TE OGH 2020/4/8 8Ob145/19k

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Veröffentlicht am 08.04.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G***** S*****, vertreten durch Pitzal/Cerny/Partner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Gheneff - Rami - Sommer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 20.570,99 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. September 2019, GZ 1 R 95/19a-33, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 15. Mai 2019, GZ 34 Cg 7/18p-29, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.411,20 EUR (darin enthalten 235,20 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger nahm mit seiner am 18. 1. 2018 erhobenen Klage die beklagte Rechtsanwaltsgesellschaft auf Rückzahlung überhöhten Honorars gestützt auf Schadenersatz und Bereicherung in Anspruch.

Die Beklagte wandte unter anderem Verjährung ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit einem Betrag von 20.570,99 EUR sA statt; das Mehrbegehren in Höhe von 600 EUR sA wurde (rechtskräftig) abgewiesen.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung der Beklagten das Urteil in gänzlich klagsabweisendem Sinn ab, wobei es – soweit für das Verständnis dieser Entscheidung von Bedeutung – von folgendem Sachverhalt ausging:

Die Beklagte vertrat den Kläger 2010 bis 2014 in einem Zivilprozess. Insgesamt überwies der Kläger der Beklagten im Zeitraum von 25. 10. 2010 bis 20. 4. 2014 47.205,07 EUR. Seine Rechtsschutzversicherung zahlte weitere 31.206,62 EUR. Am 26. 8. 2014 kündigte der Kläger der Beklagten die Vollmacht, weil sich – dadurch, dass der Kläger eine andere Anwaltskanzlei ersuchte, sich die Honorarabrechnung anzusehen – herausstellte, dass die Beklagte weit überhöhte Honorare und weit überhöhte Stundensätze abrechnete. Eine am 3. 9. 2014 angestrengte Klage der Beklagten gegen den Kläger auf weitere 50.444,76 EUR Anwaltshonorar wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Erstgerichts vom 29. 6. 2017 abgewiesen. Am 12. 11. 2014 legte die Beklagte im Honorarprozess ihre Leistungsverzeichnisse als Urkunde vor.

Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, dass sich aus der Feststellung, dass der Kläger am 26. 8. 2014 der Beklagten die Vollmacht aufkündigte, weil sich herausstellte, dass sie weit überhöhte Honorare und weit überhöhte Stundensätze abrechnete, die Kenntnis des Klägers von der überhöhten Abrechnung schon im August 2014 und damit die Verjährung der behaupteten Schadenersatzansprüche ergebe. Soweit sich der Kläger auf Bereicherungsrecht stützte vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, dass § 1486 Z 6 ABGB im vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar sei, weil der Kläger nicht die Rückzahlung eines Vorschusses, sondern von zu viel bezahltem Honorar fordere, somit eine condictio indebiti nach § 1431 ABGB geltend mache. Die Vorschrift sei aber im Wege der Analogie heranzuziehen, weshalb sich auch allfällige Bereicherungsansprüche als verjährt erweisen würden.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage einer analogen Anwendung der Verjährungsfrist des § 1486 Z 6 ABGB bei Rückforderung von zu viel bezahltem Rechtsanwaltshonorar zu.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit einem auf Wiederherstellung des Ersturteils gerichteten Abänderungs-, hilfsweise mit einem Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grunde zulässig, aber nicht berechtigt.

I. Der Kläger führt in der Revision zum einen ins Treffen, dass jedenfalls seine Schadenersatzansprüche noch nicht verjährt seien. Dabei rügt er als sekundären Feststellungsmangel das Fehlen einer Feststellung, wonach sich die Erkennbarkeit der Tatsache der Bezahlung eines zu hohen Honorars frühestens im Zuge des Beweisverfahrens des Honorarprozesses ergeben habe und ihm sein diesbezüglicher Schadenersatzanspruch dabei frühestens mit 16. 12. 2015 erkennbar gewesen sei.

I.1. Der Vorwurf des rechtlichen Feststellungsmangels (dass das Erstgericht infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung erforderliche Feststellungen nicht getroffen und notwendige Beweise nicht aufgenommen habe) kann nicht erfolgreich erhoben werden, wenn zu einem bestimmten Thema ohnehin Feststellungen getroffen wurden, diese den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers aber zuwiderlaufen (RIS-Justiz RS0043480 [T15]). Gerade dies ist hier der Fall, weil die Vorinstanzen feststellten, dass der Kläger mit Schreiben vom 26. 8. 2014 der Beklagten die Vollmacht kündigte, weil sich nach Konsultierung einer anderen Anwaltskanzlei herausstellte, dass die Beklagte weit überhöht abrechnete. Der Kläger hatte damit im August 2014 von seiner Schädigung, nämlich davon, dass er im Zeitraum von 25. 10. 2010 bis 20. 4. 2014 zu viel gezahlt hatte, Kenntnis.

