertauchen des Vaters des BF eindrucksvoll, dass das wohl bestehende familiäre Netz ganz offenbar nicht ausreichend in der Lage ist, Familienmitglieder vom Untertauchen abzuhalten. Damit liegt die zur Anhaltung in Schubhaft erforderliche ultima-ratio-Situation unverändert vor.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin.

Die mit der Erlangung eines Heimreisezertifikats verbundene Dauer der Anhaltung in Schubhaft hat der Beschwerdeführer durch seine mangelnde Kooperation im Wesentlichen selbst zu verantworten. Verzögerungen, die in die Sphäre des Bundesamtes fallen würden, sind im laufenden Prüfverfahren nicht ans Tageslicht gekommen. Es wird auch laufend bei der Botschaft urgiert.

Die (zum Entscheidungszeitpunkt) voraussichtliche Dauer der Anhaltung ergibt sich aus den oben angeführten Umständen und steht nach Ansicht des Gerichts im Wesentlichen nicht im Zusammenhang mit den gegenwärtigen Restriktionen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie. Diese bewirken im gegenständlichen Fall (derzeit) keine längere Anhaltedauer des Beschwerdeführers in Schubhaft.

Überdies kann gegenwärtig keine erhöhte Infektionsgefahr hinsichtlich Covid-19 während der laufenden Anhaltung in Schubhaft festgestellt werden. Substanzielle gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers - abseits der bisherigen medikamentösen Behandlung - sind im Übrigen nicht aktenkundig. Das Gericht geht diesbezüglich davon aus, dass aufgrund der im Rahmen der Schubhaft durchgeführten regelmäßigen ärztlichen Kontrollen, der weitere Verbleib des BF in Schubhaft nicht zu einer Erhöhung eines allenfalls bestehenden Gesundheitsrisikos für den BF führen wird.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft weiterhin gegeben ist. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen. (…)“

Die Verwaltungsbehörde übermittelte am 15.07.2020 zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verwaltungsakten womit "die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt".(…)

Das Bundesverwaltungsgericht hat von Amts wegen erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die zitierten Entscheidungsgründe des Vorerkenntnisses werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage angeführten Ausführungen u. a. betreffend Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates.

Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor.(…)

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere dem zitierten Vorerkenntnis sowie dem Befund und Gutachten des Amtsarztes vom 20.07.2020. Auch die Feststellungen des Vorerkenntnisses werden der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

Im Besonderen ist hervorzuheben, dass die Behörde dargetan hat, dass sie sich im vorliegenden Fall um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) bemüht und nach den Erfahrungswerten davon auszugehen ist, dass ein solches auch von der Russischen Botschaft erlangt werden kann. Ein HRZ-Verfahren mit der Russischen Botschaft ist im Laufen. Der Vater des BF wurde laut Auskunft des Vereins Menschenrechte Österreich (VMÖ) in der Zwischenzeit von den russischen Behörden identifiziert und die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugesagt. Die russische Staatsbürgerschaft des BF wurde in der Zwischenzeit bestätigt, jedoch nicht seine Identität. Am 13.07.2020 wurde eine Einzelurgenz - den BF betreffend - an die Russische Botschaft übermittelt.

3. Rechtliche Beurteilung (…)

Aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1 und Z 3 FPG liegt weiterhin Fluchtgefahr vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben.(…)

Der Beschwerdeführer hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund - dass sich die Behörde um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht / am 13.07.2020 wurde erneut eine Einzelurgenz an die Russische Botschaft übermittelt - auch verhältnismäßig.(…)

Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch die Anordnung gelinderer Mittel aus.(…)

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.“

Die Verwaltungsbehörde übermittelte am 10.08.2020 zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verwaltungsakten womit "die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt".

Mit E-Mail vom 10.08.2020 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) folgende Stellungnahme:

„(…)Über den im Betreff genannten Fremden wurde mit Bescheid vom 26.11.2019 gemäß § 76 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Die Anhaltung in Schubhaft erfolgt seit 06.12.2019 (Entlassung aus der Strafhaft).

Betreffend die Gründe ist auf den Schubhaftbescheid zur oa. IFA-Zahl zu verweisen, die während der Schubhaft keine Änderung erfahren haben.

