TE OGH 2019/1/23 1Ob12/19z

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.01.2019
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H***** R*****, und 2. D***** B*****, Deutschland, beide vertreten durch die Steiner Anderwald Rechtsanwälte OG, Spittal an der Drau, gegen die beklagte Partei J***** M*****, vertreten durch die Borowan-Roppatsch Rechtsanwälte OG, Spittal an der Drau, wegen Unterlassung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 23. November 2018, GZ 3 R 156/18b, 3 R 158/18x-32, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 30. Juli 2018, GZ 7 C 114/15m-26, in der berichtigten Fassung des Beschlusses vom 2. August 2018, GZ 7 C 114/15m-28, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Die Klägerinnen erheben hinsichtlich eines strittigen Grundstreifens die Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB, sodass sie ihr Eigentum und den Eingriff des Beklagten zu beweisen haben (RIS-Justiz RS0012186). Gegenstand der Behauptungs- und Beweislast der Klägerinnen ist auch die richtige Grenze, weil nur danach Eigentum und Eingriff geprüft werden können. Ist der Verlauf der richtigen Grenze strittig, ist darüber im streitigen Verfahren als Vorfrage zu entscheiden (RIS-Justiz RS0012186 [T6]).

1.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist für den Umfang des Eigentumserwerbs an nicht im Grenzkataster eingetragenen Grundstücken im rechtsgeschäftlichen Verkehr an sich nicht die Grundbuchsmappe entscheidend, weil sie nur zur Veranschaulichung der Lage der Liegenschaften bestimmt ist und keinen Beweis über die Größe und die exakten Grenzen einer Liegenschaft macht (RIS-Justiz RS0038593 [T1]; RS0049554; vgl auch RS0049559). Grundsätzlich ist der zur Zeit der Grundbuchsanlegung (vgl dazu auch 1 Ob 96/16y) in der Natur bestehende Verlauf der Grenze maßgeblich, sofern er nicht später rechtswirksam verändert wurde (4 Ob 94/08i = RIS-Justiz RS0011236 [T4]; instruktiv zum Begriff der „(wahren) Naturgrenze“ jüngst K. Schmid, Zak 2017, 167 und Glosse zu EvBl 2017/125, jeweils mwN).

1.3. Anderes gilt aber, wenn das Grundstück nach dem übereinstimmenden Parteiwillen in dem aus der Mappe hervorgehenden Umfang ohne Bestimmung der Grenzen in der Natur verkauft und übergeben worden ist, dann ist für den Umfang des (derivativen) Eigentumserwerbs an einer Liegenschaft – der stets nur im Rahmen der wahren Eigentumsgrenzen der Beteiligten stattfinden kann –(ausnahmsweise) die Grundbuchsmappe maßgebend (RIS-Justiz RS0011236 [T4]). Nach dem Grundsatz der Privatautonomie steht es den Parteien frei, die (strittige) Grenze unter Hinweis auf die Katastralmappe festzulegen, ohne dass dies die Kenntnis voraussetzt, wie diese Grenze in der Natur tatsächlich verläuft (vgl RIS-Justiz RS0013881 [T4] zu einem Vergleich von Nachbarn über eine strittige Grenze). Ebenso kann ein Eigentümer bei Verkauf mehrerer Grundstücke die Abgrenzung der einzelnen Kaufobjekte voneinander in Abweichung – eine solche steht hier gar nicht fest – von der wahren Grenze festlegen.

2. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers ist dem Berufungsgericht keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen, wenn es annahm, den Klägerinnen sei der Nachweis der Vereinbarung der von ihnen behaupteten Grenze (in beiden Verträgen) gelungen; sie haben auch entsprechende Behauptungen aufgestellt.

Das Grundstück 455 des Beklagten grenzt im Norden an das Grundstück 451 der Klägerinnen. Der Voreigentümer, in dessen Eigentum die benachbarten Grundstücke 451 (der Klägerinnen) und 455 (des Beklagten) standen, verkaufte diese mit getrennten Kaufverträgen, die dem jeweils anderen Käufer bekannt (und in ihrer Gültigkeit voneinander abhängig) waren, im Mai 1996 an die Erstklägerin und an die Rechtsvorgänger der übrigen Parteien. Zwischen den Parteien der jeweiligen Kaufverträge wurde nur davon gesprochen, dass sich die jeweiligen Käufer selbst um eine „Grenzfeststellung“ zu kümmern haben, was in den schriftlichen Kaufverträgen auch ausdrücklich festgehalten ist. Beide Grundstücke sind nicht im Grenzkataster eingetragen. Zwischen den Grundstücken 451 und 455 bestanden keine Grenzzeichen oder sonstige Markierungen; eine Begehung zwischen dem Voreigentümer (Verkäufer) und den Käufern fand nicht statt. In beiden Kaufverträgen wird jeweils das Katasterausmaß der Kaufobjekte angeführt und festgehalten, dass der Voreigentümer die Liegenschaften „in den Grenzen nach Maßgabe des bisherigen Besitzstandes“ übergibt. Die Mappengrenze verläuft (in die Natur übertragen) in einigem Abstand südlich von 10 bis 15 m hohen und steil aufragenden Felswänden im flachen Almbereich.

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass sich der „Parteiwille“ mangels weiterer Absprachen über den Umfang der übergebenen Grundstücke im jeweiligen Kaufvertrag äußert und sich dieser Wille der Vertragspartner aufgrund der darin erfolgten ausdrücklichen Bezugnahme auf das Katasterausmaß nach der „Papiergrenze“ gerichtet habe
und nicht der Verlauf der Felswände – als mögliche „Naturgrenze“ – maßgebend sei, ist im konkreten Einzelfall nicht zu beanstanden. Für diese Auslegung spricht aus dem zu erwartenden Verständnis der Käufer (Empfängerhorizont) zudem, dass es schon deshalb naheliegt, die übereinstimmenden Klauseln in beiden Kaufverträgen als Bezugnahme auf die Katastergrenze zu verstehen, weil nur dadurch gewährleistet wird, dass es beiden Käufern ohne größere Schwierigkeiten möglich ist, die gemeinsame Grenze in der Natur nachzuvollziehen. Zwar hatte der Verkäufer eine davon abweichende Vorstellung, jedoch fand diese nicht Eingang in die Verkaufsgespräche und die jeweiligen Kaufverträge. Dass der Beklagte und sein Rechtsvorgänger nach dem Erwerb die Almflächen immer bis zu bestimmten Gesteinsbrocken und bei entsprechender Futterqualität auch daran anschließend bis zu den steil aufragenden Felswänden mähten und beweiden ließen, zeigt nur deren Nutzungsverhalten auf, hat aber für die Auslegung der Kaufverträge keine Bedeutung.

Soweit der Beklagte teilweise mit nicht getroffenen Feststellungen argumentiert, führt er die Revision nicht gesetzmäßig aus (RIS-Justiz RS0042648 [T6]; RS0043603). Die Beweiswürdigung der Vorinstanzen ist im Revisionsverfahren nicht bekämpfbar (RIS-Justiz RS0043371 [T21, T22]).

3. Insgesamt vermag der Beklagte keine unrichtige Lösung einer im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage aufzuzeigen, weshalb die außerordentliche Revision zurückzuweisen ist.

Textnummer

E124090

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00012.19Z.0123.000

Im RIS seit

21.02.2019

Zuletzt aktualisiert am

11.07.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten