TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/31 G305 2230988-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.08.2020
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Entscheidungsdatum

31.08.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSVG §41

Spruch

G305 2230988-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch SRG STOCK RAFASEDER GRUSZKIEWICZ RECHTSANWÄLTE GmbH, Schwindgasse 7/6, 1040 Wien, gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen, Landesstelle XXXX vom XXXX .02.2020, VSNR/Abt.: XXXX , wegen Rückforderung ungebührlich entrichteter Beiträge zur Pensions- und Krankenversicherung gemäß § 41 GSVG zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom XXXX .02.2020, VSNR/Abt.: XXXX , wies die Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen, Landesstelle XXXX (in der Folge: belangte Behörde oder kurz: SVS), den Antrag des XXXX , geb. XXXX (in der Folge: Beschwerdeführer oder kurz: BF), vom 15.11.2019 auf Rückforderung ungebührlich entrichteter Beiträge zur Pensions- und Krankenversicherung für den Zeitraum XXXX .04.2007 bis XXXX .11.2012 in Höhe von EUR 20.738,90 gem. § 41 GSVG ab.

Begründend führte die SVS im Wesentlichen kurz zusammengefasst aus, dass die Verständigung der ÖGK über die rechtskräftige Änderung der Versicherungszuständigkeit vom XXXX .04.2019 nach dem 30.06.2017 erfolgt sei, sodass für die Beurteilung der Rückforderbarkeit § 41 GSVG idF. BGBl. I Nr. 125/2007 idF. BGBl. I Nr. 100/2018 anzuwenden sei. Für die im Zeitraum vom XXXX .04.2007 bis XXXX .11.2012 für die Fa. XXXX ausgeübte Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers sei rückwirkend und rechtskräftig festgestellt worden, dass diese nunmehr als unselbständige Erwerbstätigkeit im Sinne des ASVG anzusehen sei. Im Falle einer rückwirkenden Änderung der „Versicherungszuständigkeit“ seien gem. § 41 Abs. 3 GSVG entrichtete Beiträge zur Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung von der SVS an den nunmehr zuständigen Versicherungsträger (vorliegend die ÖGK) zu überweisen. Gemäß § 41 Abs. 3 GSVG sei die monatliche Beitragsgrundlage nach dem GSVG unter Berücksichtigung der Beitragsgrundlage nach dem ASVG und den Mehrfachversicherungsbestimmungen (§§ 26, 35a, 35b ff) neu zu ermitteln. Daher sei die für den Zeitraum 01.01.2007 bis 31.12.2015 festgestellte monatliche Beitragsgrundlage nach dem GSVG neu zu errechnen. Aufgrund der gesetzlichen Anordnung „soweit aus diesem Grund Beiträge zur Pflichtversicherung in der Kranken-, Pensions-, und Unfallversicherung zur Ungebühr entrichtet wurden, sind diese an den für die Beitragseinhebung zuständigen Krankenversicherungsträger zu überweisen“ ergibt sich, dass für Gutbuchungen auf Grund einer rückwirkenden Änderung der Versicherungszuständigkeit (somit aus der Änderung der Beitragsgrundlage nach dem GSVG) im Anwendungsbereich des § 41 Abs. 3 GSVG gegenüber der SVS kein Anspruch auf Rückforderung bestehe. Daher sei das Guthaben in Höhe von EUR 20.738,90 der ÖGK zu überweisen und der Antrag des BF abzuweisen gewesen.

2. Gegen diesen, dem BF am 19.02.2020 persönlich zugestellten Bescheid erhob dieser im Wege seiner ausgewiesenen Rechtsvertretung innert offener Frist Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in der er im Wesentlichen kurz zusammengefasst begründend ausführte, dass er im Zeitraum XXXX .04.2007 bis XXXX .11.2012 als „selbständiger Handelsvertreter“ für die Firma XXXX tätig gewesen sei. Im Jahr 2019 habe „die Sozialversicherung“ festgestellt, dass es sich nicht um ein selbständiges Rechtsverhältnis gehandelt habe, sondern dass der BF Dienstnehmer iSd ASVG gewesen sei. Der BF habe im obigen Zeitraum einen Beitrag von EUR 20.738,90 an die belangte Behörde geleistet. Über Aufforderung „der Sozialversicherung“ habe er einen Antrag auf Rückzahlung des Guthabens gestellt. Mit Schreiben der ÖGK vom 10.04.2019 sei die belangte Behörde in Kenntnis darüber gesetzt worden, dass der BF im Zeitraum XXXX .04.2007 bis XXXX .11.2012 eine unselbständige Erwerbstätigkeit für die Firma XXXX ausgeübt habe und dass dies rechtskräftig festgestellt worden sei. Seine Tätigkeit für die Firma XXXX sei als unselbständige Erwerbstätigkeit im Sinne des ASVG anzusehen. Aufgrund dieser rückwirkenden Änderung der Versicherungszuständigkeit habe die belangte Behörde die entrichteten Beiträge zur Pensions-, Kranken- und Unfallversicherung von der SVS an den nunmehr zuständigen Versicherungsträger (ÖGK) überwiesen. Die Rechtsansicht der belangten Behörde sei unrichtig. Eine gänzliche Überweisung des Guthabens sei unzulässig, da der BF gegenüber der ÖGK nur den Dienstnehmeranteil zur Sozialversicherung zu entrichten habe. Seine gegen den Bescheid vom XXXX .02.2020 erhobene Beschwerde stützte er auf die Beschwerdegründe „Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften“ und „Rechtswidrigkeit des Inhalts (unrichtige rechtliche Beurteilung)“.

Zum Beschwerdegrund „Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften“ führte er im Wesentlichen kurz zusammengefasst aus, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, den für die Erledigung maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln und festzustellen und die notwendigen Beweise aufzunehmen. Die belangte Behörde wäre jedoch angehalten gewesen, eine nähere rechtliche Auseinandersetzung mit der Abgabenschuld des BF gegenüber dem nunmehr zuständigen Versicherungsnehmer vorzunehmen. Dies wäre zwingend vorzunehmen gewesen, da er nur den Dienstnehmeranteil zur Sozialversicherung schulde.

Den Beschwerdegrund der „unrichtigen rechtlichen Beurteilung“ begründete er damit, dass in der gegenständlichen Sache unstrittig sei, dass der BF als unselbständiger Dienstnehmer für den Zeitraum XXXX .04.2007 bis XXXX .11.2012 einzustehen habe und daher eine Pflichtversicherung nach dem ASVG für diesen Zeitraum bestehe. Da für diesen Zeitraum eine Pflichtversicherung nach dem ASVG gegeben sei, hätte die belangte Behörde im nächsten Schritt rechtlich prüfen müssen, welche Beitragsschuld für den BF dadurch erwachse. Bekanntlich seien an die ÖGK der vom Dienstnehmer einbehaltene Dienstnehmer-Anteil gemeinsam mit dem vom Dienstgeber zu bezahlenden Dienstgeber-Anteil abzuführen. Der Dienstnehmer-Anteil zur Sozialversicherung betrage bei laufenden Bezügen für Arbeiter und Angestellte 18,12 %. Auf Grund der Überweisung des Guthabens an die ÖGK habe der BF neben dem Dienstnehmer-Anteil auch den Dienstgeber-Anteil getragen. Im überwiesenen Guthaben seien auch Beträge einbezogen worden, die nicht vom BF geschuldet würden. Die Anrechnung sei somit hinsichtlich der auf den Dienstgeber entfallenden Anteils rechtswidrig.

3. Am 15.05.2020 brachte die belangte Behörde die gegen den Bescheid vom XXXX .02.2020 erhobene Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Vorlage.

Gleichzeitig wurde auch ein als „Beschwerdevorlage“ titulierter, zum 15.05.2020 datierter Vorlagebericht zur Vorlage gebracht, worin es im Wesentlichen kurz zusammengefasst heißt, dass die Bestimmung des § 41 Abs. 3 GSVG in der im nunmehrigen Beschwerdeverfahren strittigen Fassung am 01.07.2017 in Kraft getreten sei. Für alle Fälle der nachträglichen Feststellung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit mit Pflichtversicherung nach dem ASVG statt einer ursprünglichen selbständigen Erwerbstätigkeit mit Pflichtversicherung nach dem GSVG normiere seit dem 01.07.2017 die Bestimmung des § 41 Abs. 3 GSVG (neu) für den Fall, dass keine weitere selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, dass die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen die Pflichtversicherung nach dem GSVG zu stornieren habe, anderenfalls eine Verminderung der Beitragsgrundlage nach § 26 GSVG um die auf Grund dieser Tätigkeit festgestellten Beitragsgrundlage nach dem ASVG durchzuführen sei. Die Bestimmung des § 41 Abs. 3 GSVG (neu) sei auch auf Sachverhalte wie dem gegenständlichen anzuwenden, in denen die Umqualifizierung Zeiträume vor dem 01.07.2017 betreffe. Die nunmehr vorgesehene trägerinterne Beitragsüberweisung sei ihrem Charakter nach eine verfahrensrechtliche Regelung, die auf alle ab ihrem Inkrafttreten stattfindenden Vorgänge anzuwenden sei. Dafür würden auch die Materialien zu den Schlussbestimmungen des SV-ZG (1613 BlgNR 25. GP 2) sprechen. Darüber hinaus stelle der Gesetzeswortlaut allein darauf ab, dass in der Vergangenheit eine ungebührliche Beitragszahlung erfolgt ist, nicht aber darauf, ob diese ungebührliche Beitragszahlung vor oder nach dem 01.07.2017 erfolgt ist. Die aus dem Gesetzeswortlaut abgeleitete Differenzierung nach dem Zeitpunkt der beitragsrechtlichen Rückabwicklung entspreche auch vollständig der vom Gesetz angestrebten Rechtssicherheit samt einheitlichen und auch weniger verwaltungsintensiven Verfahren. Dem gesetzgeberischen Ordnungsanliegen entspreche vielmehr, ab Inkrafttreten des § 41 Abs. 3 GSVG (neu) sämtliche Beitragsrückabwicklungen nur noch nach der neuen Rechtslage zuzulassen. Die Rechtsansicht, dass die SVS die zum Zeitpunkt der Rückabwicklung (neue) Rechtslage anzuwenden habe, werde auch unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs gesehen, wobei die belangte Behörde diesbezüglich das Erkenntnis zu Zl. 91/09/0077 heranzieht. Eine Anwendbarkeit des § 41 Abs. 3 GSVG (neu) auf Sachverhalte einer Umqualifizierung, die Zeiträume vor dessen Inkrafttreten betreffen, sei auch aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (siehe dazu VfGH vom 27.11.2019, Zl. E 4911/2018) ableitbar.