Gegenständlich soll der Fremde länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden. Nach § 22a Abs. 4 BFA-VG ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde (06.04.2020), und danach alle vier Wochen, vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakte so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakte gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht.

Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist.

Die Partei hat

- die Ausreiseverpflichtung missachtet

- nicht oder mangelhaft bei der Identitätsprüfung mitgewirkt

- nicht oder mangelhaft bei der Beschaffung eines Ersatzreisedokumentes mitgewirkt

- keine soziale Integration

- keine berufliche Integration

- keine familiäre Integration

- kein gesichertes Einkommen

Der gesamte Akt wurde im Zuge einer Schubhaftbeschwerde erstmals am 02.01.2020 an das BVwG übermittelt.

Durch das BVwG wurde mit Zahl W112 2227065-1/12Z durch mündliche Verkündigung vom 06.01.2020 die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft bestätigt.


Bisheriger Verfahrensgang:

Für die Partei wurde durch die gesetzliche Vertreterin am 23.09.2005 ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht.

Mit Bescheid vom 02.04.2009 wurde dem Antrag stattgegeben und der Partei Asyl gewährt.

Die Partei wurden nach Asylgewährung im Bundesgebiet mehrmals straffällig und wurden bisher sechsmal rechtskräftig strafrechtlich verurteilt.

Am 23.11.2017 wurde ein Aberkennungsverfahren zu dem der Partei erteilten Status des Asylberechtigten eingeleitet.

Der Partei wurde mit Bescheid vom 25.01.2018 der am 02.04.2009 zuerkannte Status des Asylberechtigten aberkannt.

Gleichzeitig mit dieser Entscheidung wurde gegen die Partei eine Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot in der Dauer von 10 Jahren erlassen.

Der Partei wurde eine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt.

Die Partei legte gegen diese Entscheidung zwar Beschwerde ein, jedoch wurde diese Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.05.2018 als verspätet eingebracht zurückgewiesen.

Die Entscheidung erwuchs am 01.03.2018 in I. Instanz Rechtskraft.

Es wurde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bei den Behörden der russischen Föderation eingeleitet.

Die Partei befindet sich daher nicht rechtmäßig im Bundesgebiet und ist daher zur Ausreise verpflichtet.

Die Partei wurde während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet sechsmal straffällig und rechtskräftig verurteilt, wobei bei fünf Verurteilungen nur mit der Verhängung einer unbedingten Verhängung einer Freiheitsstrafe das Auslangen gefunden werden konnte.

Vorliegenden Vorstrafen:

1) LG XXXX XXXX vom 19.06.2013 RK 19.06.2013, § 127 129 Z 1 § 15 StGB § 125 StGB Datum der (letzten) Tat 03.04.2013 Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre, Jugendstraftat

02) LG XXXX XXXX vom 02.04.2014 RK 02.04.2014 § 83 (1) StGB § 218 (1) Z 1 StGB § 142 (1) StGB § 15 StGB § 105 (1) StGB § 107 (1,2) StGB § 107 (1) StGB § 88 (4) 1. Fall StGB § 15 StGB § 269 (1) 1. Fall StGB Datum der (letzten) Tat 31.01.2014 Freiheitsstrafe 18 Monate Jugendstraftat

03) LG XXXX XXXX vom 26.06.2015 RK 30.06.2015 § 127 StGB

§ 142 (1) StGB § 15 StGB § 105 (1) StGB § 83 (1) StGB Datum der (letzten) Tat 27.04.2015 Freiheitsstrafe 21 Monate Jugendstraftat

04) LG XXXX XXXX vom 21.11.2016 RK 21.11.2016 § 107(1)StGB § 269 (1) StGB Datum der (letzten) Tat 01.07.2016 Freiheitsstrafe 9 Monate Jugendstraftat

05) LG XXXX XXXX vom 14.02.2018 RK 19.02.2018 §§ 105 (1), 106 (1) Z 1 1. Fall StGB § 15 StGB § 83 (1) StGB § 50 (1) Z 3 WaffG Datum der (letzten) Tat 20.12.2017 Freiheitsstrafe 18 Monate Junge(r) Erwachsene(r)

06) BG XXXX vom 02.05.2018 RK 07.05.2018 § 50 (1) Z 3 WaffG Datum der (letzten) Tat 08.11.2017 Freiheitsstrafe 7 Wochen Junge(r) Erwachsene(r)

Die Partei befand sich im Jahr 2015 in der JA- XXXX in Haft. Die Partei ist am 25.04.2015 aus dieser Justizanstalt ausgebrochen, wurden wieder festgenommen und in die JA- XXXX verbracht. Anschließend verbüßte die Partei die restliche Haftstrafe in der JA- XXXX bzw. in der JA- XXXX .

Die Partei befand sich im Jahr 2019 in der der JA- XXXX in Strafhaft und trat einen bewilligten Ausgang an, kehrte jedoch am 03.06.2019 von diesem Ausgang nicht mehr in die JA- XXXX zurück und entzog sich so der Strafhaft.

Nach der neuerlichen Festnahme wurde die Partei in die JA- XXXX eingeliefert und zur weiteren Verbüßung der Strafhaft wieder in die JA- XXXX überstellt. Die Partei verblieb bis zur Ihrer Entlassung in der Justizanstalt XXXX .

Nach der Entlassung aus der JA XXXX wurden die Partei in Schubhaft genommen und in das Polizeianhaltezentrum XXXX überstellt.

Eine aktuelle und gegenwärtige Gefährdung, sowie die Fluchtgefahr wurden bereits im Bescheid über die gegenständliche Schubhaft dargelegt und durch die II. Instanz bestätigt.

Während der Schubhaftdauer wurden die vorgeschriebenen Schubhaftprüfungen gem. § 80 FPG durchgeführt.

Familiäre Verhältnisse des Fremden im Bundesgebiet: Vater (illegal im Bundesgebiet): (…) Bruder (illegal im Bundesgebiet): (…) Mutter: (…) Bruder: (…) Bruder: (…) Schwester: (…) Schwester: (…)

Verfahrensgang seit Bestätigung der Schubhaft durch das BVwG:

Am 03.02.2020 langte ein mit 01.02.2020 datierter Wunschzettel der Partei mit der Bitte um ein dringendes Gespräch mit dem Referenten ein.

Der verfahrensführende Referent nahm am 07.02.2020 telefonisch mit der Partei auf. Die Partei spricht gut deutsch.

Die Partei wollte wissen wann er entlassen werde. Der verfahrensführende Referent legte den Sachverhalt nochmals dar und erklärte der Partei, dass er derzeit nicht entlassen werde. Daraufhin erklärte die Partei, dass sowieso kein Dokument für ihn ausgestellt werden wird.

Im Zuge dieses Gespräches wurde der Partei nochmal die freiwillige Rückkehr in das Heimatland angeboten. Durch eine freiwillige Ausreise würde die Partei bald aus der Schubhaft kommen. Die Partei gab an, dass er nicht freiwillig ausreisen will.(…)

Erlangung Heimreisezertifikat:

Es wurde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates eingeleitet.

Durch die ha. Behörde wurde ein Schriftstück angefertigt, in welchem der Vater der Partei, Herr XXXX , bestätigt, dass er der Vater der og. Partei ist.(…)

Der Vater der Partei bestätigte am 06.02.2020 mit seiner Unterschrift, dass er der Vater der og. Partei ist. Durch das BFA wurde ein Ersuchen an die russischen Behörden gestellt um einen Vorführtermin bei der Konsularabteilung der Botschaft der russischen Föderation zu erlangen.

Dieser Termin zur Vorführung wurde von der russischen Botschaft für den 27.02.2020 festgelegt. Zu diesem Termin wurde auch der Vater der Partei geladen um dort seinen Sohn zu identifizieren.

Die Partei wurde zeitgerecht am 27.02.2020 zu diesem Delegationstermin vorgeführt.

Leider verweigerte die Partei die Beantwortung der Fragen der Botschaft und hat somit nichts zu seiner Identifizierung beigetragen. Zudem behauptete er nicht russisch zu sprechen oder zu verstehen. Die Partei sprach nur Deutsch. Das Interview wurde daraufhin abgebrochen.

Die vom Vater unterfertigte Bestätigung zur Identifikation des Sohnes wurde an die Botschaft übergeben, welche es an den russischen Migrationsdienst weitergeleitet hat.

