TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/6 95/20/0110

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Veröffentlicht am 06.03.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Mag. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Dezember 1994, Zl. 4.340.183/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Dezember 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen des Irak, der am 13. September 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 15. September 1992 den Asylantrag gestellt hat, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. September 1992 abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Befragung vor dem Bundesasylamt am 15. September 1992 im wesentlichen angegeben habe, er habe sein Heimatland deshalb verlassen, weil er am 25. Mai 1992, nach fast zweijähriger Militärdienstzeit, von der irakischen Armee desertiert sei. Der Grund sei gewesen, daß er nicht auf unschuldige Menschen habe schießen können bzw. wollen. 12 Offiziere seien wegen Befehlsverweigerung während ihrer Dienstzeit (gemeint: während der Dienstzeit des Beschwerdeführers) zum Tode verurteilt worden. Jede Verweigerung sei mit der Todesstrafe bedroht, da im Irak die Menschenrechte keine Bedeutung hätten. Aufgrund seiner Weigerung, einen Dienstposten in der Militärindustrie anzunehmen, sei er in den Nordirak versetzt worden. Sein Leben sei dort in Gefahr gewesen, da die dort lebenden Kurden auch Armeeangehörige getötet hätten. Er sei (endgültig) erst nach fast zweijähriger Dienstzeit geflüchtet, da er zwar zuvor insgesamt siebenmal während der zwei Jahre desertiert sei, jedoch immer aufgrund einer Generalamnestie "von einer Verurteilung freigesprochen" worden sei. Wäre er vor einer Generalamnestie festgenommen worden, hätte er mit dem Tode rechnen müssen.

In der Türkei, in Bulgarien oder Rumänien habe er deshalb nicht um Asyl angesucht, da er der Meinung sei, daß er in diesen Ländern kein Asyl erhalten würde. Überdies hätten ihm einige Freunde, welche in Wien leben, geraten, nach Österreich zu gehen und hier einen Asylantrag zu stellen. Zudem sei ihm während seiner Studienzeit in Jugoslawien von 1982 bis 1990 bewußt geworden, daß die wirtschaftliche Situation in Rumänien oder Bulgarien nicht so gut sei wie in Österreich. Er sei bereit, in Österreich jede Arbeit anzunehmen. Abschließend habe der Beschwerdeführer angegeben, aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen in seiner Heimat keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein.

In seiner fristgerechten Berufung gegen den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. September 1992 habe der Beschwerdeführer im wesentlichen angegeben, daß er vom Militär geflüchtet sei, da man von ihm verlangt habe, gegen Kurden zu kämpfen. Er habe aber viele kurdische Freunde. Im Falle der Rückkehr in den Irak sei er mit dem Umbringen bedroht.

Die belangte Behörde wies auf § 20 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1991 hin und legte ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde, weil keiner der in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 angeführten Fälle vorliege, aufgrund derer eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen sei.

Die Behörde kam zu dem Schluß, daß aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig ableitbar sei, daß er aufgrund eines in der Genfer Flüchtlingskonvention bzw. in § 1 Z. 1 des Asylgesetzes 1991 genannten Grundes im Falle seiner Aufgreifung und Verurteilung eine differenzierte Bestrafung im Vergleich zu anderen irakischen Staatsangehörigen zu erwarten habe, und daß wirtschaftliche Gründe die Anerkennung als Flüchtling nicht rechtfertigten, weshalb dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme und die Asylgewährung ausgeschlossen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die Nichtberücksichtigung seines Berufungsvorbringens rügt. Aus dem Berufungsvorbringen sei glaubwürdig abzuleiten, daß er aufgrund eines in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Grundes im Fall seiner Aufgreifung im Heimatland mit einer anderen Bestrafung zu rechnen habe als andere irakische Staatsbürger, und zwar aufgrund seiner politischen Einstellung den Kurden gegenüber und nicht nur wegen der Desertion.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 hat der Bundesminister für Inneres in jedem Fall in der Sache selbst zu entscheiden und seiner Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen.

Gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 hat der Bundesminister für Inneres eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen, wenn es mangelhaft war, der Asylwerber Bescheinigungsmittel vorlegt, die ihm im Verfahren erster Instanz nicht zugänglich waren, oder wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung erster Instanz zugrundelag, in der Zwischenzeit geändert hat.

Der Beschwerdeführer hat weder in der Berufung noch in der Beschwerde einen der in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 enthaltenen Gründe für eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens erster Instanz konkret behauptet, weshalb der Verwaltungsgerichtshof der Annahme der belangten Behörde, sie habe gemäß § 20 Abs. 1 das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz ihrer Entscheidung zugrundezulegen, nicht entgegentreten kann.

Gemäß § 1 Z. 1 AsylG 1991, welcher vom Flüchtlingsbegriff des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll BGBl. Nr. 78/1974, nicht abweicht, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Der belangten Behörde kann - ausgehend vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz - nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie zur Auffassung gelangt ist, daß dem Beschwerdeführer mangels Flüchtlingseigenschaft kein Asyl zu gewähren sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt weder die Flucht eines Asylwerbers vor einem drohenden Militärdienst noch die Furcht vor einer wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion drohenden, unter Umständen auch strengen Bestrafung einen Grund für die Anerkennung als Flüchtling dar, sofern nicht Umstände hinzutreten, die die Annahme rechtfertigen, die Einberufung, die Behandlung während des Militärdienstes oder die Bestrafung wegen Verweigerung des Wehrdienstes oder Desertion sei infolge eines der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe für den Beschwerdeführer ungünstiger erfolgt (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 94/01/0377). Daß die Einberufung oder die ihm drohende Bestrafung auch einen in diesem Sinne asylrechtlich relevanten Aspekt hätte, hat der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet. Daß von seiten der staatlichen Behörden dem Betroffenen aufgrund einer derartigen Handlungsweise eine bestimmte - staatsfeindliche - Gesinnung unterlegt wird, ändert nichts daran, daß es nicht eine solche Gesinnung war, die den Beschwerdeführer zu seiner Handlungsweise veranlaßte. Im Falle einer Bedrohung mit der Todesstrafe (oder mit einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe) kommt bei Zutreffen der dort angeführten Voraussetzungen im übrigen das Zurückschiebungsverbot des § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, in Betracht. Selbst die Bedrohung mit der Todesstrafe begründet aber keinen Anspruch auf Asylgewährung, wenn - wie im Beschwerdefall - kein Zusammenhang mit Konventionsgründen besteht.

Die belangte Behörde befindet sich aber auch im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wenn sie davon ausgeht, daß wirtschaftliche Gründe in der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Weise keine asylrechtlich relevante Verfolgung zu begründen imstande sind (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zl. 95/19/0040).

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200110.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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