4. Mit hg. Verfahrensanordnung vom 31.07.2020 wurde dem BF der Vorlagebericht der belangten Behörde im Wege seiner Rechtsvertretung zur Kenntnis gebracht und ihm die Gelegenheit gegeben, sich binnen festgesetzter Frist im Rahmen des Parteiengehörs dazu zu äußern.

5. In seiner am 20.08.2020 beim Bundesverwaltungsgericht im Wege seiner Rechtsvertretung eingebrachten Stellungnahme vom 18.08.2020 brachte der BF im Wesentlichen kurz zusammengefasst vor, dass im Wesentlichen strittig sei, ob die Bestimmung des § 41 Abs. 3 GSVG (neu) auf den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt zur Anwendung gelange. Im Gegensatz zur belangten Behörde vertrete er die Rechtsansicht, dass auf den gegenständlichen Fall nicht § 41 Abs. 3 GSVG (neu) anwendbar sei. Die dem gegenständlichen Verfahren zugrunde liegende Umqualifizierung habe vor dem 01.07.2017 bescheidmäßig stattgefunden und sei diese Umqualifizierung auch vor diesem Zeitpunkt in Rechtskraft erwachsen. Wie schon die belangte Behörde ausführt, sei aus den Gesetzesmaterialien nur das Zuordnungsverfahren abzuleiten. Den Gesetzesmaterialien könne jedoch nicht entnommen werden, dass auch die beitragsrechtliche Rückabwicklung unter den § 41 Abs. 3 GSVG (neu) fallen würde. Aus den Gesetzesmaterialien könne eben kein „weites“ Verständnis abgeleitet werden. Den zitierten Judikaten des Verwaltungsgerichtshofs und des Verfassungsgerichtshofs begegnete der BF im Wesentlichen mit den Einwendungen, dass der dem Judikat des Verwaltungsgerichtshofs zu Grunde liegende Sachverhalt anders gelagert sei. Auch vermag das Judikat des Verfassungsgerichtshofs vom 25.11.2019, Zl. E 4911/18, wonach eine Anwendbarkeit des § 41 Abs. 3 GSVG (neu) auf Umqualifizierungen gegeben sei, die den Zeitraum vor dessen Inkrafttreten betreffen, nicht zu überzeugen, da sich dieses nicht im Detail mit der hier verfahrensgegenständlichen Frage auseinandersetzt, ob der § 41 Abs. 3 GSVG (neu) auf Umqualifizierungen vor dem 01.07.2017 greife.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Der BF war im Zeitraum von XXXX .04.2007 bis XXXX .12.2012 ursprünglich im Rahmen einer selbstständigen - nach dem GSVG versicherten - Erwerbstätigkeit als „selbständiger Handelsvertreter“ für die Firma XXXX (im Folgenden: W. GmbH), tätig und leistete in diesem Zeitraum Beitragszahlungen zur Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG in Höhe von insgesamt EUR 20.738,90 (vgl Feststellungen im angefochtenen Bescheid vom XXXX .02.2020, S 1; Beschwerdevorbringen vom 17.03.2020, S 5; darüber hinaus unstrittig).

2. Mit Schreiben der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle XXXX (in der Folge kurz: ÖGK) vom 10.04.2019 erging die Mitteilung an die belangte Behörde, dass die im Zeitraum XXXX .04.2007 bis XXXX .11.2012 ausgeübte Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers für die Firma XXXX nunmehr rechtskräftig als unselbständige Erwerbstätigkeit im Sinne des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) anzusehen sei.

3. Am 15.11.2019 beantragte er die Refundierung des Beitragsguthabens in Höhe von EUR 20.738,90.

4. Der BF entrichtete im Zeitraum von XXXX .04.2007 bis XXXX .11.2012 unstrittig EUR 20.738,90 an Beiträgen zur Pensions- und Krankenversicherungsbeiträgen an die belangte Behörde (vgl Bescheid vom XXXX .02.2020, S. 1, Beschwerde vom 17.03.2020, S. 5).

