TE OGH 2019/12/17 2Ob50/19w

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Veröffentlicht am 17.12.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Parteien 1. DI M***** H***** und 2. DI P***** S*****, beide *****, vertreten durch Dr. Peter Gatternig und Mag. Karl Gatternig, LL.M., Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte und widerklagende Partei R***** GesmbH, *****, vertreten durch Appiano & Kramer Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Wien, wegen (AZ 34 Cg 36/13w) 254.835,68 EUR sA sowie (AZ 34 Cg 21/15t) 80.791,82 EUR sA und Feststellung (Streitwert 130.195,96 EUR), über den Rekurs und die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen den Beschluss und das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Jänner 2019, GZ 3 R 50/18x-94, womit infolge der Berufungen sämtlicher Parteien das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 13. Juli 2018, GZ 34 Cg 36/13w-85, im führenden Verfahren AZ 34 Cg 36/13w aufgehoben und im verbundenen Verfahren AZ 34 Cg 21/15t bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Rekurs wird zurückgewiesen.

2. Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Teilurteil des Berufungsgerichts über die Widerklage (34 Cg 21/15t) wird aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der klagenden Parteien an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die beklagte und widerklagende Partei (im Folgenden: beklagte Partei) beauftragte die Kläger und Widerbeklagten (in der Folge: Kläger) mit der Einreich-, Ausführungs- und Detailplanung für eine Wohnhausanlage. Diese war barrierefrei zu planen und auszuführen. Auftragsinhalt war auch die Erstellung von Verkaufsplänen für jede Wohnung.

Nachdem der ursprüngliche Einreichplan von der Baubehörde bereits bewilligt worden war, ermöglichte eine „Baurechtsnovelle“ den Bau größerer Balkone. Die beklagte Partei beauftragte die Kläger daraufhin, eine entsprechende Planänderung vorzunehmen und die Balkone größer zu machen. Die Kläger wiesen die beklagte Partei darauf hin, dass diese Änderung nur durch eine neuerliche bewilligungspflichtige Auswechslungsplanung möglich sei und eine konstruktive, statische und planerische Änderung durchgeführt werden müsse. Die beklagte Partei wollte aber die Vermarktung der Wohnungen vorantreiben, weshalb die Kläger die Erstellung der Verkaufspläne vorziehen und erst dann die Auswechslungsplanung durchführen sollten. In den daraufhin erstellten Verkaufsplänen waren bereits die vergrößerten Balkone eingezeichnet.

Die Kläger wussten, dass es durch die Vergrößerung der Balkone zu Niveauunterschieden zwischen den Wohnungsinnenbereichen und den Balkonen kommen wird (dislozierte Feststellung des Erstgerichts im Zuge der rechtlichen Beurteilung). Zum Zeitpunkt der Erstellung der Verkaufspläne war ihnen noch nicht klar, wie hoch diese Niveauunterschiede sein werden. In den der beklagten Partei als Vorauspläne übergebenen Verkaufsplänen vom 30. 7. 2010 war jedoch – entsprechend der ursprünglichen Einreichplanung (durch Angabe einer gleichen Höhenkote) – Bodenbündigkeit zwischen Innen- und Außenbereich eingezeichnet. Darauf wiesen die Kläger die beklagte Partei nicht hin. Auf den Plänen befand sich links unten im „Kleingedruckten“ der Hinweis: „Änderungen vorbehalten.“.

Im Polierplan vom 30. 7. 2010, welcher dem Generalunternehmer übergeben wurde, waren die Niveauunterschiede zwischen den Wohnungsinnen- und -außenbereichen schon eingezeichnet. Diese Pläne waren auch Grundlage der Verträge zwischen der beklagten Partei und dem Generalunternehmer. In den der beklagten Partei am 5. 8. 2010 übergebenen Polierplänen waren ebenfalls solche Höhensprünge eingezeichnet. Auch aus dem von den Geschäftsführern der beklagten Partei unterschriebenen und am 7. 10. 2010 bei der Baubehörde eingereichten Auswechslungsplan waren Höhenunterschiede zwischen den Wohnungsinnen- und -außenbereichen zu erkennen.

