TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/15 W283 2231775-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.06.2020
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Entscheidungsdatum

15.06.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
VwG-AufwErsV §1 Z1
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs2

Spruch

W283 2231775-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Stefanie OMENITSCH als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Marokko, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.05.2020, Zl 1264759102/200422200 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben, der Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.05.2020, Zl 1264759102/200422200 sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 24.05.2020 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

III. Der Antrag der Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.

IV. Gemäß § 35 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV hat der Bund dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer begab sich am 23.05.2020 gemeinsam mit einem ebenfalls aus Marokko stammenden Freund zu einer Polizeiinspektion. Dort gaben beide an, ohne Dokumente zu sein, aber nach Italien weiterreisen zu wollen. Der Beschwerdeführer wurde zum Zweck der Vorführung vor die Behörde festgenommen.

2. Am 24.05.2020 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) einvernommen.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 24.05.2020 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme erlassen.

Das Bundesamt führte im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe keine familiären oder beruflichen Bindungen in Österreich und gehe keiner Erwerbstätigkeit nach. Der Beschwerdeführer beabsichtige die illegale Weiterreise nach Italien und habe in Österreich keinen Wohnsitz. Der Beschwerdeführer habe sich der Polizei gestellt um Verpflegung für eine Weiterreise nach Italien erhalten zu können. Es bestehe Sicherungsbedarf und Fluchtgefahr, mit einem gelinderen Mittel könne nicht das Auslangen gefunden werden. Der Beschwerdeführer verfüge über keinerlei finanzielle Mittel und stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.

4. Der Beschwerdeführer wird seit 24.05.2020 in Schubhaft angehalten

5. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 25.05.2020 wurde gegen den Beschwerdeführer eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen.

6. Ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates wurde am 26.05.2020 eingeleitet.

7. Am 28.05.2020 stellte der Beschwerdeführer im Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Aktenvermerk vom 28.05.2020 wurde die Anhaltung in Schubhaft aufrechterhalten. Der Aktenvermerk wurde dem Beschwerdeführer am 28.05.2020 zugestellt. Am 02.06.2020 wurde der Beschwerdeführer mittels Verfahrensanordnung von der beabsichtigen Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz in Kenntnis gesetzt. Am 05.06.2020 wurde der Beschwerdeführer zu seinem Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesamt niederschriftlich befragt. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.06.2020, zugestellt am 09.06.2020 wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot erlassen.

8. Gegen den Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft und die fortdauernde Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft richtet sich die gegenständliche Beschwerde. Der Beschwerdeführer brachte im Wesentlichen vor, dass der Beschwerdeführer nicht an seinen Plänen zur Weiterreise nach Italien festgehalten hätte, wäre er über die Rechtsvorschriften entsprechend belehrt worden. Überdies habe er zum Ausdruck gebracht, dass er Angst vor einer Rückkehr nach Marokko habe. Nachdem er auch um Aufnahme in die Grundversorgung angesucht habe, sei dieses Vorbringen als Antrag auf internationalen Schutz zu werten gewesen. Nachdem im Zuge eines Rechtsberatungsgespräches festgestellt wurde, dass noch kein Antrag auf internationalen Schutz registriert sei, äußerte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft ein Schutzersuchen. Der Beschwerdeführer habe sich aus eigenem an die Polizei mit dem Ersuchen um Hilfestellung gewandt. Der Beschwerdeführer sei zur Polizei gegangen, um einen Platz in einem „Camp“ zu bekommen, da er sich dort Verpflegung erhoffte. Daher sei jedenfalls die Anordnung eines gelinderen Mittels in Form der Unterkunftnahme in Frage gekommen. Der Beschwerdeführer sei kooperativ und habe auch das Formblatt für die Erlangung eines Heimreisezertifikates ausgefüllt. Dies sei nicht berücksichtigt worden. Der Beschwerdeführer habe die Gründe, warum er nicht nach Marokko zurückkehren könne, bereits in der Einvernahme vor der Schubhaftverhängung angeführt. Dieser Umstand spreche gegen die Annahme mit dem neuen Vorbringen die Vollstreckung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu verzögern. Auch stehe das Fehlen eines Reisedokumentes und die coronabedingten Reisebeschränkungen einer Abschiebung ohnehin für einen längeren Zeitraum entgegen. Der Beschwerdeführer werde nicht nach Italien weiterreisen bzw. untertauchen. Er wünsche sich ein Quartier in der Grundversorgung. Die Aufrechterhaltung der Schubhaft sei daher rechtswidrig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer begab sich gemeinsam mit seinem ebenfalls aus Marokko stammenden Freund, nach illegaler Einreise am 21.05.2020 in das Bundesgebiet, am 23.05.2020 zu einer Polizeiinspektion. Dort gaben beide an, ohne Dokumente zu sein, aber nach Italien weiterreisen zu wollen. Der Beschwerdeführer wurde zum Zweck der Vorführung vor die Behörde festgenommen (AS 1 ff).

1.2. Am 24.05.2020 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt einvernommen (AS 14 ff).

1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 24.05.2020 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG erlassen (AS 37 ff). Der Beschwerdeführer wird seit 24.05.2020 in Schubhaft angehalten (Anhaltedatei).

1.4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 25.05.2020 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot für die Dauer von 2 Jahren erlassen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Marokko zulässig sei. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt und keine Frist zur freiwilligen Ausreise erteilt (AS 63 ff).

1.5. Ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates wurde am 26.05.2020 im Hinblick auf die Rückkehrentscheidung vom 25.05.2020 eingeleitet (AS 121).

1.6. Am 28.05.2020 stellte der Beschwerdeführer im Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz (AS 138 ff). Mit Aktenvermerk vom 28.05.2020 wurde die Anhaltung in Schubhaft aufrechterhalten. Der Aktenvermerk wurde dem Beschwerdeführer am 28.05.2020 zugestellt (AS 146 ff). Am 02.06.2020 wurde der Beschwerdeführer mittels Verfahrensanordnung von der beabsichtigen Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz in Kenntnis gesetzt (AS 157 ff). Am 05.06.2020 wurde der Beschwerdeführer zu seinem Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesamt niederschriftlich befragt (AS 161 ff). Mit Bescheid des Bundesamtes, zugestellt am 09.06.2020 wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung iVm mit einem Einreiseverbot erlassen und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (AS 173 ff).

1.7. Von 28.05.2020, 08:00 Uhr bis 11:00 Uhr befand sich der Beschwerdeführer im Hungerstreik (Anhaltedatei).

2. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht, er ist Staatsangehöriger von Marokko. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Der Beschwerdeführer wird seit dem 24.05.2020 in Schubhaft angehalten (Anhaltedatei).

2.3. Am 25.05.2020 wurde eine Rückkehrentscheidung iVm mit einem Einreiseverbot erlassen, der Beschwerde dagegen wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (AS 63 ff).

2.4. Der Beschwerdeführer stellte am 28.05.2020 im Stande der Schubhaft einen Asylantrag (AS 138). Die Schubhaft wurde mit Aktenvermerk vom 28.05.2020 aufrechterhalten. Dieser Aktenvermerk wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag zugestellt (AS 146 ff; AS 153).

Der Beschwerdeführer stellte den Antrag auf internationalen Schutz nicht ausschließlich zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Der Beschwerdeführer machte bei seiner asylrechtlichen Erstbefragung am 28.05.2020 Gründe geltend, die er schon im Hinblick auf die Einvernahme am 24.05.2020 vorgebracht hat (AS 14 ff; AS 143).

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.06.2020, zugestellt am 09.06.2020, wurde dieser Antrag auf internationalen Schutz als unbegründet abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung sowie ein Einreiseverbot für die Dauer von 2 Jahren erlassen. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (AS 173 ff).

2.5. Der Beschwerdeführer ist gesund und haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung (Anhaltedatei; AS 15; AS 141; AS 162).

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Der Beschwerdeführer begab sich nach seiner unrechtmäßigen Einreise am 21.05.2020 nach Österreich (AS 142) aus eigenem am 23.05.2020 zu einer Polizeiinspektion (AS 1 ff). Der Beschwerdeführer begehrte in seiner Einvernahme am 24.05.2020 die Aufnahme in ein „Camp“ in Österreich und äußerte Rückkehrbefürchtungen (AS 16; AS 19). Der Beschwerdeführer füllte ein Formular zur Erlangung eines Heimreisezertifikates am 24.05.2020 aus (AS 20).

3.2. Am 25.05.2020 wurde gegen den Beschwerdeführer eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen (AS 63 ff). Der Beschwerdeführer stellte am 28.05.2020 im Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz (AS 138 ff).

Der Beschwerdeführer befand sich am 28.05.2020, von 08:00 Uhr bis 11:00 Uhr im Hungerstreik (Anhaltedatei).

3.3. Der Beschwerdeführer reiste am 21.05.2020 unrechtmäßig nach Österreich ein und hat im Bundesgebiet weder Verwandte noch enge soziale Anknüpfungspunkte (AS 19; AS 142). Der Beschwerdeführer verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz (Auszug aus dem Melderegister; AS 18). Der Beschwerdeführer geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur nachhaltigen Existenzsicherung (Anhaltedatei; AS 18).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang:

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zitierten Stellen im Akt des Bundesamtes und dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes.

2. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Die Feststellungen zur unrechtmäßigen Einreise und Identität des Beschwerdeführers beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers. Da über den Antrag auf internationalen Schutz noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, ist der Beschwerdeführer Asylwerber; da sein Antrag unbegründet abgewiesen wurde, ist der Beschwerdeführer weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Dass der Beschwerdeführer seit 24.05.2020 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Beschwerde (Beschwerdeschriftsatz vom 08.06.2020, S. 2).

2.3. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung am 25.05.2020, ergibt sich aufgrund des Inhaltes des Verwaltungsaktes (AS 63 ff).

2.4. Dass der Beschwerdeführer am 28.05.2020 im Stande der Schubhaft einen Asylantrag stellte (AS 138 ff), sowie die Aufrechterhaltung der Schubhaft mit Aktenvermerk vom 28.05.2020 (AS 146 ff) und die Zustellung desselben (AS 153), waren aufgrund des Akteninhaltes festzustellen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer den Antrag auf internationalen Schutz nicht ausschließlich zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme stellte, war zu treffen, da der Beschwerdeführer bereits bei seiner Einvernahme am 24.05.2020 Rückkehrbefürchtungen äußerte, indem er ausführte, bei einer Rückkehr nach Marokko Probleme mit seinem Onkel zu haben (AS 16; AS 18; AS 19). Der Beschwerdeführer machte bei seiner asylrechtlichen Erstbefragung am 28.05.2020 Gründe geltend, die er schon im Hinblick auf die Einvernahme am 24.05.2020 vorgebracht hat, indem er ein Problem mit seinem Onkel als Fluchtgrund und auf die Frage nach der Rückkehrbefürchtung ins Treffen führte (AS 143). Davon ausgehend war es nicht offensichtlich, dass der Antrag auf internationalen Schutz ausschließlich und zur Gänze missbräuchlich zur Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde.

Der Verfahrensstand hinsichtlich des Antrages auf internationalen Schutz, war aufgrund des Akteninhaltes festzustellen (AS 173 ff).

2.5. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorliegen würde, weshalb die diesbezügliche Feststellung zu treffen war (Anhaltedatei). Der Beschwerdeführer gab in den Einvernahmen am 24.05.2020, am 28.05.2020 und am 05.06.2020 an, dass er gesund ist (AS 15; AS 141; AS 162). Dass der Beschwerdeführer Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Dass sich der Beschwerdeführer aus eigenem zwei Tage nach seiner unrechtmäßigen Einreise nach Österreich zu einer Polizeiinspektion begab, ergibt sich aufgrund des Akteninhaltes (AS 1 ff). Dass der Beschwerdeführer dies zum Zweck der Aufnahme in ein Camp in Österreich machte, war aufgrund seiner Angaben in der Einvernahme am 24.05.2020 festzustellen (AS 16). Dass er bei seiner Einvernahme auch Rückkehrbefürchtungen äußerte, war aufgrund der im Akt aufliegenden Niederschrift festzustellen (AS 19). Dass der Beschwerdeführer ein Formular zur Erlangung eines Heimreisezertifikates am 24.05.2020 ausfüllte, war aufgrund des Akteninhalts festzustellen (AS 20).

Dass der Beschwerdeführer am 28.05.2020 für wenige Stunden im Hungerstreik befand, ergibt sich aufgrund der Einsichtnahme in die Anhaltedatei.

3.2. Dass gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde, war aufgrund der Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes festzustellen (AS 63 ff). Ebenso ergibt sich die Stellung des Antrages auf internationalen Schutz im Stande der Schubhaft aufgrund des Akteninhaltes (AS 138 ff).

3.3. Die Feststellungen zur Einreise des Beschwerdeführers nach Österreich, waren aufgrund seiner eigenen Angaben zu treffen (AS 142). Dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet weder über soziale, noch familiäre, noch berufliche Anknüpfungspunkte verfügt, keinen eigenen gesicherten Wohnsitz hat und die Feststellung zur Mittellosigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen eigenen Angaben und der Einsichtnahme in das Melderegister und die Anhaltedatei (AS 18 f; AS 142).

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkte I. und II. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft und Fortsetzungsausspruch

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.2. Zu Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid und Anhaltung in Schubhaft von 24.05.2020 bis zur Asylantragstellung am 28.05.2020

3.2.1. Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den Beschwerdeführer grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft.

3.2.2. Im vorliegenden Fall ging das Bundesamt auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1 und Z 9 FPG vom Vorliegen einer Fluchtgefahr aus:

Gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG ist bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert.

Der Beschwerdeführer hat sich zwei Tage nach seiner unrechtmäßigen Einreise nach Österreich aus eigenem zu einer Polizeiinspektion begeben. Der Beschwerdeführer begehrte die Aufnahme in ein „Camp“. Der Beschwerdeführer hat zudem an der Erlangung eines Heimreisezertifikates mitgewirkt, indem er das dafür nötige Formblatt ausgefüllt hat. Der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG ist daher aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers nicht erfüllt. Das Bundesamt begründete das Vorliegen dieses Fluchtgrundes damit, dass der Beschwerdeführer angegeben habe, sich dem Verfahren und der Abschiebung durch illegale Ausreise nach Italien zu entziehen. Damit bringt das Bundesamt aber selbst zum Ausdruck, dass sich der Beschwerdeführer bisher in Österreich weder einem Verfahren noch einer Abschiebung entzogen hat, sondern mitgewirkt und sich aus eigenem zur Polizei begeben hat. Diesbezüglich war den Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde zu folgen.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG ist bei der Beurteilung der Frage ob Fluchtgefahr vorliegt der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer reiste am 21.05.2020 unrechtmäßig nach Österreich ein. Er verfügt in Österreich über keine maßgebliche soziale Verankerung.

Bei der vorzunehmenden Einzelfallabwägung war jedoch maßgeblich ins Kalkül zu ziehen, dass sich der Beschwerdeführer aus eigenem an die Polizei gewandt hat und der Beschwerdeführer – dem Einvernahmeprotokoll vom 24.05.2020 folgend – nach der Belehrung über die weitere Vorgehensweise des Bundesamtes lediglich angegeben hat, nicht nach Marokko ausreisen zu wollen. Da der Beschwerdeführer keinerlei Handlungen setzte, die darauf schließen ließen, dass er der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entziehen werde, war der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 9 FPG zwar erfüllt, war aber im gegenständlichen Fall aufgrund des Vorverhaltens des Beschwerdeführers insgesamt nicht zur Begründung von Fluchtgefahr geeignet. Um nämlich von der Erfüllung des Kriteriums der "Fluchtgefahr" ausgehen zu können, bedarf es jedenfalls des Vorliegens eines tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG. Eine derartige Tatbestandserfüllung, damit die geforderte Anknüpfung an abstrakt formulierte Umstände, stellt gleichsam den Ausgangspunkt für jegliche Annahme von "Fluchtgefahr" dar, die allerdings im Ergebnis nur dann bejaht werden kann, wenn auch eine fallbezogene Betrachtung der Gesamtsituation zu der Schlussfolgerung führt, der Fremde könnte sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Flucht entziehen. Es bedarf also über die Erfüllung eines tauglichen Tatbestandes nach § 76 Abs. 3 FPG hinaus einer konkreten Bewertung aller im Einzelfall maßgeblichen Gesichtspunkte, die insofern in die "Abwägungsentscheidung" (so die einleitenden Überlegungen in den wiedergegebenen ErläutRV zu § 76 Abs. 3) einzufließen haben. Unter diesem Aspekt bieten die Tatbestände des § 76 Abs. 3 FPG - uneingeschränkt, also ohne Rücksicht auf ihre Eignung, schon abstrakt "Fluchtgefahr" zu umschreiben - maßgebliche Beurteilungskriterien (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Der Annahme des Bundesamtes, im Fall des Beschwerdeführers liege Fluchtgefahr vor, konnte daher fallgegenständlich aufgrund des Vorverhaltens des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden.

Im vorliegenden Fall geht das Gericht nicht vom Vorliegen einer Fluchtgefahr aus und war daher der angefochtene Bescheid für rechtswidrig zu erklären. Eine Prüfung der weiteren Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft sowie eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen konnte daher entfallen.

3.2.3. War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH vom 11.06.2013, 2012/21/0114). Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 24.05.2020 bis zur Asylantragstellung am 28.05.2020 ist daher rechtswidrig.

3.3. Zu Spruchpunkt I. – Anhaltung in Schubhaft seit Asylantragstellung am 28.05.2020 gemäß § 76 Abs. 6 FPG

3.3.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Der Beschwerdeführer befindet sich zum Zeitpunkt der Entscheidung in Schubhaft, es ist daher eine Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft zu treffen.

3.3.2. Der bereits der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Schubhaftbescheides zur Grunde liegende Sachverhalt hat insofern eine Änderung erfahren, als der Beschwerdeführer am 28.05.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz im Stande der Schubhaft stellte. Mit Aktenvermerk vom 28.05.2020 hielt das Bundesamt die Schubhaft, gestützt auf § 76 Abs. 6 FPG aufrecht und wurde dieser Aktenvermerk dem Beschwerdeführer auch zugestellt.

Im Gegensatz zu Art. 8 Abs. 3 lit. d der Richtlinie 2013/33/EU (Aufnahme-RL) stellt der Wortlaut des § 76 Abs. 6 FPG 2005 nur auf die Absicht zur "Verzögerung" der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ab; das erfasst allerdings im Sinne eines Größenschlusses ohnehin auch die beabsichtigte "Vereitelung" einer Abschiebung. Bedeutsam ist jedoch, dass im Text der nationalen Regelung - anders als in der damit umgesetzten Norm der Aufnahme-RL - nicht zum Ausdruck kommt, die beabsichtigte Verzögerung müsse der ausschließliche Grund für die Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gewesen sein (vgl. EuGH 30.5.2013, Arslan, C 534/11; für die Zulässigkeit der Fortsetzung der Haft wurde verlangt, dass der Antrag auf internationalen Schutz "einzig und allein" zu dem Zweck gestellt wurde, den Vollzug der Rückführungsentscheidung zu verzögern oder zu gefährden). Insoweit ist somit eine unionsrechtskonforme korrigierende Auslegung vorzunehmen. Es kann kein Zweifel bestehen, dass im Anwendungsbereich der Aufnahme-RL eine an deren Regelungen zur Haft orientierte unionsrechtskonforme Auslegung des § 76 FPG Platz zu greifen hat (VwGH 19.09.2019, Ra 2019/21/0204).

Nachdem der Beschwerdeführer bereits in seiner Einvernahme am 24.05.2020 Rückkehrbefürchtungen äußerte, die er in seiner Erstbefragung am 28.05.2020 neuerlich ausführte, war es nicht offensichtlich, dass der Antrag auf internationalen Schutz ausschließlich und zur Gänze missbräuchlich zur Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Die Aufrechterhaltung der Schubhaft war daher seit dem 28.05.2020 mangels Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nach § 76 Abs. 6 FPG rechtswidrig.

