TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/10 I416 2231618-1

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Veröffentlicht am 10.06.2020
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Entscheidungsdatum

10.06.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §66 Abs1
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3
StGB §125
StGB §127
StGB §130 ersterFall
StGB §146
StGB §223 Abs2
StGB §224
StGB §229
StGB §83 Abs1
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I416 2231618-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , StA Kroatien, vertreten durch RA Mag. Manfred ARTHOFER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.03.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Kroatien, wurde zuletzt mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 30. Jänner 2020, Zl. XXXX , wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs. 1 1. Fall, §15 Abs. 1 StGB und dem Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten rechtskräftig verurteilt und die bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe hinsichtlich des Urteils des LG XXXX vom 03.05.2019, XXXX widerrufen. Bezüglich der Straf Bemessungsgründe wurden mildernd das Geständnis, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist und die Schadensgutmachung durch Sicherstellung bzw. Bezahlung des Diebesgutes gewertet, erschwerend der rasche Rückfall nach bedingter Entlassung die einschlägigen Vorstrafen, die Tatwiederholung und das zu Zusammentreffen von Vergehen gewertet. Zudem wurde im Urteil festgehalten, dass die Voraussetzungen für eine Diversion nicht möglich sind, da die ganzheitliche Abwägung aller unrechts- und schuldrelevanten Tatumstände fallbezogen bereits eine schwere Schuld begründen würden und der Handlungsunwert gegeben ist. Einer Diversion würden auch fallbezogen spezialpräventive Überlegungen entgegenstehen, weil der Angeklagten Tatwiederholung zur Last liegt und die Angeklagte bereits mehrfach oder kurz zurückliegend einschlägig kriminell in Erscheinung getreten ist.

2. Am 7.2.2020 wurde die Beschwerdeführerin seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen dieser Einvernahme wurden der Beschwerdeführerin ihrer Einvernahme vom 7.10.2019 vorgehalten in der sie zusammengefasst ausgeführt hat, dass sie XXXX heißen würde, am XXXX 1993 in XXXX geboren sei, ledig sei, keine Kinder habe. Zu ihren persönlichen Verhältnissen führte sie weiters aus, dass sie in XXXX in Oberösterreich geboren sei, dass sie die kroatische Staatsbürgerschaft besitze, neben Deutsch, fließend kroatisch und bosnisch sprechen würde, dass sie in XXXX bei ihrer Mutter gemeldet sei und dort auch nach ihrer Haftentlassung wieder ihren Wohnsitz nehmen würde, darüber hinaus habe sie sich noch nie in einem anderen EWR Staat oder der Schweiz aufgehalten, das letzte Mal, dass sie in Kroatien gewesen wäre, sei vor fünf Jahren gewesen. In Österreich lebe ihre gesamte Familie, ihre Eltern ihre Geschwister ihre Tanten ihre Onkel und Cousinen, in Kroatien habe sie keine sozialen Anknüpfungspunkte, es gebe dort aber noch Verwandte, nämlich die Cousinen ihrer Mutter. Die Verwandten ihres Vaters würden in Bosnien wohnen. Sie gab weiters an, dass sie in Österreich die Volkschule, die Hauptschule und die Berufsschule besucht habe aber keine Lehrabschlussprüfung vorweisen könne, zuletzt habe sie in einem Wettbüro gearbeitet. Ein halbes Jahr vor ihrer Verhaftung sei sie arbeitslos gewesen. Derzeit würde sie sich wegen gewerbsmäßigen Diebstahls in Haft befinden. Gefragt, warum sie diese Diebstähle begangen habe, führte sie aus, dass sie drogensüchtig gewesen sei, sie aber seit sechs Monaten “clean“ sei, da sie im Substitutionsprogramm gewesen wäre. Im Rahmen der nunmehrigen Einvernahme führte die Beschwerdeführerin zusammengefasst aus, dass ihr Anwalt bei einer Reinigungsfirma in XXXX eine Arbeitsstelle gefunden habe und sie dort auch mit einer Fußfessel arbeiten könne. Wohnen würde sie bei ihrer Mutter, ihre Eltern und ihre Freundin würden sie auch in der Haft besuchen, Lebensgefährten habe sie derzeit keinen. Auf Nachfrage, ob sie über eine Anmeldebescheinigung gemäß § 53 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz oder eine Bescheinigung des Daueraufenthaltes von EWR-Bürger verfügen würde, führte sie aus, dass sie das nicht genau wisse, gefragt, ob sie eine solche Anmeldebescheinigung beantragt habe, antwortete sie, dass sie das nicht wisse.

3. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 03.03.2020 wurde gemäß § 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz gegen die Beschwerdeführerin ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz wurde ihr kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin neben acht strafrechtlichen Verurteilungen, elfmal wegen der Begehung von Verwaltungsstrafen rechtskräftig verurteilt worden ist und dass ihr Verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde und eine tatsächliche gegenwärtige und schwerwiegende Gefahr darstellen würde, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühren würde aufweisen würde. Zudem sei sie bereits im Oktober 2019 verwarnt worden und sei ihr mitgeteilt worden, dass im Falle einer neuerlichen Straffälligkeit erneut eine aufenthaltsbeendende Maßnahme geprüft werde. Trotz dieser Verwarnung sei sie ein weiteres Mal strafrechtlich verurteilt worden weshalb auch für die Zukunft nicht davon ausgegangen werden könne, dass sie keine weiteren strafbaren Handlungen bzw. Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung begehen werde. Hinsichtlich ihres Privat- und Familienlebens wurde ausgeführt, dass sie ein im Sinne von Art. 8 EMRK schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich aufweise und dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbots jedenfalls einen Eingriff in dieses Recht darstelle, die Gesamtbeurteilung ihres Verhaltens ihrer Lebensumstände und ihrer familiären und privaten Anknüpfungspunkte im Rahmen der Interessenabwägung ergeben haben dass die Erlassung des Aufenthaltsverbot in der angegebene Dauer gerechtfertigt und notwendig ist um die von Ihnen die von ihr ausgehende erhebliche Gefährdung öffentlich Euro Sicherheit zu verhindern zudem sei dieser Zeitraum erforderlich um einen positiven Gesinnungswandel ihrer Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung zu bewirken. Da sich das Aufenthaltsverbot auf das Hoheitsgebiet der Republik Österreich beziehen würde müsse sie nicht notwendigerweise nach Kroatien zurückkehren, sondern könne sich in einem der angrenzenden EU-Staaten wie etwa Deutschland, Tschechien oder Slowenien niederlassen und könne sie dahingehend auch ihre familiären Beziehungen aufrechterhalten.

4. Mit Schriftsatz vom 26.05.2020 erhob die Beschwerdeführerin durch ihren gewillkürten Rechtsvertreter Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin in Österreich ein Familienleben im Sinne des Art. 8 MRK führt und sehr wohl spezifische Abhängigkeitsverhältnisse gegenüber ihren Familienmitgliedern bestehen würde, insbesondere im Hinblick auf die fortgeschrittene Erkrankung der Beschwerdeführerin, da ohne entsprechende Unterstützung der Familie eine nachhaltige Behandlung/Therapie nicht oder nur schwer möglich wäre, zudem habe die Beschwerdeführerin in Kroatien keine Verwandten um keine Anknüpfungspunkte, sodass ein schützenswertes Familienleben im Sinne des Art. 8 MRK vorliegen würde und die Beschwerdeführerin in Österreich bestens integriert sei. Der Beschwerdeführerin sei, durch die zugestandene und festgestellte Abhängigkeit von Suchtmitteln, die Konsequenz ihres strafrechtlich relevanten Verhaltens nicht im vollen Umfang bewusst und würde die belangte Behörde übersehen, dass der Umstand der beabsichtigten Therapie aber auch der Betreuungssituation durch die Familie im Hinblick auf eine Prognoseentscheidung berücksichtigt werden hätte müssen, sodass nicht davon auszugehen ist, dass von der Beschwerdeführerin eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehen würde. Die Behörde würde zudem die positiven Entwicklungen der letzten Monate während der Haft gänzlich außer Acht lassen und hätten diese bei der Prognoseentscheidung berücksichtigt werden müssen. Es werde daher beantragt das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erkennen, eine mündliche Verhandlung durchführen, den angefochtenen Bescheid vom 3.3.2020 in seinem gesamten Umfang aufheben, in eventu den angefochtenen Bescheiden seinem gesamten Umfang aufheben und die Angelegenheit zu Erlassung eines neuen Bescheides zurückverweisen.

5. Bezughabender Akt wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 05.06.2020 vorgelegt und langte der gegenständliche Akt am 08.06.2020 bei der zuständigen Gerichtabteilung I416 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die volljährige Beschwerdeführerin ist kroatische Staatsangehörige und somit EWR-Bürgerin bzw. Unionsbürgerin im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 8 FPG. Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest.

Die Beschwerdeführerin ist ledig und hat keine Kinder. Die Beschwerdeführerin spricht fließend deutsch, kroatisch und bosnisch.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich geboren, und hält sich seitdem durchgehend im Bundesgebiet auf.

Im Bundesgebiet lebt die Familie der Beschwerdeführerin ihre Eltern, ihre Geschwister sowie Tanten Onkel und Cousinen.

Die Beschwerdeführerin hat nach dem Abschluss ihrer Schule zweimal eine Lehre begonnen, ohne diese abzuschließen und hat sich ihren Lebensunterhalt durch Nebenjobs in der Gastronomie und in einem Wettbüro bestritten. Die Beschwerdeführerin war zuletzt vor ihrer Inhaftierung arbeitslos und wohnt bei ihrer Mutter.

In Kroatien leben noch Verwandte ihrer Mutter, Kontakt zu diesen besteht nicht. Die Beschwerdeführerin war zuletzt vor fünf Jahren in Kroatien. Die Beschwerdeführerin ist in Österreich sozial verankert. Entscheidungsmaßgebliche, private oder soziale Anknüpfungspunkte der Beschwerdeführerin in Kroatien konnten nicht festgestellt werden.

Nicht festgestellt werden kann, ob die Beschwerdeführerin über eine Anmeldebescheinigung gemäß § 53 Abs. 1 NAG verfügt, oder ob sie im Besitz einer Bescheinigung des Daueraufenthaltes von EWR-Bürgern im Sinne des § 53a NAG ist.

Mit Schriftsatz des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (bezeichnet als Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme) wurde der Beschwerdeführerin erstmalig mitgeteilt, dass eine Beweisaufnahme dahingehend stattgefunden habe, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG geprüft werde. Mit Schriftsatz des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX , vom 17.10.2019 wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass das gegen sie eingeleitete Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots eingestellt worden ist, dass diese Einstellung als Verwarnung anzusehen ist und das im Falle einer erneuten strafrechtlichen Verurteilung die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme erneut geprüft werden wird.

Die Beschwerdeführerin weist in Österreich die nachstehenden strafrechtlichen Verurteilungen auf:

01) LG XXXX vom 11.11.2010 RK 15.11.2010

PAR 297/1 StGB, 288/1 288/4 StGB, PAR 127 StGB

15/1 83/1 StGB

Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Jugendstraftat

zu LG XXXX RK 15.11.2010

Aufhebung der Bewährungshilfe

LG XXXX vom 23.01.2013

zu LG XXXX RK 15.11.2010

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

LG XXXX vom 25.07.2014

02) BG XXXX vom 21.12.2010 RK 25.12.2010

§ 83/1 StGB

Geldstrafe von 70 Tags zu je 10,00 EUR (700,00 EUR) im NEF 35 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Jugendstraftat

zu BG XXXX RK 25.12.2010

(Teil der) Geldstrafe nachgesehen, endgültig

BG XXXX vom 01.07.2014

03) BG XXXX vom 26.04.2016 RK 30.04.2016

§ 146 StGB

§ 15 StGB § 127 StGB

Freiheitsstrafe 7 Wochen, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu BG XXXX RK 30.04.2016

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

BG XXXX vom 07.12.2016

zu BG XXXX RK 30.04.2016

Bedingte Nachsicht der Strafe wird widerrufen

BG XXXX vom 09.06.2017

04) BG XXXX vom 07.12.2016 RK 08.01.2017

§ 15 StGB § 127 StGB

Freiheitsstrafe 2 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu BG XXXX RK 08.01.2017

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG XXXX vom 18.10.2017

05) LG XXXX vom 18.10.2017 RK 18.10.2017

§§ 223 (2), 224 StGB

§§ 127, 130 1. Fall StGB

§ 229 (1) StGB

Freiheitsstrafe 11 Monate, davon Freiheitsstrafe 8 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG XXXX RK 18.10.2017

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, bedingt, Probezeit 3 Jahre

LG XXXX vom 24.08.2018

zu LG XXXX RK 18.10.2017

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG XXXX vom 03.05.2019

06) LG XXXX vom 03.05.2019 RK 03.05.2019

§§ 127, 130 (1) 1. Fall StGB § 15 StGB

Freiheitsstrafe 8 Monate

zu LG XXXX RK 03.05.2019

Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 11.10.2019, bedingt, Probezeit 3 Jahre

LG XXXX vom 17.07.2019

zu LG XXXX RK 03.05.2019

Bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe wird widerrufen

LG XXXX vom 30.01.2020

07) LG XXXX vom 30.01.2020 RK 30.01.2020

§ 125 StGB

§§ 127, 130 (1) 1. Fall StGB § 15 StGB

Freiheitsstrafe 8 Monate

Die Beschwerdeführerin befindet sich derzeit in Strafhaft. Die Beschwerdeführerin erhält in der Haftanstalt regelmäßig Besuch von ihrer Mutter.

Die Beschwerdeführerin hat die besagten Straftaten begangen und das beschriebene Verhalten gesetzt. Die Beschwerdeführerin ist tat- und schuldeinsichtig und wurde strafmildernd neben dem Geständnis, die Tatsache, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist und die teilweise Schadenswiedergutmachung durch Bezahlung des Diebesgutes gewertet demgegenüber wurden erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und die Tatwiederholung angeführt.

Der letzten Verurteilung lag zugrunde, dass die Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 21.11.2019 bis 19.12.2019 zwei Ladendiebstähle, nämlich im XXXX Drogeriemarkt 5 Packungen Parfüm im Gesamtwert von Euro 315,50 und im Geschäft XXXX zwei Packungen Parfüm im Gesamtwert von € 286 begangen hat und es bei zwei weiteren Diebstählen, nämlich im Geschäft „ XXXX “ und im Geschäft XXXX GmbH beim Versuch geblieben ist, sowie dass die Beschwerdeführerin im Geschäft „ XXXX “ durch gewaltsames Entfernen von Diebstahlssicherungen bei einer Haube und einer Geldbörse eine Sachbeschädigung begangen hat. Strafmildernd erkannte das Gericht ihr Geständnis, die Tatsache, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, sowie die Schadensgutmachung durch Sicherstellung bzw. Bezahlung des Diebesgutes an, als erschwerend wurde der rasche Rückfall nachbedingter Entlassung die einschlägigen Vorstrafen die Tatwiederholung und das Zusammentreffen von Vergehen gewertet.

Zudem sprach das Strafgericht aus, dass ein Vorgehen nach dem §§ 198, 199 StPO (Diversion) nicht möglich sei, weil die ganzheitliche Abwägung aller ungerechten schuldrelevanten Tatumstände fallbezogen bereits eine schwere Schuld begründen würden weil ein hoher Handlungsunwert gegeben ist. Darüber hinaus würden fallbezogen spezialpräventive Überlegungen einer Diversion entgegenstehen, weil der Angeklagten Tatwiederholung zur Last liegt und die Angeklagte bereits mehrfach oder kurz zurückliegend einschlägig kriminell in Erscheinung getreten war.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Insbesondere wurden auch Auszüge aus dem Informationsverbund Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Zentralen Melderegister und dem Strafregister eingeholt. Ergänzend wurde Einsicht in das letzte Strafurteil und die Besucherliste der JA XXXX genommen.

