TE Vwgh Erkenntnis 2001/1/30 2000/01/0106

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Veröffentlicht am 30.01.2001
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §1 Z4;
AsylG 1997 §3;
AsylG 1997 §6 Z3;
AsylG 1997 §6;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §57 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des J K in W, geboren am 4. März 1980, vertreten durch Dr. Walter Engler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 18/14, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 16. Dezember 1999, Zl. 214.165/0-V/13/99, betreffend §§ 6 Z 3 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, seinen Angaben zufolge ein Staatsbürger von Uganda und am 8. August 1999 in das Bundesgebiet eingereist, beantragte die Gewährung von Asyl. Bei einer ersten Einvernahme durch das Bundesasylamt am 17. August 1999 gab er gemäß der im Akt erliegenden Niederschrift an, dass er in Gulu/Uganda geboren worden sei, dort von 1987 bis 1991 die Grundschule besucht und von 1995 bis 1999 im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Mutter gearbeitet habe; er gehöre der Volksgruppe "GULU" an, seine Muttersprache sei ebenfalls "GULU". Bei einer fortgesetzten Einvernahme durch das Bundesasylamt am 22. Oktober 1999 erstattete der Beschwerdeführer - wiederum gemäß der im Akt erliegenden Niederschrift und wie bei der ersten Befragung vom 17. August 1999 in englischer Sprache - folgende Angaben:

"Ich nehme zur Kenntnis, dass ich verpflichtet bin die Wahrheit zu sagen und ich an der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes mitwirken muss, da mein Asylantrag andernfalls gem. § 6 als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden kann.

Barmittel: 300,-- ÖS. Ich bekam US-$ 1.500,--, habe mir aber Kleidung gekauft, weshalb ich nur noch ÖS 300,-- besitze. Das Geld haben mir die Dorfbewohner.

Verurteilungen: Keine.

Parteimitgliedschaften: Keine.

Reisepass: Besessen, aber beim Schlepper verblieben.

Personalausweis: Nie besessen.

Führerschein: Nie besessen.

Staatsbürgerschaftsnachweis: Nie besessen.

Geburtsurkunde: Nie besessen.

Frage: Heißt das, dass Sie als einziges Dokument nur einen Reisepass besessen haben?

Antwort: Ja.

Frage: Wie alt sind Sie?

Antwort: 1980.

** Frage wird wiederholt.

Antwort: Ich weiß nur, dass ich im März 1980 geboren bin. Ich

bin 19 Jahre alt.

Ich gehöre dem Stamm der Acholli an. Ich spreche außer Englisch keinerlei weitere Sprachen. Ich habe ein Privatschule besucht und hat mein Vater nur Englisch mit mir gesprochen. Ich spreche die Sprache meines Stammes nicht.

Ich wuchs in einem Dorf namens Gulu auf und hielt mich von

1980 bis Juni 1999 dort auf.

Gulu ist ein Dorf im Norden von Uganda.

** Nennen Sie Städte, die im Umkreis Ihres Heimatortes Gulu

liegen.

Antwort: Sudan und Kenia.

** Frage wird wiederholt und erklärt.

Antwort: Ich kenne nur Sudan, Kenia, Zaire.

** Dem AW wird die Frage nochmals ausführlich erklärt.

Antwort: Ich flog von Kampala weg.

Vorhalt: Wenn Ihre Muttersprache tatsächlich Englisch ist, dann ist für die erkennende Behörde nicht nachvollziehbar, dass Sie die Frage nach umliegenden Städten nicht verstehen wollen.

Antwort: Kampala ist eine Stadt. Andere Städte kenne ich nicht, weil ich nie herumgereist bin.

** Auch wenn Sie nie herumgereist sind, müssen Sie doch zumindest umliegende Städte von Gulu nennen können.

Antwort: Ich bin nie gereist. Ich kann nicht lügen, weil ich Christ bin.

Frage: Was meinen Sie, wenn Sie angeben, dass Sie aus dem Dorf Gulu kämen? Beschreiben Sie Ihr Dorf bitte. Ist Gulu größer oder kleiner als Traiskirchen.

Antwort: Gulu ist jedenfalls größer als dieses Camp hier. Ich hielt mich immer nur innerhalb des Camps auf. In einer Stadt gibt es viele gute Dinge. Es gibt dort Autos. Eine Stadt ist schön und groß. Ein Dorf ist klein und gibt es dort kein Licht. Gulu ist ein Dorf und dort gab es auch kein elektrisches Licht.

Vorhalt: Gulu im Norden von Uganda ist allerdings kein Dorf.

Antwort: Ich komme aber aus Gulu. Es gibt nur ein Gulu - nämlich mein Dorf. Gulu ist keine Stadt sondern ein Dorf.

Ich verließ Gulu in einem Auto. Wir fuhren am Nachmittag los und kam am selben Abend in Kampala an.

Frage: Welche Route nahmen Sie, um nach Kampala zu gelangen?

Antwort: Ich bin das erste Mal gereist und habe meine Hauptstadt an diesem Tag das erste Mal kennen gelernt.

Frage: Welche Währung gibt es in Uganda und in welchen Einheiten?

Antwort: Shillings. Banknoten gibt es in den Einheiten von 50, 100, 200, 300, 400, 500, 1000, 2000, 3000, 4000 und 5000. Münzen gibt es in den Einheiten von 1, 2, 3, 4 und 5. Die Münzen heißen ebenfalls Shillings.

Frage: Gibt es in Gulu eine Eisenbahn? Existiert eine Eisenbahnverbindung zwischen Gulu und anderen Städten?

Antwort: Nur in Kampala gibt es eine Eisenbahn. In Gulu gibt es keine Eisenbahn. Gulu ist ja ein Dorf.

Vorhalt: Gulu ist die größte Stadt im Norden Ugandas.

Antwort: Gulu ist ein Dorf. Ich kann nicht lügen.

Vorhalt: Die von Ihnen genannten Einheiten der ugandischen Währung entsprechen nicht den Tatsachen, Sie wollen aus Gulu im Norden von Uganda stammen, wissen jedoch nicht, dass Gulu eine Stadt ist. Sie wollen in einer Privatschule Englisch gelernt haben und immer nur Englisch gesprochen haben, ist ihr Englisch jedoch nur mäßig und wissen Sie darüberhinaus auch nicht, dass es in Gulu eine Eisenbahnverbindung gibt. Sie sind keinesfalls glaubwürdig und muss Ihnen zu Ihrer Herkunft die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden.

Antwort: Ich bin das erste Mal in Österreich und ich bin Christ und ich lüge nicht. Glauben sie mir. Christen lügen nie.

Ich bin wirklich aus Uganda.

     Frage: Kennen Sie Nationalparks im Norden Ugandas?

     Antwort: Ich kenne nur Parkplätze. Ich lüge nicht. Ich stamme

aus einer reichen Familie und habe eine Privatschule besucht.

     ** Nennen Sie nochmals Ihre konkrete Adresse.

     Antwort: Gulu, Juni Straße Nr. 9.

     Vorhalt: Sie führten bei der Ersteingabe Ihrer Daten an, dass

Sie dem Stamm der Gulu angehören würden und Sie außer Englisch auch noch Gulu sprechen würden. Außerdem führten Sie bei der Ersteingabe Ihrer Daten die Hausnummer 6 an. Können Sie sich zu diesen Widersprüchen erklären?

Antwort: Mein Stamm heißt Acholli und ich kann nur Englisch. ** Sie haben nunmehr letztmöglich die Gelegenheit, die Wahrheit zu sagen und an Ihrem Asylverfahren mitzuwirken. Sie stammen sicherlich nicht aus Uganda. Haben Sie also noch irgendetwas zu sagen?

Antwort: Ich schwöre beim allmächtigen Gott, dass ich die Wahrheit sage. Ich bin aus Uganda."