I.2. Jede Entschädigungsklage ist gemäß § 1489 Satz 1 ABGB in drei Jahren von der Zeit an verjährt, zu welcher der Schade und die Person des Schädigers dem Geschädigten bekannt wurde. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass diese dreijährige Verjährungsfrist (schon) zu laufen beginnt, wenn der Geschädigte die

Schadenshöhe zwar noch nicht beziffern kann und ihm noch nicht alle Schadensfolgen bekannt sind beziehungsweise diese auch noch nicht zur Gänze eingetreten sind, er jedoch Kenntnis vom Schadenseintritt hat (RS0097976 [T5]). Lässt sich die Höhe eines bereits eingetretenen Schadens auf zumutbare Weise nicht ermitteln, muss der Geschädigte der drohenden Verjährung grundsätzlich mit einer Feststellungsklage begegnen (Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1489 ABGB Rz 22 mwN). Die die schadenersatzrechtliche Verjährungsfrist auslösende Kenntnis des Schadenseintritts (die Person des Schädigers in Gestalt der Beklagten war von Vornherein klar) trat damit (spätestens) im August 2014 ein. Wann im Honorarprozess welche Umstände hinsichtlich der exakten Leistungen der Beklagten hervorkamen, war allein für die Kenntnis der Schadenshöhe von Relevanz, ändert aber nichts am Beginn der Verjährung der Schadenersatzansprüche des Klägers (spätestens) im August 2014.

II. Einen Kondiktionsanspruch wegen irrtümlicher Zahlung einer Nichtschuld (§ 1431 ABGB) hat auch derjenige, der seinem Vertragspartner mehr leistet als vertraglich vereinbart ist (1 Ob 32/08z; 10 Ob 35/11m). Aufgrund der Begleichungen der überhöhten Honorarabrechnungen der Beklagten im Zeitraum von 25. 10. 2010 bis 20. 4. 2014, von deren Überhöhung der Kläger erst nach Einschaltung eines anderen Rechtsanwalts erfuhr, hat der Kläger damit gegen die Beklagten dem Grunde nach einen Bereicherungsanspruch.

Zur Frage der Verjährung des Anspruchs hält der Kläger in der Revision seine Ansicht aufrecht, dass dieser der 30-jährigen Frist nach §§ 1478 Satz 2, 1479 ABGB unterliege, wofür er die Entscheidung 1 Ob 632/90 ins Treffen führt. Er argumentiert weiters, dass die vom Berufungsgericht gezogene Analogie am Fehlen einer Gesetzeslücke sowie daran scheitere, dass der Bereicherungsanspruch nach Bezahlung eins überhöhten Honorars der Rückforderung eines Vorschusses nicht vergleichbar sei. Die in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung genannten Gründe für eine Ausdehnung der Anwendungsbereiche der in Z 1 ff des § 1486 ABGB genannten Fallgruppen, nämlich die Schwierigkeit, den Beweis zur Forderungsberechtigung nach längerer Zeit zu erbringen, das Bedürfnis nach (rascher) Rechtssicherheit und die Unzumutbarkeit der langjährigen Aufbewahrung von Quittungen und Rechnungen, könnten sich nur auf die Geltendmachung bestehender Forderungen durch die in § 1486 ABGB genannten Berufsgruppen gegenüber deren Vertragspartnern beziehen. Im Falle der Geltendmachung von bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüchen wie hier sei ohnehin jene Seite zur mangelnden Berechtigung der ursprünglich bezahlten Forderung behauptungs- und beweispflichtig, die deren Rückforderung begehrt. Auch wenn in der Rechtsprechung die kurz Verjährungsfrist mit einem „erzieherischen Charakter“ begründet werde, nämlich als Druckmittel, da von Unternehmern in Bezug auf jene Forderungen, welche im geschäftlichen Betrieb wurzeln, erwartet werden müsse, dass sie sich um die rasche Klärung der Sach- und Rechtslage bemühten, so spreche dies gegen eine Erfassung des Bereicherungsanspruchs des Klägers, da dieser im Vertragsverhältnis zur Beklagten Konsument sei. Da bei bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüchen der Beginn der Verjährungsfrist objektiv, sohin mit Eintritt der Bereicherung eintrete, würden durch Rechtsanwälte vertretene Parteien im Falle der Anwendung der kurzen Verjährungsfrist regelmäßig ihrer zu Recht bestehenden Rückforderungsansprüche beraubt. Vor Auflösung des Vollmachtsverhältnisses und anschließender Überprüfung der Honorarabrechnung durch einen anderen Rechtsanwalt hätten Parteien als juristische Laien im Regelfall keinerlei Möglichkeit, Kenntnis von überhöhten Honorarabrechnungen zu erlangen.