Die Identität der Beschwerdeführerin steht aufgrund ihres vorgelegten kroatischen Reisepasses fest.

Die Feststellungen zu ihren Lebensumständen, ihrem Privat- und Familienleben in Österreich bzw. ihren familiären Anknüpfungspunkten in Kroatien, ergeben sich einerseits aus ihren Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme (AS 287-289), den vorliegende Auszügen aus dem ZMR und AJ-Web und andererseits aus dem Umstand, dass die entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid in der Beschwerde nicht substantiiert bestritten wurden.

Die Feststellungen zu ihren Verurteilungen, insbesondere der letzten strafrechtlichen Verurteilung vom 30.01.2020, ergeben sich aus den vorgelegten Verfahrensakt und den darin enthaltenen Strafurteilen.

Die Ermahnung an die Beschwerdeführerin, sie müsse im Falle der Setzung eines weiteren Fehlverhaltens mit dem Ausspruch einer aufenthaltsbeenden Maßnahme rechnen, ist dem diesbezüglichen Schriftstück im Akt zu entnehmen.

Die Feststellung, dass sich die Beschwerdeführerin derzeit in Haft befindet gründet sich auf einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage:

Gemäß § 53a Abs. 1 und Abs. 2 NAG erwerben EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen. Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr; Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung."

Gemäß § 66 Abs. 1 FPG können EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt."

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

Gemäß Art 28 Abs. 2 und 3 RL2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie) darf der Aufnahmemitgliedstaat gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen. Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder minderjährig sind, es sei denn, die Ausweisung ist zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Der die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegenüber EWR-Bürger regelnde § 86 Abs. 1 FPG idF BGBl. I Nr. 100/2005, der von 01.01.2006 bis 31.12.2009 in Geltung war, sah zwei unterschiedliche Gefährdungsmaßstäbe - als Bezugspunkt für die für jedes Aufenthaltsverbot Voraussetzung bildende Gefahrenprognose - vor. Einerseits (nach dem ersten und zweiten Satz) die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, wobei eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr auf Grund eines persönlichen Verhaltens des betreffenden Fremden vorliegen musste, und andererseits (nach dem fünften Satz) - wenn der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatte - darüber hinausgehend eine nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet.

Der nunmehr in Geltung befindliche § 67 Abs. 1 FPG fünfter Satz kommt schon dann zur Anwendung, wenn der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einen zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Die in § 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG noch enthaltene Wendung "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" findet sich in der nunmehrigen Bestimmung des § 67 Abs. 1 FPG nicht mehr, sodass eine solche Einschränkung seither nicht (mehr) Platz zu greifen hat (vgl VwGH 24.03.2015, Ro 2014/21/0079 mwN).

§ 67 Abs. 1 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 enthält somit zwei Stufen für die Gefährdungsprognose, nämlich einerseits (nach dem ersten und zweiten Satz) die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, wobei eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr auf Grund eines persönlichen Verhaltens vorliegen muss, und andererseits (nach dem fünften Satz) die nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen mit mindestens zehnjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet bzw. im Fall von Minderjährigen (VwGH 13.12.2012, 2012/21/0181; 15.09.2016, Ra 2016/21/0262).

Im gegenständlichen Fall ist die Beschwerdeführerin in Österreich geboren und hält sich durchgehend in Österreich auf, sodass der qualifizierte Tatbestand des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG (d.h. nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich durch den Verbleib im Bundesgebiet) als Prüfungsmaßstab des vorliegenden Aufenthaltsverbots zur Anwendung kommt.

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).

