TE OGH 2020/3/17 14Os20/20b

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Veröffentlicht am 17.03.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. März 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel in der Strafsache gegen ***** L***** wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 13. November 2019, GZ 22 Hv 53/19p-76, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** L***** jeweils mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I), der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (II), des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (III) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (IV) sowie mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (V) schuldig erkannt.

Danach hat er von Mitte Oktober 2018 bis Anfang Februar 2019 in Z*****

(I) seine zu Beginn des Tatzeitraums neunjährige Stieftochter ***** E***** mit Gewalt zur Vornahme oder Duldung dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem er

1) sie auf ihrem Couchbett auf den Bauch drehte, sie gewaltsam mit der Hand am Rücken niederdrückte und sie mit seinem Penis anal penetrierte;

2) sie in zumindest vier Fällen teils beim gemeinsamen Baden, teils im Kinder- oder Wohnzimmer am Hinterkopf nahm und sie gewaltsam zu seinem Penis drückte, wobei er diesen zumindest in einem Fall ein Stück in ihren Mund einführte und in den anderen Fällen mit Penetrationsvorsatz an ihren Lippen ansetzte;

(II) außer dem Fall des § 201 StGB ***** E***** mit Gewalt zur Vornahme geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem er in mehreren Fällen ihre Hand fest packte und diese – trotz Gegenwehr der Genannten – zu seinem Penis führte;

(III) mit der genannten Unmündigen dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen,

1) indem er beim gemeinsamen Baden in der Badewanne einen Dildo in ihren After einführte;

2) indem er in zumindest sieben Fällen teils beim gemeinsamen Baden, teils im Kinderzimmer zwei Finger in ihren After einführte und sie aufforderte, sich selbst einen Finger in den After einzuführen, was die Genannte aber nicht tat;

3) durch die zu I/1 angeführte Handlung;

4) durch die zu I/2 angeführten Handlungen;

(IV) außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an der genannten Unmündigen vorgenommen oder von dieser an sich vornehmen lassen, indem er

1) im Elternschlafzimmer unter ihrer Kleidung auf ihren Intimbereich griff und diesen mehrere Minuten massierte;

2) auf ihrem Couchbett im Kinderzimmer mit seiner Zunge ihren nackten Intimbereich schleckte;

(V) mit seiner minderjährigen Stieftochter geschlechtliche Handlungen vorgenommen (1) und von dieser an sich vornehmen lassen (2), und zwar

1) durch die zu I/1, III/1 und 2 sowie IV angeführten Handlungen und

2) durch die zu I/2 und II angeführten Handlungen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5a und „9“ StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung der Anträge auf Vernehmung von ***** K***** und ***** C***** (zusammengefasst) zum Beweis für das Fehlen pädophiler Neigungen des Angeklagten sowie zur Klärung dessen Umgangs mit im gleichen Haushalt lebenden unmündigen Kindern „im Alltag“ (ON 68 S 38 f) Verteidigungsrechte schon deshalb nicht verletzt, weil die Beweisthemen keine für die Lösung der Schuld- und der Subsumtionsfrage erheblichen Tatsachen betrafen (RIS-Justiz RS0124721, RS0116503; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327 f).

Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) unter Hinweis auf die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers aus – im Urteil ohnehin erörterten (US 12 ff) – Details der Aussagen der Zeuginnen Ka***** und A***** sowie des aussagepsychologischen Gutachtens der Sachverständigen Mag. G***** (anders als das Erstgericht) eine „Tendenz der ***** E***** zu lügen“ ableitet, weiters hervorhebt, dass die Genannte ihren eigenen Depositionen zufolge „bereits mit Pornografie in Berührung gekommen ist, welche inhaltlich (insbesonders hinsichtlich III/2) … den von ihr geschilderten Übergriffen ähnelt“, und einzelne – von den Tatrichtern gleichfalls berücksichtigte (US 11 ff) – „Widersprüche“ innerhalb deren Aussagen auflistet, wendet sie sich nicht gegen konkrete Feststellungen über entscheidende Tatsachen, sondern isoliert gegen die – als Akt freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) – alleine dem erkennenden Gericht zukommende (RIS-Justiz RS0099649, RS0098297; vgl dazu auch Ratz, WK-StPO § 281 Rz 491) – Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Tatopfers.

Mit dem Verweis auf Verfahrensergebnisse in Zusammenhang mit der (versuchten) Sicherstellung des „blauen Dildos aus Plastik“ (III/1 und V/1), auf darauf bezogene Aussagen der Zeugin E*****, das Gutachten betreffend die „DNA-Untersuchung der sichergestellten Sex-Spielzeuge“ (die bloß eine Zuordnung zum Angeklagten und dessen Ehefrau ergab) sowie den Umstand, dass auch beim Kindesvater drei Dildos in den Farben blau und lila sichergestellt wurden und dieser zu seiner Vernehmung noch fünf blaue Penishüllen mitbrachte, gelingt es der weiteren Tatsachenrüge nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst zum Schuldspruch IV/2 Feststellungen zu einem alle objektiven Tatbestandsmerkmale umfassenden Vorsatz, lässt jedoch die gerade dazu (disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung) getroffenen Konstatierungen (US 20) außer Acht und verfehlt damit den im festgestellten Sachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Auch mit ihrem Vorwurf, das Erstgericht habe nicht festgestellt, dass die den Schuldsprüchen zu I zugrunde liegenden Tathandlungen gegen den Willen (ohne Einverständnis) des Opfers erfolgten (Philipp in WK² StGB § 201 Rz 38; Hinterhofer, SbgK § 201 Rz 40), argumentiert die Beschwerde prozessordnungswidrig nicht auf Basis der Gesamtheit des darauf bezogenen Urteilssachverhalts, dem sich die (vom Angeklagten auch erkannte) Ablehnung der erzwungenen geschlechtlichen Handlungen durch ***** E***** mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt (zu I/1: US 6 f iVm US 18; zu I/2 US 7; vgl auch Philipp in WK² § 201 Rz 39 mwN). Weshalb diesen Feststellungen – trotz Beschreibung des Verhaltens von Täter und Opfer – der erforderliche Sachverhaltsbezug (RIS-Justiz RS0119090 [T1]) fehlen soll, wird nicht dargelegt (RIS-Justiz RS0099620).

Soweit die Rechtsrüge schließlich auch zu den Schuldsprüchen zu II und III/2 sowie in Bezug auf die Unmündigkeit des Tatopfers im Tatzeitraum und darauf, dass es sich bei ***** E***** um die Stieftochter des Angeklagten handelt, Rechtsfehler mangels Feststellungen zur subjektiven Tatseite moniert, erklärt sie nicht, aus welchen Gründen neben den (ohnehin zitierten) Konstatierungen zum Wissen des Beschwerdeführers um sämtliche relevanten Tatumstände (US 8) weitere Feststellungen zur – allen Vorsatzformen immanenten – Willenskomponente erforderlich gewesen wären und diese nicht schon im konstatierten Wissen des Täters inkludiert sein sollten (RIS-Justiz RS0088835 [T4]; Reindl-Krauskopf in WK² StGB § 5 Rz 31 mwN).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E127770

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00020.20B.0317.000

Im RIS seit

15.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.04.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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