II.1. Die Verjährungsfrist für Bereicherungsansprüche nach § 1431 ABGB unterliegt grundsätzlich der in §§ 1478 f ABGB vorgesehenen allgemeinen, langen Verjährungszeit (vgl RS0033819; RS0020167). Zu prüfen ist aber, ob ein solcher Rückforderungsanspruch nicht unter einen besonderen gesetzlichen Tatbestand fällt, der eine kurze Verjährungsfrist vorsieht. Dabei kommen nicht nur solche Bestimmungen in Frage, die die Verjährung bestimmter Ansprüche ausdrücklich besonders regeln; vielmehr ist auch die analoge Anwendung solcher Vorschriften in Betracht zu ziehen (4 Ob 73/03v [Pkt 1]; 10 Ob 148/05w; 9 Ob 2/15g [Pkt 2.2] uva). Wenn die Beklagte gegen eine Analogie zu § 1486 Z 6 ABGB das Fehlen einer Gesetzeslücke behauptet, so kann sich dies nur auf das Vorhandensein der Bestimmung über die allgemeine 30-jährige Verjährung (§§ 1478 Satz 2, 1479 ABGB) beziehen. Diese hat aber nur Auffangcharakter (RS0086687) und schließt eine analoge Anwendung der Sonderregelung nicht aus (vgl auch R. Madl in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.06 § 1478 R 5; allgemein M. Bydlinski, Unberechtigte Inanspruchnahme einer Haftrücklassgarantie und Analogie im Verjährungsrecht, in FS F. Bydlinski [2002] 1 [5] mwN). Damit steht mit anderen Worten die Anordnung der 30-jährigen Verjährung in §§ 1478 Satz 2, 1479 ABGB unter dem Vorbehalt einer Sonderverjährungsregel, die sich ohne weiteres auch aus der Erstreckung der Rechtsfolgenanordnung einer gesetzlichen Norm ergeben kann (Mader, DRdA 1998, 346 f [Glosse zu 9 ObA 157/97x]).

II.2. Der Kläger stützt seine Ansicht, es gelte für seinen Bereicherungsanspruch die 30-jährige Verjährungsfrist, auf die Entscheidung 1 Ob 632/90. Dort war der – der vorliegenden Konstellation zugegebenermaßen ähnliche – Fall eines Rechtsanwalts zu beurteilen, der seinen Klienten nicht vor einer aussichtslosen Prozessführung gewarnt hatte, weshalb seine Vertretungshandlungen – der Prozess ging verloren – wertlos waren. Der Oberste Gerichtshof entschied, dass bei Begleichung des in Rechnung gestellten Honorars der Klient seine Leistung gemäß § 1431 ABGB kondizieren könne, und sprach aus, dass dieser Rückforderungsanspruch „mangels besonderer Vorschriften“ gemäß § 1479 ABGB der 30-jährigen Verjährungsfrist unterliege. Eine Analogie zur eine dreijährige Verjährung vorsehenden Bestimmung des § 1487 ABGB wurde geprüft, jedoch abgelehnt. Eine Analogie zur Bestimmung des § 1486 Z 6 ABGB wurde in der Entscheidung hingegen nicht erörtert. Eine solche ist – wie auch bei anderen in § 1486 genannten Fällen – aber nicht von vornherein ausgeschlossen (8 ObA 220/98f; 9 ObA 157/98y; 9 Ob 2/17k [Pkt II.2]; RS0034205 [T1]; Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1486 Rz 6). Aus der Entscheidung 1 Ob 632/90 lässt sich daher die Richtigkeit der Ansicht des Klägers, sein Anspruch sei noch nicht verjährt nicht zwingend ableiten.

II.3. Mit § 1486 ABGB wurde durch die 3. Teilnovelle zum ABGB nach der Motivation des Gesetzgebers für Forderungen aus Geschäften des täglichen Lebens eine kurze (dreijährige) Verjährungsfrist eingeführt (HHB 3 BlgHH 19. Session 158). Maßgeblich hiefür war das Bedürfnis nach Rechtssicherheit, weil es bei diesen Geschäften nach längerer Zeit regelmäßig ganz unmöglich ist, den Beweis dafür zu erbringen, dass derartige Forderungen berechtigt sind. Auch die Aufbewahrung von Quittungen und Rechnungen (oder auch anderer Unterlagen) durch 30 Jahre hindurch würde eine unzumutbare Belastung darstellen (HHB aaO 159; 8 ObA 220/98f; 10 Ob 148/05w mwN; 9 Ob 2/17k [Pkt II.2]; M. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 1486 Rz 1). Unter § 1486 ABGB fallen aber auch Forderungen, bei denen die zugrunde liegenden Geschäfte nicht mehr als solche des täglichen Lebens bezeichnet werden können, also auch Forderungen von größeren Beträgen und aus selten vorkommenden Geschäften, wenn sie zu einer der in § 1486 ABGB aufgezählten Gruppe gehören (1 Ob 660/79 mwN; 10 Ob 148/05w; 9 Ob 2/17k [Pkt II.2]; R. Madl in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.06 § 1486 R 3; Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1486 Rz 6). Aus dem Gesamtzusammenhang der in § 1486 Z 1 bis Z 6 ABGB angeführten Tatbestände kann der Schluss gezogen werden, dass für alle Rechtsverhältnisse zur Abwicklung typischerweise beruflicher Tätigkeit hinsichtlich der Entgeltansprüche und der Ansprüche auf Rückgabe von Vorschüssen im Zweifel eine dreijährige Verjährungsfrist gelten soll. Diese kurze Verjährungsfrist findet ihre Rechtfertigung auch in dem Umstand, dass im Rahmen von Schuldverhältnissen, die typischerweise zur Erzielung eines (selbstständigen oder unselbstständigen) Erwerbs eingegangen werden, Entgelt und Vorschüsse auf das Entgelt im Allgemeinen feste Bestandteile in der Kalkulation des Tätigkeitsschuldners zur Abdeckung seiner laufenden Ausgaben darstellen. Eine Rückgabeverpflichtung trifft diesen daher besonders hart, während umgekehrt dem Vertragspartner auch bei einer dreijährigen Anspruchsverfolgungsfrist angemessen Zeit bleibt, seine finanziellen Interessen zu wahren (10 Ob 148/05w mwH; vgl zu „volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten“ bereits HHB 3 BlgHH 19. Session 159).

II.4. Nach § 1486 Z 6 ABGB verjähren – soweit hier von Interesse – in drei Jahren die Forderungen „[...] der Rechtsanwälte […] wegen Entlohnung ihrer Leistungen und Ersatzes ihrer Auslagen, sowie der Parteien wegen der Vorschüsse an diese Personen“. Das Gesetz unterwirft damit nicht nur die Forderungen der Rechtsanwälte (und der weiteren in Z 6 genannten Berufsgruppen) der kurzen dreijährigen Verjährung, sondern auch die Forderungen ihrer Klienten wegen der von ihnen den Rechtsanwälten gezahlten Vorschüsse. Dabei ist nach dem Gesetzeswortlaut ohne Bedeutung, ob der Klient Unternehmer oder Verbrauchern ist.

II.5. Vorschüsse sind Geldbeträge, die jemandem im Voraus bezahlt werden, obgleich er darauf erst später Anspruch hätte (10 Ob 148/05w). Wird der für einen bestimmten Aufwand geforderte und gewährte Vorschuss nicht bestimmungsgemäß verwendet, ist der Empfänger gemäß § 1435 ABGB – somit bereicherungsrechtlich – zu dessen Zurückzahlung verpflichtet (1 Ob 557/91 mwN; RS0021411; Rummel in Rummel, ABGB3 § 1435 Rz 1 f).

II.6. Wenn ein Klient dem Rechtsanwalt einen Vorschuss leistet, das Mandat nach einer gewissen Zeit endet und der Klient hierauf eine objektiv überhöhte Abrechnung erhält, aus der sich ergibt, dass der Vorschuss verbraucht sei, so muss der Klient in unmittelbarer Anwendung des § 1486 Z 6 ABGB längstens binnen drei Jahren den Rechtsanwalt auf (gänzliche oder teilweise) Rückzahlung des Vorschusses klagen, ansonsten sein Bereicherungsanspruch verjährt. Von diesem Fall unterscheidet sich der hier zu beurteilende nicht wesentlich, in dem ein Klient einen Rechtsanwalt beauftragt und nicht vorschussweise, sondern nach Leistungserbringung etappenweise aufgrund objektiv überhöhter Abrechnungen dem Rechtsanwalt Zahlungen geleistet hat. In beiden Fällen bleibt dem regelmäßig nicht rechtskundigen Klienten die überhöhte Abrechnung verborgen. Im ersten Fall führt dies dazu, dass er irrig von einer teilweise Rückforderung des Vorschusses Abstand nimmt, im anderen Fall dazu, dass er irrig zu viel bezahlt. Wirtschaftlich sind beide Konstellationen insoweit gleich. Bei beiden handelt es sich auch jeweils um einen Bereicherungsanspruch. All dies spricht dafür, in der zweiten Konstellation eine Analogie zu § 1486 Z 6 ABGB zu ziehen.

Dafür spricht auch, dass in beiden Konstellationen die Gesichtspunkte, die den Gesetzgeber zur Einführung des § 1486 ABGB bewogen, in selber Weise gelten. Jeweils wird mit zunehmendem Zeitablauf immer schwieriger zu prüfen, welche Leistungen der Rechtsanwalt tatsächlich erbracht hat, zumal Belege hierüber am – im Extremfall – letzten Tag der 30-jährigen Frist praktisch so gut wie niemals vorhanden sein und oft beteiligte Personen bereits verstorben sein werden. Dem Gegenargument in der Revision, es sei ohnehin der klagende Mandant, den die Behauptungs- und Beweislast und damit die genannten Schwierigkeiten für seinen Bereicherungsanspruch treffen, übersieht, dass der historische Gesetzgeber die kurze Verjährung auch zum Schutz des Gläubigers einführte: „Die Nötigung, innerhalb kurzer Fristen zu klagen“, kommt nach dem HHB auch ihm zugute, „weil über derlei Forderungen häufig keine ordentlichen Vormerkungen geführt werden und der Gläubiger in dieser Zeit unberechtigten Einwendungen des Schuldners leichter begegnen kann als nach langer Frist“ (HHB 3 BlgHH 19. Session 159).

II.7. Eine sinngemäße Anwendung der dreijährigen Verjährung nach § 1486 Z 6 ABGB auf den Anspruch auf Rückzahlung von irrtümlich zu viel bezahltem Anwaltshonorar fügt sich auch – sieht man von der Entscheidung 1 Ob 632/90 ab – klar in die bisherige Rechtsprechung ein. In dieser zeigt sich die Tendenz, dass Leistungskondiktionen, die sich aus Rechtsverhältnissen ergeben, die der kurzen dreijährigen Verjährungsfrist unterfallen (beispielsweise gemäß § 1486 ABGB), ebenfalls innerhalb dieses Zeitraums verjähren sollen (10 Ob 62/16i [Pkt 3] mwN). Insbesondere spricht für die Analogie auch, dass nach der Rechtsprechung der Anspruch von irrtümlich zu viel bezahltem Arbeitsentgelt in analoger Anwendung des § 1486 Z 5 HalbS 2 ABGB nach drei Jahren verjährt (9 ObA 157/97x = DRdA 1998/38 [Mader]; RS0021868 [T1]; vgl auch RS0034205 [T1]). Grund hierfür ist, dass der „auf § 1431 ABGB gestützte Anspruch auf Rückzahlung von irrtümlich zuviel gezahltem Arbeitsentgelt […] dem in § 1486 Z 5 ABGB genannten Anspruch des Dienstgebers auf Rückforderung eines Vorschusses nicht unähnlich [ist], zumal auch die Rückforderung eines Vorschusses, der in Erwartung künftiger Dienstleistungen gewährt wurde, die dann ausbleiben, die Rückführung einer rechtsgrundlosen Bereicherung des Dienstnehmers zum Gegenstand hat“ (so 9 ObA 157/97x).