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt in freier Beweiswürdigung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Anzuwendendes Recht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg. cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit iSd. Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

3.2. Zu Spruchteil A): Abweisung der Beschwerde:

3.2.1. Der mit „Rückforderung ungebührlich entrichteter Beiträge“ betitelte § 41 GSVG idF in der Fassung BGBl. I Nr. 125/2017 bzw. gleichbleibend, nur die Bezeichnung des Versicherungsträgers ändernd, in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2018 (in der Folge: „neu“), lautet:

„§ 41. (1) Zu Ungebühr entrichtete Beiträge können, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, zurückgefordert werden. Das Recht auf Rückforderung verjährt nach Ablauf von fünf Jahren nach deren Zahlung. Der Lauf der Verjährung des Rückforderungsrechtes wird durch Einleitung eines Verwaltungsverfahrens zur Herbeiführung einer Entscheidung, aus der sich die Ungebührlichkeit der Beitragsentrichtung ergibt, bis zu einem Anerkenntnis durch den Versicherungsträger bzw. bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im Verwaltungsverfahren unterbrochen.

(2) Die Rückforderung von Beiträgen, durch welche eine Formalversicherung begründet wurde, sowie von Beiträgen zu einer Versicherung, aus welcher innerhalb des Zeitraumes, für den Beiträge ungebührlich entrichtet worden sind, eine Leistung erbracht wurde, ist für den gesamten Zeitraum ausgeschlossen. Desgleichen ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn nach dem Zeitraum, für den Beiträge ungebührlich entrichtet worden sind, eine Leistung zuerkannt worden ist und die Beiträge auf den Bestand oder das Ausmaß des Leistungsanspruches von Einfluß waren, es sei denn, der zur Leistungserbringung zuständige Versicherungsträger hatte die Möglichkeit, im Wege einer Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 69 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51) neuerlich über den Leistungsanspruch zu entscheiden und konnte die zu Unrecht geleisteten Beträge mit Erfolg zur Gänze zurückfordern.

(3) Wenn für eine Person auf Grund einer bestimmten Tätigkeit nachträglich statt der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz die Pflichtversicherung nach dem ASVG festgestellt wird, so hat die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen

1.       keine Pflichtversicherung für den entsprechenden Zeitraum festzustellen, wenn in diesem Zeitraum keine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wurde, andernfalls

2.       die Beitragsgrundlagen nach § 26 um die auf Grund dieser Tätigkeit festgestellten Beitragsgrundlagen nach dem ASVG (allgemeine Beitragsgrundlage und Sonderzahlungen) zu vermindern.

Soweit aus diesem Grund Beiträge zur Pflichtversicherung in der Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung zu Ungebühr entrichtet wurden, sind diese an den für die Beitragseinhebung zuständigen Krankenversicherungsträger zu überweisen. Abs. 1 ist nicht anzuwenden. Der zuständige Versicherungsträger hat die überwiesenen Beiträge auf die ihm geschuldeten Beiträge anzurechnen. Übersteigen die anzurechnenden die dem zuständigen Versicherungsträger geschuldeten Beiträge, so ist der Überschuss der versicherten Person durch den zuständigen Versicherungsträger zu erstatten.

(4) Abs. 2 gilt nicht für Beiträge, die zwar nicht zur Gänze ungebührlich, jedoch von einer zu hohen Beitragsgrundlage oder unter Anwendung eines zu hohen Beitragssatzes entrichtet worden sind, sofern innerhalb des in Betracht kommenden Zeitraumes nur solche Leistungen erbracht wurden, die auch dann, wenn die Beiträge in richtiger Höhe entrichtet worden wären, im gleichen Ausmaß gebührt hätten.

(5) Wird die Rückforderung ungebührlich entrichteter Beiträge geltend gemacht, so hat der zur Entscheidung zuständige Versicherungsträger vorerst bei den Versicherungsträgern, denen nach § 411 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes Parteistellung im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden zukommt, sowie bei der zuständigen Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice anzufragen, ob gemäß Abs. 2 im Hinblick auf erbrachte oder zu erbringende Leistungen aus der Unfall-, Pensions- oder Arbeitslosenversicherung ein Einwand gegen die Rückerstattung der ungebührlich entrichteten Unfall- Pensions- oder Arbeitslosenversicherungsbeiträge besteht.

(6) Die Rückforderung ungebührlich entrichteter Beiträge steht dem Versicherten zu.“

Die Schlussbestimmung zu Art. 2 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/2017 (§ 367 GSVG) lautet:

„§ 367. Die §§ 41 Abs. 3, 117a Abs. 2, 194b samt Überschrift, 298 Abs. 12 und 306 Abs. 10 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/2017 treten mit 1. Juli 2017 in Kraft.“

3.2.2. in Bezug auf den konkreten Beschwerdefall ist auszuführen, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt zwischen den Verfahrensparteien außer Streit steht.

Strittig ist einerseits die Rechtsfrage, ob auf den gegenständlichen Sachverhalt § 41 GSVG in der Fassung BGBl. I Nr. 125/2017 bzw. gleichbleibend in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2018 (in der Folge: „neu“) oder noch in der bis 30.06.2017 geltenden Fassung vor dem Sozialversicherungszuordnungsgesetz, BGBl. I Nr. 62/2010 (in der Folge: „alt“), anzuwenden ist bzw. ob die Bestimmung des § 41 Abs. 3 GSVG idF. BGBl. I Nr. 100/2018 auf den gegenständlichen Sachverhalt qua „rückwirkend“ angewendet werden kann. Andererseits hat der BF in der Beschwerde aufgeworfen, dass der Dienstnehmeranteil zur Sozialversicherung bei laufenden Bezügen für Arbeiter und Angestellte 18,12 % betrage. Aufgrund der Überweisung des Guthabens an die ÖGK habe der Beschwerdeführer nicht nur den Dienstnehmeranteil zur Sozialversicherung entrichtet, sondern sei auch der vom Dienstgeber zu entrichtende Anteil zur Sozialversicherung vom Beschwerdeführer getragen worden; die Anrechnung sei somit hinsichtlich der auf den Dienstgeber entfallenden Anteils rechtswidrig.