3.3.3. Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG seit 28.05.2020 ist daher rechtswidrig.

3.4. Zu Spruchpunkt II. – Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft

3.4.1. Die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft gemäß § 76 Abs.6 FPG liegen vor dem Hintergrund der Ausführungen unter Punkt 3.2. (Schubhaftbescheid und Anhaltung in Schubhaft seit Asylantragstellung am 28.05.2020) auch zum Entscheidungszeitpunkt nicht vor.

3.4.2. Der Beschwerdeführer ist seit Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz am 28.05.2020 Asylwerber. Dem Beschwerdeführer kam ab Stellung des Antrages auf internationalen Schutz am 28.05.2020 faktischer Abschiebeschutz im Sinne des § 12 AsylG zu und durfte sohin weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot für die Dauer von 2 Jahren am 09.06.2020 erlassen. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Gemäß § 16 Abs. 4 Satz 1 BFA-VG ist eine Entscheidung durchsetzbar, wenn einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen oder abgewiesen wurde, oder mit der eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wurde, die aufschiebende Wirkung nicht zukommt.

Nachdem die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Erlassung des Bescheides am 09.06.2020 aberkannt wurde, ist liegt eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Der faktische Abschiebeschutz kam dem Beschwerdeführer bis zur Erlassung des Abweisungsbescheides am 09.06.2020 zu, der faktische Abschiebeschutz endete gemäß § 12 AsylG nämlich mit Erlassung der durchsetzbaren Rückkehrentscheidung.

Dem Beschwerdeführer kommt ungeachtet der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerde und ungeachtet der daran anknüpfenden innerstaatlichen Regelung des § 16 Abs. 4 zweiter Satz BFA-VG, wonach in einem solchen Fall mit der Durchführung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme nur bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Einlangen der Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht zugewartet werden muss, weiterhin ein Bleiberecht zu (so schon VwGH 5.10.2017, Ro 2017/21/0009; EuGH 19.6.2018, Gnandi, C-181/16; EuGH 5.7.2018, C., J., und S., C-269/18; EuGH PPU, VwGH 13.12.2018, Ro 2018/18/0008). Das ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang der Absätze 5, 6 und 8 des Art. 46 der RL 2013/32/EU, womit insoweit die Anordnung des § 16 Abs. 4 BFA-VG 2014 verdrängt wird (vgl. VwGH 13.12.2018, Ro 2018/18/0008).

Das steht einer Schubhaft auf Basis von Art. 15 der Rückführungs-RL (Richtlinie 2008/115/EG) und damit auf Grundlage von § 76 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 entgegen (vgl. VwGH 16.5.2019, Ra 2018/21/0177). Eine Fortsetzung der Anhaltung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG war daher nicht zulässig.

3.4.3. Als Rechtsgrundlage für die allfällige Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft scheidet zudem § 76 Abs. 1 Z 1 FPG aus, da gegenständlich das Tatbestandselement der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gemäß § 67 FPG nicht vorliegt.

3.4.4. Es war gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

3.5. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

3.6. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkte III. und IV. – Kostenersatz

3.6.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

3.6.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den Schubhaftbescheid als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Der Beschwerdeführer beantragte auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft nicht vorliegen, das Bundesamt beantragte den Ausspruch, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorliegen. Sowohl der Beschwerdeführer als auch das Bundesamt haben einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG gestellt.

3.6.3. Da der Beschwerde stattgegeben und sowohl der angefochtene Bescheid als auch die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt werden und festgestellt wird, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft nicht vorliegen, ist der Beschwerdeführer die obsiegende Partei. Ihm gebührt daher gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV Kostenersatz in der Höhe von EUR 737,60. Dem Bundesamt gebührt kein Kostenersatz.

3.7. Zu Spruchteil B. – Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Asylantragstellung Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Haftfähigkeit Kooperation Kostenentscheidung - Gericht Kostenersatz Kostenersatz - Antrag Kostenzuspruch Obsiegen Rückkehrentscheidung Schubhaft Schubhaftbeschwerde Schubhaftverfahren Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W283.2231775.1.00

Im RIS seit

01.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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