TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/20 I407 2232917-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.07.2020
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Entscheidungsdatum

20.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs1
AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §18 Abs1 Z3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z5
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I407 2232917-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Stefan MUMELTER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , StA. Nigeria (alias Gabun), vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.06.2020, Zl. 1048097004/140282702, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 14.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am 16.12.2014 stattgefundenen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erklärte er, der christlichen Glaubensgemeinschaft anzugehören, über keine Ausbildung zu verfügen und lediglich schlechte Englisch- und Französischkenntnisse zu haben. Zu seinem Fluchtgrund befragt gab er an, dass die Person, welche im Jahr 2007 seinen Vater getötet habe, auch ihn töten wolle.

2.       Mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG vom 19.12.2014 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da eine Dublin-Zuständigkeit von Spanien vorliegen würde.

3.       Am 27.04.2015 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme mit, dass Spanien für sein Asylverfahren zuständig sei. Mit Bescheid vom 04.05.2015 wurde der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen und mit Bescheid vom 23.06.2015 die Schubhaft verhängt. Am 30.06.2015 wurde der Beschwerdeführer nach Spanien abgeschoben.

4.       Der Beschwerdeführer kehrte zu einem unbestimmbaren Zeitpunkt unrechtmäßig nach Österreich zurück und wurde am 12.07.2016 im Zuge einer Personenkontrolle durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes betreten, woraufhin am selben Tag erneut die Schubhaft über den Beschwerdeführer verhängt wurde. Aus derselben wurde er am 01.08.2016 aufgrund eines Hungerstreiks als haftunfähig entlassen.

5.       Da Spanien die erneute Rückführung des Beschwerdeführers verweigerte, wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 21.07.2017 der zurückweisende Bescheid vom 04.05.2015 aufgehoben und der Beschwerdeführer am selben Tag erneut niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er erneut an, gabunischer Staatsangehöriger zu sein und weder in seiner Heimat oder in Österreich Verwandte oder Familienangehörige zu haben. Zu seinem Fluchtgrund befragt gab er, dass er Gabun wegen seiner wirtschaftlichen Situation verlassen habe und weder in Gabun noch sonst wo jemals persönlich verfolgt oder bedroht worden wäre.

6.       Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 23.02.2018 wurde über den Beschwerdeführer die Untersuchungshaft verhängt und wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes XXXX , Zl. XXXX vom 06.06.2018 wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren rechtskräftig verurteilt.

7.       Mit Verfahrensanordnung gemäß § 13 AsylG wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er sein Aufenthaltsrecht gemäß §13 Abs. 2 AsylG aufgrund der Verhängung der Untersuchungshaft mit 23.02.2018 verloren habe.

8.       Am 02.07.2018 wurde eine afrikanistisch-linguistisch Befunderhebung zu den Sprachkompetenzen und den Landeskenntnissen des Beschwerdeführers durch den Gutachter XXXX durchgeführt. In seinem Befundbericht vom 13.02.2020 kam der Gutachter zu dem Schluss, dass sämtliche sprachlichen Merkmale des Probanden eine positive Zuordnung zur südnigerianischen Varietät des Englischen erlauben. Die rudimentäre Kompetenz des Probanden im Französischen bei gleichzeitiger Abwesenheit einer Kompetenz in einer anderen gabunischen Sprache könne keinesfalls einen tragfähigen Hinweis auf eine Haupt- oder Teilsozialisierung des Probanden in Gabun darstellen.

9.       Mit Schreiben vom 12.03.2020 informierte die belangte Behörde den Beschwerdeführer zur Wahrung des Parteiengehörs gem. § 45 Abs. 3 AVG vom Ergebnis der Beweisaufnahme und forderte ihn auf, binnen einwöchiger Frist eine schriftliche Stellungnahme zu einer Reihe von Fragen hinsichtlich seiner familiären- und privaten Bindungen sowie seiner Integration zu erstatten. Mit undatiertem Schreiben erstattete der Beschwerdeführer die entsprechende Stellungnahme, welche aus dem Satz „Bezugnehmend auf Ihr Schreiben möchte ich festhalten, dass ich aus Gabun bin.“ besteht.

10.     Mit dem im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde vom 03.06.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 14.12.2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters stellte die belangte Behörde "gemäß § 13 Absatz 2 Asylgesetz" den Verlust des Aufenthaltsrechtes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ab dem 22.02.2018 fest (Spruchpunkt VI.) und erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.). Zuletzt wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 und Z 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VIII.) und keine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1a FPG gewährt (Spruchpunkt IX.).

