TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/9 W109 1426959-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.03.2020
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Entscheidungsdatum

09.03.2020

Norm

AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §46a Abs1
FPG §46a Abs5 Z2
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W109 1426959-4/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX , alias XXXX ), geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom 22.08.2019, Zl. XXXX - XXXX zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 46a Abs. 1 und 5 Z 2 FPG stattgegeben und Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

II. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 57 AsylG als unbegründet abgewiesen.

III. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe abgewiesen, dass dieser zu lauten hat:

"Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG iVm § 9 BFA-VG wird eine Rückkehrentscheidung gegen Sie erlassen."

IV. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 52 Abs. 9 FPG stattgegeben und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan unzulässig ist.

V. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe insoweit stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbots auf fünf Jahre herabgesetzt wird.

VI. In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass Spruchpunkt VII. zu lauten hat:

"Gemäß § 55 Abs. 1 und 2 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Ihrer Enthaftung."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 15.12.2011 stellte der damals minderjährige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, nach Einreise unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 25.04.2012 gab der Beschwerdeführer in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt an, er habe wegen der allgemeinen Situation in Afghanistan um Asyl angesucht und weil die Taliban überall seien und die jungen Leute zum Kämpfen auffordern würden.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.05.2012 (in der Folge: Zuerkennungsbescheid; erster Akt) wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 07.05.2013 erteilt. Hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führte das Bundesasylamt begründend aus, dass sich in der Heimatregion des Beschwerdeführers eine Rückkehrgefährdung ergebe, dies aufgrund ständiger Anschläge und (noch) schlechter Versorgungslage. In Kabul habe der Beschwerdeführer niemanden und würde mangels Familienanschluss auch unter Berücksichtigung seines jugendlichen Alters in eine hoffnungslose Lage kommen.

Die gegen Spruchpunkt I. des Zuerkennungsbescheides vom 08.05.2012 fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 19.10.2012, C7 426959-1/2012/4E als unbegründet abgewiesen.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 29.05.2013, 5 Hv 40/13v, wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 und Abs. 2 StGB, sowie des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB unter Anwendung von § 5 Z 4 JGG zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt, wobei ein Teil in der Dauer von acht Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 05.02.2014, 7 Hv 152/13d, wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB in Anwendung des § 5 Z 4 JGG unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 29.05.2013, Zl. 5 Hv 40/13v, gemäß §§ 31, 40 zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2014 wurde dem Beschwerdeführer in Stattgebung seines Verlängerungsantrages vom 10.06.2013 (wobei auch ein am 30.04.2013 bei der Behörde eingelangter Verlängerungsantrag aktenkundig ist) eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 07.05.2015 erteilt. Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, der Beschwerdeführer sei straffällig und in diesem Zusammenhang eine Aberkennung geprüft worden. Die Voraussetzungen für die Verlängerung würden jedoch vorliegen. Eine nähere Begründung könne gemäß § 58 Abs. 2 AVG entfallen.

In der Folge brachte der Beschwerdeführer 2014 bis 2016 mehrere Verlängerungsanträge beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.

Mit Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 05.02.2016, 214 U 32/15v, wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach dem § 27 Abs. 1 Z 1, 1., 2., und 8. Fall und Abs. 2 SMG, des Vergehens der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.07.2016 (zweiter Akt) wurde dem Beschwerdeführer nach niederschriftlicher Einvernahme am 16.06.2016 der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG von Amts wegen aberkannt, die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig ist. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Entlassung aus der Justizanstalt festgesetzt. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe mehrere Strafdelikte begangen. Die individuelle Situation im Fall einer Rückkehr habe sich geändert, der Beschwerdeführer sei volljährig, gesund und arbeitsfähig. Die Sicherheitslage in Kabul habe sich wesentlich gebessert. Die Familie lebe im eigenen Haus im Herkunftsdorf und werde vom älteren Bruder von Pakistan aus unterstützt. Der Beschwerdeführer könne seinen Lebensunterhalt bestreiten, sei mit den örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten vertraut und verfüge über ein soziales Netz im Herkunftsland. Der Beschwerdeführer könne in Kabul leben.

Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.08.2017 (in der Folge: Aberkennungserkenntnis) teilweise stattgegeben, nämlich insofern, als gemäß § 9 Abs. 2 zweiter Unterabsatz AsylG festgestellt wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan unzulässig sei. Begründend führt das Bundesverwaltungsgericht aus, die belangte Behörde habe die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten alleine auf § 9 Abs. 2 AsylG gestützt, eine allfällige Prüfung der Aberkennung wegen mangelnder Schutzbedürftigkeit nach § 9 Abs. 1 AsylG habe die Behörde nicht vorgenommen. Daran würden auch die Ausführungen der belangten Behörde, denen zufolge sich die individuelle Situation des Beschwerdeführers im Fall einer Rückkehr geändert habe und eine Rückkehrgefährdung im Sinne des § 8 AsylG in Folge einer gebesserten Sicherheitslage in Kabul nicht mehr vorliege, nichts ändern. Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten sei in einem Fall wie dem des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG gemäß § 9 Abs. 2 AsylG mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat unzulässig sei. Nach § 46a Abs. 1 Z 2 FPG sei der Fremde sodann ex lege geduldet.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz, Zl. XXXX , vom 08.08.2017 wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Am 07.05.2019 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.