3.2.3. Während der BF die Rechtsansicht vertritt, dass eine rückwirkende Anwendung des § 41 Abs. 3 GSVG (neu) auf Zeiträume, die vor dessen Inkrafttreten liegen, unzulässig sei, vertritt die belangte Behörde die Auffassung, dass eine Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf „Sachverhalte einer Umqualifizierung, die Zeiträume vor dessen Inkrafttreten betreffen“ insbesondere aus dem Judikat des VfGH vom 27.11.2019, Zl. E 4911/2018, abzuleiten sei.

Dem zitierten Judikat des Verfassungsgerichtshofs vom 27.11.2019, Zl. E 4911/2018 liegt der Fall zu Grunde, dass die Beschwerdeführerin ein Hotel betrieb, in dessen Rahmen auch Massagen angeboten wurden. Die unter anderem in den Jahren 2012 bis 2015 für sie tätig gewesene Masseurin hatte mit der Beschwerdeführerin einen als „Werkvertrag“ bezeichneten Vertrag abgeschlossen, auf dessen Grundlage die Abrechnung der gegenüber Hotelgästen erbrachten Massageleistungen zwischen der Masseurin, die über eine Gewerbeberechtigung als „gewerbliche, mobile Masseurin" verfügte, und der Beschwerdeführerin im Einzelnen erfolgte. Laut dem Vorbringen der Beschwerdeführerin hat die Masseurin auch Sozialversicherungsbeiträge nach GSVG entrichtet. Mit Bescheid vom 13.02.2017 stellte die Steiermärkische Gebietskrankenkasse fest, dass die bei der Beschwerdeführerin tätige Masseurin auf Grund ihrer Tätigkeit für die Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 01.02.2012 bis 30.11.2015 gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Voll- und Arbeitslosenversicherung unterlegen und sie demnach verpflichtet sei, aus diesem versicherungspflichtigen Dienstverhältnis für den angeführten Zeitraum gemäß den §§ 44 Abs. 1 und 49 Abs. 1 ASVG an Sozialversicherungsbeiträgen, Fondsbeiträgen, Umlagen und Sonderbeiträgen sowie Verzugszinsen insgesamt € 42.387,14 nachzuentrichten. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 31.10.2018 als unbegründet ab. Mit näherer Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die im Hotel der Beschwerdeführerin tätige Masseurin nicht selbständig erwerbstätig, sondern als Dienstnehmerin beschäftigt gewesen sei, da in einer Gesamtschau von einem Überwiegen der Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Tätigkeit auszugehen sei.

Der dieser Entscheidung des VfGH zugrundeliegende Sachverhalt ist somit bezogen auf die rückwirkende Umqualifizierung von vormals selbstständigen Erwerbstätigkeiten in unselbstständige Dienstverhältnisse für Zeiträume vor Inkrafttreten des § 41 Abs. 3 GSVG „neu“ mit 01.07.2017 und der nach 01.07.2017 auf derartige Sachverhalte anzuwendenden Rechtslage mit dem, dem gegenständlich vom Bundesverwaltungsgericht zu beurteilenden Sachverhalt, vergleichbar.

Nach Darstellung der rechtlichen Bestimmungen des § 41 GSVG „neu“ sowie der zugehörigen Schlussbestimmung des § 367 GSVG führte der VfGH zur anzuwendenden Rechtslage wörtlich aus:

„Während des anhängigen verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens hat das Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz, BGBl I 125/2017, unter anderem § 41 Abs. 3 GSVG neu gefasst, der seitdem den Fall regelt, dass für eine Person nachträglich statt der Pflichtversicherung nach dem GSVG die Pflichtversicherung nach ASVG festgestellt wird; soweit aus diesem Grund Pflichtversicherungsbeiträge nach GSVG zu Unrecht entrichtet wurden, sind diese an den für die Beitragseinhebung zuständigen Krankenversicherungsträger zu überweisen, und der zuständige Versicherungsträger hat die überwiesenen Beiträge auf die ihm geschuldeten Beiträge anzurechnen. § 41 Abs. 3 GSVG ist gemäß § 367 leg. cit. zum 1. Juli 2017 ohne weitere Übergangsanordnung in Kraft getreten.“

Es kann dem - im Wesentlichen unsubstantiiert gebliebenen - Vorbringen in der Gegenäußerung des BF zum Vorlagebericht der belangten Behörde, mit dem er offenbar zum Ausdruck bringen wollte, dass sowohl das im Vorlagebericht zitierte Judikat des Verwaltungsgerichtshof, als auch das Judikat des Verfassungsgerichtshofs auf den gegenständlichen Fall nicht heranzuziehen seien, nicht gefolgt werden.