Mit Bescheid vom 17. November 1999 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 3 und 4 AsylG als offensichtlich unbegründet ab und sprach aus, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Uganda gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Es führte aus, dass dem Beschwerdeführer jegliche Glaubwürdigkeit fehle; er habe die geographischen Gegebenheiten in Uganda nicht den Tatsachen entsprechend schildern und die Einheiten der ugandischen Währung nicht korrekt angeben können; als einzige Sprache spreche er Englisch. Da er (somit) nicht habe glaubhaft machen können, aus Uganda zu stammen, sei auf die Gründe für seine "Flucht" nicht näher einzugehen gewesen, zumal sich die Fluchtgründe eines Asylwerbers immer nur auf seinen tatsächlichen Heimatstaat beschränken könnten. Im Einzelnen ergebe sich die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers daraus, dass "Gulu" kein Dorf, sondern eine Stadt im Norden Ugandas sei, von der aus - entgegen den Angaben des Beschwerdeführers - eine Eisenbahnverbindung nach Kampala existiere; die Frage nach Städten im Umkreis seines Heimatortes habe der Beschwerdeführer auch nach Nachfrage mit Sudan und Kenia sowie in der Folge mit Zaire beantwortet und schließlich nur erklärt, dass er von Kampala weggeflogen sei; auch auf den Vorhalt, dass er die Einheiten der ugandischen Währung falsch angegeben habe, habe er lediglich erwidert, das erste Mal in Österreich zu sein und als Christ nicht lügen zu können; schließlich sei es nicht glaubhaft, dass es "in irgendeinem Dorf in Uganda" eine Privatschule gäbe.

Im Ergebnis sei der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen, den "Glaubwürdigkeitsanspruch" des Asylgesetzes zu erfüllen. Er habe darüber hinaus kein hinlängliches Interesse an der Aufklärung der Fragen zu seiner tatsächlichen Herkunft gehabt, sodass er seiner Mitwirkungspflicht an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht nachgekommen sei. Was den Ausspruch nach § 8 AsylG anlange, so seien die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 FrG bereits beim Abspruch über das Asylbegehren geprüft und verneint worden; infolge der Unglaubwürdigkeit seiner Angaben zu seiner Herkunft habe der Beschwerdeführer aber auch keine vom Staat Uganda ausgehende oder von diesem gebilligte individuelle und konkrete Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Todesstrafe im Sinn des § 57 Abs. 1 FrG darlegen können.

In der gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, dass er sein Herkunftsland richtig mit Uganda angegeben habe. Als seinen Herkunftsort habe er Gulu genannt und zutreffend darauf hingewiesen, dass sich Gulu im Norden von Uganda befinde; außerdem habe er Kampala richtig als eine weitere Stadt in Uganda bezeichnet. Im Übrigen sei er bei der Einvernahme durch das Bundesasylamt extrem nervös und unkonzentriert, durch seine anstrengende Flucht geschwächt und durch die fluchtbegründenden Umstände traumatisiert gewesen. Während des "Interviews" hätten offensichtlich Verständigungsprobleme vorgelegen, weshalb offenkundig auf Grund eines Missverständnisses auf die Frage nach umliegenden Städten mit den angrenzenden Ländern Sudan und Kenia geantwortet worden sei. Er habe weiter angegeben, dem nachweislich in Uganda existierenden Stamm der Acholli anzugehören. Dass es schließlich eine Stadt Gulu gebe, schließe nicht aus, dass sich in Uganda auch ein Dorf dieses Namens befinde. Das Bundesasylamt sei somit seiner Ermittlungspflicht nicht in ausreichendem Maß nachgekommen, insbesondere sei er (der Beschwerdeführer) gar nicht dazugekommen, seine in der Berufung als "asylrelevant" bezeichneten, aber nicht näher beschriebenen Fluchtgründe zu Protokoll zu geben.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 1999 wies der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 6 Z 3 AsylG ab (Spruchpunkt I.); zugleich sprach er wie das Bundesasylamt aus, dass gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Uganda zulässig sei (Spruchpunkt II.). Bei dieser Entscheidung ging die belangte Behörde davon aus, dass die vom Beschwerdeführer im Rahmen des durchgeführten Verfahrens "relevierten Umstände bzw. Ereignisse" nicht als Sachverhalt hätten festgestellt werden können, weil seinen gesamten Aussagen die Glaubwürdigkeit zu versagen gewesen sei. Das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren lasse völlig unzweifelhaft den Schluss zu, dass die Behauptungen des Beschwerdeführers, in seinem Heimatland Verfolgung befürchten zu müssen, eindeutig jeder Grundlage entbehrten bzw. dass der Antrag zweifellos auf einer vorsätzlichen Täuschung beruhe oder gar einen Missbrauch des Asylverfahrens darstelle. Die belangte Behörde schließe sich daher der asylrechtlichen Würdigung durch das Bundesasylamt vollinhaltlich an und erhebe die bezughabenden Ausführungen des Erstbescheides zum Inhalt ihrer Erledigung. Hervorzuheben sei, dass der Beschwerdeführer "offenbar" ausdrücklich zu Protokoll gegeben habe, dass sein Vater mit ihm nur Englisch gesprochen habe und dass er die Sprache seines Stammes nicht spreche. Das stehe mit seinen Erstangaben, wonach seine Muttersprache "Gulu" sei, in Widerspruch. Im Hinblick auf die Behauptung des Beschwerdeführers, in einer Privatschule Englisch gelernt und immer nur diese Sprache gesprochen zu haben, seien die in der Berufung behaupteten Verständnisprobleme nicht nachvollziehbar, Missverständnisse bzw. Ungereimtheiten könnten dem aufgenommenen Protokoll nicht entnommen werden. Weiters sei anzumerken, dass er nicht in der Lage gewesen sei, die richtigen Geldeinheiten seines angeblichen Heimatstaates richtig zu benennen, obwohl ihm dies insbesondere im Hinblick auf die behauptete Abstammung aus einer "reichen Familie" zusinnbar gewesen wäre. Im Rahmen der Berufungsschrift seien (daher) keine Umstände für eine Neubewertung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers aufgezeigt oder einer Nachprüfbarkeit zugängliche Fakten, welche eine weitere Ermittlungstätigkeit ausgelöst hätten, bekannt gegeben worden. Der gegenständliche Asylantrag entbehre somit jeder asylrechtlich relevanten Grundlage, sodass er jedenfalls als offensichtlich unbegründet iS des § 6 Z 3 AsylG abzuweisen gewesen sei.

Zu Spruchpunkt II. führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, das "Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 FrG" sei bereits unter Spruchpunkt I. geprüft und verneint" worden. Mangels persönlicher Glaubwürdigkeit sei es dem Beschwerdeführer zudem nicht möglich gewesen, im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG bezughabende Indizien nachvollziehbar aufzuzeigen, welche die Annahme rechtfertigen könnten, dass er Gefahr liefe, in seinem angeblichen Herkunftsstaat für den Fall der Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, womit - unter Spruchpunkt II. - festzuhalten gewesen sei, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Uganda zulässig sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

§ 6 AsylG bestimmt, dass Asylanträge gemäß § 3 als offensichtlich unbegründet abzuweisen sind, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren. Dies ist der Fall, wenn ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat

1.

...

2.

...

3.

das Vorbringen der Asylwerber zu einer Bedrohungssituation offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht oder

4.

...

5.

..."

Während das Bundesasylamt die Abweisung des gegenständlichen Asylantrages als offensichtlich unbegründet auf § 6 Z 3 und 4 AsylG stützte, beruht die bestätigende Entscheidung der belangten Behörde lediglich auf § 6 Z 3 leg. cit.. Soweit die Beschwerde - freilich ohnehin bloß kursorisch - auf Z 4 der genannten Bestimmung Bezug nimmt, geht sie daher ins Leere. Bezüglich Z 3 argumentiert sie damit, dass aus den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner Befragung durch das Bundesasylamt lediglich der Schluss hätte gezogen werden können, dass er im Moment der Befragung nur unvollständige Angaben über die geographische Situation seines Heimatlandes bzw. das Währungssystem habe machen können. Daraus ließen sich jedoch keinerlei Schlussfolgerungen zu einer allfälligen Bedrohungssituation ziehen, zumal er (der Beschwerdeführer) - wegen des Vorgehens der Asylbehörden - keinerlei Vorbringen über eine Bedrohungssituation habe erstatten können. Für die teilweise unrichtigen Angaben seien verschiedenste Erklärungen, wie Nervosität oder Verständnisschwierigkeiten, denkbar.

An diesem Vorbringen ist richtig, dass der Beschwerdeführer keine Angaben zu einer erlittenen oder ihm drohenden Verfolgung machen konnte, weil das Bundesasylamt seine Einvernahme schon vorher abgebrochen hat. Im Übrigen ist dem Beschwerdeführer jedoch zu erwidern, dass seine zugegeben "teilweise unrichtigen Angaben" nicht nur einen Rückschluss auf seine Kenntnisse im Zeitpunkt der Einvernahme durch das Bundesasylamt erlaubten, sondern im Sinne der Überlegungen des Bundesasylamtes, denen sich die belangte Behörde ausdrücklich angeschlossen hat, durchaus die Annahme nahe legten, die Behauptung des Beschwerdeführers, er stamme aus Uganda, entspreche nicht der Wahrheit. Im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) begegnet eine derartige Beweiswürdigung jedenfalls keinen Bedenken. Auch die Beschwerde vermag solche Bedenken nicht zu wecken, zumal sie Nervosität oder Verständnisschwierigkeiten - ohne nähere Substanzierung - bloß als mögliche Erklärungen für die Unzulänglichkeiten in den Angaben des Beschwerdeführers in den Raum stellt. Soweit der behördlichen Argumentation bezüglich der Verständnisschwierigkeiten - diese seien in Anbetracht dessen nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer seinen Angaben zufolge in einer Privatschule Englisch gelernt und immer nur Englisch gesprochen habe - ergänzend entgegengehalten wird, dass bereits die in Englisch gestellte Frage nach den beherrschten Sprachen möglicherweise falsch verstanden worden sei, bleibt die Beschwerde eine definitive Aussage darüber schuldig, welche Sprache der Beschwerdeführer tatsächlich beherrsche. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer die Frage nach Städten im Umkreis seines angeblichen Heimatortes "Gulu", in welchem Zusammenhang in der Berufung Verständnisprobleme geltend gemacht worden sind, gemäß der eingangs dargestellten Niederschrift letztlich klar damit beantwortet, dass er außer Kampala keine Stadt kenne, weil er nie herumgereist sei. In diesem Kontext geht der Hinweis auf Verständnisschwierigkeiten daher auch deshalb fehl.

Aus den §§ 6 und 7 AsylG ergibt sich in Verbindung mit § 3 leg. cit., dass ein Asylwerber zur Begründung seines Asylantrages konkret darzulegen hat, weshalb die für ihn asylrelevante Bedrohungssituation in welchem konkreten Staat verwirklicht sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juli 1999, Zl. 98/20/0464). Die Angabe des Verfolgerstaates, der bei sonstiger Unbegründetheit des Asylantrages "Herkunftsstaat" gemäß § 1 Z 4 AsylG sein muss, ist damit essenzieller Bestandteil der darzustellenden Bedrohungssituation. Von da her ist es aber nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die Asylbehörden wie im vorliegenden Fall schon auf Grund der evidenten Unrichtigkeit der Angaben über den Herkunftsstaat das Vorbringen zu einer Bedrohungssituation als offensichtlich nicht den Tatsachen entsprechend beurteilen und ohne "sonstigen Hinweis" für eine Verfolgung in einem tatsächlichen Herkunftsstaat den Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG als gegeben erachten, ohne ergänzend die mit der wahrheitswidrigen Behauptung eines bestimmten Herkunftsstaates verbundenen und auf diesen bezogenen "Fluchtgründe" - denen dann keine Asylrelevanz zukommen kann - zu erheben.

Nach dem Gesagten ist die Verfahrensrüge, dem Beschwerdeführer sei keine Gelegenheit zur Erstattung eines substantiierten Vorbringens bezüglich seiner Bedrohungssituation gegeben worden, im Zusammenhang mit dem Asylbegehren nicht zielführend. Davon abgesehen legt der Beschwerdeführer auch in der Beschwerde nicht offen, was er gegebenenfalls vorgebracht hätte, sodass überdies die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan wird. Demselben Vorbehalt unterliegt der Vorwurf, er habe keine Möglichkeit gehabt, allfällige Widersprüche im Rahmen einer neuerlichen Einvernahme in einer nunmehr psychisch konsolidierten Verfassung aufzuklären.

Bezüglich der Feststellung der belangten Behörde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Uganda zulässig sei (Spruchpunkt II.), macht die Beschwerde nur geltend, dass keine Gelegenheit eingeräumt worden sei, jene Gründe darzulegen, die eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Uganda unzulässig machen. Auch in diesem Zusammenhang unterbleibt jedoch die Darlegung dessen, was gegebenenfalls vorgebracht worden wäre.

In Bezug auf einen allfälligen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften spielt es daher keine Rolle, dass die belangte Behörde ihre negativen Feststellungen zu den in § 57 Abs. 1 FrG genannten Gefahren ohne diesbezügliche Einvernahme des Beschwerdeführers mit dessen mangelnder persönlicher Glaubwürdigkeit begründet hat, was freilich als vorgreifende Würdigung eines insoweit noch gar nicht aufgenommenen Beweises erscheint.

Zu den in § 57 Abs. 2 FrG genannten Gefahren heißt es im angefochtenen Bescheid, das "Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 FrG" sei "bereits unter Spruchpunkt I. geprüft und verneint worden".

Dies beruht auf einer Verkennung der Rechtslage, weil sich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides - wie schon der entsprechende Teil des erstinstanzlichen Bescheides - darauf stützt, dass es mangels Herkunft des Beschwerdeführers aus Uganda nicht mehr darauf ankomme, ob ihm dort Verfolgung drohe, und der angefochtene Bescheid zu Spruchpunkt I. daher keine Auseinandersetzung mit dieser Frage enthält. Für die Gewährung von Abschiebungsschutz gemäß § 57 Abs. 2 FrG kommt es aber - anders als bei der Asylgewährung - nicht darauf an, ob es sich beim Zielstaat um den (tatsächlichen) Herkunftsstaat des Betroffenen im Sinne des § 1 Z 4 AsylG handelt. (§ 57 Abs. 2 FrG stellt nämlich insofern schlichtweg darauf ab, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, Leben oder Freiheit des betreffenden Fremden wären aus den dort genannten Gründen bedroht, ohne einen Bezug zu dessen Staatsangehörigkeit herzustellen.) Unterbleibt, wie im vorliegenden Fall, bei der Prüfung des Asylantrages eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der behaupteten Verfolgung deshalb, weil diese nicht vom (tatsächlichen) Herkunftsstaat ausgehe, so wird damit auf ein Tatbestandsmerkmal abgestellt, dem bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 FrG demnach keine Bedeutung zukommt. Die Verweisung des Betroffenen auf die "bereits geprüften und verneinten" Voraussetzungen für eine Asylgewährung bei der Entscheidung über die Schutzgewährung gemäß § 57 Abs. 2 FrG verstößt dann gegen das Gesetz. In Asylverfahren , in denen auch eine auf den (allenfalls: bloß) behaupteten Herkunftsstaat bezogene Entscheidung gemäß § 8 AsylG zu fällen ist, bedarf es zumindest im Zusammenhang mit dieser Entscheidung auch bei offenkundig unwahren Angaben über die Herkunft aus diesem Staat einer beweiswürdigenden Auseinandersetzung mit den Behauptungen über die dort drohende Verfolgungsgefahr.

Der angefochtene Bescheid war daher im Spruchpunkt II. gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde aus den zuvor dargestellten Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. Jänner 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000010106.X00

Im RIS seit

05.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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