TE OGH 2020/8/11 4Ob85/20h

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Veröffentlicht am 11.08.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Hon.-Prof   PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache der betroffenen Person E***** G*****, geboren *****1948, *****, vertreten durch den gesetzlichen Erwachsenenvertreter A***** G*****, dieser vertreten durch Dr. Bernhard Birek, Rechtsanwalt in Schlüßlberg, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betroffenen Person gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 10. Mai 2020, GZ 21 R 70/20y-88, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Die Revisionsrekursausführungen der Betroffenen richten sich zunächst gegen die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach im eingeleiteten Verfahren die Beendigung der gesetzlichen Erwachsenenvertretung sowie die Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters für die Betroffene geprüft werden. Dagegen macht sie zusammengefasst geltend, es fehle an einer ausreichenden Tatsachengrundlage für Pflichtversäumnisse ihres Vertreters, aus der sich die Notwendigkeit der Verfahrenseinleitung ergeben könnte. Damit macht die Betroffene keine erhebliche Rechtsfrage geltend:

1.2. § 117a Abs 1 AußStrG idF 2. ErwSchG verlangt für die Verfahrenseinleitung konkrete und begründete Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters. Diese Anforderungen entsprechen der Rechtsprechung zur Rechtslage vor dem 2. ErwSchG (vgl RIS-Justiz RS0008526); deren Vorliegen ist eine typische Einzelfallbeurteilung, die nur im Fall einer groben Fehlbeurteilung des Rekursgerichts eine erhebliche Rechtsfrage begründen kann (7 Ob 192/18p mwN). Eine solche Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor.

1.3. Die Vorinstanzen haben plausibel auf die sich aus der Aktenlage ergebenden möglichen Interessenkonflikte zwischen der Betroffenen und dem gesetzlichen Erwachsenenvertreter hingewiesen und den Verdacht auf Pflichtverletzungen durch diesen (dokumentiert durch Probleme bei der Begleichung von Rechnungen für die Pflege der Betroffenen) erwogen. Zu klären, ob diese Umstände tatsächlich vorliegen und diese zum künftigen Wohl der Betroffenen eine Beendigung der gesetzlichen Erwachsenenvertretung sowie die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters nahelegen, ist gerade der Zweck eines Überprüfungsverfahrens. Dem würde es widersprechen, wenn schon zu Beginn des Verfahrens konkrete Feststellungen über die Voraussetzungen für die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters verlangt würden (vgl 8 Ob 92/19s). Dass die fraglichen Umstände hier hinreichend konkretisiert und daher zu überprüfen sind, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung und ist jedenfalls vertretbar.

2.1. Im Übrigen führt der Revisionsrekurs nur inhaltliche Argumente zur Frage der Wohnortänderung, insbesondere gegen die Schlussfolgerungen eines vom Erstgericht eingeholten pflegerischen Sachverständigengutachtens, ins Treffen und argumentiert dahin, dass dann, wenn die Betroffene sich nicht äußern könne, die Anwendung des § 4b ErwSchVG nicht anwendbar sei. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG vermag die Rechtsmittelwerberin auch hier nicht aufzuzeigen.

2.2. Zwar sind alle Beschlüsse, die im Rahmen des Rekursverfahrens ergehen, auch solche auf Zurückweisung eines nicht selbständig anfechtbaren verfahrensleitenden Beschlusses, unter den Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG anfechtbar (RS0120565 [T16], RS0120974 [T11]).

2.3. Nach § 45 Satz 2 AußStrG sind jedoch verfahrensleitende Beschlüsse, soweit nicht ihre selbständige Anfechtung angeordnet ist, nur mit dem Rekurs gegen die Entscheidung über die Sache anfechtbar.

Die Rechtsprechung zählt zu den verfahrensleitenden Beschlüssen im Rahmen eines Beweisverfahrens getroffene Entscheidungen (Beschlüsse, Aufträge, Verfügungen), die der Stoffsammlung dienen und deren Zweck es ist, die Sachverhaltsgrundlage für die gerichtliche Sachentscheidung zu klären oder zu verbreitern (7 Ob 129/15v mwN). Neben Entscheidungen, die der Stoffsammlung dienen, zählen auch sonstige den Verfahrensablauf betreffende Verfügungen zu den verfahrensleitenden Beschlüssen. Sie dienen damit der zweckmäßigen Gestaltung des Verfahrens, insbesondere des Beweisverfahrens, und haben kein vom Verfahren losgelöstes Eigenleben; das Gericht ist jederzeit in der Lage, sie abzuändern und einer geänderten Situation anzupassen (

vgl RS0120910 [T11, T19]).

So sind etwa verfahrensleitende Beschlüsse und daher erst mit dem Rekurs gegen die Entscheidung über die Hauptsache anfechtbar solche Beschlüsse, mit denen ein Sachverständiger bestellt wird (4 Ob 151/18m = RS0120052 [T6]; RS0120910 [T1]; RS0006327 [T16]) oder solche, mit denen der Familiengerichtshilfe eine fachliche Stellungnahme aufgetragen wird (7 Ob 129/15v = RS0130373 = RS0120910 [T15]).

2.4. Wenn daher das Rekursgericht hier die Anordnung eines Clearings durch einen Erwachsenenschutzverein nach § 4b ErwSchVG als nicht gesondert anfechtbaren verfahrensleitenden Beschluss qualifiziert und den Rekurs dagegen zurückgewiesen hat, hält sich dies im Rahmen der dargelegten Rechtsprechung.

3. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs nicht zulässig und daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Textnummer

E129249

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00085.20H.0811.000

Im RIS seit

07.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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