Hätte die Partei an der Identifizierung seiner Person mitgewirkt, könnte die Ausstellung eines Heimreisezertfikates schneller vonstattengehen, da die russischen Behörden über mehr Informationen zu dem in der russischen Föderation laufenden Verfahren zur Identifikation des Og. verfügen würden.

Mit der Nichtmitwirkung stellt die Partei eindrücklich seine Unwilligkeit zur Ausreise aus dem Bundesgebiet klar. Auch hat die Partei wiederholt angegeben, nicht ausreisen zu wollen. Somit liegt das Verschulden an der länger andauernden Identifizierung eindeutig bei der Partei.

Auch hat die Partei die Frist zur freiwilligen Ausreise nicht genutzt. Diese Ausreise hätte auch aus dem Stande der Schubhaft mit Hilfe einer Rückkehrorganisation organisiert werden können.

Es lag im konkreten Fall gänzlich in der Hand des Fremden, durch Mitwirkung am Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates, die im Rahmen der ihn treffenden Mitwirkungspflicht seine Identifikation zu ermöglichen und dadurch die laufende Schubhaft so kurz als möglich zu halten.

Es kann nicht sein, dass der Fremde durch Verstoß gegen ihn treffende Mitwirkungspflichten den Behörden gegenüber insofern einen Vorteil ziehen kann, als dadurch eine rechtmäßige Abschiebung von vornherein unmöglich gemacht wird. Durch ein rechtmäßiges Alternativverhalten würde zu jeder Zeit des Verfahrens die Möglichkeit bestehen, dieses wesentlich zu verkürzen und eine ehebaldigste Beendigung der Schubhaft durch Ausreise in seinen Herkunftsstaat zu erreichen. Tut er dies nicht, so ist ihm nach Ansicht ho. Behörde das angemessene Zuwarten einer Klärung im Stande der Schubhaft zumutbar (so auch BVwG 24.2.2017, W171 2148052-1).

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher im gegenständlichen Fall, dass das private Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat. Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio – Maßnahme darstellt. So ist eine verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen (VfGH 24.6.2006, B362/06).

Der auch zu diesem Termin zur Identifizierung seines Sohnes geladene Vater kam der Ladung nicht nach.

Einen Tag vor dem Vorführtermin, am 26.02.2020, langte durch den Verein „ XXXX “ – Vertreter des XXXX – per Mail eine Krankenstandmeldung und ein fachpsychatrischer Befund des Vaters ein. XXXX kann aufgrund von gesundheitlichen Hindernissen und psychiatrischer Beeinträchtigung leider an diesem Termin nicht teilnehmen.

Es ist offensichtlich, dass durch diese Krankmeldung eine Identifikation der Partei verhindert bzw. erschwert werden sollte.

Eine diesbezügliche Abwägung ergibt im konkreten Fall:

- Die Partei befindet sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet, verweigert die freiwillige Ausreise und versucht durch Nichtmitwirkung am Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates die Erlangung eines solchen zu vereiteln.

- Die Partei wurde bereits sechsmal strafrechtlich rechtskräftig verurteilt. Insgesamt wurde die Partei bisher zu 67 Monaten und 3 Wochen unbedingter Freiheitsstrafen und 6 Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt. Gegen die Partei besteht zudem ein Waffenverbot. Somit stellt die Partei eine aktuelle und gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar.

- Trotz mehrmaliger Festnahmen, massiver rechtskräftiger Verurteilungen und dem daraus erlittenen Haftübel sah sich der Genannte zu keiner Zeit persönlich in der Lage, sein bisheriges Verhalten vernünftig zu reflektieren und einen positiven Lebenswandel zu vollziehen.

- Der Fremde verweigert bewusst seine Mitwirkungspflicht im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates, um die Erlangung eines Heimreisezertifikates zu behindern, um in weiterer eine Außerlandesbringung zu vereiteln.

- Die Partei hat sich bereits zweimal durch Flucht aus Justizanstalten der Strafhaft entzogen und musste zur Fahndung ausgeschrieben werden.

- Der Fremde besitzt kein gültiges Reisedokument, verfügt über keine finanziellen Mittel und kann daher Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen.