Bei 19 Wohnungen der Stiege 1 bestand ein Niveauunterschied zwischen Wohnungsinnenbereich und Balkon von zumindest 12 cm. Die Kauf- und Bauträgerverträge, mit welchen die beklagte Partei diese Wohnungen verkaufte, waren jeweils ident gestaltet und hatten idente Vertragsbeilagen. Darin wurde vereinbart, dass der Kaufgegenstand in den Planbeilagen der Kauf- und Bauträgerverträge bestimmt bezeichnet war. Als eine der Beilagen war jeweils der von den Klägern erstellte Verkaufsplan angeschlossen.

Mehrere Käufer machten Gewährleistungs- und/oder Schadenersatzansprüche wegen fehlender Niveaugleichheit zwischen den Innenbereichen ihrer Wohnungen und den Balkonen gegenüber der beklagten Partei – teilweise auch gerichtlich – geltend. Mit einigen schloss die beklagte Partei bereits Vergleiche, teilweise wurde sie zur Zahlung verurteilt. Die Wohnung Top 7 wurde den Käufern im Jahre 2012 übergeben, Gewährleistungs- oder Schadenersatzansprüche gegenüber der beklagten Partei wurden aber bisher nicht geltend gemacht.

Die Kläger begehrten zu 34 Cg 36/13w des Erstgerichts die Zahlung des restlichen Werklohns von 254.835,68 EUR sA. Die beklagte Partei wendete mehrere Gegenforderungen wegen mangelhafter Leistungen der Kläger ein, darunter auch einen Preisminderungs- sowie Schadenersatzanspruch wegen der unrichtigen Erstellung der Verkaufspläne.

Mit der zu 34 Cg 21/15g des Erstgerichts erhobenen Widerklage begehrte die beklagte Partei aus dem Titel des Schadenersatzes die Zahlung von 80.791,82 EUR sA und die Feststellung der Haftung der Kläger für künftige Schäden. Sie habe wegen der unrichtigen Verkaufspläne den Erwerbern (im Einzelnen aufgeschlüsselte) Schadenersatzzahlungen zu leisten gehabt. Mehrere Erwerber hätten wegen der Niveausprünge zwischen Innenbereich und Balkonen die Inanspruchnahme der beklagten Partei angedroht. Für diese Schäden seien die Kläger verantwortlich, da in den von ihnen erstellten Verkaufsplänen kein Niveauunterschied eingezeichnet gewesen sei und sie die beklagte Partei auf diesen Umstand nicht hingewiesen hätten.

Die Kläger wendeten ein, die Höhendifferenz entspreche der Wiener Bauordnung und sei der beklagten Partei vor den Kaufvertragsabschlüssen mit den Erwerbern der Wohnungen bewusst gewesen. Eine Verpflichtung zur Änderung der Verkaufspläne habe nicht bestanden. Die Mitarbeiter der beklagten Partei hätten den Wohnungskäufern in den Verkaufsgesprächen die Niveaugleichheit zugesagt, wofür die Kläger nicht verantwortlich seien.

Das Erstgericht verband Klage und Widerklage zur gemeinsamen Verhandlung und Urteilsfällung. Im führenden Verfahren 34 Cg 36/13w erkannte das Erstgericht die Klagsforderung als mit 251.992,88 EUR, die Gegenforderungen als mit 74.570,98 EUR zu Recht bestehend und verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung von 177.421,90 EUR sA. Der Widerklage zu 34 Cg 21/15t gab das Erstgericht zur Gänze statt.

Neben dem eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt stellte es auch fest, dass die beklagte Partei gewusst habe, dass es durch die Vergrößerung der Balkone zu Niveauunterschieden zwischen Wohnung und Balkon kommen werde und dies dann auch im danach übergebenen Auswechslungsplan gesehen habe. Die beklagte Partei habe aber nicht gewusst, dass die Niveauungleichheit in den Verkaufsplänen nicht richtig dargestellt gewesen sei (dislozierte Feststellung im Zuge der rechtlichen Beurteilung).

Rechtlich führte das Erstgericht, soweit in diesem Revisionsverfahren von Interesse, aus, die Kläger hätten die Verkaufspläne für 19 Wohnungen unrichtig erstellt, weil darin noch die Niveaugleichheit wie in der ursprünglichen Einreichplanung eingezeichnet gewesen sei. Die falschen Verkaufspläne seien für die Ersatzansprüche der Wohnungskäufer kausal gewesen. Die beklagte Partei habe sich der Kläger als Fachleute bedient und sei nicht verpflichtet gewesen, die Maße in den Verkaufsplänen nachzuprüfen. Sie treffe daher kein Mitverschulden.

