TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/22 L510 2230243-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.04.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

22.04.2020

Norm

BFA-VG §18
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L510 2230243-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Türkei, vertreten durch RA Dr. Benno WAGENEDER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.02.2020, Zl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:

"Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Z 1 FPG wird gegen Sie ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen."

II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

1. Die beschwerdeführende Partei (bP) ist am 23.04.1998 in XXXX geboren. Die bP war laut ihren eignen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme bisher einmal für etwa einen Monat in der Türkei aufhältig, ansonsten lebte sie in Österreich.

Mit 27.05.1998 wurde ihr durch die BH XXXX ein Aufenthaltstitel als "Familienangehöriger" ausgestellt.

Mit 12.08.2013 wurde ihr durch die BH XXXX der Aufenthaltstitel Daueraufenthalt-EU ausgestellt.

Die bP wurde mehrmals rechtskräftig strafrechtlich verurteilt.

Mit 10.07.2018 wurde aufgrund ihrer Straffälligkeiten der Daueraufenthalt-EU zurückgestuft auf eine Rot-Weiß-Rot Karte plus mit einer Gültigkeit bis 10.07.2019.

Am 10.07.2019 stellte die bP bei der BH XXXX ein Verlängerungsantrag für diesen Aufenthaltstitel.

Seit 11.10.2019 befindet sich die bP in der Justizanstalt XXXX in Haft.

Am 25.11.2019 wurde sie in der JA XXXX zum gegenständlichen Verfahren niederschriftlich einvernommen.

2. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des BFA vom 24.02.2020 wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz wurde gegen sie ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Gem. § 55 Abs 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs 2 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag wurde ihr ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

3. Mit Schriftsatz der Vertretung vom 31.03.2020 wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Die bP wurde in Österreich geboren und ist türkischer Staatsangehöriger.

Sie besuchte in Österreich die Volksschule und Hauptschule. Sie hat in Österreich private und familiäre Anknüpfungspunkte. Ihre Eltern sowie ihre 3 Geschwister leben im Bundesgebiet. Sie hat einen Freundeskreis in Österreich. Sie hat in Österreich eine Freundin. Die bP ist ledig und hat keine Sorgepflichten. Vor ihrer Inhaftierung lebte sie bei ihren Eltern.

Sie war in Österreich kurz erwerbstätig (von 03.08.2017 bis 22.10.2018 bei " XXXX " angestellt, zuletzt war sie von 01.08.2019 bis 10.09.2019 bei " XXXX " angestellt) und bezog ansonsten Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. Die bP leidet an keinen lebensbedrohenden oder dauerhaft behandlungsbedürftigen Krankheiten und ist arbeitsfähig. Die bP spricht Deutsch und Kurdisch.

Mit 27.05.1998 wurde ihr durch die BH XXXX ein Aufenthaltstitel als "Familienangehöriger" ausgestellt.

Mit 12.08.2013 wurde ihr durch die BH XXXX der Aufenthaltstitel Daueraufenthalt-EU ausgestellt.

Mit 10.07.2018 wurde aufgrund ihrer Straffälligkeiten der Daueraufenthalt-EU zurückgestuft auf eine Rot-Weiß-Rot Karte plus mit einer Gültigkeit bis 10.07.2019.

Am 10.07.2019 stellte die bP bei der BH XXXX ein Verlängerungsantrag für diesen Aufenthaltstitel.

Die bP ist berechtigt, Rechte nach Art 7 ARB Nr. 1/80 (Assoziationsabkommen EWG-Türkei) abzuleiten.

Seit 11.10.2019 befindet sich die bP in der Justizanstalt XXXX in Haft.

Die bP wurde 4mal rechtskräftig strafrechtlich verurteilt:

1. Am 21.09.2016 (rk 27.09.2016) wurde sie durch das LG XXXX , GZ XXXX , wegen §§ 127, 128 (1) Z 2, 5, 130 (2) StGB § 15 StGB, § 12 3. Fall StGB § 136 (1, 2) StGB § 15 StGB § 135 (1) StGB § 50 (1) Z 2 WaffG § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt. Sie wurde für schuldig gesprochen, sie hat in XXXX oder andernorts fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt EUR 5.000,00 übersteigenden Wert, und zwar zumindest einen Bargeldbetrag in Höhe von insgesamt EUR 16.019,00 und diverse Wertgegenstände in unbekannten Wert, mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, gewerbsmäßig überwiegend durch Einbruch weggenommen.

Die Strafbemessungsgründe sahen wie folgt aus:

Mildernd: Dass sie bei den begangenen Einbrüchen großteils noch jugendlich war, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, teilweise untergeordnete Tatbeitrag und das umfassende Geständnis und die Unbescholtenheit.

Erschwerend: Langer Tatzeitraum, die Tatwiederholung, der Umstand, dass die Schadensqualifikation erfüllt ist und die Tatbegehung während eines anhängigen Verfahrens erfolgte.