Mit der Bestimmung des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FrPolG 2005 soll Art. 28 Abs. 3 lit. a der Unionsbürger-RL (§ 2 Abs. 4 Z 18 FrPolG 2005) umgesetzt werden, wozu der EuGH bereits judizierte, dass hierauf gestützte Maßnahmen auf "außergewöhnliche Umstände" begrenzt sein sollen; es ist vorausgesetzt, dass die vom Betroffenen ausgehende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit einen "besonders hohen Schweregrad" aufweist (vgl. EuGH 22.5.2012, C-348/09).

Mit der Frage, was unter dem Begriff "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit" im Sinne des Art. 28 Abs. 3 der Freizügigkeitsrichtlinie zu verstehen ist, hat sich der EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache Tsakouridis, GZ C - 145/09, ausführlich auseinandergesetzt.

Der Ausdruck "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit" setzt nämlich nicht nur das Vorliegen einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit voraus, sondern darüber hinaus, dass die Beeinträchtigung einen besonders hohen Schweregrad aufweist, der im Gebrauch des Ausdrucks "zwingende Gründe" zum Ausdruck kommt. Auch der Begriff "öffentliche Sicherheit" in Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 ist in diesem Kontext auszulegen. Hinsichtlich der öffentlichen Sicherheit hat der Gerichtshof entschieden, dass sie sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats umfasst (vgl. u. a. Urteile vom 26. Oktober 1999, Sirdar, C 273/97, Slg. 1999, I 7403, Randnr. 17, vom 11. Januar 2000, Kreil, C 285/98, Slg. 2000, I 69, Randnr. 17, vom 13. Juli 2000, Albore, C 423/98, Slg. 2000, I 5965, Randnr. 18, und vom 11. März 2003, Dory, C 186/01, Slg. 2003, I 2479, Randnr. 32).

Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen die öffentliche Sicherheit berühren können (vgl. u. a. Urteile vom 10. Juli 1984, Campus Oil u. a., 72/83, Slg. 1984, 2727, Randnrn. 34 und 35, vom 17. Oktober 1995, Werner, C 70/94, Slg. 1995, I 3189, Randnr. 27, Albore, Randnr. 22, und vom 25. Oktober 2001, Kommission/Griechenland, C 398/98, Slg. 2001, I 7915, Randnr. 29).

Demzufolge muss eine Ausweisungsmaßnahme auf eine individuelle Prüfung des Einzelfalls gestützt werden (vgl. u. a. Urteil Metock u. a., Randnr. 74) und kann nur dann mit zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit im Sinne von Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 gerechtfertigt werden, wenn eine solche Maßnahme angesichts der außergewöhnlichen Schwere der Bedrohung für den Schutz der Interessen, die mit ihr gewahrt werden sollen, erforderlich ist, vorausgesetzt, dass dieses Ziel unter Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer im Aufnahmemitgliedstaat des Unionsbürgers und insbesondere der schweren negativen Folgen, die eine solche Maßnahme für Unionsbürger haben kann, die vollständig in den Aufnahmemitgliedstaat integriert sind, nicht durch weniger strikte Maßnahmen erreicht werden kann.

Bei der Anwendung der Richtlinie 2004/38 ist insbesondere der außergewöhnliche Charakter der Bedrohung der öffentlichen Sicherheit aufgrund des persönlichen Verhaltens der betroffenen Person, die gegebenenfalls zu der Zeit zu beurteilen ist, zu der die Ausweisungsverfügung ergeht (vgl. u. a. Urteil vom 29. April 2004, Orfanopoulos und Oliveri, C 482/01 und C 493/01, Slg. 2004, I 5257, Randnrn. 77 bis 79), und zwar nach Maßgabe der verwirkten und verhängten Strafen, des Grades der Beteiligung an der kriminellen Aktivität, des Umfangs des Schadens und gegebenenfalls der Rückfallneigung (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 27. Oktober 1977, Bouchereau, 30/77, Slg. 1977, 1999, Randnr. 29), gegen die Gefahr abzuwägen, die Resozialisierung des Unionsbürgers in dem Staat, in den er vollständig integriert ist - die, wie der Generalanwalt in Nr. 95 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nicht nur im Interesse dieses Staates, sondern auch im Interesse der Europäischen Union insgesamt liegt -, zu gefährden.