Die bereits beurteilte Fluchtgefahr besteht nach wie vor, wodurch zur Sicherung der Abschiebung die weitere Anhaltung in Schubhaft aus Sicht der ha. Behörde unbedingt notwendig, verhältnismäßig und als zumutbar anzusehen ist.

Wie bereits ausführlich dargelegt, besteht im konkreten Fall aufgrund der persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund des bisherigen Verhaltens ein hohes Risiko des Untertauchens.

Sollte daher die Identifizierung erfolgen, können alle Vorkehrungen getroffen werden um die Partei in sein Heimatland abzuschieben.

Die ha. Behörde hat daher alle möglichen Maßnahmen gesetzt, um die Schubhaftdauer so gering wie möglich zu halten.

Der Vater der Partei, Herr XXXX , wurde in der Zwischenzeit laut VMÖ von den russischen Behörden identifiziert. Der VMÖ wird sich um die schnellstmögliche Ausstellung des Heimreisezertifikates bemühen, damit Herr XXXX seiner freiwilligen Ausreise so bald als möglich nachkommen kann.

Mit Schreiben des Vertreters des Vaters - Verein XXXX - vom 08.06.2020 wurde die freiwillige Rückkehr widerrufen.

Da Herr XXXX nun identifiziert ist und bereits schriftlich bestätigt hat, dass er der Vater von XXXX ist, ist die Chance auf eine Identifizierung seines Sohnes XXXX somit gestiegen.(…)

Zudem wurde für XXXX am 03.04.2020 eine Einzelurgenz an die russischen Behörden übermittelt.(…)

Das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates ist weiterhin laufend. Am 13.07.2020 wurde neuerlich eine Einzelurgenz an die Botschaft der russischen Föderation übermittelt.

Aufgrund der Corona-Krise unterliegen auch die Behörden der russischen Föderation starken Beschränkungen. Dadurch kann es auch zu Verzögerungen in Bezug auf Ausstellung von Heimreisezertifikaten kommen.(…) Der Fremde selbst hat auch weiterhin keine Schritte gesetzt um seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen.

Mit Schreiben der BFA-Direktion vom 26.05.2020 wurde mitgeteilt, dass die russische Staatsbürgerschaft des Fremden zwar bestätigt wurde, jedoch nicht seine Identität.

Am 02.06.2020 wurde bei der russischen Botschaft erneut um einen Termin zur Durchführung eines Interviews angesucht.

Am 13.07.2020 nahm die Amtsärztin des PAZ- XXXX Kontakt mit der ha. Behörde auf.

Herr XXXX litt Mitte Mai an einer atypischen Lungenentzündung. Es wurde ihm eine Lungenbiopsie zu Abklärung nahegelegt. Dieser Untersuchung lehnte der Fremde jedoch ab. Der Fremde wurde über die Konsequenzen der Ablehnung informiert, da ohne Diagnosestellung keine Therapie möglich ist. Die Lungenentzündung wurde mit Antibiotika behandelt. Der Fremde blieb haftfähig und verblieb so weiter in Schubhaft.

Anm: Aus dem Befund vom 09.06.2020 geht hervor, dass Hr. XXXX die Behandlung nicht durchführen lasse solle, um so der Abschiebung zu entgehen.(…)

Vorgänge seit letzter Vorlage gem. § 22a Abs 4 BFA-VG am 15.06.2020

Am 20.07.2020 wurde nach Vorlage gem. § 22a Abs 4 BFA-VG durch das BvWG bestätigt, dass die maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig war.

Der Fremde wurde am 22., 27. und am 29.07.2020 zu Voruntersuchungen ausgeführt.

Am 30.07.2020 wurde im XXXX bei dem Fremden eine Lungenbiopsie durchgeführt.

Für den 06.08.2020 war im XXXX in der Lungenambulanz die Besprechung der Biopsie terminisiert.

Der Fremde verweigerte jedoch schon im Vorhinein die Teilnahme an dieser Befundbesprechung. Dieser Termin wurde von der Amtsärztin oder dem Amtsarzt des PAZ- XXXX wahrgenommen.

Der Fremde wurde am 07.08.2020 über die weitere medizinische Vorgangsweise aufgeklärt.

Laut Auskunft der Sanitätsstelle des PAZ- XXXX vom 10.08.2020 bekommt der Fremde nach der Biopsie nun eine Cortison-Therapie.

Der Fremde ist in ca. drei Monaten zu einem Kontrolltermin im XXXX geladen.

Laut Auskunft der Sanitätsstelle des PAZ- XXXX vom 10.08.2020 ist der Fremde weiter uneingeschränkt haftfähig.(…)

Die Behörde beantragt daher im Wege der Schubhaftprüfung gem. § 22a BFA-VG, die weitere Anhaltung des Fremden im Stande der Schubhaft, nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit zu bestätigen.“

Das Bundesverwaltungsgericht hat von Amts wegen erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die Entscheidungsgründe der genannten Vorentscheidungen werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihrer Stellungnahme anlässlich der Aktenvorlage angeführten Ausführungen u. a. betreffend Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates.

Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor. Es sind auch aktuell keinerlei Umstände aufgetreten, die zu einem von den Vorerkenntnissen abweichenden und für die Freilassung des Beschwerdeführers sprechenden Sachverhalt führen könnten.

Mit Befund und Gutachten des Amtsarztes vom 14.08.2020 wurde die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers bestätigt. Es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere den zitierten Vorerkenntnissen sowie dem Befund und Gutachten des Amtsarztes vom 14.08.2020. Auch die Feststellungen der Vorerkenntnisse werden der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt. Hinsichtlich der von den angeführten Vorerkenntnissen übernommenen Feststellungen ist auf die diesbezügliche Beweiswürdigung zu verweisen. Die Feststellung, dass zwischenzeitlich keinerlei für den Beschwerdeführer sprechende Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist, ergibt sich als logische Konsequenz daraus.

Im Besonderen ist hervorzuheben, dass die Behörde dargetan hat, dass sie sich im vorliegenden Fall um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) bemüht und nach den Erfahrungswerten davon auszugehen ist, dass ein solches auch von der Russischen Botschaft erlangt werden kann. Ein HRZ-Verfahren mit der Russischen Botschaft ist im Laufen. Der Vater des Beschwerdeführers wurde laut Auskunft des Vereins Menschenrechte Österreich (VMÖ) in der Zwischenzeit von den russischen Behörden identifiziert und die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugesagt. Die russische Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers wurde in der Zwischenzeit bestätigt, jedoch nicht seine Identität. Zuletzt wurde am 13.07.2020 eine Einzelurgenz - den Beschwerdeführer betreffend - an die Russische Botschaft übermittelt. Ergänzende Unterlagen zur Identifikation des Beschwerdeführers werden noch im August 2020 mit Diplomatenpost an den Russischen Migrationsdienst übermittelt.


3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. – Fortsetzung der Schubhaft

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Gemäß § 76 Abs 1 FPG idgF können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

Die Schubhaft darf gemäß § 76 Abs 2 FPG idgF nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

§ 76 Abs. 3 FPG idgF lautet:

Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise - wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG - erreicht werden ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig.

§ 80 FPG idgF lautet:

(1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.


Zur Judikatur:

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe.“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich infrage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zugrunde, dass die infrage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

Aufgrund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Der Verwaltungsgerichthof führte in seiner Entscheidung vom 30.08.2018 (Ra 2018/21/0111) Folgendes aus: „In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 - einen neuen Hafttitel dar. Über vor oder nach der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen. Ein Erkenntnis nach § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 steht daher einer Beschwerde nach § 22a Abs. 1 BFA-VG 2014, mit der die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von vor oder nach der Erlassung des Erkenntnisses liegenden Haftzeiten begehrt wird, nicht entgegen.“

Aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1 und Z 3 FPG liegt weiterhin Fluchtgefahr vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben. Insbesondere zu berücksichtigen ist, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Die Schubhaft ist jedenfalls wegen Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer das HRZ-Verfahren sowie seine Abschiebung zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Es ist zu betonen, dass bei Kooperation des Beschwerdeführers die Anhaltung in Schubhaft schon früher hätte beendet werden können. Dass sie noch andauert - und von den Maßnahmen hinsichtlich der Covid-19-Pandemie betroffen war/ist - hat der Beschwerdeführer zu verantworten. Die realistische Möglichkeit der Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftstaat - innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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