Zwar hat der VfGH mit dem im Vorlagebericht der belangten Behörde zitierten Erkenntnis die Erledigung des Bundesverwaltungsgerichts (in der Folge kurz: BVwG) wegen Verletzung der dortigen Beschwerdeführerin (der späteren Dienstgeberin!) in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art. 2 StGG und Art. 7 B-VG aufgehoben; doch erfolgte dies aus dem Grund, weil sich das Bundesverwaltungsgericht nach Auffassung des Höchstgerichts mit der Anwendbarkeit des § 41 Abs. 3 GSVG „neu“ auf den zu entscheidenden Sachverhalt dem Bundesverwaltungsgericht nicht auseinandergesetzt bzw. diese nicht angewandt hatte. Da
§ 41 Abs. 3 GSVG „neu“ nunmehr eine Überweisung ungebührlich entrichteter Sozialversicherungsbeiträge im Fall einer Umqualifizierung einer vormals selbstständigen Erwerbstätigkeit in ein unselbstständiges, nach ASVG versichertes Dienstverhältnis vorsieht, hätte sich das Bundesverwaltungsgericht im dortigen Fall mit der konkreten Höhe der Beitragszahlungen der Masseurin nach GSVG auseinandersetzen müssen und diese in Anwendung des § 41 Abs. 3 GSVG „neu“ von den mit dem dort angefochtenen Bescheid der ÖGK ausgesprochenen Nachverrechnungsbeträgen gegenüber der Beschwerdeführerin (der späteren Dienstgeberin!) abziehen müssen. Weil das Bundesverwaltungsgericht aber ohne Berücksichtigung der zu überweisenden Beiträge nach GSVG an die ÖGK die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Höhe der Nachverrechnungsbeträge ohne weiteres bestätigt hatte, wurde die Beschwerdeführerin (Dienstgeberin) in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 27.11.2019, E4911/2018, hinsichtlich der Regelung des § 41 Abs. 3 GSVG „neu“ und den damit einhergehenden „Vermögensverschiebungen“ bezogen auf die Verpflichtung zur Leistung von Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträgen nach ASVG auch keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken geäußert.

3.2.4. Wenn in Stellungnahme zur Beschwerdevorentscheidung sinngemäß zum Ausdruck gebracht wird, dass die m 01.07.2017 in Kraft getretene Bestimmung des § 41 Abs. 3 GSVG „neu“ auf einen solchen Sachverhalt nicht rückwirkend angewandt werden könne, ist dem zu entgegnen, dass ein vor dem Bundesverwaltungsgericht in Beschwerde gezogener Bescheid im Falle der „Zurückziehung der Beschwerde“, bei der es sich um eine Prozesserklärung handelt, während des bereits anhängigen Beschwerdeverfahrens erst mit der Zurückziehung unanfechtbar im weiteren Sinne wird, dessen formelle Rechtskraft hingegen erst mit der Erlassung des entsprechenden verwaltungsgerichtlichen Einstellungsbeschlusses eintritt und der Bescheid somit nicht „rückwirkend“ mit Datum der ursprünglichen Bescheiderlassung in Rechtskraft erwächst (vgl Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 (2019), Rz 742 Pkt. 3.-5. sowie Rz 856).

Im gegenständlichen Fall wurde die Beschwerde gegen den Bescheid der ÖGK vom 23.01.2017 erst am 12.12.2018 zurückgezogen und das zur Zahl G302 2167841-1 beim Bundesverwaltungsgericht protokollierte Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 04.02.2019 eingestellt. Die formelle Rechtskraft trat daher mit Zustellung des Einstellungsbeschlusses, frühestens somit am 04.02.2019 und daher nach dem Inkrafttreten des § 41 Abs. 3 GSVG „neu“ mit 01.07.2017 ein.

Verfahrensgegenstand ist gegenständlich auch nicht die Umqualifizierung der selbstständigen Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers in ein unselbstständiges Dienstverhältnis für einen vergangenen Zeitraum (dies war Gegenstand des von der ÖGK geführten Verfahrens), sondern die sowohl vor als auch nach dem Inkrafttreten des Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetzes vorgesehene Rechtsfolge der Rückabwicklung bei ungebührlich entrichteten Sozialversicherungsbeiträgen nach dem GSVG für den Fall einer rückwirkenden Umqualifizierung, welche sowohl vor als auch nach Inkrafttreten des Sozialversicherungszuordnungsgesetzes einen entsprechenden Antrag des Versicherten vorsah bzw. vorsieht, diese daher antragsgebunden und nicht von Amts wegen vorzunehmen ist. Der entsprechende Antrag des Beschwerdeführers auf Rückzahlung von ungebührlichen Sozialversicherungsbeiträgen langte am 15.11.2019, sohin nach Inkrafttreten des Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetzes mit 01.07.2017, bei der belangten Behörde ein.

