TE OGH 2020/4/14 8Ob16/20s

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Veröffentlicht am 14.04.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing. H***** und 2. I*****, beide vertreten durch Dr. Heinrich Oppitz, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger, Dr. Otto Urban, Mag. Andreas Meissner, Mag. Thomas Laherstorfer, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen Feststellung einer Grenze (Streitwert 6.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 13. November 2019, GZ 22 R 266/19b-33, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Wels vom 24. Mai 2019, GZ 13 C 428/18w-29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 688,92 EUR (darin 114,82 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Kläger begehrten die Feststellung des – weder durch Grenzpunkte markierten noch in der Natur ersichtlichen – Grenzverlaufs zwischen ihren Grundstücken Nr 1108, 1106, 1089 und 1099 und dem Grundstück der Beklagten Nr 1105 nach in einer von ihnen im Jahr 2013 in Auftrag gegebenen Vermessungsurkunde festgelegten Vermessungspunkten.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab. Die Grenzpunkte, die die Kläger festgestellt haben wollten, entsprächen nicht dem zwischen den Rechtsvorgängern der Kläger als Verkäufer und den Rechtsvorgängern der Beklagten als Käufer über das Grundstück Nr 1105 geschlossenen Kaufvertrag.

Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht für zulässig erklärt, weil die Rechtsansicht des Berufungsgerichts möglicherweise von der Entscheidung 1 Ob 12/19z abweiche, in der der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit der maßgeblichen Naturgrenze den zur Zeit der Grundbuchsanlegung in der Natur bestehenden Grenzverlauf als maßgeblich angesehen habe, wobei auch in dieser Entscheidung ausgesprochen worden sei, dass beim Verkauf die Abgrenzung von Grundstücken nach dem Parteiwillen abweichend von der wahren Grenze festgelegt werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten beantwortete Revision der Kläger ist entgegen dem – nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Nach ständiger Rechtsprechung ist für den Umfang des Eigentumserwerbs an einer Liegenschaft nicht die Grundbuchsmappe, sondern der Wille der Parteien entscheidend (RIS-Justiz RS0011236), der sich vor allem in sichtbaren „natürlichen Grenzen“ manifestieren kann (8 Ob 39/13p). Weder die Katastralmappe noch die Grundbuchsmappe machen einen Beweis über die Größe und die Grenzen des Grundstücks (RS0038593; RS0049554 [T5]). Anderes gilt nur, wenn das Grundstück nach dem übereinstimmenden Parteiwillen in dem aus der Mappe hervorgehenden Umfang ohne Bestimmung der Grenzen in der Natur verkauft worden ist (RS0011236 [T4]). Dann ist für den Umfang des (derivativen) Eigentumserwerbs an einer Liegenschaft – der stets nur im Rahmen der wahren Eigentumsgrenzen der Beteiligten stattfinden kann – ausnahmsweise die Grundbuchsmappe maßgebend (1 Ob 12/19z). Auch nach der vom Berufungsgericht im Zulassungsausspruch zitierten Entscheidung ist daher der (im Inhalt des Kaufvertrags Ausdruck findende) Parteiwille für den Grenzverlauf ausschlaggebend (vgl RS0011236 [T12, T13]).

2. Im Einklang mit dieser Judikatur haben die Vorinstanzen im Anlassfall auf den wahren Willen der Parteien des im Jahr 1991 abgeschlossenen Kaufvertrags abgestellt.

Nach § 914 ABGB ist bei der Auslegung von Verträgen nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht. Es ist also nicht allein das entscheidend, was schriftlich geäußert wurde (RS0017797 [insb T12]). Damit kommt es entgegen der Meinung der Kläger nicht ausschließlich darauf an, dass als Kaufgegenstand im schriftlichen Kaufvertrag das Grundstück Nr 1105 genannt wurde, ohne dort die Grundstücksgrenzen näher zu beschreiben.

Ein Problem der Vertragsauslegung kann nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darstellen, wenn dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RS0044358 [T11]). Davon kann hier aber keine Rede sein.

3. Nach den Feststellungen sprachen die Rechtsvorgänger der Streitteile bei den Vertragsverhandlungen davon, dass „das Grundstück von der Straße weg nach oben (von der Straße weg gibt es eine kleine Anhöhe) führt und eben auf der einen Seite bis etwa zu dieser Anhöhe geht, während es auf der anderen Seite durch die ... Straße begrenzt wird“ und dass die Käufer „von der ... Straße weg auf das Feld – damals wurde das Grundstück 1105 von einem Pächter als Feld genutzt – zufahren wollen“, und vereinbarten das auch so. Fest steht weiters, dass mit der Bezeichnung „von der Straße weg nach oben“ allen Beteiligten klar war, wo das Grundstück liegt, das die Rechtsvorgänger der Beklagten bekommen sollten, wobei es den Käufern gerade auch wichtig war, das Grundstück bis zur Straße hin bearbeiten zu können.

Davon ausgehend ist die Schlussfolgerung der Vorinstanzen, dass gemäß dem Kaufvertrag das verkaufte Grundstück nordseitig (direkt) durch die Straße und nicht durch die von den Klägern behaupteten Vermessungspunkte begrenzt wird, nicht zu beanstanden, mag auch im Mappenplan (von dem nicht festgestellt werden konnte, dass er bei den Vertragsverhandlungen vorlag) zwischen dem Grundstück Nr 1105 und der Straße noch der Grundstücksstreifen Nr 1106 gelegen sein. Für die Anwendung der Unklarheitenregelung des § 915 ABGB besteht mangels Zweifel (vgl RS0109295) kein Raum. Die Ausführungen in der Revision setzen sich großteils über den festgestellten Sachverhalt hinweg. So stellt sich eine Irrtumsproblematik nicht, weil nach den Feststellungen keine der damaligen Vertragsparteien eine falsche Vorstellung über den vereinbarten Grenzverlauf entlang der Straße hatte.

4. Richtet der Kläger sein Begehren auf die Feststellung eines nach Vermessungspunkten konkret bezeichneten Grenzverlaufs und – damit in untrennbarem Zusammenhang – die Feststellung seines Eigentumsrechts an dem durch diese Vermessungspunkte eindeutig bestimmten Grundstücksteil, würde die Festlegung des Grenzverlaufs in anderen als in den in der Klage angeführten Vermessungspunkten den Zuspruch eines vom Begehren nicht umfassten Aliud bedeuten (RS0114308). Auch dem Einwand der Kläger, es wäre wegen Unstrittigkeit einiger Grenzpunkte jedenfalls nicht das gesamte Klagebegehren abzuweisen gewesen, ist somit kein Erfolg beschieden.

5. Insgesamt gelingt es den Klägern nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Kläger in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).

Textnummer

E128208

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00016.20S.0414.000

Im RIS seit

27.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.05.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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