11.      Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 01.07.2020 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierte darin unrichtige Beweiswürdigung, Tatsachenfeststellung und rechtliche Beurteilung. Begründend wurde im Wesentlichen unsubstantiiert ausgeführt, dass der Beschwerdeführer entgegen den Feststellungen der belangten Behörde nicht aus Nigeria, sondern aus Gabun stammen würde. Bezüglich seiner Fluchtgründe verwies der Beschwerdeführer auf die Angaben vor der belangten Behörde, daran habe sich nichts geändert. Im Übrigen sei die Erlassung eines Einreiseverbotes rechtswidrig, da der Beschwerdeführer seine Straftat sehr bereue. Jedenfalls sei es auch unverhältnismäßig hoch bemessen. Es werde daher beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten zuerkennen, in eventu ihm den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen, in eventu eine Rückkehrentscheidung für unzulässig erklären und ihm eine Aufenthaltsberechtigung erteilen, in eventu das Einreiseverbot aufheben oder verhältnismäßig herabsetzen, in eventu den Bescheid beheben und zur Verfahrensergänzung an die Behörde zurückverweisen sowie eine mündliche Verhandlung anberaumen.

12.      Mit Schriftsatz vom 07.07.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 10.07.2020, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist gesund, arbeitsfähig, ledig und bekennt sich zum christlichen Glauben.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer nigerianischer Staatsangehöriger ist. Nicht festgestellt werden konnte, dass es sich beim Herkunftsstaat des Beschwerdeführers um Gabun handelt und er gabunischer Staatangehöriger ist. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer spricht südnigerianisches Englisch und hat rudimentäre Französischkenntnisse. Nicht festgestellt werden konnte, dass er über Sprachkompetenzen in irgendeiner anderen gabunischen Sprache verfügt oder er der deutschen Sprache mächtig ist.

Der Beschwerdeführer hält sich seit mindestens 16.12.2014 in Österreich auf, wobei der Aufenthalt in Folge der Abschiebung nach Spanien am 30.06.2015 für rund ein Jahr unterbrochen wurde.

In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte oder maßgebliche private Beziehungen, es leben keine Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich.

Familiäre oder private Beziehungen sowie eine berufliche Tätigkeit oder Ausbildung in Nigeria konnten nicht festgestellt werden.

Es konnten keinerlei Anhaltspunkte hinsichtlich des Vorliegens integrativer Merkmale des Beschwerdeführers in Österreich festgestellt werden.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer sein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet mit 22.02.2018 verloren hat.

Der Beschwerdeführer weist nachstehende strafgerichtliche Verurteilung im Bundesgebiet auf:

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 06.06.2018, Zl. XXXX , rechtskräftig seit 12.06.2018, wurde der Beschwerdeführer wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels und der Vorbereitung des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG und § 28 Abs. 1 erster Satz, Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren verurteilt.

Der Beschwerdeführer befindet sich derzeit in Strafhaft.

1.2.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem festgestellten Herkunftsstaat Nigeria einer konkret gegen seine Person gerichteten Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt war.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aufgrund asylrelevanter Verfolgung verlassen hat, bzw. dass ihm eine solche im Falle seiner Rückkehr dorthin drohen würde.

Der Beschwerdeführer wird im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

Ergänzend zu den für die Entscheidung ausreichenden Feststellungen der belangten Behörde wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer weder bezüglich seines festgestellten Herkunftsstaates Nigeria noch seines behaupteten Herkunftsstaates Gabun Verfolgungsgründe im Sinne der GFK vorgebracht hat. Ein konkreter Anlass bzw. persönliche Bedrohung für das "fluchtartige" Verlassen des Herkunftsstaates wurde von ihm nicht behauptet.

1.3.    Zur allgemeinen Lage in Nigeria:

Im angefochtenen Bescheid wurden das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nigeria zitiert. Im Beschwerdeverfahren sind keine entscheidenden Änderungen der Sachverhaltselemente bekannt geworden. Im gegebenen Zusammenhang sind daher mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen auf Basis 20.05.2020 von Relevanz und werden festgestellt:

Sicherheitslage

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien (AA 16.1.2020). Im Wesentlichen lassen sich mehrere Konfliktherde unterscheiden: Jener von Boko Haram im Nordosten; jener zwischen Hirten und Bauern im Middle-Belt; sowie Spannungen im Nigerdelta (AA 16.1.2020; vgl. EASO 11.2018a) und eskalierende Gewalt im Bundesstaat Zamfara (EASO 11.2018a). Außerdem gibt es im Südosten zwischen der Regierung und Igbo-Gruppen, die für ein unabhängiges Biafra eintreten (EASO 11.2018a; vgl. AA 16.1.2020), sowie zwischen Armee und dem Islamic Movement in Nigeria (IMN) Spannungen (EASO 11.2018a). Beim Konflikt im Nordosten handelt es sich um eine grenzüberschreitende jihadistische Insurgenz. Im „Middlebelt“ kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen um knapper werdende Ressourcen zwischen Hirten und Bauern. Bei den Auseinandersetzungen im Nigerdelta geht es sowohl um Konflikte zwischen regionalen militanten Gruppen einerseits und der Staatsgewalt andererseits, als auch um Rivalitäten zwischen unterschiedlichen lokalen Gemeinschaften. Im Südosten handelt es sich (noch) um vergleichsweise beschränkte Konflikte zwischen einzelnen sezessionistischen Bewegungen und der Staatsgewalt. Die Lage im Südosten des Landes („Biafra“) bleibt jedoch latent konfliktanfällig. IPOB ist allerdings derzeit in Nigeria nicht sehr aktiv (AA 16.1.2020).

In Nigeria können in allen Regionen unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, westl. Taraba und der östl. Teil von Nassarawa, das nördliche Sokoto und die Bundesstaaten Plateau, Kaduna, Benue, Niger, Kebbi sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen bzw. innerethnischen Konflikten betroffen. Weiterhin bestimmen immer wieder gewalttätige Konflikte zwischen nomadisierenden Viehzüchtern und sesshaften Farmern sowie gut organisierten Banden die Sicherheitslage. Demonstrationen und Proteste sind insbesondere in Abuja und Lagos, aber auch anderen großen Städten möglich und können zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Im Juli/August 2019 forderten diese in Abuja auch wiederholt Todesopfer (AA 16.4.2020).

Das deutsche Auswärtige Amt warnt vor Reisen auf dem Landweg in die nordöstlichen Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa. Von nicht erforderlichen Reisen in die übrigen Landesteile Nordnigerias, in die Bundesstaaten Sokoto, Katsina und Jigawa wird abgeraten. Von Reisen in die folgenden Bundesstaaten wird abgeraten, sofern diese nicht direkt auf dem Luftweg in die jeweiligen Hauptstädte führen: in Zentral-und Nord-Nigeria Kaduna, Zamfara, Kano und Taraba, in Südnigeria: Ogun, Ondo, Ekiti, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Anambra, Enugu, Abia, Ebonyi und Akwa Ibom. Auch von Reisen in die vorgelagerten Küstengewässer, Golf von Guinea, Nigerdelta, Bucht von Benin und Bucht von Bonny, wird abgeraten (AA 16.4.2020).

In den nordöstlichen Landesteilen werden fortlaufend terroristische Gewaltakte, wie Angriffe und Sprengstoffanschläge von militanten Gruppen auf Sicherheitskräfte, Märkte, Schulen, Kirchen und Moscheen verübt (AA 16.4.2020). Das britische Außenministerium warnt vor Reisen nach Borno, Yobe, Adamawa und Gombe, sowie vor Reisen in die am Fluss gelegenen Regionen der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom and Cross River im Nigerdelta, sowie Reisen nach Zamfara näher als 20km zur Grenze mit Niger. Abgeraten wird außerdem von allen nicht notwendigen Reisen in die Bundesstaaten Bauchi, Zamfara, Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Kogi, Abia, im 20km Grenzstreifen zu Niger in den Bundesstaaten Sokoto und Kebbi, nicht am Fluss gelegene Gebiete von Delta, Bayelsa und Rivers, und Reisen im Bundesstaat Niger im Umkreis von 20km zur Grenze zu den Staaten Kaduna und Zamfara, westlich des Flusses Kaduna (UKFCO 15.4.2020). Gewaltverbrechen sind in bestimmten Gebieten Nigerias ein ernstes Problem, ebenso wie der Handel mit Drogen und Waffen (FH 1.2019).

In der Zeitspanne April 2019 bis April 2020 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (2.712), Zamfara (685), Kaduna (589) und Katsina (392). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer niedrigen Zahl hervor: Gombe (3), Kebbi (3), Kano (7), Jigawa (7), Kwara (8), Enugu (8) und Ekiti (9) (CFR 2019).

Allgemeine Menschenrechtslage

Die am 29.5.1999 in Kraft getretene Verfassung Nigerias enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Dieser ist zum Teil jedoch weitreichenden Einschränkungen unterworfen. Das in Art. 33 der Verfassung gewährte Recht auf körperliche Unversehrtheit wird z.B. unter den Vorbehalt gestellt, dass die betroffene Person nicht bei der Anwendung legal ausgeübter staatlicher Gewalt zur „Unterdrückung von Aufruhr oder Meuterei“ ihr Leben verloren hat. In vielen Bereichen bleibt die Umsetzung der zahlreich eingegangenen menschenrechtlichen Verpflichtungen weiterhin deutlich hinter internationalen Standards zurück. Zudem wurden völkerrechtliche Verpflichtungen zum Teil nur lückenhaft in nationales Recht umgesetzt. Einige Bundesstaaten haben Vorbehalte gegen einige internationale Vereinbarungen geltend gemacht und verhindern regional eine Umsetzung. Selbst in Bundesstaaten, welche grundsätzlich eine Umsetzung befürworten, ist die Durchsetzung garantierter Rechte häufig nicht gewährleistet (AA 16.1.2020).

Die Menschenrechtssituation hat sich seit Amtsantritt einer zivilen Regierung 1999 zum Teil erheblich verbessert (AA 24.5.2019a; vgl. GIZ 3.2020), vor allem im Hinblick auf die Freilassung politischer Gefangener und die Presse- und Meinungsfreiheit (GIZ 3.2020). Allerdings kritisieren Menschenrechtsorganisationen den Umgang der Streitkräfte mit Boko Haram-Verdächtigen, der schiitischen Minderheit, Biafra-Aktivisten und Militanten im Nigerdelta. Schwierig bleiben die allgemeinen Lebensbedingungen, die durch Armut, Analphabetismus, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, ein ineffektives Justizwesen und die Scharia-Rechtspraxis im Norden des Landes beeinflusst werden. Die Gleichstellung von Angehörigen sexueller Minderheiten wird gesetzlich verweigert, homosexuelle Handlungen sind mit schweren Strafen belegt (AA 24.5.2019a). Es gibt viele Fragezeichen hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte, wie z.B. die Praxis des Scharia-Rechts (Tod durch Steinigung), Entführungen und Geiselnahmen im Nigerdelta, Misshandlungen und Verletzungen durch Angehörige der nigerianischen Polizei und Armee sowie Verhaftungen von Angehörigen militanter ethnischer Organisationen (GIZ 3.2020). Zu den wichtigen Menschenrechtsproblemen gehören zudem u.a. rechtswidrige und willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen, Folter und willkürliche Inhaftierung sowie substanzielle Eingriffe in die Rechte auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit (USDOS 11.3.2020).

Die in den Jahren 2000/2001 eingeführten strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia in zwölf nördlichen Bundesstaaten führten zu Amputations- und Steinigungsurteilen. Die wenigen Steinigungsurteile wurden jedoch jeweils von einer höheren Instanz aufgehoben; auch Amputationsstrafen wurden in den letzten Jahren nicht vollstreckt (AA 16.1.2020; vgl. USDOS 13.3.2019). Menschenrechtsorganisationen mahnen allerdings an, dass die Dunkelziffer gegebenenfalls höher liegen kann (AA 16.1.2020).

Die Regierung bekennt sich ausdrücklich zum Schutz der Menschenrechte, und diese sind auch in der Verfassung als einklagbar verankert. Dessen ungeachtet bleiben viele Probleme ungelöst, wie etwa Armut, Analphabetentum, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, die Scharia-Rechtspraxis, Entführungen und Geiselnahmen sowie das Problem des Frauen- und Kinderhandels. Daneben ist der Schutz von Leib und Leben der Bürger gegen Willkürhandlungen durch Vertreter der Staatsmacht keineswegs verlässlich gesichert und besteht weitgehend Straflosigkeit bei Verstößen der Sicherheitskräfte und bei Verhaftungen von Angehörigen militanter Organisationen. Das hohe Maß an Korruption auch im Sicherheitsapparat und der Justiz wirkt sich negativ auf die Wahrung der Menschenrechte aus (ÖB 10.2019).

Es setzten sich nigerianische Organisationen wie z.B. CEHRD (Centre for Environment, Human Rights and Development), CURE-NIGERIA (Citizens United for the Rehabilitation of Errants) und HURILAWS (Human Rights Law Services) für die Einhaltung der Menschenrechte in ihrem Land ein. Auch die Gewerkschaftsbewegung Nigeria Labour Congress (NLC) ist im Bereich von Menschenrechtsfragen aktiv (GIZ 3.2020a).

Grundversorgung

Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor (GIZ 3.2020c). 2018 wurde ein Wachstum von 1,9 Prozent erreicht (AA 24.5.2019c).

Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 16.1.2019). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei- und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat – gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 3.2020c). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 16.1.2020). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 3.2020c). Vor allem im Bereich Stromversorgung und Transport ist die Infrastruktur weiterhin mangelhaft und gilt als ein Haupthindernis für die wirtschaftliche Entwicklung (AA 24.5.2019c).

Über 60 Prozent (AA 24.5.2019c) bzw. nach anderen Angaben über 70 Prozent (GIZ 3.2020c) der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt. Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 3.2020c; vgl. AA 24.5.2019c). Die unterentwickelte Landwirtschaft ist jedoch nicht in der Lage, den inländischen Nahrungsmittelbedarf zu decken (AA 24.5.2019c). Das Land ist nicht autark, sondern auf Importe – v.a. von Reis – angewiesen (ÖB 10.2019). Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt von kleinen Anbauflächen – in der Regel in Subsistenzwirtschaft (AA 24.5.2019c). Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt. Aufgrund fehlender Transportmöglichkeiten verrotten bis zu 40 Prozent der Ernten (ÖB 10.2019).

Die Prozentsätze der Unterernährung haben sich in den nördlichen Staaten im Vergleich zu 2015 verbessert und liegen nun unter der Alarmschwelle von 10 Prozent. Gemäß Schätzungen von UNICEF unterliegen zwei Millionen Kinder unter fünf Jahren in Nordnigeria einem hohen Risiko von schwerer akuter Unterernährung (ÖB 10.2019).

Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2020; vgl. GIZ 3.2020b). Über 80 Prozent der ca. 190 Millionen Nigerianer leben unterhalb der Armutsgrenze - Tendenz steigend (GIZ 3.2020c). 48 Prozent der Bevölkerung Nigerias bzw. 94 Millionen Menschen leben in extremer Armut mit einem Durchschnittseinkommen von unter 1,90 US-Dollar pro Tag (ÖB 10.2019). Die Armut ist in den ländlichen Gebieten größer als in den städtischen Ballungsgebieten (GIZ 3.2020b). Mietkosten, Zugang zu medizinischer Versorgung, Lebensmittelpreise variieren ebenfalls nicht nur von Bundesstaat zu Bundesstaat, sondern auch regional/ethnisch innerhalb jedes Teilstaates (ÖB 10.2019).

Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei den Jugendlichen im Alter von 15 bis 35 wird sie auf über 50 Prozent geschätzt (GIZ 3.2020b). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent – in erster Linie unter 30-jährige – mit großen regionalen Unterschieden. Die Chancen, einen sicheren Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst, staatsnahen Betrieben oder Banken zu finden, sind gering, außer man verfügt über eine europäische Ausbildung und vor allem über Beziehungen (ÖB 10.2019). Verschiedene Programme auf Ebene der Bundesstaaten aber auch der Zentralregierung zielen auf die Steigerung der Jugendbeschäftigung ab (ÖB 10.2019; vgl. BS 2020).

Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 3.2020b).

Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2019). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2020). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019).

Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Eine immer noch geringe Anzahl von Nigerianern (acht Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2020).

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 3.2020c).

Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für „peppersoup“, „garri“ oder „pounded yam“, für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch „mini-farming“ eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als „bushmeat“ gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun „grasscutter“ (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als „bushmeat“ gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und „grasscutter“ finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2019).

Im Jahr 2019 benötigten von der Gesamtbevölkerung von 13,4 Millionen Menschen, die in den Staaten Borno, Adamawa und Yobe leben, schätzungsweise 7,1 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Von den auf Hilfe Angewiesenen (7,1 Millionen) sind schätzungsweise 80 Prozent Frauen und Kinder (IOM 17.3.2020).

Rückkehr

Generell kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die allgemein herrschende Situation in Nigeria stellt keine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2019).

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden (AA 16.1.2020). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations (JROs) gemeinsam mit FRONTEX (ÖB 10.2019). Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen (AA 16.1.2020).

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt (AA 16.1.2020). Die Erfahrungen mit den JROs seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen (ÖB 10.2019). Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt (AA 16.1.2020) bzw. erkennungsdienstlich behandelt (ÖB 10.2019) und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 16.1.2020; vgl. ÖB 10.2019). Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2019).

Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im „Decree 33“ nicht zu befürchten (AA 16.1.2020). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets „overstay“ angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2019).

Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. die Angebote nicht bekannt sind oder eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen haben im Herbst 2018 in Lagos, Abuja und Benin City Migrationsberatungszentren der GIZ ihren Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert (AA 16.1.2020).

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) sowie der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Die belangte Behörde hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seiner Volljährigkeit, zum Familienstand, Gesundheitszustand, seiner Religion, seinen Lebensumständen und seiner Arbeitsfähigkeit, gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde. Die belangte Behörde hat diese Feststellungen korrekt und nachvollziehbar gewürdigt. Aus dem Beschwerdevorbringen sind keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufgekommen.

Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden.

Die Feststellungen zu seiner Staatsangehörigkeit gründen sich auf das im Akt enthaltene afrikanistisch-linguistische Gutachten des Sachverständigen XXXX vom 13.02.2020. Das Gutachten betreffend der Sprachkompetenz und der Landeskenntnisse lässt in seinen Ausführungen keinen anderen Schluss zu, als dass der Beschwerdeführer in Nigeria hauptsozialisiert wurde und dass es keine tragfähigen Hinweise darauf gebe, dass der Beschwerdeführer in Gabun haupt- oder teilsozialisiert worden sein könnte.

Ein substantiiertes Vorbringen, welches seine Aussagen hinsichtlich der von ihm behaupteten Staatsangehörigkeit belegen könnte, wurde zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens erstattet, darüberhinaus erfolgte zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens eine Auseinandersetzung mit den gutachterlichen Feststellungen auf gleicher fachlicher Ebene, weshalb die gemachten Feststellungen als schlüssig und nachvollziehbar anzusehen sind und die Feststellung, dass der Beschwerdeführer entgegen seinen Angaben aus Nigeria stammt der Entscheidung zu Recht zugrunde gelegt wurde.

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die grundsätzliche Tauglichkeit von Sprachanalysen (bei notwendiger sorgfältiger Prüfung des Einzelfalls) zur (Negativ-) Feststellung des Herkunftslandes in Entscheidungen des UBAS, respektive Asylgerichtshofes anerkannt wurde. Nichtsdestotrotz sind Sprachanalysegutachten im Einzelfall zu beurteilen, wobei sich eine völlige Ablehnung dieser Methode aber nicht erschließen lässt. Dabei verkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass es tatsächlich schwierig sein kann, nur aufgrund einer Sprachanalyse mit ausreichender Sicherheit festzustellen, welches der wahre Herkunftsstaat eines Asylwerbers ist. Dies wird in bestimmten Fällen, insbesondere dann, wenn zusätzliche andere Indizien dafür vorliegen, möglich sein, nicht jedoch in anderen Fällen.

Die unwahren Angaben zu seinem behaupteten und mittels gutachterlicher Feststellungen im Rahmen eines Befundes zu seinen Sprachkompetenzen und Landeskenntnissen widerlegten Herkunftsstaat, zeigen deutlich, dass der Beschwerdeführer persönlich unglaubwürdig ist und seine Staatsangehörigkeit zu verschleiern versuchte, wodurch er seine Mitwirkungspflichten gemäß § 15 AsylG verletzt hat. Dieses Verhalten weicht von der zumutbaren Sorgfalt, die von einem an der Verfahrensabwicklung interessierten Asylwerber zu erwarten ist, extrem ab und stellt sich daher als grob sorgfaltswidrig dar. Dem Beschwerdeführer musste darüber hinaus spätestens seit seiner Einvernahme am 21.07.2017 bewusst gewesen sein, dass es begründete Zweifel an seiner behaupteten Staatsangehörigkeit gibt und seit der Mitteilung über das Ergebnis der Beweisaufnahme vom 12.03.2020, dass die vom ihm behauptete Staatsangehörigkeit Gabun nicht den Tatsachen entspricht, woraufhin er in seiner Stellungnahme im Umfang eines einzelnen Satzes darauf insistierte, dennoch aus Gabun zu stammen. Auch in der Beschwerde wurde die Behauptung aus Gabun zu stammen aufrechterhalten, wobei diesbezüglich jedoch nur unsubstantiiert ausgeführt wurde, dass der Beschwerdeführer seinen Herkunftsstaat bereits als Kleinkind verlassen habe und daher die gutachterliche Methode nicht zu einem zutreffenden Ergebnis führen könne. Auf fachlicher Ebene wurde dem Gutachten jedoch nicht entgegengetreten und ist das Vorbringen daher nicht geeignet, Zweifel an den schlüssigen Ausführungen des Gutachters zu erwecken.

Dass der Beschwerdeführer über kein soziales Umfeld im Bundesgebiet verfügt, keine familiären Anknüpfungspunkte oder private Beziehungen hat und auch keine relevante Integration aufweist ergibt sich aus seinen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme am 21.07.2017, dem Faktum, dass er sich seit 21.02.2018 in Haft befindet und dem Beschwerdeschriftsatz, in welchem keinerlei Integrationsmerkmale oder private und familiäre Bindungen vorgebracht wurden.

Die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers steht aufgrund des eingeholten Auszugs aus dem Strafregister sowie der im Akt einliegenden Kopie der Urteilsausfertigung zweifelsfrei fest.

2.3. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Richtigkeit der Angaben des Asylwerbers über seine Identität und seine Herkunft grundsätzlich maßgebliche Bedeutung für die Frage zu, ob die von ihm angegebenen - aus seiner behaupteten Abstammung resultierenden - Verfolgungsgründe überhaupt zutreffen können. Entsprächen - auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens - die Angaben des Asylwerbers über eine Bedrohungssituation in dem von ihm als seinen Herkunftsstaat bezeichneten Staat offensichtlich nicht den Tatsachen, weil seinem Vorbringen insbesondere wegen eines Täuschungsversuches über seine wahre Identität keinerlei Glaubwürdigkeit zukommt, so läge in Ermangelung eines "sonstigen Hinweises" auf eine asylrelevante Verfolgung ein offensichtlich unbegründeter Asylantrag im Sinne des § 6 Z 3 AsylG 1997 vor (Hinweis E vom 30.11.2000, 99/20/0590, und vom 30.01.2001, 2000/01/0106 sowie 27.09.2001, 2001/20/0393).

Das bedeutet, dass neben der Person des Asylwerbers auch dem Herkunftsstaat im Asylverfahren eine zentrale Bedeutung zukommt: Der Asylwerber determiniert mit der Bekanntgabe seines Herkunftsstaates in seinem Antrag auf internationalen Schutz - im Zusammenhalt mit dem geltend gemachten, individuellen Fluchtgrund - den Verfahrensgegenstand des Asylverfahrens, wobei es sich bei der Gewährung von Asyl bzw. von subsidiärem Schutz nicht um einen amtswegig zu erlassenden, sondern um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt handelt (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.03.2006, Zl. 2003/20/0345). Sowohl der Herkunftsstaat als auch der persönliche Fluchtgrund müssen also vom Asylwerber in seinem Antrag auf internationalen Schutz behauptet und überdies zumindest glaubhaft gemacht werden.

Die hohe Relevanz des behaupteten Herkunftsstaates den ein Asylwerber im Asylverfahren angibt, erschließt sich auch daraus, dass das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative einen Abweisungsgrund für einen Antrag auf internationalen Schutz darstellt (vgl. §§ 3 Abs. 3 Z 1 sowie § 8 Abs. 3 und 6 Asylgesetz 2005). So ordnet die Gesetzesbestimmung des § 11 Abs. 2 Asylgesetz 2005 unmissverständlich an, dass bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, "auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber" abzustellen ist. Tritt ein Asylwerber unter einer Aliasidentität auf oder macht er falsche Angaben zu seinem Herkunftsstaat, läuft diese Prüfung zwangsläufig ins Leere.

Zunächst ist hervorzuheben, dass - wie die belangte Behörde richtig feststellte - der Beschwerdeführer bereits bei der Stellung seines Antrags auf internationalen Schutz seinen Herkunftsstaat zu verschleiern versuchte und bei der Bekanntgabe der persönlichen Daten - nämlich seinem Herkunftsstaat - unrichtige Angaben machte. Stellt aber ein Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz unter Verwendung eines falschen Herkunftsstaates, bedeutet das, dass er, gerade unter dem Gesichtspunkt der geltend gemachten Fluchtgründe, versucht, sich unzulässigerweise einen asylrelevanten, bzw. subsidiären Schutz betreffenden Vorteil zu verschaffen, den er bei richtiger Angabe seines Herkunftsstaates nicht hätte. Folglich leidet darunter die gesamte Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers, da wohl in der Regel nur ein Asylwerber, der bewusst einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz stellt, sich veranlasst sehen wird, die belangte Behörde durch die Angabe eines falschen Herkunftsstaates in die Irre zu leiten. Infolgedessen kann dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers keine Glaubwürdigkeit geschenkt werden und kann nicht davon ausgegangen werden, dass das übrigen Vorbringen den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, wenn bereits seine Angaben zu seiner Herkunft als unglaubwürdig anzusehen sind.

In Bezug auf den festgestellten Herkunftsstaat Nigeria hat der Beschwerdeführer keinerlei Fluchtgründe vorgebracht. Ungeachtet dessen wäre aber auch in Bezug auf den Herkunftsstaat Gabun kein relevantes Fluchtvorbringen festzustellen. So gab der Beschwerdeführer in der Ersteinvernahme lediglich an, dass die Person, welche im Jahr 2007 seinen Vater getötet habe, nun auch ihn töten wolle. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 21.07.2017 führte der Beschwerdeführer jedoch aus, sein Herkunftsland ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen verlassen zu haben. Diesbezüglich gab er ausdrücklich an, niemals persönlich verfolgt oder bedroht worden zu sein. Auch in der Beschwerde wurde kein Vorbringen hinsichtlich einer Verfolgung in Gabun, Nigeria, oder an einem sonstigen Ort erstattet.