Für die Beurteilung der maßgeblichen Rechtslage ist aber grundsätzlich der Zeitpunkt der Bescheiderlassung von Relevanz, nicht jedoch der Zeitpunkt der Antragstellung oder des Eintrittes der Rechtskraft. Zur maßgeblichen Rechtslage ist daher auszuführen, dass die Behörden ihrer Entscheidung in der Sache grundsätzlich immer das zu diesem Zeitpunkt, dh genau genommen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides (bzw. Erlassung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung) geltende Recht zugrunde zu legen haben (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 59 Rz 77 (Stand 01.07.2005, rdb.at)).

Dieser Grundsatz beansprucht unabhängig davon Geltung, um welche Art von Bescheid (also ein Feststellungs-, Leistungs- oder Rechtsgestaltungsbescheid) es sich handelt. Aus der ständigen Rechtsprechung des VwGH zur ehemaligen Berufung ergibt sich auch, dass auch die Berufungsbehörde im Allgemeinen das im Zeitpunkt ihrer Entscheidung geltende Recht anzuwenden hat. Daher kann im Fall einer Änderung der (Sach- oder) Rechtslage auch der Berufung gegen einen (im Zeitpunkt seiner Erlassung) rechtmäßigen Bescheid infolge der inzwischen eingetretenen Änderung der Rechtslage stattzugeben sein (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 59 Rz 78 (Stand 01.07.2005, rdb.at)).

Eine andere Betrachtungsweise ist allerdings nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes dann geboten, wenn der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, dass auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist. Andererseits ist die frühere Rechtslage auch dann maßgeblich, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war. Eine solche Zeitraumbezogenheit des Gesetzes wurde in der Rechtsprechung des VwGH etwa bejaht hinsichtlich der Pflicht zur Entrichtung der Arbeiterkammerumlage, für Abgabenbescheide, für die sozialversicherungsrechtliche Beitrags- und Versicherungspflicht, die Feststellung der Beitragsgrundlagen, udgl (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 59 Rz 81 mwN (Stand 01.07.2005, rdb.at)).

Dieser Judikatur liegt nach VwSlG 12.2880 A/1986 die zutreffende Rechtsauffassung zugrunde, dass die Frage, welches Recht von den Behörden anzuwenden ist, eine Frage der Auslegung „jener Bestimmungen ist, die den zeitlichen Anwendungsbereich zum Gegenstand haben“ (vgl etwa VwGH vom 31.08.1999, 99/05/0054; vom 20.05.2003, 98/05/0112). Darunter sind auch die in der Sache anzuwendenden (Verwaltungs-)Vorschriften zu verstehen, deren Stichtags- oder Zeitraumbezogenheit in Frage steht (vgl etwa VwGH vom 20.02.1996, 95/08/0214; 03.07.2001, 2001/05/0198). Daher kann „außer Kraft getretenes“ Recht weiterhin maßgeblich sein, wenn die betreffenden (insbesondere Übergangs-)Vorschriften dies explizit anordnen oder sich dies implizit aus dem Regelungsgegenstand der betreffenden Norm ergibt. Im Hinblick auf die zu klärende Frage ist auf die Zweifelsregel zurückzugreifen, dass das im Entscheidungszeitpunkt in Geltung stehende Recht anzuwenden ist (vgl etwa VwGH vom 18.05.1995, 95/06/0092; vom 31.08.1999, 99/05/0054) (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 59 Rz 82 (Stand 01.07.2005, rdb.at)).

Der nachträglichen Umqualifizierung von Sozialversicherungsverhältnissen ist eine „Rückwirkung“ immanent. Auch wenn sich der „Umqualifizierungs-Zeitraum“ des Versicherungsverhältnisses und eine daraus resultierende ASVG-Beitragspflicht der W. GmbH auf Zeiträume vor dem 01.07.2017 beziehen, so erfolgte die tatsächliche Umqualifizierung erst mit der Erlassung des Einstellungsbeschlusses durch das Bundesverwaltungsgericht (frühestens mit 04.02.2019) bzw. mit dem nachfolgenden Behördenhandeln der ÖGK, die die belangte Behörde am 10.04.2019 von der rechtskräftigen Feststellung eines Dienstverhältnisses informierte. Der Beschwerdeführer beantragte dann (erstmals) am 15.11.2019 die Rückzahlung ungebührlich entrichteter Beiträge. Die (zeitraumbezogen) jeweils beurteilende Qualifikation des Beschäftigungsverhältnisses stellt für das gegenständliche Verfahren eine entschiedene Vorfrage dar, ist aber selbst nicht mehr Verfahrensgegenstand.

Da § 41 Abs. 3 GSVG „neu“ mit 01.07.2017 ohne Übergangsregelung in Kraft getreten ist und sich auf alle nach dem 30.06.2017 durchgeführten beitragsrechtlichen Rückabwicklungen bezieht (etwas Anderes kann weder dem Gesetz noch den erläuternden Bemerkungen entnommen werden), hat die belangte Behörde gegenständlich zu Recht § 41 Abs. 3 GSVG „neu“ angewandt.

3.2.5. Wenn in der Beschwerde weiter ausgeführt wird, dass der Dienstnehmeranteil zur Sozialversicherung bei laufenden Bezügen für Arbeiter und Angestellte 18,12 % betrage und der Beschwerdeführer aufgrund der Überweisung des Guthabens an die ÖGK nicht nur den Dienstnehmeranteil zur Sozialversicherung entrichtet, sondern auch den vom Dienstgeber zu entrichtenden Anteil zur Sozialversicherung vom Beschwerdeführer getragen habe, weshalb die Anrechnung hinsichtlich der auf den Dienstgeber entfallenden Anteils rechtswidrig sei, vermag dies der gegen den Bescheid vom XXXX .02.2020 erhobenen Beschwerde insgesamt nicht zum Erfolg zu verhelfen, zumal sich aus den Materialien zum Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz (SV-ZG), BGBl. I Nr. 125/2017, eindeutig ergibt, dass es zu einer versicherungsrechtlichen Neuzordnung zum ASVG kommt, wenn „vom Krankenversicherungsträger und vom Dienstgeber oder von den Versicherungsträgern übereinstimmend festgestellt wurde, dass entgegen der bisherigen Versicherung keine selbständige Erwerbstätigkeit (und damit auch keine Pflichtversicherung nach dem GSVG bzw. BSVG, das heißt keine Zuordnung zum Vollziehungsbereich der SVA bzw. SVB) vorliegt, sondern vielmehr eine Pflichtversicherung nach dem ASVG besteht“ (EB 1613 BlgNR 25. GP, Anm. zu Art. 1 Z 1, Art. 2 Z 2 und Art. 3 Z 2 (§§ 412a bis 412e ASVG; § 194b GSVG; § 182a BSVG). Anlassbezogen haben die ÖGK und die SVS übereinstimmend festgestellt, dass beim Beschwerdeführer entgegen der bisherigen Versicherung keine selbständige Erwerbstätigkeit und damit auch keine Pflichtversicherung nach dem GSVG, sondern auf Grund der von ihm im beschwerdegegenständlichen Zeitraum ausgeübten unselbständigen Erwerbstätigkeit eine solche nach dem ASVG vorliegt.

Kommt es zu einer rückwirkenden Neuzuordnung, ist gemäß § 41 Abs. 3 GSVG eine beitragsrechtliche Rückabwicklung vorzunehmen und zwar derart, dass „alle an die SVA bzw. SVB geleisteten Beiträge bzw. Beitragsteile, die auf die dem ASVG zuzuordnende Tätigkeit entfallen und daher zu Unrecht nach dem GSVG bzw. BSVG entrichtet wurden,“ „an den für die Beitragseinhebung zuständigen Krankenversicherungsträger zu überweisen“ sind (EB 1613 BlgNR 25. GP, Anm.: zu Art. 2 Z 1 und Art. 3 Z 1 (§ 41 Abs. 3 GSVG; § 40 Abs. 3 BSVG)). Daraus ergibt sich, dass die Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (vormals Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft) in einem solchen Anlassfall alle an sie geleisteten Beiträge bzw. Beitragsteile, die auf die dem ASVG zuzuordnende Tätigkeit entfallen, der Österreichischen Gesundheitskasse zu überweisen hat. Weder aus dem Gesetz noch aus den Materialien zum SV-ZG, BGBl. I Nr. 125/2017, ergibt sich ein Raum für die abfuhrpflichtige Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen in Hinblick auf eine etwaige Unterscheidung der an sie ursprünglich abgeführten Beiträge nach Dienstnehmer- und Dienstgeberanteilen, weshalb der Beschwerdeeinwand, dass im überwiesenen Guthaben auch Beiträge einbezogen worden seien, die nicht vom BF geschuldet worden seien, insgesamt ins Leere geht. Das ist, wie schon erwähnt, aus dem gesetzlichen Auftrag an die SVS, alle - und nicht nur Teile der - an sie geleisteten Beiträge bzw. Beitragsteile, an den für die Beitragseinhebung zuständigen Krankenversicherungsträger zu überweisen, abzuleiten (EB 1613 BlgNR 25. GP). Hätte die Gesetzgeberin anderes gewollt, wie dies der BF mit seinem Beschwerdeeinwand vermeint, hätte dies in den zitierten Gesetzesmaterialien auch einen entsprechenden Niederschlag zu finden gehabt.

3.2.6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag, oder wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) entgegenstehen. Gemäß Abs. 5 kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, GZ 2005/05/0080). Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Der Sachverhalt blieb darüber hinaus unstrittig und war gegenständlich nur eine Rechtsfrage zu lösen. Der BF hat zwar die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt, doch hat er den entscheidungswesentlichen Sachverhalt als unstrittig hingestellt. Im Übrigen lässt sich dem auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gerichteten Antrag des Beschwerdeführers nicht entnehmen, was durch eine mündliche Verhandlung zur besseren Beurteilung der Rechtsfrage, die für sich allein die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht voraussetzt, noch zu klären gewesen wäre.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH vertritt eine eindeutige und einheitliche Rechtsprechung, weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH und VfGH ist zwar teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Beitragskonto Beitragszahlungen Rechtslage Rückforderung selbstständig Erwerbstätiger Sozialversicherung Überweisung unselbständige Tätigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G305.2230988.1.00

Im RIS seit

24.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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