Zumindest nicht gegen die Analogie spricht die Entscheidung 9 Ob 2/17k, mit der der Anspruch auf Rückzahlung einer von dritter Seite zugunsten des Mandanten bei einem Rechtsanwalt erlegten Barschaft (konkret einer Versicherungsdeckungssumme) nicht dem § 1486 Z 6 ABGB unterstellt wurde, zurde dies doch damit begründet, dass es sich bei der Barschaft nicht um Gelder handelt, die der Mandant dem Rechtsanwalt im Hinblick auf den Ersatz künftiger Auslagen oder einen erst künftig fälligen Vergütungsanspruch leistet (9 Ob 2/17k [Pkt II.5]). Hier hatten hingegen die erfolgten Zahlungen des Klägers sehr wohl den Sinn, anwaltliche Leistungen zu vergüten. Sie hatten somit einen ähnlichen Sinn wie der in § 1486 Z 6 ABGB genannte Vorschuss, der ja der Abdeckung zukünftig zu honorierender anwaltlicher Leistungen dient.

II.8. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass Bereicherungsansprüche eines Klienten wegen überhöhter Rechtsanwaltshonorare in analoger Anwendung des § 1486 Z 6 ABGB der dreijährigen Verjährung unterliegen. Soweit in der Entscheidung 1 Ob 632/90 ausgesprochen wurde, dass der Honorarrückforderungsanspruch eines Mandanten „mangels besonderer Vorschriften“ gemäß § 1479 ABGB der 30-jährigen Verjährungsfrist unterliege, schließt sich der Senat dieser Beurteilung im Hinblick auf die Entwicklung in der jüngeren Rechtsprechung nicht an.

II.9. Der Kläger weist in der Revision zutreffend darauf hin, dass bei bereicherungsrechtlichen Ansprüchen sich der Beginn des Verjährungslaufs nach objektiven Kriterien bestimmt (RS0020197) und bei einem Bereicherungsanspruch nach § 1431 ABGB die Verjährungsfrist – zumindest grundsätzlich – mit der Leistungserbringung beginnt (RS0020197 [T4]; Lurger in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.06 Vor §§ 1431-1437 Rz 18). Hieraus ergibt sich aber nicht zwingend, dass durch Rechtsanwälte vertretene Parteien im Falle der Anwendung der kurzen Verjährungsfrist regelmäßig ihrer Rückforderungsansprüche beraubt würden, wenn das Mandatsverhältnis über viele Jahre andauert und der Mandant etappenweise aufgrund überhöhter Abrechnung an den Rechtsanwalt Zahlungen leistet. Dies wäre nur dann der Fall, wenn man den Beginn der Verjährungsfrist jeweils mit der Bewirkung der einzelnen überhöhten Honorarzahlung annimmt (vgl zur Auszahlung von Übergenüssen 9 ObA 157/97x = DRdA 1998/38 [Mader], ferner RS0034296). Es entspricht nun aber auch der Rechtsprechung, dass die Bereicherung des Darlehensgebers wegen vom Darlehensnehmer diesem

überhöht verrechneter und von diesem geleisteter Darlehenszinsen bei Pauschalraten (Zinsen und Kapital) erst mit der Tilgung aller Rückzahlungsansprüche des Darlehensgebers eintritt und deshalb die Verjährung von bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüchen des Darlehensnehmers nicht vor der Tilgung der Raten beginnt (RS0119813). Diese Wertung könnte auf überhöhte Honorarzahlungen eines Mandanten während aufrechten Mandats dahingehend übertragen werden, dass erst mit der Beendigung des Mandats die dreijährige Frist für den Bereicherungsanspruch des Mandanten nach § 1431 ABGB zu laufen beginnt. Damit wäre regelmäßig auch ein Gleichklang mit dem Beginn der Verjährung des Anspruchs des Rechtsanwalts auf sein Honorar hergestellt, zumal nach herrschender Auffassung hierfür die Beendigung des Auftragsverhältnisses in einer bestimmten Sache maßgeblich ist (M. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 1486 Rz 22; Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1486 ABGB Rz 39; R. Madl in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.06 § 1486 Rz 22). Die Frage kann hier aber letztlich offen bleiben, weil auch bei Annahme des Beginns der dreijährigen Verjährung erst mit der Vollmachtskündigung am 26. 8. 2014 sich die Klage vom 18. 1. 2018 als verspätet erweist. Dass die Verjährung des Bereicherungsanspruchs – wovon der Kläger ausging – erst mit Aufnahme der wesentlichen Beweise über die von der Beklagten erbrachten Leistungen im Honorarprozess zu laufen begann, ist jedenfalls zu verneinen und widerspräche der eingangs genannten, vom Revisionswerber selbst zutreffend referierten Rechtsprechung.

Die Klage wurde vom Berufungsgericht zutreffend wegen Verjährung abgewiesen.

III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E128106

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00145.19K.0408.000

Im RIS seit

18.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.07.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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