Es ist festzuhalten, dass es grundsätzlich dem Asylwerber zukommt, dass dieser die Gründe seiner Furcht vor Verfolgung konkret und substantiiert vorbringt (VwGH 21.11.1996, Zahl 95/20/0334). Dem Beschwerdeführer wurde im vorliegenden Fall im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahmen sowie dem gewährten Parteiengehör ausreichend Gelegenheit eingeräumt, alle für die Entscheidung wesentlichen Umstände anzuführen, wobei zusammengefasst festzuhalten ist, dass der Beschwerdeführer, abgesehen von der Ersteinvernahme, zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens einen asylrelevanten Fluchtgrund vorgebracht hat, sondern das Verlassen seines Herkunftsstaates im Gegenteil ausdrücklich mit wirtschaftlichen Motiven begründete.

Damit sind die Beurteilung seines Vorbringens und die diesbezügliche Beweiswürdigung durch die belangte Behörde nicht zu beanstanden, sodass sich das Bundesverwaltungsgericht dieser anschließt.

Des Weiteren kann nicht davon ausgegangen werden, dass der gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer bei einer Rückkehr ins Herkunftsland in Bezug auf existentielle Grundbedürfnisse in eine ausweglose Situation geraten würde.

2.4. Zu den Länderfeststellungen:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation vom 20.05.2020 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stimmt, soweit unter 1.3 zitiert, inhaltlich mit jenem durch die belangte Behörde zitierten überein und stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, und auf jene von internationalen Organisationen, wie z. B. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer hat nicht vorgebracht, warum er bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat Gefahr liefe, in seinen Rechten nach Art. 2 f EMRK verletzt zu werden. Er trat damit diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsstaat nicht fundiert entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abs. A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (Vergleiche auch die Verfolgungsdefinition im § 2 Abs. 1 Ziffer 11 AsylG 2005, die auf Artikel 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates verweist).

Im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279).

Wie im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, sind die vom Beschwerdeführer behaupteten Angaben zu seinem Herkunftsstaat nicht als wahr anzusehen, weshalb sein Vorbringen zu Gabun den entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen nicht zugrunde gelegt werden konnte. Selbst bei Außerachtlassens dieses Umstandes wären die vorgebrachten wirtschaftlichen Gründe jedenfalls nicht geeignet, eine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zu rechtfertigen.

Eine asylrelevante Verfolgung in Bezug auf seinen festgestellten Herkunftsstaat Nigeria hat der Beschwerdeführer weder behauptet noch ergaben sich dafür Anhaltspunkte im Akt.

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Die von ihm angedeuteten ökonomischen Schwierigkeiten erreichen keine asylrelevante Intensität. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begründen wirtschaftliche Fluchtgründe keine asylrechtlich relevante Verfolgung (zur fehlenden asyl-rechtlichen Relevanz wirtschaftlich motivierter Ausreisegründe siehe auch Erk. d. VwGH vom 28.06.2005, 2002/01/0414 oder vom 06.03.1996, 95/20/0110 oder vom 20.06.1995, 95/19/0040). Substantiiert wurde seitens des Beschwerdeführers nichts vorgebracht.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl nicht gegeben sind, war die Beschwerde gemäß Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage im ganzen Staatsgebiet (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann. Es kann auf Basis der Länderfeststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass generell jeder im Falle einer Rückkehr nach Nigeria mit existentiellen Nöten konfrontiert ist.

Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Artikel 3 EMRK überschritten wäre (zur "Schwelle" des Artikel 3 EMRK vergleiche VwGH vom 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059), gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Der Beschwerdeführer ist volljährig, arbeitsfähig und war in Österreich über Jahre hinweg in der Lage, seinen Lebensunterhalt durch den Handel von Suchtgift zu bestreiten. Zwar verfügt der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben über keine Schulbildung und kein familiäres Netzwerk in Nigeria, es ist allerdings kein Grund ersichtlich, weshalb er nicht in der Lage sein sollte, seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr durch eine Aufnahme einer Tätigkeit (wenn auch als Gelegenheitsarbeiter oder Tagelöhner, beispielsweise in der Landwirtschaft) bestreiten zu können.

Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Nigeria bessergestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde in Nigeria keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG abzuweisen war.

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde unter Zitierung des § 57 AsylG 2005 zwar ausgesprochen hat, dass ein Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde, dass sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch unzweifelhaft ergibt, dass die belangte Behörde tatsächlich rechtsrichtig über eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 abgesprochen und eine solche nicht erteilt hat.

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Im gegenständlichen Fall verfügt der Beschwerdeführer über kein Familienleben in Österreich und hat er ein solches auch nicht behauptet. Zu prüfen wäre daher ein etwaiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff).

Unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479 zu einem dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet), des Verfassungsgerichtshofes (29.11.2007, B 1958/07-9, wonach im Fa

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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