Die verhängte Strafe ist als ein Umstand dieser Gesamtheit von Faktoren zu berücksichtigen. Im Rahmen der entsprechenden Beurteilung ist den Grundrechten Rechnung zu tragen, deren Beachtung der Gerichtshof sichert, da Gründe des Allgemeininteresses zur Rechtfertigung einer innerstaatlichen Maßnahme, die geeignet ist, die Ausübung der Freizügigkeit zu behindern, nur dann herangezogen werden können, wenn die fragliche Maßnahme diesen Rechten Rechnung trägt (vgl. u. a. Urteil Orfanopoulos und Oliveri, Randnrn. 97 bis 99), insbesondere dem in Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten niedergelegten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (vgl. u. a. Urteil vom 5. Oktober 2010, McB., C 400/10 PPU, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 53, sowie Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte [Große Kammer] vom 23. Juni 2008, Maslov/Österreich, Recueil des arrêts et décisions 2008, Nrn. 61 ff.).

Um zu beurteilen, ob der in Aussicht genommene Eingriff im Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck steht, hier dem Schutz der öffentlichen Sicherheit, sind insbesondere die Art und die Schwere der begangenen Zuwiderhandlung, die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Aufnahmemitgliedstaat, die seit der Begehung der Zuwiderhandlung vergangene Zeit und das Verhalten des Betroffenen in dieser Zeit sowie die Intensität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Aufnahmemitgliedstaat zu berücksichtigen. Im Fall eines Unionsbürgers, der die meiste oder die gesamte Zeit seiner Kindheit und Jugend rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat verbracht hat, müssten sehr stichhaltige Gründe vorgebracht werden, um die Ausweisungsmaßnahme zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Maslov/Österreich, Nrn. 71 bis 75).

Im gegenständlichen Fall ist unter Berücksichtigung aller genannten Umstände zu prüfen, ob das Verhalten der Beschwerdeführerin unter den Ausdruck "schwerwiegende Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit" im Sinne von Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 oder den Ausdruck "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit" im Sinne von Art. 28 Abs. 3 dieser Richtlinie fällt und ob mit der in Aussicht genommenen Abschiebung die genannten Voraussetzungen beachtet werden, bzw. ob von "außergewöhnlichen Umständen" mit "besonders hohem Schweregrad" bzw. von "besonders schwerwiegenden Merkmalen" der vom Fremden begangenen Straftaten gesprochen werden kann (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).

In Hinblick auf diese Erwägungen ist im vorliegenden Fall festzuhalten, dass die Art und die Schwere der begangenen strafbaren Handlungen zeigen, dass die Beschwerdeführerin jedenfalls zu den Tatzeitpunkten eine Verbundenheit mit rechtlich geschützten Werten fehlte. Dabei fällt insbesondere die Anzahl der Verurteilungen aber auch der wiederholte Rückfall innerhalb der Probezeiten ins Gewicht. Demgegenüber steht, dass, die Beschwerdeführerin immer geständig war, den entstandenen zumindest teilweise wieder gut gemacht hat und die Mehrzahl ihre Verurteilungen bedingte Haftstrafen nach sich gezogen hat.

Es ist der belangten Behörde dahingehend zuzustimmen, dass das Fehlverhalten der Beschwerdeführerin eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt. "Besonders schwerwiegende Merkmale" im eben genannten Sinn sind aber auf Basis der seitens der belangten Behörde getroffenen Feststellungen - wenn auch die wiederholte einschlägige Rückfälligkeit, zuletzt auch innerhalb offener Probezeit, nicht bagatellisiert werden soll nicht erkennbar und werden auch von der belangten Behörde nicht aufgezeigt.

Der qualifizierte Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 fünfter Satz FPG ("nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich") ist jedoch trotz der wiederholten Straffälligkeit, insbesondere hinsichtlich der verwirklichten Delikte nicht erfüllt, auch wenn die besondere Gefährlichkeit der Gewerbsmäßigkeit und des wiederholten raschen Rückfalls berücksichtigt wird.

Es ist des Weiteren auch zu berücksichtigen, dass sich die Beschwerdeführerin Schuld- und Tateinsichtig zeigt und sie teilweise zur Schadenswiedergutmachung beigetragen hat, bzw. dass es beim Versuch geblieben ist. Somit kann trotz der Verwirklichung der ihr zur Last gelegten Straftaten über einen maßgeblichen Zeitraum im gegenständlichen Fall noch nicht von „außergewöhnlichen Umständen" mit "besonders hohem Schweregrad" bzw. von "besonders schwerwiegenden Merkmalen" der von ihr begangenen Straftat gesprochen werden (vgl. VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0248).

Dabei darf im gegenständlichen Fall auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vor ihrer letzten Verurteilung bereits ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet hat, dieses Verfahren jedoch nach niederschriftlicher Einvernahme der Beschwerdeführerin eingestellt hat. Das gerade mit der letzten Verurteilung die von der Rechtsprechung geforderten „außergewöhnlichen Umständen" mit "besonders hohem Schweregrad" bzw. mit "besonders schwerwiegenden Merkmalen", verwirklicht worden wären, wurde von der belangten Behörde fallgegenständlich nicht aufgezeigt.

Überdies ist gemäß § 9 BFA-VG angesichts des rechtmäßigen Inlandsaufenthalts der Beschwerdeführerin seit ihrer Geburt, ihres privaten Umfeldes und ihrer wenn auch nicht ausgeprägten beruflichen Verankerung am Arbeitsmarkt und der familiären Anbindung zu ihren Eltern und ihren in Österreich aufhältigen Verwandten, die aufgrund ihres unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ebenfalls in Österreich leben sowie aufgrund der Tatsache, dass sie keine sozialen Anknüpfungspunkte in ihrem Herkunftsstaat hat, von einem unverhältnismäßigen Eingriff in sein Privat- und Familienleben iSd Art 8 EMRK durch das Aufenthaltsverbot auszugehen.

Es ist im gegenständlichen Fall insbesondere hinsichtlich der letzten Verurteilung im Bezug auf die verwirklichten Straftatbestände, der für die von ihr verwirklichten Taten festgesetzten Strafhöhe in Relation zur möglichen Strafhöhe, in Gegenüberstellung der Intensität ihrer sozialen kulturellen und familiären Bindungen zu Österreich, sohin die Annahme gerechtfertigt, dass derzeit die "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit" im Sinne des Art 28 Abs. 3 der RL 2004/38 nicht vorliegen und somit auch nicht von einer nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder der Sicherheit der Republik Österreich gemäß § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG gesprochen werden kann.

Dabei wird auch nicht verkannt, dass sich die Beschwerdeführerin derzeit noch in Haft befindet, es wird auch nicht verkannt, dass im gegenständlichen Fall insbesondere das private Umfeld für die Reintegration der Beschwerdeführerin, nach deren Haftentlassung, allenfalls vorzeitig mit einer Fußfessel, unabdingbar ist und würde die Verhängung eines Aufenthaltsverbots dieser Reintegration zuwiderlaufen.

Da die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen die Beschwerdeführerin somit nicht vorliegen, ist der angefochtene Bescheid in Stattgabe der Beschwerde zu beheben. Sollte diese in Zukunft wieder straffällig werden, wird die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen sie neuerlich zu prüfen sein, insbesondere bei einem entsprechend schwerwiegenden Rückfall.

Eine Beschwerdeverhandlung entfällt gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG, weil schon auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. In der gegenständlichen Angelegenheit setzte sich das erkennende Gericht ausführlich mit der Thematik des Vorliegens einer "nachhaltigen und maßgeblichen Gefährdung“ in Bezug auf die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091; 24.01.2019, Ra 2018/21/0248) auseinander. Dabei weicht die der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsprechung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I416.2231618.1.00

Im RIS seit

12.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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