Am 05.07.2019 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und zu seiner Rückkehrsituation sowie zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22.08.2019, zugestellt am 28.08.2019, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vom 07.05.2019 gemäß § 8 Abs. 4 AsylG als unzulässig zurück (Spruchpunkt I.), entzog ihm gemäß § 46a Abs. 5 Z 2 FPG die für ihn ausgestellte Karte für Geduldete (Spruchpunkt II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 53 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.), erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.), gewährte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VIII.). Begründend führte die belangte Behörde aus, Gründe für das Erteilen einer neuerlichen Duldung würden nicht mehr vorliegen, eine Rückkehr in den Herkunftsstaat sei zum jetzigen Zeitpunkt möglich, es werde auf die aktuelle Rechtsprechung im Hinblick auf Afghanistan verwiesen. Der Beschwerdeführer könne nicht nach Nangahar, jedoch in die Städte Herat, Mazar-e Sharif oder auch Kabul zurückkehren. Der Beschwerdeführer spreche Paschtu, sei mit den kulturellen und sprachlichen Gepflogenheiten im Herkunftsstaat vertraut und habe Familienangehörige in Afghanistan. Auch gebe es komplementäre Auffangmöglichkeiten wie etwa Lager und könne der Beschwerdeführer Rückkehrhilfe sowie die Unterstützung von Moscheen und anderen islamischen Einrichtungen oder seiner Volksgruppe in Anspruch nehmen. Er sei auch jung und arbeitsfähig.

Am 06.09.2019 langte die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Spruchpunkte II. bis VIII. des oben dargestellten Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.08.2019 bei der belangten Behörde ein, in der ausgeführt wird, dass dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in Herat, Mazar-e-Sharif oder Kabul nicht zur Verfügung stehe. Insbesondere Rückkehrer seien gefährdet. Beantragt wurde auch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Mit Beschluss vom 24.09.2019 erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu.

Am 14.01.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eine mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, ein Dolmetscher für die Sprache Paschtu und eine im Akt namentlich genannte Zeugin teilnahmen. Die belangte Behörde nahm nicht an der Verhandlung teil.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Lebensumständen und zu seiner Rückkehrsituation befragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu Person und Lebensumständen Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde im Jahr XXXX geboren und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen. Er bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

Der Beschwerdeführer stammt aus einem Dorf in der Provinz Nangarhar, Distrikt XXXX , wo er bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat lebte. Er hat im Herkunftsstaat keine Schule besucht und ist Analphabet.

Die Familie des Beschwerdeführers, bestehend aus seinen Eltern, fünf Brüdern und einer Schwester lebte nach der Ausreise des Beschwerdeführers durchgehend in der Herkunftsprovinz. Gleiches gilt für weitere Verwandte des Beschwerdeführers, nämlich vier Onkel und zwei Tanten väterlicherseits sowie eine Tante und zwei Onkel mütterlicherseits mit ihren jeweiligen Familien.

Der Beschwerdeführer steht in Kontakt zu seiner Familie.

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat.

Der Beschwerdeführer hält sich zumindest seit er am 15.12.2011 seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, im Bundesgebiet auf. Er bezog bis Mai 2015 Grundversorgung. In den Jahren 2015 und 2019 bezog der Beschwerdeführer zeitweise Arbeitslosengeld. Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet einen Deutschkurs besucht und verfügt über gute Deutschkenntnisse. Ansonsten hat der Beschwerdeführer im Bundesgebiet keine Schule besucht und keine Ausbildung absolviert. Außerhalb seiner Haftzeiten war der Beschwerdeführer im Bundesgebiet nicht erwerbstätig.

Der Beschwerdeführer hat mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin - einer österreichischen Staatsangehörigen - eine gemeinsame, etwa dreijährige Tochter. Die Tochter des Beschwerdeführers lebt im Haushalt ihrer Mutter. Der Kontakt des Beschwerdeführers zu seiner ehemaligen Lebensgefährtin ist gut, der Beschwerdeführer besuchte seine Tochter - bis zu seiner Festnahme - etwa zwei Mal die Woche, um mit ihr auf den Spielplatz oder spazieren zu gehen oder sonst Zeit mit ihr zu verbringen. Gelegentlich "video-telefoniert" der Beschwerdeführer auch mit seiner Tochter und meldet sich regelmäßig bei der ehemaligen Lebensgefährtin, um sich nach seiner Tochter zu erkundigen. Der Beschwerdeführer bezahlt monatlich EUR 20,-- Unterhalt für seine Tochter.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.05.2012, AZ 11 15.111-BAG, wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 07.05.2013 erteilt.

Am 17.02.2013 wurde der Beschwerdeführer festgenommen und befand sich bis zum 29.05.2013 in Haft.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 29.05.2013, 5 Hv 40/13v, rechtskräftig am 04.06.2013, wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 und Abs. 2 StGB, sowie des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB unter Anwendung von § 5 Z 4 JGG zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt, wobei ein Teil in der Dauer von acht Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde (Jugendstraftat).

- Der Beschwerdeführer hat

1. am 17.02.2013 mit vier Mittätern im bewussten und gewollten Zusammenwirken einem Opfer mit gegen seine Person gerichtete Gewalt fremde bewegliche Sachen und zwar ein Mobiltelefon mit Speicherkarte im unbekannten Wert und Bargeld im Betrag von EUR 4,-- mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie das Opfer abwechselnd festhielten, abwechselnd durchsuchten, von ihm die Herausgabe von Bargeld und des Mobiltelefons forderten und ihm letztendlich die angeführte Raubbeute wegnahmen, wobei dieser Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde und die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat.

2. am 22.12.2012 mit einem Mittäter einen Zugbegleiter mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zumindest mit einer Verletzung am Körper an der Vornahme der Fahrscheinkontrolle beim Beschwerdeführer zu hindern versucht, indem sie das Opfer an der Uniform festhielten, ihn am Verlassen seiner Standposition hinderten und sich mehrfach dahingehend äußerten, sie würden ihn umbringen und kalt machen, wobei sie versuchten, dem Opfer die noch zu kontrollierende Fahrkarte und die Vorteilskarte gewaltsam aus der Hand zu reißen.

- Beim Beschwerdeführer wurde bei der Strafbemessung erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die Tatbegehung in Gesellschaft, mildernd die Unbescholtenheit, die Alkoholisierung, das teilweise Geständnis und der Umstand, dass es teils beim Versuch blieb sowie die teilweise Sicherstellung der Raubbeute berücksichtigt.

- Zudem wurde für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 05.02.2014, 7 Hv 152/13d, rechtskräftig am 13.03.2014, wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB in Anwendung des § 5 Z 4 JGG unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 29.05.2013, Zl. 5 Hv 40/13v, gemäß §§ 31, 40 zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt (Jugendstraftat).

- Der Beschwerdeführer hat am 17.02.2013 mit drei Mittätern im bewussten und gewollten Zusammenwirken einem Opfer mit Gewalt gegen seine Person eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Einer der Mittäter umklammerte das Opfer von hinten, stellte ihm ein Bein und brachte es dadurch zu Fall. Dabei forderten die Täter die Herausgabe von Bargeld und Mobiltelefon und verletzten das Opfer nach der Erklärung, darüber nicht zu verfügen, mit einem Schlag ins Gesicht, wobei zwei der Mittäter das Opfer am Boden fixierten und der Beschwerdeführer und ein weiterer Mittäter das Opfer nach Wertgegenständen durchsuchten und dabei Tabak im Wert von etwa EUR 4,00 erbeuteten.

- Beim Beschwerdeführer wurde bei der Strafbemessung mildernd berücksichtigt: die Rückgabe der Raubbeute, der bislang ordentliche Lebenswandel und die untergeordnete Rolle; erschwerend wurde berücksichtigt: das Zusammentreffen von zwei Verbrechen und einem Vergehen bei Zusatzstrafverhältnis.

Von 09.10.2013 bis 22.04.2014 befand sich der Beschwerdeführer in Haft.

Mit Bescheid vom 04.07.2014 wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 07.05.2015 erteilt.

Mit Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 05.02.2016, 214 U 32/15v, rechtskräftig am 09.02.2016, wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach dem § 27 Abs. 1 Z 1, 1., 2., und 8. Fall und Abs. 2 SMG, des Vergehens der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.

- Der Beschwerdeführer hat

1. von 22.05.2015 bis 13.11.2014 [sic] vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich eine unbekannte Menge, aber zumindest 72 g Marihuana, von unbekannten Dealern erworben, besessen und zum Teil anderen Personen überlassen;

2. am 29.09.2014 vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge des § 28b SMG nicht übersteigenden Menge, nämlich 15,9 g Cannabiskraut, mit dem Vorsatz besessen, es in der Folge durch gewinnbringende Verkäufe in Verkehr zu setzen, wobei er die Tat nicht zum persönlichen Gebrauch beging;

3. am 28.10.2014 fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Straßenlaterne, durch Einschlagen mit einem Stein beschädigt, wodurch ein Schaden iHv ca. EUR 150,- entstand;

4. am 28.10.2014 fremde Sachen, nämlich zwei Außenspiegel und eine Fahrzeugtüre an abgestellten PKW durch versetzen von Tritten beschädigte, wodurch ein Schaden von ca. EUR 2.050,- entstand;

5. am 28.10.2014 eine fremde Sache, nämlich den rechten Seitenspiegel eines abgestellten PKWs durch Einschlagen beschädigte, wodurch ein Schaden iHv ca. EUR 140,-- entstand;

6. am 06.11.2014 eine Person durch Versetzung von Schlägen und Tritten gegen den Körper, die eine Knieprellung und eine Zerrung des Daumens zur Folge hatten, vorsätzlich am Körper verletzt;

7. am 12.12.2014 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich 6,9 g Cannabiskraut, von unbekannten Dealern erworben und besessen, wobei er die Tat ausschließlich zum persönlichen Gebrauch beging;

8. am 06.05.2015 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich 2,2, g Cannabiskraut, von unbekannten Dealern erworben und besessen;

9. am 16.09.2015 fremde Sachen, nämlich montierte Mistkübel, durch Reißen aus ihrer Verankerung beschädigt, wodurch ein Schaden iHv EUR 100,- entstand;

10. am 16.09.2015 eine Person durch Versetzen von Schlägen gegen den Körper, die Abschürfungen im Bereich des Halses und des rechten Armes zur Folge hatten, vorsätzlich am Körper verletzt.

- Mildernd wurden das Geständnis sowie die Begehung der Taten vor Vollendung des 21. Lebensjahres berücksichtigt, erschwerend das Zusammentreffen mehrere Vergehen sowie zwei einschlägige Vorverurteilungen.

- Außerdem wurde die Probezeit hinsichtlich der mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 29.05.2013, 5 Hv 40/13v, bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von acht Monaten und der gewährten bedingten Entlassung hinsichtlich der mit Urteilen des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 29.05.2013, 5 Hv 40/13v, und vom 05.02.2014, 7 Hv 152/13d, verhängten Freiheitsstrafe jeweils auf fünf Jahre verlängert.

Von 26.06.2016 bis 25.10.2016 befand sich der Beschwerdeführer in Haft.

Von 22.01.2017 bis zum 26.04.2019 befand sich der Beschwerdeführer in Haft.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.08.2017, vom Beschwerdeführer am 16.08.2017 übernommen, wurde dem Beschwerdeführer rechtskräftig der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt und gemäß § 9 Abs. 2 2. Unterabsatz festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan unzulässig ist.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz, XXXX vom 08.08.2017, rechtskräftig am 11.07.2018, wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig wegen des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

- Der Beschwerdeführer hat am 03.12.2016 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei Mittätern einem Opfer eine schwere Körperverletzung absichtlich zuzufügen versucht, indem sie in der Gruppe auf in zuliefen, ihn einkreisten, ihm Schläge gegen den Kopf versetzten, ein Mittäter ihm einen Schlag mit einer Bierflasche gegen den Kopf versetzte, weiters alle ihn gewaltsam zu Boden zerrten und ihm am Boden liegend weiterhin wiederholt heftige Faustschläge und wuchtige Fußtritte gegen seinen Oberkörper, Kopf und Gesichtsbereich versetzten (blutende Wunde und Schwellung am rechten Ellbogen, Hautabschürfungen an der rechten Hand, Hämatome im Bereich des linken Armes).

- Mildernd wurde das letztlich abgelegte reumütige Geständnis, dass es beim Versuch geblieben ist und dass der Beschwerdeführer die Taten nach Vollendung des 18., jedoch vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangen hat, berücksichtigt; erschwerend die

Tatbegehung in Gesellschaft, zwei einschlägige Vorstrafen, die Tatbegehung während zwei offener Probezeiten und der äußerst rasche Rückfall.

- Außerdem wurde die bedingte Entlassung aus der mit Urteilen vom 29.05.2013 und vom 05.02.2014 verhängten Freiheitsstrafe widerrufen.

Am 24.02.2020 wurde der Beschwerdeführer erneut festgenommen und am 25.02.2020 in die Justizanstalt XXXX überstellt, wo er sich aktuell in Untersuchungshaft befindet. Gegen ihn wurde Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen wegen § 27 Abs. 2a zweiter Fall SMG erhoben.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt betroffen. Die Provinz Nangarhar zählt zu den volatilsten Provinzen des Herkunftsstaates, die Sicherheitslage hat sich seit dem Jahr 2011 verschlechtert. Seit dem Jahr 2016 konnte der Islamische Staat in der Provinz Khorasan (ISKP) die Taliban in Nangarhar destabilisieren, im Jahr 2019 galt Nangarhar als ISKP-Hochburg. Der ISKP wurde seither zurückgedrängt, ist aber insbesondere noch durch große terroristische Angriffe präsent. Die Taliban kontrollieren Gebiete in Nangarhar. Im Jahr 2018 kam es zu einer Steigerung ziviler Opfer um 111 % gegenüber 2017.

Hinsichtlich der Hauptstadt Kabul ist ein negativer Trend in Bezug auf die Sicherheitslage für Zivilisten erkennbar. Die Stadt ist vom innerstaatlichen Konflikt und insbesondere stark von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte betroffen. Kabul verzeichnet die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans, die insbesondere aus Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen regierungsfeindlicher Kräfte resultieren. Die afghanische Regierung führt regelmäßig Sicherheitsoperationen in der Hauptstadt durch. Die Konfliktsituation ist geprägt von asymmetrischer Kriegsführung.

In Balkh hat sich die Sicherheitslage - nachdem die Provinz lange zu den relativ ruhigen Provinzen gezählt wurde - ebenso verschlechtert. Im Jahr 2018 ist die Anzahl ziviler Opfer in Balkh im Vergleich zu 2017 um 76 % angestiegen. Hauptursachen sind Bodenkämpfe, Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen und gezielte Tötungen. Die Kriminalität in Mazar-e Sharif nimmt zu.

Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen, obgleich sich die Situation in den abgelegenen Distrikten in den letzten Jahren verschlechtert hat. Es kommt zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen. Allerdings lässt sich ein klarer Trend hinsichtlich der Sicherheitslage weder in Richtung einer Verbesserung noch in Richtung einer Verschlechterung entnehmen.

Versorgungslage und Lebensbedingungen im Herkunftsstaat haben sich, seit dem Jahr 2017 nicht verbessert.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie seinen Lebensumständen bis zur Einreise nach Österreich ergeben sich aus seinen gleichbleibenden plausiblen Angaben in allen Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Identität des Beschwerdeführers wurde ebenso anhand seiner Angaben festgestellt, wobei er im Bundesgebiet weitgehend unter dem im Urteilskopf hauptgenannten Namen aufgetreten ist. Zum Nachnamen wird angemerkt, dass der Beschwerdeführer hier - wie häufig üblich - seinen paschtunischen Stammesnamen gebraucht, den auch der Herkunftsdistrikt - bedingt dadurch, dass der paschtunische Stamm des Beschwerdeführers dort stark vertreten ist - trägt, sodass diesbezügliche Zweifel an der Plausibilität dieser Angabe nicht aufkommen. Zum Vornamen ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer zwar in zahlreichen im Akt einliegenden Berichten der LPD wiederholt als " XXXX " auftaucht und in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 05.07.2019 angab, er habe die Identität seines verstorbenen Bruders "übernommen", weil er ihn sehr gemocht habe. Ursprünglich heiße er " XXXX " (Einvernahmeprotokoll vom 05.07.2019, S. 4; erster Akt, AS 1318). Im Grunde gab er jedoch meist den im Kopf hauptgenannten Namen an (etwa Einvernahmeprotokoll vom 16.06.2016, S. 2, zweiter Akt, AS 191; Protokoll der Erstbefragung, S. 1, erster Akt, AS 1; Einvernahmeprotokoll vom 05.07.2019, S. 4, erster Akt, AS 1318), sodass das Bundesverwaltungsgericht die Verfahrensidentität des Beschwerdeführers beibehält. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer zu seiner Herkunft und seinen Angehörigen gleichbleibende und plausible Angaben gemacht, sodass diese Unklarheit hinsichtlich seines Vornamens der Identifizierbarkeit des Beschwerdeführers durch seine im Kopf genannte Verfahrensidentität nicht im Wege steht.

Die Feststellung zum Geburtsjahr des Beschwerdeführers beruht auf seinen Angaben im Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz, denen zufolge er im Zeitpunkt der Einreise XXXX Jahre alt gewesen wäre, sowie dem gerichtsmedizinischen Gutachten zur forensischen Altersschätzung des Ludwig Bolzmann Institutes vom 29.02.2012 (erster Akt, AS 125 ff.), aus dem sich ergibt, dass das Zutreffen der Angaben des Beschwerdeführers nicht ausgeschlossen werden könne. Zudem ging auch die belangte Behörde in der Folge von diesen Angaben des Beschwerdeführers aus.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich daraus, dass im Lauf des Verfahrens kein anderslautendes Vorbringen erstattet und auch keine medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung oder Erkrankung des Beschwerdeführers nachweisen würden. Auch in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.01.2020 hat der Beschwerdeführer angegeben, er sei gesund.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat keine Schule besucht hat, beruht auf seinen gleichbleibenden Angaben, die auch die belangte Behörde nie in Zweifel zog.

Die Feststellungen zum Verbleib der Angehörigen des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat beruhen auf seinen gleichbleibenden Angaben in seinen Einvernahmen im Lauf des Verfahrens. So gab der Beschwerdeführer schon in seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 25.04.2012 befragt zum Verbleib seiner Angehörigen an, diese würden sich unverändert im Herkunftsdorf aufhalten (erster Akt, AS 233-235) und bestätigte dies erneut in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 16.06.2016 (Einvernahmeprotokoll S. 3; zweiter Akt, AS 193). Zwar gab der Beschwerdeführer hier auch an, er habe keinen Kontakt zu seinen Angehörigen, führt dies jedoch nicht auf bestimmte Gründe zurück, sondern gibt an, das Verhältnis sei gut. In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 05.07.2019 gibt der Beschwerdeführer erneut an, die Angehörigen seien in der Herkunftsprovinz aufhältig und er habe nach der Haftentlassung wieder Kontakt mit ihnen aufgenommen (Einvernahmeprotokoll vom 05.07.2019, S. 5; erster Akt, AS 1319). Seine Eltern und sein Onkel väterlicherseits seien nach Jalalabad gezogen wegen einer Feindschaft, Brüder und Schwester würden weiterhin bei den Eltern leben. Das Bundesverwaltungsgericht erachtet dieser relativ genauen und von selbst geäußerten Angaben des Beschwerdeführers auch als glaubhaft. So gibt der Beschwerdeführer von selbst an, sie würden in einer im Akt namentlich genannten Ortschaft am Rand von Jalalabad leben und zwar in einem Zeltlager. Auch die Schilderungen des Beschwerdeführers zur Kontaktaufnahme bzw. dazu, wie er den Kontakt zur Familie halten und wiederherstellen kann, sind umfassend und plausibel (Einvernahmeprotokoll vom 05.07.2019, S. 5-6; erster Akt AS 1319-1320). Folglich hat das Bundesverwaltungsgericht entsprechende Feststellungen zum Verbleib der Angehörigen in Afghanistan getätigt.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keine Verwandten in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat hat, beruht darauf, dass er - wie bereits oben ausgeführt - im Lauf des Verfahrens durchgehend plausibel angegeben hat, seine Verwandten würden sich in der Provinz Nagarhar aufhalten.

Das Datum des vom Beschwerdeführer gestellten Antrages auf internationalen Schutz ist aktenkundig. Dafür, dass der Beschwerdeführer das Bundesgebiet zwischenzeitig bzw. zwischendurch dauerhaft verlassen hätte, haben sich im Lauf des Verfahrens keine Anhaltspunkte ergeben. Dass der Beschwerdeführer bis Mai 2015 Grundversorgung bezogen hat, ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem. Die Feststellung zum Arbeitslosengeldbezug des Beschwerdeführers beruht auf dem im Akt einliegenden AJ-WEB-Auszug (AS 21).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer einen Deutschkurs besucht hat, beruht auf den plausiblen Angaben des Beschwerdeführers in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 25.04.2012 (erster Akt; AS 239). Seine guten Deutschkenntnisse konnte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.01.2020 demonstrieren, als er Fragen teilweise und verständlich auf Deutsch zu beantworten vermochte. Weiter wurde der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 26.06.2016 in deutscher Sprache einvernommen und sind aus dem Protokoll der Einvernahme Verständigungsschwierigkeiten nicht ersichtlich. Mangels Vorlage eines Deutschzertifikates konnte ein bestimmtes Niveau des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen allerdings nicht festgestellt werden. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet keine Schule besucht und keine Ausbildung absolviert hat, beruht darauf, dass der Beschwerdeführer derartiges nicht behauptet und auch keine Bestätigungen in Vorlage gebracht hat. Gleiches gilt im Wesentlichen dafür, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet - außerhalb seiner Haftzeiten - nicht erwerbstätig war. Zur Erwerbstätigkeit in den Haftzeiten hat der Beschwerdeführer im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 05.07.2019 eine Bestätigung gemäß § 66a AlVG in Vorlage gebracht, aus der hervorgeht, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum 11.07.2018 bis 26.04.2019 Versicherungszeiten erworben hat. Auch die Haftanstalt bestätigt in ihrer E-Mail vom 04.07.2019 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, dass der Beschwerdeführer während seiner Haft in einem der Unternehmensbetriebe der Haftanstalt beschäftigt war und dafür eine monatliche Arbeitsvergütung erhielt (erster Akt, AS 901). Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde der Beschwerdeführer überdies zu seiner aktuellen beruflichen Situation befragt und er gab an, er arbeite nicht, weil er keine Beschäftigungsbewilligung habe (Verhandlungsprotokoll S. 6).

Die Feststellungen zur Tochter des Beschwerdeführers beruhen im Wesentlichen auf den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und seiner ehemaligen Lebensgefährtin, die als Zeugin an der Verhandlung teilgenommen hat. Die Tochter des Beschwerdeführers findet im Übrigen bereits im Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 08.08.2017, XXXX Erwähnung (Urteil S. 8; erster Akt, AS 740) und der Beschwerdeführer schildert auch in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 05.07.2019 bereits, er würde seine Tochter etwa ein bis zwei Mal die Woche besuchen und mit ihr in den Park gehen, mit ihr spielen, mit ihr reden, etc. (Einvernahmeprotokoll vom 05.07.2019, S. 10; erster Akt, AS 1324). Weiter ergibt sich aus der mit E-Mail vom 04.07.2019 durch die Haftanstalt an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelten Besucherliste, dass der Beschwerdeführer regelmäßig Besuch von seiner ehemaligen Lebensgefährtin erhielt (erster Akt, AS 901 ff.). Hierin bestätigt sich auch das weitere gute Einvernehmen des Beschwerdeführers mit der Mutter seiner Tochter, was den vom Beschwerdeführer beschriebenen häufigen Kontakt plausibel erscheinen lässt. Weiter zeigte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.01.2020 zahlreiche Fotos vor, die Aktivitäten mit seiner Tochter zeigen. Zur Unterhaltsleistung iHv EUR 20,-- für seine Tochter ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer bereits in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 05.07.2019 angegeben hat, dass er diese Summe monatlich leisten müsse (Einvernahmeprotokoll S. 05.07.2019, S. 10; erster Akt , AS 1324), wobei die ehemalige Lebensgefährtin in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.01.2020 diese Angabe des Beschwerdeführers bestätigt hat (Verhandlungsprotokoll S. 7), wo sie auch angab, der Beschwerdeführer würde dieser Verpflichtung nachkommen. Insgesamt ließen die Schilderungen des Beschwerdeführers und der Zeugin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht keinen Raum für Zweifel daran, dass der Beschwerdeführer den festgestellt intensiven Kontakt zu seiner Tochter pflegt.

Die Feststellung zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer beruht auf dem genannten Bescheid des Bundesasylamtes.

Die Feststellung zur Festnahme des Beschwerdeführers am 17.02.2013 beruht auf dem im Akt einliegenden Anlassbericht der LPD Wien vom 18.02.2013 (erster Akt, AS 379) und geht weiter - wie auch die anschließende Haft - aus der Vollzugsinformation (zweiter Akt, AS 599) in Zusammenschau mit dem den Beschwerdeführer betreffenden Auszug aus dem zentralen Melderegister hervor.

Die Feststellungen zum Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 29.05.2013, Zl. 5 Hv 40/13v, beruhen auf der im Akt einliegenden gekürzten Urteilsausfertigung (erster Akt, AS 679), sowie dem im Akt einliegenden Strafregisterauszug.

Die Feststellungen zum Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 05.02.2014, Zl. 7 Hv 152/13d, sowie zum Tathergang beruhen auf der im Akt einliegenden gekürzten Urteilsausfertigung (erster Akt, AS 433 ff.), sowie dem im Akt einliegenden Strafregisterauszug.

Die Feststellung zur Haft von 09.10.2013 bis 05.02.2014 geht aus der im Akt einliegenden Vollzugsinformation (zweiter Akt, AS 603) in Zusammenschau mit dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister hervor.

Die Feststellung zur befristeten Aufenthaltsberechtigung bis zum 07.05.2015 beruht auf dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2014 (erster Akt, AS 451).

Die Feststellungen zum Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 05.02.2016, 214 U 32/15v, beruhen auf dem Akt einliegenden Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung (erster Akt, AS 669), sowie dem im Akt einliegenden Strafregisterauszug. Zum Tatzeitraum hinsichtlich Faktum 1 wird angemerkt, dass dem erkennenden Richter des Bundesverwaltungsgerichts bewusst ist, dass der festgestellte Tatzeitraum nicht denkmöglich ist. Er entspricht jedoch dem rechtskräftigen Spruch des Urteils des Bezirksgerichts Graz-Ost.

Die Feststellung zur Haft von 26.06.2016 bis 25.10.2016 beruht auf der Vollzugsinformation (zweiter Akt, AS 611) in Zusammenschau mit dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Die Feststellung zur Haft von 22.01.2017 bis 26.04.2019 beruht auf der im Akt einliegenden Vollzugsinformation (zweiter Akt, AS 653) in Zusammenschau mit dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister. Überdies hat der Beschwerdeführer im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 05.07.2019 auch eine Entlassungsbestätigung in Vorlage gebracht.

Die Feststellungen zum Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts über die Aberkennung des subsidiären Schutzstatus und die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung beruhen auf dem Aberkennungserkenntnis vom 08.08.2017. Dass der Beschwerdeführer das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts am 16.08.2017 übernommen hat, ergibt sich aus der von ihm unterschriebenen Übernahmebestätigung, die im Akt einliegt (zweiter Akt, AS 587).

Die Feststellungen zum Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz, XXXX vom 08.08.2017, beruhen auf der im Akt einliegenden Urteilsausfertigung (erster Akt, AS 731 ff), sowie dem im Akt einliegenden Strafregisterauszug.

Die Feststellung zur Festnahme am 24.02.2020 beruht auf der Berichterstattung der LPD vom 24.02.2020 (OZ 16), die Feststellung zur Untersuchungshaft beruht auf der von der Justizanstalt übermittelten Untersuchungshaft, der zufolge der Beschwerdeführer sich dort seit 25.02.2020 in Untersuchungshaft befindet (OZ 18). Weiter langte auch eine Verständigung der Staatsanwaltschaft Graz am Bundesverwaltungsgericht ein, derzufolge gegen den Beschwerdeführer (erneut) Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen erhoben wurde (OZ 18).

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt, Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019 (in der Folge: Länderinformationsblatt), das insbesondere in Kapitel 3. Sicherheitslage, vom Konflikt und seinen Akteuren berichtet.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Nangarhar sind ebenso dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.22. Nangarhar, entnommen. Auch die EASO Country Guidance von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance) berichtet von dieser Verschlechterung der Sicherheitslage und stuft die Provinz - anders als noch im Jahr davor (vgl. EASO Country Guidance von Juni 2018, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Buchstabe b. Indiscriminate violence, Abschnitt Indiscriminate violence assessment per province of Afghanistan, Unterabschnitt Nangarhar, S. 87 f.) als höchst volatil ein und kommt zu dem Schluss, dass das Gewaltniveau ein so hohes Niveau erreicht hat, dass bereits die bloße Anwesenheit in der Provinz zu einer Gefährdung führt (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Abschnitt Nangarhar, S. 109 f.)

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Kabul beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.1. Kabul. Die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien) berichten ebenso von einer Verschlechterung der Sicherheitslage in Kabul, von einer Zunahme der zivilen Opfer und insbesondere von negativen Trends hinsichtlich der Sicherheitslage und bestätigen, dass Kabul wiederholt die höchste Zahl ziviler Opfer verzeichnet und diese insbesondere auf Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe regierungsfeindliche Kräfte zurückgehen, die zahlreiche Zivilisten auf ihren täglichen Wegen das Leben kosten. Die Gefahr, Opfer eines solchen Angriffes zu werden, sei bei sozialen und wirtschaftlichen Aktivitäten allgegenwärtig, etwa auf dem Arbeits- oder Schulweg, auf dem Weg zu medizinischen Behandlungen, beim Einkaufen, auf Märkten, in Moscheen oder an anderen Orten, wo viele Menschen zusammentreffen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 4. Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in Kabul, Buchstabe a) Die Relevanz von Kabul als interner Schutzalternative, S. 127 f.). Auch aus der EASO Country Guidance lässt sich eine diesbezügliche Trendumkehr in Bezug auf die Sicherheitslage in Kabul nicht entnehmen (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Abschnitt Kabul, S. 101 f.). Daher wurde eine Verschlechterung der Sicherheitslage in Kabul festgestellt.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Balkh sind dem Länderinformationsblatt, Kapiel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.5. Balkh entnommen sowie der EASO Country Guidance, die die Verschlechterung der Sicherheitslage bestätigt. Seit dem Jahr 2017 sei es zu einem Anstieg der Vorfälle, in die zivile Opfer involviert sind, von 396 % gekommen. Hierin zeigt sich eine klare Verschlechterung der Sicherheitslage. Speziell für Mazar-e Sharif wird von einem Anstieg krimineller Aktivitäten berichtet (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Abschnitt Balkh, S. 92).

Die Feststellungen zur Sicherheitslage im Distrikt Herat und in Herat (Stadt) beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.13. Herat, wo berichtet wird, dass Herat zu den relativ ruhigen Provinzen gehört, obgleich sich die Situation in den abgelegenen Distrikten in den letzten Jahren verschlechtert habe. Es komme zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen. Allerdings lässt sich ein klarer Trend hinsichtlich der Sicherheitslage weder in Richtung einer Verbesserung noch in Richtung einer Verschlechterung entnehmen. Gleiches gilt für die EASO Gountry Guidance, aus denen sich für Herat ein solcher Trend ebenso nicht entnehmen lässt (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Abschnitt Herat, S. 99 f.).

Zur Versorgungslage ist auszuführen, dass in diesem Bereich von einer Verbesserung der Situation nicht berichtet wird. Es wird unverändert von hohen Armuts- und Arbeitslosenraten, von fortbestehender Abhängigkeit von Hilfsleistungen wegen der unveränderten Konfliktbetroffenheit berichtet (Länderinformationsblatt, Kapitel 21. Grundversorgung und Wirtschaft) und lässt sich den Informationen zur allgemeinen Rückkehrsituation ebenso (Länderinformationsblatt, Kapitel 23. Rückkehr und Kapitel 20. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge) nicht entnehmen, dass es zu einer Entspannung der Situation gekommen wäre. Zur medizinischen Versorgungslage ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt (Kapitel 22. Medizinische Versorgung) eine noch immer deutlich mangelhafte Gesundheitsversorgung, auch wenn grundsätzlich von Fortschritten in den letzten zehn Jahren berichtet wird. Eine Verbesserung der Versorgungslage im Herkunftsstaat ist damit nicht ersichtlich, weswegen eine dementsprechende Feststellung getroffen wurde.

Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Quellen ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den "EASO-Richtlinien" verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei anzumerken ist, dass diese der belangten Behörde als spezialisierte Fachbehörde bekannt sein müssen, während sie nur zu Gunsten des Beschwerdeführers herangezogen wurden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Rückkehrentscheidung:

Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung gegen einen Drittstaatsangehörigen zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ermöglicht die mit dem FNG (Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012) eingeführte Regelung des § 52 Abs. 9 FPG, wonach gleichzeitig mit der Rückkehrentscheidung festzustellen ist, dass die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, im Fall von geänderten Verhältnissen im Rückkehrentscheidungsverfahren einen "actus contrarius" zu einer Feststellung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG zu setzen (VwGH 25.09.2018, Ra 2017/21/0253). Damit hat das Bundesamt, wenn es die vormals für unzulässig erklärte Abschiebung nunmehr für zulässig erklären möchte, eine Rückkehrentscheidung samt damit zu verbindender Aussprüche zu erlassen.

3.1.1. Zur Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG:

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG ist, wenn einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstücks des FPG fällt und dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 erteilt wird, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ordnen die oben zitierten Bestimmungen für den Fall der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen einen nicht rechtmäßig aufhältigen Fremden dem Wortlaut nach ausnahmslos an, dass von Amts wegen eine Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG vorgenommen werden muss, dies ohne jede Einschränkung. Insofern geht der Gesetzgeber vom die materielle Rechtskraft kennzeichnenden Umstand der "Unwiederholbarkeit" ab, nicht allerdings von der sich ebenfalls aus der Rechtskraft ergebenden "Unabänderlichkeit". Damit besteht, soweit nicht mittlerweile eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes oder der maßgeblichen Rechtsvorschriften eingetreten ist, eine Bindung an die rechtskräftige Vorentscheidung (VwGH 07.03.2019, Ro 2019/21/0002).