2. Am 05.10.2017 (rk 05.10.2017) wurde sie durch das LG XXXX , GZ XXXX , wegen §§ 127, 129 (1) Z 1 StGB § 12 3. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten verurteilt. Sie hat in XXXX XXXX fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, durch Eindringen in dessen Firmengebäude mittels eines widerrechtlich erlangten Schlüssel mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. In der Zeit zwischen 04.05.2017 und 18.05.2017 in zwei Angriffen einen Beitrag zu im Urteil genannten Einbruchdiebstählen dadurch geleistet, dass sie Aufpasserdienste geleistet hat.

Die Strafbemessungsgründe sahen wie folgt aus:

Mildernd: das Geständnis, die Schadensgutmachung, das Alter unter 21 Jahren und teilweise Beitragstäter.

Erschwerend: eine einschlägige Vorstrafe

3. Am 25.01.2018 (rk 30.01.2018) wurde sie durch das LG XXXX , GZ XXXX , wegen § 15 StGB, § 12 3. Fall StGB §§ 146, 147 (1) Z 1 2. Fall StGB verurteilt - Schuldspruch ohne Strafe. Sie wurden für schuldig gesprochen, sie hat am 02.09.2017 M. XXXX durch ihre Anwesenheit in Kenntnis des Tatplanes psychisch bei den Tatausführungen unterstützt und dadurch sonstigen Tatbeitrag zum versuchten schweren Betrug geleitstet. Sie wurde gem. §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , verurteilt, wobei von der Verhängung einer Zusatzfreiheitsstrafe abgesehen wurde.

Die Strafbemessungsgründe sahen wie folgt aus:

Mildernd: alter unter 21 Jahren

Erschwerend: eine einschlägige Vorstrafe

4. Am XXXX 2019 (rk XXXX 2019) wurde sie durch das LG XXXX , GZ XXXX , wegen §§ 127, 129 (1) Z 1 u 2, 130 (2) 2. Fall StGB § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monate verurteilt.

Sie hat im Zusammenwirken mit anderen Personen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, indem sie zur Ausführung der Tat in ein Gebäude eingebrochen bzw. teilweise mit einem nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug eingedrungen ist und teilweise Behältnisse aufgebrochen hat, und zwar:

Im Zeitraum vom 18.07.2019 auf den 19.07.2019 XXXX Bargeld und andere Vermögenswerte dadurch, dass sie und XXXX zunächst versucht haben, die Glastüre zur im XXXX befindlichen Massagepraxis von XXXX aufzubrechen, sodann sie die auf der XXXX XXXX befindliche Eingangstüre gewaltsam aufgerissen hat, durch diese in das Objekt gelangt ist und sämtliche Laden in der Massagepraxis von XXXX durchsucht hat, während XXXX draußen zur Ausführung der Tat durch Aufpasserdienste beigetragen hat, wobei die Tat beim Versuch geblieben ist;

am 19.07.2019 XXXX einen Bargeldbetrag in Höhe von zumindest EUR 200,00 dadurch, dass sie die Rollplane des Vorzeltes zur XXXX aufgeschnitten hat, die Schiebetür in das Restaurant aufgezwängt hat, durch diese in das Restaurant gelangt ist und die Lade des Kassenpults aufgezwängt hat;

im Zeitraum vom 16.07.2019 auf den 17.07.2019 Verantwortlichen der XXXX einen Zentralschüssel und der XXXX eine versperrte Geldkassette mit einem Bargeldbetrag von EUR 200,00 dadurch, dass Sie ein WC-Fenster gewaltsam aufgedrückt hat, durch dieses in das Gebäude eingestiegen ist und XXXX durch eine Türe in das Gebäude gelassen hat, die beiden das Gebäude durchsucht haben und sie dort zumindest einen versperrten Kasten der XXXX und die versperrte Geldkassette der XXXX aufgebrochen hat, wobei XXXX zur Ausführung der Tat durch Aufpasserdienste beigetragen hat;

zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt im Juli 2019 Verantwortlichen des Buffets im XXXX XXXX Getränke und Süßigkeiten im Wert von ca. EUR 30,00 und einen Bargeldbetrag von zumindest EUR 60,00 dadurch, dass XXXX einen Magneten bei der Eingangstüre mit einem Messer, sohin mit einem nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug, geöffnet hat, sie gemeinsam mit XXXX und XXXX in das Buffet eingedrungen ist und dieses durchsucht hat;

sie und XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt im Juli 2019 in XXXX Verantwortlichen der XXXX XXXX Bargeld und andere Vermögenswerte dadurch, dass sie und XXXX ein gekipptes Bürofenster mit einem Schraubendreher aufgedrückt haben und sie durch dieses eingestiegen sind und es durchsucht haben, wobei es beim Versuch geblieben ist;

sie im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten XXXX im Zeitraum vom 07. bis zum 08.10.2019 in XXXX den Spielern des XXXX einen Bargeldbetrag von EUR 250,00 dadurch, dass sie ein gekipptes Fenster des Trainingszentrums der XXXX ausgehebelt hat, die beiden in das Trainingszentrum eingestiegen sind, dieses durchsucht, mehrere Kästen der Spieler der XXXX aufgebrochen und in einem eine Geldkassette mit angestecktem Schlüssel gefunden und daraus den Bargeldbetrag der Mannschaftskasse gestohlen hat und sie noch versucht hat, die Türe zum Manager-Büro aufzubrechen;

Sie hat das Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Abs. 1 Z 1 und 2, 130 Abs. 2 2. Fall, 15 Abs. 1 StGB begangen. Unter Anwendung des § 29 StGB nach § 130 Abs. 2 StGB wurden sie zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 (achtzehn) Monaten verurteilt.

Die Strafbemessungsgründe sahen wie folgt aus:

Mildernd: Geständnis, teilweise beim Versuch geblieben

Erschwerend: zwei einschlägige Vorstrafen

Die bP war während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet von 16.10.2015 bis 15.01.2016 und von 28.06.2016 bis 24.03.2017 inhaftiert. Derzeit verbüßt sie eine Haftstrafe in der JA XXXX .

1.2. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die bP im Falle einer Ausreise in die Türkei aus in ihrer Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort einer maßgeblichen individuellen Gefährdung oder Bedrohung ausgesetzt wäre oder dort keine hinreichende Existenzgrundlage vorfinden würde.

1.3. Zur aktuellen Lage in der Türkei wird auf die länderkundlichen Feststellungen des BFA im bekämpften Bescheid verwiesen, die auch der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt werden.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsverfahrensaktes. Zentral wurden berücksichtig:

- die niederschriftliche Einvernahme

- der Bescheid des BFA

- die im Akt aufliegenden Urteile

- Auszüge aus ZMR, IZF, GVS, SA und AJ-WEB

- die Beschwerde

Wenn in der Beschwerde dargelegt wird, dass sich die Brüder zur Einvernahme angeboten hätten und XXXX ausgesagt hätte, dass die bP jetzt begriffen habe, wie weit es gekommen sei, so ist festzustellen, dass damit kein Beweisthema genannt wird, welches es zu erheben gegeben hätte. Vielmehr weiß die bP selbst wie weit es gekommen ist und wird dies auch in der Beschwerde dargelegt. Diese Argumente wurden im Verfahren überdies im Besonderen gewürdigt, weshalb keine Veranlassung bestand, die Brüder dahingehend einzuvernehmen. Zudem wurde der vorliegende Sachverhalt im gegenständlichen Verfahren auch nicht bestritten, vielmehr wendet sich die Beschwerde diesbezüglich gegen die rechtliche Würdigung. Somit wäre auch dahingehend durch die Behauptungen der Brüder im Verfahren nichts gewonnen. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dürfen Beweisanträge dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, wenn es auf sie nicht ankommt oder wenn das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich ist (vgl VwGH vom 27. Februar 2003, Zl 2002/20/0492; VwGH 24. 4. 2003, 2000/20/0231). Gegenständlich kam es auf die Beweistatsache somit nicht an bzw. wurde sie als wahr unterstellt.

Wenn in der Beschwerde dargelegt wird, dass die Streetworkerin, die Bewährungshelferin und die Sozialarbeiter bzw. der Psychologe der JA ihre Erfahrungen und Einschätzungen hätten schildern können, ohne Näheres dazu darzulegen, so handelt es sich diesbezüglich um als unzulässig zu erachtende Erkundungsbeweise. Erkundungsbeweise sind Beweise, die nicht konkrete Behauptungen, sondern lediglich unbestimmte Vermutungen zum Gegenstand haben. Sie dienen also nicht dazu, ein konkretes Vorbringen der Partei zu untermauern, sondern sollen es erst ermöglichen, dieses zu erstatten. Nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkundungsbeweise im Verwaltungsverfahren - und somit auch im Asyl- bzw. fremdenpolizeilichen Verfahren - unzulässig (vgl. zB VwGH 15.1.2009, 2007/01/0443, 30.9.1997, 96/01/0794, 20.6.1996, 95/19/0064).

Daher ist weder die Behörde noch das BVwG verpflichtet, solchen Beweisanträgen nachzukommen, sodass deren Unterlassung keinen Verfahrensmangel bedeutet (Hengstschläger - Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 16 zu § 46 mwN).

Gleiches gilt in Bezug auf die Darlegungen in der Beschwerde, es bestehe der Verdacht einer diagnostizierbaren psychiatrischen Grunderkrankung, neben der Minderung der kognitiven Fähigkeiten. Würde nämlich eine solche vorliegen, dann könnte eine gezielte Therapie dagegen ankämpfen und die bP stabilisieren.

Auch hier soll kein konkretes Vorbringen untermauert werden, sondern durch ein Gutachten eine nicht näher begründete Vermutung bestätigt werden, wodurch dann erst ein konkretes Vorbringen ermöglicht würde. Überdies ist festzustellen, dass die bP selbst ausführte gesund zu sein, im Akt keine Hinweise auf etwaige Erkrankungen aufliegen und selbst in der Beschwerde keine diesbezüglichen Belege beigebracht wurden. Somit war auch diesem Beweisantrag nicht zu folgen.

2.1. Die Feststellungen zu 1.1. stützen sich auf den vorliegenden Akteninhalt und wurden im Verfahren nicht bestritten, weshalb auch das BVwG diese Feststellungen seiner Entscheidung zugrunde legt.

2.2. Die Feststellungen zu 1.2. wurden mangels irgendeines in diese Richtung deutenden Vorbringens seitens der bP im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA getroffen. Dort legte die bP auf die Frage, ob ein Interesse an freiwilliger Ausreise bestehe, wenn seitens des BFA eine Rückkehrentscheidung (ev. mit Einreiseverbot) oder ein Aufenthaltsverbot erlassen werde, dar, dass sie freiwillig in die Türkei gehe, wenn es so weit kommen sollte. Diese Angaben bestätigte die bP auch nochmals, nachdem sie darauf hingewiesen wurde, dass im Falle der nichtfreiwilligen Ausreise mit Schubhaft vorgegangen werden könnte.

Erstmals in der Beschwerde wurde durch die Rechtsvertretung dargelegt, dass ein möglicher Wehrdienst in der Türkei drohen könnte. Es wurde jedoch nicht dargelegt, dass die bP durch eine etwaige Wehrpflicht einer maßgeblichen individuellen Gefährdung oder Bedrohung ausgesetzt wäre bzw. schlechter gestellt wäre als andere Wehrpflichtige. Vielmehr wurde nur ausgeführt, dass es zweifelhaft sei, ob im Rahmen einer Stellungsuntersuchung etwaige kognitive Schwächen bei der bP festgestellt werden könnten. Weiter wurde dargetan, dass Kranke aber vom Wehrdienst überdies befreit werden würden. Aufgrund dieser Darlegungen sind die Feststellungen des BFA somit haltbar, dass die bP keine maßgebliche individuelle Gefährdung oder Bedrohung in der Türkei befürchte bzw. eine solche auch nicht bestehe.

Bestätigt wird diese Feststellung zudem durch die Beschwerdeangaben selbst, wonach die bP von einer Fußballkariere in Istanbul träume.

Wenn in der Beschwerde dargelegt wird, dass die bP in der Türkei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Sozialhilfe bekommen würde, ist festzustellen, dass einerseits die bP gesund und arbeitsfähig ist, wie sie selbst in ihrer Niederschrift und in der Beschwerde darlegte. Sie möchte nach der Haftentlassung arbeiten. Es kam nicht hervor, weshalb ihr dies in der Türkei nicht ebenfalls möglich sein sollte. Zudem wird sie auch in Österreich von ihrer Familie unterstützt und kam im Verfahren nicht hervor, weshalb sie in der Türkei nicht ebenfalls durch ihre Familie unterstützt werden könnte, falls dies erforderlich werden würde. Zudem ergibt sich aus den Länderfeststellungen, dass sehr wohl Sozialleistungen für Bedürftige aufgrund der einschlägigen Gesetze gewährt werden. Anspruchsberechtigt sind bedürftige Staatsangehörige, die sich in Armut oder Not befinden, nicht gesetzlich sozialversichert sind und von keiner Einrichtung der sozialen Sicherheit ein Einkommen oder eine Zuwendung beziehen, sowie Personen, die gemeinnützig tätig und produktiv werden können. Die Leistungsgewährung wird von Amts wegen geprüft. Leistungen werden gewährt in Form von Unterstützung der Familie (Nahrungsmittel, Heizmaterial, Unterkunft), Bildungshilfen, Krankenhilfe, Behindertenhilfe sowie besondere Hilfeleistungen wie Katastrophenhilfe oder die Volksküchen. Die Leistungen werden in der Regel als zweckgebundene Geldleistungen für neun bis zwölf Monate gewährt. Darüber hinaus existieren weitere soziale Einrichtungen, die ihre eigenen Sozialhilfeprogramme haben (AA 3.8.2018). Zudem wird selbst in der Beschwerde nicht dargelegt, dass es ausgeschlossen ist, dass die bP auch berechtigt wäre Sozialleitungen zu beziehen. Auch wurde den diesbezüglichen Länderfeststellungen des BFA nicht entgegen getreten. Insgesamt ist somit, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei der bP um einen jungen und gesunden arbeitsfähigen Mann handelt, welcher auch von seiner Familie unterstützt wird, nicht davon auszugehen, dass sie in der Türkei keine hinreichende Existenzgrundlage vorfinden würde.

Insgesamt war somit den diesbezüglichen Feststellungen des BFA nicht entgegen zu treten.

Dass es aktuell in der Türkei keinen landesweiten bewaffneten Konflikt gibt, unter dem die Zivilbevölkerung in einer Weise zu leiden hätte, dass ein Aufenthalt dort jedermann, sohin auch die bP, in eine maßgebliche Gefahrenlage bringen würde, war zugleich als notorisch festzustellen, wie dies aus den Feststellungen des BFA zu gewinnen war.

2.3. Die vom BFA getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage in der Türkei stellen sich insbesondere vor dem Hintergrund der Angaben der bP in ihrer Niederschrift, wonach sie freiwillig in die Türkei ausreisen würde, in den für die Entscheidung wesentlichen Aspekten als ausreichend und tragfähig dar und stehen mit dem Amtswissen des Gerichts hierzu im Einklang. Darauf, dass die bP möglicherweise den Wehrdienst in der Türkei anzutreten hätte, wurde in der Beschwerde hingewiesen und wird dies als unbestritten und zudem notorisch bekannt angesehen.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

1. Zu Spruchpunkt I.

Rückkehrentscheidung

1.1. Gemäß § 52 Abs. 4 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet, dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen.

In Bezug auf die bP kommt § 52 Abs. 4 Z 4 in Betracht, wie das BFA richtig feststellte.

Gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 NAG darf ein Aufenthaltstitel nur dann erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Gemäß § 11 Abs 4 Z 1 NAG widerstreitet der Aufenthalt eines Fremden dem öffentlichen Interesse (Abs 2 Z 1), wenn sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde.

Das BFA legte in Bezug auf die bP dar, dass ihr Aufenthalt dem öffentlichen Interesse widerstreitet (bereits vier rechtskräftige Verurteilungen), was einen Versagungsgrund bezüglich der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels darstellt. Wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt, ist dem BFA diesbezüglich nicht entgegen zu treten.

Gegen türkische Staatsangehörige, die über eine Aufenthaltsberechtigung nach dem ARB 1/80 verfügen und deren Aufenthalt aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit beendet werden soll, ist anders als nach der bis 31. Dezember 2013 geltenden Rechtslage nicht mehr ein Aufenthaltsverbot, sondern eine Rückkehrentscheidung (samt Einreiseverbot) zu erlassen (aktuelle Judikatur vom VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0009). Es bleibt aber dabei, dass diese Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot eine Gefährdung voraussetzt, die jener gleichkommt, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger rechtfertigt. Gegen türkische Staatsangehörige, die sich aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung nach dem ARB 1/80 fünf Jahre durchgehend in Österreich aufhalten, darf eine Rückkehrentscheidung nur erlassen werden, wenn sie den Gefährdungsmaßstab des § 52 Abs. 5 FPG iVm 53 Abs 3 FPG erfüllen.

Dies trifft im Fall der bP zu, bezüglich ihrer Straftaten und daraus erfolgten Verurteilungen liegen mehr als eine auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende strafbare Handlungen vor, wegen welcher sie rechtskräftig verurteilt wurde. Zusätzlich wurde sie zuletzt am XXXX 2019 (rk XXXX 2019) durch das LG XXXX , GZ XXXX , wegen §§ 127, 129 (1) Z 1 u 2, 130 (2) 2. Fall StGB § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monate verurteilt, weshalb sie Sie den Tatbestand des § 53 Abs 3 Z 1 FPG erfüllt.

Das BFA folgerte weiter, dass die von der bP ausgeführten Tathandlungen speziell im Lichte der zahlreichen Anzeigen und Verurteilungen wegen gleichartiger Delikte über Jahre hinweg (im speziellen aufeinanderfolgende Delikte v.a. wegen Einbruchsdelikte) und ihrer daraus ersichtlichen Unbelehrbarkeit eine Wiederholungsgefahr im besonderen Maße naheliegend erscheinen lassen würden.

Dies gehe auch klar aus den vorliegenden Urteilen hervor, wo im Zuge der Strafbemessung der lange Tatzeitraum sowie unter Bezugnahme auf ihre bereits erfolgten Vorverurteilungen die einschlägigen Vorstrafen hervorgehoben wurden.

Die bP habe widerholt die österreichische Rechtsordnung missachtet. Sie habe kein Interesse gezeigt, sich an die österreichischen Gesetze zu halten. Sie sei bereits 4mal rechtskräftig verurteilt worden und befinde sich derzeit in Haft.

Unter Einbeziehung ihrer Verurteilungen und Inhaftierungen aufgrund der erfolgten Straftaten sowie ihrer gegenwärtigen Situation (nicht erwerbstätig - arbeitslos) sei mit einer Fortführung ihres bisherigen Verhaltens zu rechnen und stelle ihr Aufenthalt im Bundesgebiet somit eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar.

Dem wird seitens des BVwG nicht entgegen getreten.

In Bezug auf die bP besteht gegenständlichen zweifellos ein öffentliches Interesse an ihrer Aufenthaltsbeendigung. Sie bP hat beharrlich gegen die Gesetze der österreichischen Rechtsordnung verstoßen. Die Straftaten sind wesentliche Gründe, die bei Rückkehrentscheidungen im Rahmen der Interessensabwägung zu Ungunsten eines Fremden ausschlagen können. Hierbei sind vor allem die wiederholt begangenen Straftaten sowie die erst kürzlich erfolgte Verurteilung wegen gleichartiger Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild relevant. Ihr bisheriges Verhalten läuft zweifellos den Grundinteressen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit massiv zuwider. Durch ihr Fehlverhalten bringt sie eine mangelnde Rechtstreue und ihre Gleichgültigkeit gegenüber den in Österreich rechtlich geschützten Werten deutlich zum Ausdruck. Die von ihr gesetzten Straftaten beeinträchtigen in gravierendem Ausmaß die öffentlichen Interessen an der Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen. Eine Phase des Wohlverhaltens konnte nicht festgestellt werden.

Es liegen somit die entsprechenden Versagungsgründe für die Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels vor. Der geforderte Gefährdungsmaßstab ist erfüllt. Es war demnach eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

1.2. Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens in Österreich käme:

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zweifellos handelt es sich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl um eine öffentliche Behörde im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK; der Eingriff ist - wie bereits oben dargestellt - in § 9 Abs. 1 BFA-VG iVm § 67 FPG gesetzlich vorgesehen.

Es ist daher in weiterer Folge zu prüfen, ob der Eingriff in Ihr Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK, verfolgt. Es ist eine individuelle Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen, um festzustellen, ob der Eingriff durch das Aufenthaltsverbot auch als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann.

Art. 8 EMRK:

Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

Für die Beurteilung ob ein relevantes Privat- und/oder Familienleben iSd Art 8 EMRK vorliegt sind nach der höchstgerichtlichen Judikatur insbesondere nachfolgende Umstände beachtlich:

Privatleben

Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Rückkehrentscheidungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

Bei der Schutzwürdigkeit des Privatlebens manifestiert sich der Grad der Integration des Fremden insbesondere an intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124; 11.10.2005, 2002/21/0124).

Familienleben

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben;

das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00); etwa bei Zutreffen anderer Faktoren aus denen sich ergibt, dass eine Beziehung genügend Konstanz aufweist, um de facto familiäre Bindungen zu erzeugen: zB Natur und Dauer der Beziehung der Eltern und insbesondere, ob sie geplant haben ein gemeinsames Kind zu haben; ob der Vater das Kind als eigenes anerkannt hat; ob Unterhaltszahlungen für die Pflege und Erziehung des Kindes geleistet wurden; und die Intensität und Regelmäßigkeit des Umgangs (EGMR v. 8.1.2009, Zl 10606/07, Fall Grant gg. Vereinigtes Königreich).

Kinder werden erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK vor (vgl. zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).

Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere "de facto Beziehungen" ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).

Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0423 und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0235, vom 8. Juni 2006, Zl. 2003/01/0600, vom 22. August 2006, Zl. 2004/01/0220 und vom 29. März 2007, Zl. 2005/20/0040, vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479).

Die Beziehung der bereits volljährigen Kinder zu den Eltern ist vor allem dann als Familienleben zu qualifizieren, wenn jene auch nach Eintritt der Volljährigkeit im Haushalt der Eltern weiterleben, ohne dass sich ihr Naheverhältnis zu den Eltern wesentlich ändert (Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 860 unter Hinweis auf Wiederin in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 8 EMRK Rz 76).

Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind Beziehungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern, die wegen des Fehlens von über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmalen der Abhängigkeit nicht (mehr) unter den Begriff des Familienlebens fallen, unter den Begriff des ebenfalls von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Privatlebens zu subsumieren (VwGH 21.4.2011, 2011/01/0093-7 [vgl. dazu die Urteile des EGMR vom 9. Oktober 2003, Slivenko gegen Lettland, Beschwerde Nr. 48321/99, Randnr. 97, vom 15. Juni 2006, Shevanova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 58822/00, Randnr. 67, vom 22. Juni 2006, Kaftailova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 59643/00, Randnr. 63, und vom 12. Jänner 2010, A.W. Khan gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 47486/06, Randnr. 31 ff]).

Alle anderen verwandtschaftlichen Beziehungen (zB zwischen Enkel und Großeltern, erwachsenen Geschwistern [vgl. VwGH 22.08.2006, 2004/01/0220, mwN; 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723-8], Cousinen [VwGH 15.01.1999, 97/21/0778; 26.6.2007, 2007/01/0479], Onkeln bzw. Tanten und Neffen bzw. Nichten) sind nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine "hinreichend starke Nahebeziehung" besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insbesondere die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung (vgl. VfSlg 17.457/2005). Dabei werden vor allem das Zusammenleben und die gegenseitige Unterhaltsgewährung zur Annahme eines Familienlebens iSd Art 8 EMRK führen, soweit nicht besondere Abhängigkeitsverhältnisse, wie die Pflege eines behinderten oder kranken Verwandten, vorliegen.

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR im Fall Cruz Varas gegen Schweden). In diesen Fällen ist nach der Judikatur des EGMR der Eingriff in das Privatleben gegebenenfalls separat zu prüfen (Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 856 mwN).

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

1.3. In Österreich lebt die Familie der bP. Vor ihrer Inhaftierung lebte die bP bei ihren Eltern. Auch ihre Freundin lebte bei ihren Eltern. Die bP wurde teilweise durch ihre Eltern und ihre drei Brüder finanziell unterstützt. Die Rückkehrentscheidung bildet daher einen Eingriff in das Recht auf Familienleben.

Auf Grund der langen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet und der gegeben persönlichen Umstände liegt hier auch ein relevantes Privatleben in Österreich vor.

Da die Rückkehrentscheidung somit einen Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben darstellt, bedarf es diesbezüglich einer Abwägung der persönlichen Interessen mit den öffentlichen Interessen, ob eine Rückkehrentscheidung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Im vorliegenden Fall ist der Eingriff gesetzlich vorgesehen und verfolgt gem. Art 8 Abs. 2 EMRK legitime Ziele, nämlich

- die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, worunter auch die geschriebene

Rechtsordnung zu subsumieren ist;

- das wirtschaftliche Wohl des Landes;

- zur Verhinderung von strafbaren Handlungen;

Öffentliche Ordnung / Verhinderung von strafbaren Handlungen (auch im Bereich des Aufenthaltsrechtes)

Der EGMR geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Der EGMR erkennt in stRsp weiters, dass die Konventionsstaaten nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt sind, Einreise, Rückkehrentscheidung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (vgl. uva. zB. Urteil Vilvarajah/GB, A/215 § 102 = NL 92/1/07 und NL 92/1/27f.). Die Schaffung eines Ordnungssystems mit dem die Einreise und der Aufenthalt von Fremden geregelt wird, ist auch im Lichte der Entwicklungen auf europäischer Ebene notwendig. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs. 2 EMRK) daher ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.9.2007, B 328/07, VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251 uva.).

Wirtschaftliches Wohl

Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist auch für das wirtschaftliche Wohl des Landes (vgl zB EGMR 31.7.2008, Darren Omoregie u.a. gg. Norwegen) von besonderer Bedeutung, da diese sowohl für den geordneten Arbeitsmarkt als auch für das Sozial- und Gesundheitssystem erhebliche Auswirkung hat.

2.2. Im Einzelnen ergibt sich unter zentraler Beachtung der in § 9 Abs. 1 Z 1-9 AsylG genannten Determinanten Folgendes:

- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:

Die bP war bisher legal im österreichischen Bundesgebiet aufhältig. Sie ist in Österreich geboren.

- das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens

In Österreich lebt die Familie der bP.

- Schutzwürdigkeit des Privatlebens

Während des bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet hat die bP auch private Anknüpfungspunkte in Österreich erlangt, wobei jedoch diesbezüglich auch der kriminelle Aspekt diverser Anknüpfungspunkte nicht übersehen werden darf.

- Grad der Integration

Der bP ist in Österreich geboren und absolvierte hier die Schule. Sie spricht Deutsch als Muttersprache. Eine nachhaltige Erwerbstätigkeit konnte nicht festgestellt werden. Sie ging nur relativ kurze Zeiten einer Beschäftigung nach und bezog ansonsten überwiegend Arbeitslosengeld und Notstandshilfe.

- strafrechtliche Unbescholtenheit

In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen die o. a. 4 rechtskräftigen Verurteilungen auf. Die für die Integration wesentliche soziale Komponente wird durch die von der bP begangene Straftat erheblich beeinträchtigt. Die Integration eines Fremden in seinem Gastland verlangt die Bereitschaft, die Rechtsordnung dieses Gastlandes zu respektieren. Diese Bereitschaft hat die bP jedenfalls nicht gezeigt. Die bP wurde auch erst kürzlich wieder rechtskräftig einschlägig verurteilt, was keine positive Zukunftsprognose zulässt.

- Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-. Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts

Die beschwerdeführende Partei hielt sich rechtmäßig in Österreich auf.

1.4. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass eine Rückkehrentscheidung einen nicht nur geringfügigen Eingriff in das Familienleben der bP darstellt, insbesondere da sie einen sehr engen Kontakt zu ihrer Mutter hat, wie sie in ihrer Einvernahme darlegte.