Das von den Klägern und der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht hob das Urteil im führenden Verfahren 34 Cg 36/13w auf und verwies die Rechtssache ohne Rechtskraftvorbehalt zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

Hingegen bestätigte das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil über das Widerklagebegehren zu 34 Cg 21/15t und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es hielt die Mängel- und Beweisrüge der Kläger für unberechtigt und teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Ergänzend führte es aus, die unrichtigen Verkaufspläne der Kläger seien Bestandteil der zwischen der beklagten Partei und den Wohnungseigentümern abgeschlossenen Kaufverträge gewesen, weshalb die Kausalität für die Ansprüche der Käufer zutreffend bejaht worden sei. Der beklagten Partei stünden daher ihrerseits die geltend gemachten Schadenersatzansprüche gegen die Kläger zu. Ein Mitverschulden der beklagten Partei habe das Erstgericht zutreffend verneint.

Gegen den Aufhebungsbeschluss zu 34 Cg 36/13w erhoben die Kläger Rekurs. Gleichzeitig erhoben sie gegen das Urteil über die Widerklage zu 34 Cg 21/15t außerordentliche Revision mit dem Antrag, das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen. Hilfsweise wird beantragt, dem Klagebegehren lediglich im Umfang von 4.039,59 EUR sA und dem Feststellungsbegehren lediglich im Umfang von 5 % stattzugeben, hinsichtlich einzelner Wohnungen jedoch nur bis zu bestimmten Höchstbeträgen. Als weiterer Eventualantrag wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht zulässig.

Die Revision ist zulässig, weil dem Berufungsgericht eine aufzugreifende Fehlbeurteilung hinsichtlich eines möglichen Mitverschuldens der beklagten Partei unterlaufen ist. Sie ist im Sinne des eventualiter gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Die Kläger machen geltend, das Berufungsgericht habe in unvertretbarer Weise einen Verfahrensmangel des erstinstanzlichen Verfahrens wegen Übergehung noch offener Beweisanträge verneint. Es habe auch eine im erstinstanzlichen Verfahren erfolgte Einschränkung des Feststellungsbegehrens durch die beklagte Partei nicht berücksichtigt. Das Berufungsgericht habe die Verkaufspläne unzutreffend als unrichtig beurteilt. Die beklagte Partei treffe ein erhebliches Mitverschulden, wenn nicht das Alleinverschulden am eingetretenen Schaden, weil sie trotz Kenntnis von den Niveauunterschieden den Käufern bei den Verkaufsgesprächen die Niveaugleichheit zwischen Wohnraum und Balkon zugesagt habe. Das Klagebegehren betreffend die Wohnung Top 12 sei unschlüssig, weil die beklagte Partei bei ihrer willkürlichen Aufteilung der Ersatzforderungen zur Geltendmachung im Verfahren über die Widerklage einerseits und als Gegenforderung im führenden Verfahren andererseits nicht vorgebracht habe, ob sie das mit der Widerklage verfolgte Begehren auf Preisminderung oder Schadenersatz stütze. Das Feststellungsbegehren betreffend Ersatzansprüche aus dem Verkauf der Wohnung Top 7 bestehe nicht zu Recht, weil allfällige Ansprüche der Käufer verjährt seien.

Hiezu wurde erwogen:

I. Zum Rekurs:

Der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss im Verfahren 34 Cg 36/13w ist mangels Zulässigkeitsausspruchs nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig (RS0109580). Auch auf die von den Klägern behauptete Nichtigkeit, die sie darin erblicken, dass die Aufhebung über den Umfang der Anfechtung durch die beklagte Partei hinausgehe, ist daher nicht einzugehen (RS0007095).

II. Zur Revision:

1. Zu den Mängelrügen:

1.1 Die Kläger meinen, das Berufungsgericht habe zu Unrecht die Nichtigkeit oder Mangelhaftigkeit infolge unterbliebener Verkündung des Schlusses der Verhandlung durch das Erstgericht verneint. Vom Berufungsgericht verneinte erstinstanzliche Nichtigkeitsgründe oder Verfahrensmängel können in der Revision jedoch nicht mehr geltend gemacht werden (RS0042925 [T9]; RS0042963). Soweit die Verneinung einer Mangelhaftigkeit wegen in erster Instanz unterbliebener Beweisaufnahmen mit der Behauptung einer aktenwidrigen Begründung (keine gesetzmäßig ausgeführten Beweisanträge) gerügt wird, genügt es, darauf zu verweisen, dass die weitere zweitinstanzliche Beurteilung, die Mängelrüge sei mangels Darlegung der Relevanz nicht gesetzmäßig ausgeführt worden, in der Revision unbekämpft blieb. Sollte dem Berufungsgericht tatsächlich eine Aktenwidrigkeit unterlaufen sein – was nicht geprüft werden muss –, fehlte es daher auch dieser an der Entscheidungserheblichkeit (RS0043265, RS0043271).

1.2 Zutreffend macht jedoch die beklagte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung geltend, dass sich das Berufungsgericht aufgrund seiner – vom Obersten Gerichtshof nun nicht geteilten – Rechtsansicht nicht mit der in ihrer Berufungsbeantwortung enthaltenen Beweisrüge auseinandergesetzt hat. Darin hat sie die Feststellung bekämpft, wonach die beklagte Partei gewusst habe, dass es durch die Vergrößerung der Balkone zu Niveauunterschieden zwischen Wohnungen und Balkonen kommen werde und dies dann auch im danach übergebenen Auswechslungsplan gesehen habe. Begehrt hat sie die Ersatzfeststellung, der beklagten Partei sei bis zur Gewährleistungsrüge von Wohnungserwerbern nicht bewusst gewesen, dass Niveausprünge auftreten werden.

Die bekämpfte Feststellung ist, wie noch zu zeigen sein wird, wesentlich (Punkt 2.2.2). Da das Berufungsgericht die Behandlung dieser Beweisrüge unterließ, liegt insofern eine sekundäre Mangelhaftigkeit vor, was zu einer Aufhebung seiner Entscheidung führen muss.

2. Zur Rechtsrüge:

2.1 „Unrichtige“ Verkaufspläne:

2.1.1 Das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis ist hinsichtlich der Erstellung der Baupläne nach den Bestimmungen über den Werkvertrag zu beurteilen (RS0019364). Errichtet ein Werkunternehmer das Werk mangelhaft, leistet er also den vertraglich geschuldeten Erfolg nicht, und hat er den Mangel des Werks verschuldet, kann der Werkbesteller Ersatz des durch diese Mangelhaftigkeit verursachten weiteren Schadens fordern (§ 1167 iVm § 933a Abs 1 ABGB). Unter solche Mangelfolgeschäden fallen auch Vermögensschäden des Werkbestellers, die er erleidet, weil er infolge Weiterveräußerung der mangelhaften Sache berechtigte Ersatzansprüche seiner Vertragspartner zu befriedigen hatte (9 Ob 34/09d; vgl RS0018766; RS0018650; RS0054272). Dabei trifft – jedenfalls vor Ablauf von zehn Jahren ab der Übergabe des Werks (§ 933a Abs 3 ABGB) – den Werkunternehmer zufolge § 1298 Satz 1 ABGB die Beweislast dafür, dass ihn (und seine Gehilfen, für die er nach § 1313a ABGB einzustehen hat) kein Verschulden trifft, dass er also die gebotene Sorgfalt – nach dem Maßstab des § 1299 ABGB – eingehalten hat (RS0112247; vgl RS0122652).

Eine Sache ist gemäß § 922 Abs 1 ABGB mangelhaft, wenn sie nicht die bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat. Bei einem Werkvertrag hat der Unternehmer das vertraglich geschuldete Werk herzustellen. Welche Eigenschaften das Werk aufzuweisen hat, ergibt sich in erster Linie aus der konkreten Vereinbarung, hilfsweise – soweit eine Detailvereinbarung nicht besteht – aus Natur und (erkennbarem) Zweck der Leistung, letztlich aus der Verkehrsauffassung, sodass das Werk so auszuführen ist, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (RS0021694; RS0021716).

2.1.2 Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, dass die Kläger Verkaufspläne schuldeten, die der künftigen Ausführung der Wohnungen entsprachen. Denn diese sollten gerade wegen der bevorstehenden Vermarktung der Wohnungen erstellt werden. Die Kläger mussten somit jedenfalls damit rechnen, dass die Verkaufspläne diesem Zweck dienen und Eingang in die Kaufverträge mit den Wohnungskäufern finden werden. Auch die Vertreter der beklagten Partei durften, trotz der Bezeichnung als „Vorauspläne“, mangels gegenteiligen Hinweises der Kläger davon ausgehen, dass die übergebenen Verkaufspläne der damals geplanten künftigen Ausführung der Wohnungen entsprachen. Daran ändert auch der Änderungsvorbehalt im „Kleingedruckten“ nichts, der so verstanden werden musste, dass er sich auf allfällige erst später eintretende Änderungen der Wohnungsausführung bezog. Die als fehlend gerügten Feststellungen, wann die Verkaufspläne der beklagten Partei übergeben worden seien und ob den Klägern tatsächlich bekannt war, welche Pläne Kaufvertragsgrundlage werden, sind daher nicht relevant.

Nach den Feststellungen war in den von der klagenden Partei hergestellten Verkaufsplänen der Wohnungen Bodenbündigkeit zwischen den Balkonen und den anschließenden Zimmern dargestellt. Sie entsprachen daher schon zum Zeitpunkt ihrer Übergabe nicht der künftigen Ausführung der Wohnungen und waren somit mangelhaft.

2.1.3 Die Kläger haben den ihnen obliegenden Beweis nicht erbracht, dass sie daran kein Verschulden traf. Mit ihrer Argumentation, es sei noch nicht klar gewesen, ob überhaupt Höhensprünge gegeben sein werden, entfernen sich die Revisionswerber von den Feststellungen des Erstgerichts. Vielmehr wussten sie, dass es durch die Vergrößerung der Balkone zu Niveauunterschieden zwischen den Wohnungsinnenbereichen und den Balkonen kommen wird.

2.1.4 Es wurde festgestellt, dass die Verkaufspläne den Kaufverträgen mit den Wohnungskäufern zur Beschreibung des Kaufgegenstands zugrunde gelegt worden sind. Die darin angeführten Eigenschaften der Wohnungen, so auch die Niveaugleichheit zwischen Wohnraum und Balkon, wurden daher Vertragsinhalt der Kaufverträge. Die Mangelhaftigkeit der Verkaufspläne war somit auch kausal dafür, dass die beklagte Partei wegen der in natura tatsächlich bestehenden Niveauunterschiede Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüchen der Wohnungskäufer ausgesetzt war.

Damit sind die Voraussetzungen der Haftung der Kläger für diese Mangelfolgeschäden gegeben.

2.2 Zum Mitverschulden der beklagten Partei:

2.2.1 Keine Obliegenheit zur Überprüfung der Verkaufspläne:

Nach den vom Erstgericht (disloziert im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung) getroffenen Feststellungen war der beklagten Partei die Mangelhaftigkeit der Verkaufspläne nicht bekannt. Insoweit gehen die Revisionsausführungen nicht vom Sachverhalt aus. Gegen die zutreffende Ansicht der Vorinstanzen, es habe keine Pflicht der beklagten Partei zur näheren Überprüfung der in den Verkaufsplänen eingezeichneten Maße (hier: der Höhenkoten) bestanden, wenden sich die Kläger in ihrer Revision nicht. Gegenteiliges könnte nur angenommen werden, wenn die beklagte Partei aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung oder nach der Verkehrsübung eine solche Verpflichtung getroffen oder sie eine solche nachträglich übernommen hätte (vgl 6 Ob 84/16w; 4 Ob 88/13i; idS auch 5 Ob 60/17k; RS0021766 [T3]), was sich dem Sachverhalt aber nicht entnehmen lässt.

Daher traf die beklagte Partei aus diesem Grund selbst dann kein Mitverschulden am eingetretenen Schaden, wenn ihre Vertreter gewusst haben sollten, dass es durch die Vergrößerung der Balkone zu Niveauunterschieden zwischen Wohnung und Balkon kommen werde. Auch in diesem Fall durften sie darauf vertrauen, dass in den übergebenen Verkaufsplänen die Niveauunterschiede eingezeichnet waren.

2.2.2 Zusage der Niveaugleichheit in den Verkaufsgesprächen:

Die Kläger haben vorgebracht, dass die beklagte Partei jedenfalls vor Abschluss der Verträge mit den Käufern Kenntnis von den Höhensprüngen gehabt habe, ihre Mitarbeiter aber dennoch in den Verkaufsgesprächen den Käufern zugesagt hätten, zwischen Innen- und Außenbereich bestehe Niveaugleichheit. Die beklagte Partei hat die ihre Kenntnis bejahende Feststellung bekämpft; die bisher unterbliebene Erledigung ihrer Beweisrüge wird vom Berufungsgericht nachzuholen sein (dazu bereits Punkt 1.2).

Feststellungen zu den behaupteten mündlichen Zusagen haben die Vorinstanzen hingegen bisher gar keine getroffen, obwohl die Kläger zu diesem Beweisthema zahlreiche Urkunden, insbesondere Tagsatzungsprotokolle aus den zwischen der beklagten Partei und den Wohnungskäufern abgeführten Prozessen vorgelegt und die Einvernahme eines Zeugen beantragt haben.

Sollte (im fortgesetzten Verfahren) das Wissen der beklagten Partei von möglichen Niveauunterschieden nicht erwiesen werden, könnte ihr im Innenverhältnis zu den Klägern nicht vorgeworfen werden, dass sie den Käufern die Bodenbündigkeit zugesichert hätte. Die beklagte Partei träfe dann kein Mitverschulden. (Nur) In diesem Fall fehlte es dem diesbezüglichen Vorbringen der Kläger daher an Relevanz.

Hält das Berufungsgericht die Beweisrüge der beklagten Partei hingegen für unberechtigt, sodass die beklagte Partei Kenntnis von Höhensprüngen hatte, erweist sich der Hinweis der Kläger auf die Rechtserheblichkeit ihres Vorbringens als zutreffend. Denn in diesem Fall wäre die Niveaugleichheit zwischen Innen- und Außenbereich der Wohnungen nicht nur aufgrund der mangelhaften Verkaufspläne (Punkt 2.1.4), sondern auch aufgrund der wider besseren Wissens erfolgten mündlichen Zusagen der beklagten Partei gegenüber den Käufern Vertragsinhalt geworden.

Der der beklagten Partei durch die Ersatzforderungen der Kunden entstandene Schaden wäre im letzteren Fall auf zwei reale Ursachen zurückzuführen, die gleichzeitig wirksam wurden, wobei jede der Ursachen für sich allein den gesamten Schaden herbeigeführt hätte. Hat im Fall kumulativer Kausalität der Geschädigte (hier: die beklagte Partei) selbst eine Ursache gesetzt, die gleichermaßen wie die vom Schädiger gesetzte Ursache geeignet war, allein den Schaden herbeizuführen, haben beide gemeinsam für den Schaden einzustehen, was in diesem Fall bedeutet, dass der Schaden zwischen ihnen zu teilen ist (6 Ob 163/05x mwN). Das Verhältnis der jeweils zu vertretenden Teile bestimmt sich nach den zu gewichtenden Zurechnungsmomenten auf Schädiger- und Geschädigtenseite, vor allem nach dem jeweiligen Grad von Sorglosigkeit und deren Vorwerfbarkeit (6 Ob 163/05x).

2.3 Keine Unschlüssigkeit des Klagebegehrens betreffend die Wohnung Top 12:

2.3.1 Die beklagte Partei hat mit ihrem Schriftsatz vom 22. 2. 2018 (ON 75) das bis dahin zu dieser Wohnung erhobene Feststellungsbegehren auf ein Zahlungsbegehren von 10.941,82 EUR umgestellt und dazu vorgebracht, ihre gesamte Schadenersatzforderung für diese Wohnung setze sich aus 80 % der von ihr zu tragenden Kosten des Rechtsstreits mit den Käufern, dies seien 35.171,34 EUR, und dem den Käufern zuerkannten Ersatz für die Niveauungleichheit von 21.883,64 EUR zusammen. Davon hat sie erkennbar mit ihrer Widerklage lediglich die Hälfte des Ersatzanspruchs wegen Niveauungleichheit (10.941,82 EUR) begehrt und den Restbetrag als Gegenforderung im führenden Verfahren eingewendet.

2.3.2 Entgegen der Ansicht der Revisionswerber ist dem Vorbringen der beklagten Partei zur Widerklage klar zu entnehmen, dass sie diese Ansprüche auf Schadenersatz wegen Erstellung der unrichtigen Verkaufspläne stützt (Tagsatzungsprotokoll vom 29. 5. 2018). Die in der Revision behauptete Unterlassung einer schlüssigen Darlegung, ob sich der begehrte Betrag von 10.941,82 EUR auf Preisminderung oder Schadenersatz stützt, liegt daher nicht vor.

2.4 Keine betragliche „Limitierung“ des Feststellungsbegehrens:

Zutreffend hat das Berufungsgericht auch dargelegt, dass die beklagte Partei ihr Feststellungsbegehren nicht „betraglich limitiert“ hat. Aus ihrem Schriftsatz vom 22. 2. 2018 (ON 75) geht deutlich hervor, dass es sich bei den im Feststellungsbegehren angeführten Beträgen um die „Bemessungsgrundlage“ zum Zwecke der Bewertung des Feststellungsbegehrens handelt.

2.5 Rechtliches Interesse am Feststellungsbegehren betreffend die Wohnung Top 7:

2.5.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist ein schadenersatzrechtliches Feststellungsbegehren stets zulässig, solange der Eintritt künftiger Schäden nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann (RS0039018). Schon die Möglichkeit künftiger Schäden rechtfertigt die Erhebung einer Feststellungsklage, die nicht nur dem Ausschluss der Gefahr der Verjährung, sondern auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten und der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde und dem Umfang nach dient (RS0038976). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn die Möglichkeit eines künftigen Schadenseintritts auf der Verletzung vertraglicher Pflichten beruht (2 Ob 277/08m).

2.5.2 Die dreijährige Verjährungsfrist für die Schadenersatzansprüche der Käufer wegen der Verletzung des Kaufvertrags beginnt gemäß § 1489 ABGB erst mit deren Kenntnis von Schaden und Schädiger zu laufen. Zu welchem Zeitpunkt die Käufer der Wohnung Top 7 Kenntnis von Schaden und Schädiger erlangten, wurde weder behauptet noch festgestellt. Dieser kann nicht ohne weiteres mit dem Übergabszeitpunkt im Jahr 2012 angenommen werden. Denn es steht auch nicht fest, dass diesen Käufern bei Vertragsabschluss die Niveaugleichheit zwischen Wohnung und Balkon seitens der beklagten Partei anlässlich des Verkaufsgesprächs zugesagt wurde. War dies nicht der Fall, konnten die Käufer von der Vertragsverletzung durch den Niveauunterschied allenfalls erst durch das Studium des dem Kaufvertrag als Beilage angeschlossenen Verkaufsplans Kenntnis erlangen.

Aufgrund des bloßen Zeitablaufs seit Übergabe der Wohnungen können künftige Schadenersatzansprüche der Käufer gegenüber der beklagten Partei daher im vorliegenden Fall nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden.

2.6 Fortgesetztes Verfahren:

2.6.1 Im fortgesetzten Verfahren wird das Berufungsgericht zunächst die von der beklagten Partei erhobene Beweisrüge zu erledigen haben (Punkt 1.2).

2.6.2 Sollte danach das Wissen der beklagten Partei von möglichen Niveauunterschieden nicht erwiesen sein, wäre ihr kein Mitverschulden anlastbar (Punkt 2.2.2). Eine Verfahrensergänzung würde sich erübrigen.

2.6.3 Bleibt es hingegen bei der von der beklagten Partei bekämpften Feststellung, hat das Berufungsgericht für die Beseitigung der dann relevanten Feststellungsmängel (Punkt 2.2.2) zu sorgen, indem es sie durch Beweisergänzung entweder selbst behebt oder das erstinstanzliche Urteil dazu aufhebt. In diesem Fall werden Feststellungen dazu zu treffen sein, wann die beklagte Partei mit den Abverkäufen der Wohnungen begonnen hatte, ob den Vertretern der beklagten Partei davor bekannt war, dass ein Niveauunterschied zwischen Terrassen und Wohnräumen bestand, sowie ob und allenfalls weshalb die Mitarbeiter der beklagten Partei welchen Wohnungskäufern dennoch die Niveaugleichheit zugesagt haben. Erst dann wird beurteilt werden können, in welchem Umfang das Leistungs- und das Feststellungsbegehren der beklagten Partei im Sinne der oben dargelegten Rechtslage berechtigt ist.

3. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Textnummer

E127125

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00050.19W.1217.000

Im RIS seit

28.01.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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