Nach § 46a Abs. 6 FPG gilt der Aufenthalt des Fremden mit der Ausfolgung der Karte als geduldet, es sei denn das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 46a Abs. 1 FPG wurde bereits zu einem früheren Zeitpunkt rechtkräftig festgestellt. Diesfalls gilt der Aufenthalt ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Feststellung als geduldet. Damit ist dem Ausspruch der Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung die Feststellung der Duldung eines Fremden immanent.

Die Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.08.2017, dem Beschwerdeführer zugestellt am 16.08.2017 (§ 14 ZustG), rechtskräftig festgestellt, weswegen der Beschwerdeführer seither gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 FPG geduldet ist.

Fallgegenständlich hat sich, seit das Bundesverwaltungsgericht mit Aberkennungserkenntnis vom 08.08.2017 dem Beschwerdeführer (im Wortlaut der Abweisung der Beschwerde gegen den diesbezüglichen Spruchpunkt des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.07.2016) einen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt hat, der maßgebliche Sachverhalt folglich insofern geändert, als der Tatbestand des § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG auf die (mindestens einjährige) Duldung abstellt. Im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Bundesverwaltungsgericht daher, ohne an die Vorentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.08.2017 gebunden zu sein, über die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG an den Beschwerdeführer neuerlich zu entscheiden.

Gemäß § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt.

Gegenständlich erfüllt der Beschwerdeführer zwar die in § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG vorgegebene Mindestdauer. Allerdings wurde der Beschwerdeführer (zuletzt) am 08.08.2017, rechtskräftig am 11.07.2018, wegen des Verbrechens der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt.

Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Z 2 oder 3 AsylG (nunmehr) erfüllt bzw. diesbezügliche Sachverhaltsänderungen, sind im Verfahren dagegen weder geltend gemacht worden, noch sind solche für das Verwaltungsgericht hervorgekommen.

Die Nichtzuerkennung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG an den Beschwerdeführer durch die belangte Behörde erfolgte daher zu Recht und war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides daher spruchgemäß abzuweisen.

3.1.2. Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung:

§ 9 Abs. 1 BFA-VG normiert, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1-9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet abzusprechen, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (jüngst etwa VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0282).

Zu Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer sich seit seiner Einreise im Dezember 2011 und damit seit etwa neun Jahren im Bundesgebiet aufhält. Dabei war der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet von seiner Einreise bis zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes über die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten am 16.08.2017 rechtmäßig (zunächst aufgrund des ihm nach § 13 AsylG idF BGBl. I Nr. 38/2011 zukommenden Aufenthaltsrechtes, dass letztendlich - wie sich daraus ergibt, dass dem Beschwerdeführer mit Zuerkennungsbescheid vom 08.05.2012 zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten ergibt - auf einem berechtigten Antrag auf internationalen Schutz beruhte und dann aufgrund der ihm mit Zuerkennungsbescheid erteilten befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter). Gemäß § 31 Abs. 1a Z 3 FPG ist der Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet nicht rechtmäßig, wenn dieser gemäß § 46a FPG geduldet ist, weswegen sich der Beschwerdeführer seither unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Der Beschwerdeführer war damit überwiegend rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig (§ 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nimmt das persönliche Interesse eines Fremden an einem Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthaltes zu, auch wenn die bloße Aufenthaltsdauer nicht allein maßgeblich für die Einschätzung des persönlichen Interesses ist. Es ist auch Bedacht auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte (VwGH 12.11.2019, Ra 2019/20/0422). Die neunjährige Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers ist dabei als relativ lang zu betrachten (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0289 zu einer unter fünfjährigen, sowie VwGH 23.01.2020, Ra 2019/21/0378 zu einer mehr als zehnjährigen Aufenthaltsdauer).

Zur Bindung des Beschwerdeführers zum Herkunftssaat ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer die ersten 15 Jahre seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat und über zahlreiche Familienangehörigen dort verfügt, zu denen der Kontakt aufrecht ist. Weiter sind nach der Rechtsprechung des EGMR bei der Beurteilung, inwieweit noch ein Bezug zum Herkunftsstaat besteht, auch die Sprachkenntnisse zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer spricht mit Paschtu eine der Landessprachen. Damit ist eine Bindung des Beschwerdeführers zum Herkunftsstaat nach wie vor aufrecht (§ 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es einem Fremden zu Gute zu halten, wenn das Verfahren ohne sein Verschulden unangemessen lang dauert (VwGH 23.01.2020, Ra 2019/21/0378). Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes übersteigt eine Verfahrensdauer von drei Jahren nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Verfahren angemessen ist (VfGH 12.06.2013, U 485/2012; § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG). Gegenständlich ist nicht ersichtlich, dass eines der den Beschwerdeführer betreffenden Verfahren unangemessen lang gedauert hätte bzw. dass die Dauer seines illegalen Aufenthaltes darauf zurückzuführen wäre. Diese steht viel mehr mit dem Vorliegen eines Abschiebungshindernisses in Zusammenhang.

Zum Grad der Integration des Beschwerdeführers (§ 9 Abs. 2 Z 4 BFA-VG) ist zunächst auszuführen, dass mit § 2 Integrationsgesetz (IntG), StF: BGBl. I Nr. 68/2017, den Materialien zufolge erstmals bundesweit geregelt wurde, was unter dem Begriff Integration verstanden wird (vgl. ErläutRV 1586 Blg NR 25. GP 2). Zwar fällt der Beschwerdeführer als Asylwerber nach der taxativen Aufzählung des § 3 IntG (vgl. auch ErläutRV 1586 Blg NR 25. GP 3) nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Allerdings handelt es sich bei den §§ 1 und 2 IntG um programmatische Umschreibungen von Zielvorstellungen des Gesetzgebers ohne normativen Gehalt (Vgl. Czech, Integriert Euch! Ein Überblick über Integr

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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