Letztlich ist jedoch auf die Judikatur des VwGH zu verweisen, wonach die allfällige Trennung von Familienangehörigen ebenso wie mögliche Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung im Heimatland im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen sind (vgl. VwGH 09.07.2009, 2008/22/0932; 22.02.2011, 2010/18/0417) und selbst Schwierigkeiten bei der Gestaltung der Lebensverhältnisse, die infolge der alleinigen Rückkehr auftreten können, hinzunehmen sind (vgl. VwGH 15.03.2016, Zl. Ra 2015/21/0180).

Die für die Integration wesentliche soziale Komponente wird durch vom Fremden begangene Straftaten erheblich beeinträchtigt. Darüber hinaus wird das Gewicht der familiären Beziehungen zu Angehörigen relativiert, wenn der Fremde bereits erwachsen ist (VwGH 19.11.2003, 2002/21/0181).

Eine starke Integration im privaten Bereich kam nicht hervor, wobei selbst Umstände, dass der Fremde einen großen Freundes- und Bekanntenkreis hat und er der deutschen Sprache mächtig ist, seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht maßgeblich verstärken könnten (vgl. VwGH 26.11.2009, 2007/18/0311; 29.6.2010, 2010/18/0226).

Auch ist die bP derzeit in Strafhaft.

Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und unter Einbeziehung der oa. Judikatur der Höchstgerichte ist gegenständlich ein überwiegendes öffentliches Interesse - nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, sowie zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere in Bezug auf einschlägige Wiederholungstaten überwiegend im Bereich von Einbruchdiebstählen - an der Aufenthaltsbeendigung der bP festzustellen, welches ihre Interessen an einem Verbleib in Österreich überwiegt. Die Rückkehrentscheidung ist daher als notwendig und nicht unverhältnismäßig zu erachten.

Die persönlichen Bindungen in Österreich lassen keine besonderen Umstände im Sinn des Art. 8 EMRK erkennen, die es der bP schlichtweg unzumutbar machen würden, in ihr Heimatland zurückzukehren. Bei der bP um einen jungen, gesunden Mann, der zudem über die notwendigen Sprachkenntnisse verfügt und innerhalb einer türkischen Familie aufgewachsen ist. Es kann nicht gesagt werden, dass sie ihrem Kulturkreis völlig entrückt wäre und sich in der Türkei überhaupt nicht mehr zurechtfinden würde. Sie ist erwachsen, arbeitsfähig und gesund. Es liegen daher keine außergewöhnlichen Umstände vor, die ein Rückkehrhindernis bilden könnten. Auch wäre es ihrer Familie neben der Aufrechterhaltung des Kontaktes via Telekommunikationsmedien oder regelmäßigen Besuchen grundsätzlich auch rechtlich möglich, den Lebensmittelpunkt gemeinsam mit ihr ins Ausland zu verlagern. Aufgrund der geografischen Nähe sind regelmäßige Besuche durch die Eltern auch durchführbar.

Es erfolgte daher zu Recht die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 4 FPG. Die Beschwerde war somit hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen.

2. Zu Spruchpunkt II.

Zulässigkeit der Abschiebung

2.1. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

2.2. Dass die bP im Fall ihrer Rückkehr in die Türkei einer Gefährdung im Sinn des Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre oder ihr die Todesstrafe dort drohen könnte, ist nicht ersichtlich und auch im Verfahren nicht behauptet worden. Es besteht in der Türkei kein internationaler oder innerstaatlicher Konflikt, der für eine Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt bedeuten würde. Dies ist notorisch und wurde Gegenteiliges im Verfahren auch nie behauptet. Anhaltspukte dafür, dass die bP in ihrem Herkunftsstaat nicht in der Lage wäre, für ihren notwendigsten Lebensunterhalt zu sorgen, sind ebenso wenig ersichtlich, wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt. Die bP ist gesund, im arbeitsfähigen Alter und hat ihre Familie, welche sie auch in der Türkei unterstützen kann.

Zudem wurde selbst in der Beschwerde dargelegt, dass die bP von einer Fußballkariere in Istanbul träume.

Im Hinblick auf die vom BFA im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm § 50 FPG getroffene Feststellung sind keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig wäre.

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher die Entscheidungen des BFA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt II. abzuweisen.

3. Zu Spruchpunkt III.

Einreiseverbot

3.1. Einreiseverbot § 53 FPG

(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 15.12.2011, Zahl 2011/21/0237, zur Rechtslage vor dem FPG idgF (in Kraft seit 01.01.2014) erwogen, dass bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes nach dem FrÄG 2011 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (vgl ErläutRV, 1078 BlgNR 24. GP 29 ff und Art 11 Abs 2 Rückführungs-RL) sei. Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten