TE OGH 2019/7/23 9ObA53/19p

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Veröffentlicht am 23.07.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Bernhard Kirchl und Herbert Bauer in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** H*****, vertreten durch Posch, Schausberger & Lutz Rechtsanwälte GmbH in Wels, gegen die beklagte Partei Dr. ***** K*****, Rechtsanwalt, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der H***** GmbH, *****, vertreten durch K-B-K Kleibel Kreibich Bukovc Hirsch Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Feststellung (restlicher Streitwert: 18.690,33 EUR sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. März 2019, GZ 11 Ra 8/19d-22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger war Angestellter und Geschäftsführer der H***** GmbH (Schuldnerin). Soweit revisionsgegenständlich, begehrte er mit Wirkung gegenüber dem beklagten Masseverwalter die Feststellung einer Insolvenzforderung iHv 18.690,33 EUR brutto (Kündigungsentschädigung aus vorzeitigem Austritt). Die Vorinstanzen erachteten die Forderung im Hinblick auf die Sechsmonatsfrist des § 34 Abs 1 AngG als präkludiert, wobei sie von folgendem Sachverhalt ausgingen:

Am 21. 9. 2016 trat der Kläger aus dem Dienstverhältnis zur Schuldnerin aus.

Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 25. 11. 2016, GZ 23 S 109/16y, wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet.

Am 14. 12. 2016 meldete der Kläger seine Forderung im Insolvenzverfahren an.

Am 27. 1. 2017 wurde die Forderung in der Prüfungstagsatzung bestritten und die Frist zur Klagseinbringung (§ 110 Abs 4 IO) mit drei Monaten festgesetzt.

Mit am 19. 5. 2017 zur Post gegebenem Antrag stellte der Kläger bei der IEF-Service GmbH auch für diese Forderung einen Antrag auf Zuerkennung von Insolvenzentgelt.

Am 30. 1. 2018 brachte er die vorliegende Klage ein.

Das Berufungsgericht führte dazu aus, dass die Frist für die Geltendmachung der aus einem berechtigten vorzeitigen Austritt resultierenden Entschädigungsansprüche mit 22. 9. 2016 zu laufen und am 21. 3. 2017 geendet habe. Die am 14. 12. 2016 erfolgte Anmeldung ua auch dieser Forderungen im Insolvenzverfahren und deren Bestreitung in der Prüfungstagsatzung vom 27. 1. 2017 unter gleichzeitiger Festlegung einer dreimonatigen Frist zur Einbringung der Prüfungsklage habe zur Hemmung des Ablaufs der Klagsfrist nach § 34 Abs 1 AngG bis 27. 4. 2017 geführt, weshalb diese Frist am 25. 5. 2017, also zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Insolvenzgeld bei der IEF-Service-GmbH, schon abgelaufen gewesen sei. Sie habe daher nicht mehr unterbrochen werden können. Die vorliegende Konstellation unterscheide sich vom der Entscheidung 8 ObA 149/01x zugrunde liegenden Sachverhalt, weil dort gleichzeitig mit der Forderungsanmeldung im Konkurs auch die Antragstellung nach dem IESG erfolgt sei.

In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision bekämpft der Kläger die Beurteilung der Präklusion seines Anspruchs, zeigt damit aber keine Rechtsfrage von der Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Rechtliche Beurteilung

1. § 34 Abs 1 AngG verkürzt die Frist für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen wegen vorzeitigen Austritts oder vorzeitiger Entlassung auf sechs Monate. Dabei handelt es sich um eine Verfalls-(Ausschluss-)Frist, die auch für die Kündigungsentschädigung gilt (RS0029680; für Feststellungsklagen s RS0029711).

Nach § 34 Abs 2 AngG beginnt diese Sechsmonatsfrist bei Ansprüchen wegen vorzeitiger Auflösung oder vorzeitiger Entlassung mit dem Ablauf des Tages, an dem der Austritt oder die Entlassung stattfand (s auch RS0031348). Dass die Verfallsfrist hier mit 22. 9. 2016 zu laufen begann, ist nicht weiter strittig.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung sind auf die Ausschlussfristen des Arbeitsrechts – ungeachtet der bestehenden Unterschiede zur Verjährung – insbesondere die Regeln des § 1497 ABGB analog anzuwenden (RS0029716; RS0108885).

3. Nach § 9 Abs 1 IO wird durch die Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Wird eine Forderung bei der Prüfungstagsatzung bestritten, so gilt nach Abs 2 leg cit die Verjährung vom Tage der Forderungsanmeldung bis zum Ablauf der für die Geltendmachung des Anspruchs bestimmten Frist (vgl § 110 Abs 4 IO) als gehemmt. Bei dieser Hemmung handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um eine Ablaufshemmung, die auf Präklusivfristen analoge Anwendung findet (s RS0108885). Dies soll sicherstellen, dass der Anspruch vor Ablauf der Klagefrist nach § 110 Abs 4 IO nicht verjährt (RS0108885 [T2]).

4. Im vorliegenden Fall war daher die sechsmonatige Fallfrist des § 34 AngG infolge der Bestreitung der gegenständlichen Ansprüche durch die gerichtlich gesetzte – hier dreimonatige – Klagefrist des § 110 Abs 4 IO gemäß § 9 Abs 2 IO bis zum Ablauf dieser Frist, somit bis zum 27. 4. 2017 in ihrem Ablauf gehemmt. Mit Ablauf der (ungenützten) Klagefrist fiel die Hemmungswirkung weg. Auf eine Unterbrechung der Frist iSd § 9 Abs 1 IO beruft sich der Kläger aufgrund der hier maßgeblichen Anwendbarkeit des Abs 2 leg cit zu Recht nicht. Die Präklusivfrist war danach zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Insolvenz-Entgelt abgelaufen.

5. Der Kläger hält dem entgegen, die Beurteilung des Berufungsgerichts stehe in Widerspruch zur Rechtsprechung (RS0116254; insbes 8 ObA 149/01x) und verweist auf die Bestimmungen der § 6 Abs 1 S 1, § 7 Abs 1 letzter Satz IESG.

5.1. Nach § 6 Abs 1 S 1 IESG ist der Antrag auf Insolvenz-Entgelt bei sonstigem Ausschluss jeweils binnen sechs Monaten ab Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (oder gleichgestellter Tatbestände) zu stellen. Bei der Frist des § 6 Abs 1 leg cit handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Zur Fristwahrung muss der Antrag daher am letzten Tag der Frist bei der Geschäftsstelle der IEF-Service-GmbH einlangen (s Gahleitner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3, § 6 IESG Rz 1 mwN). Nach § 7 Abs 1 letzter Satz IESG werden durch den fristgerechten Antrag (§ 6 Abs 1 Satz 1 IESG) Verjährungs- und Verfallfristen unterbrochen. Die fristgerechte Antragstellung nach § 6 IESG unterbricht daher gemäß § 7 Abs 1 IESG Verjährungsfristen und Präklusivfristen (RS0116254).

5.2. Nach der Rechtsprechung ist der Unterbrechungsgrund nicht nur auf das Verhältnis eines Dienstnehmers zur IEF-Service-GmbH (Insolvenzausfallgeld), sondern auch auf den gegen den Masseverwalter gerichteten Feststellungsanspruch im Prüfungsprozess zu beziehen, weil der Gesetzgeber durch die Schaffung des Unterbrechungsgrundes klarstellen wollte, dass es einer zusätzlichen Klage des Arbeitnehmers zur Wahrung der Verjährungsfrist nicht bedarf (9 ObA 10/94; 8 ObA 149/01x; 9 ObA 53/02p; 9 ObA 63/05p; RV 738 BlgNR 18. GP, 6; s auch Liebeg, IESG3 [2007] § 7 Rz 21 f, unter Hinweis darauf, dass bei Zahlung des zuerkannten Insolvenz-Ausfallgeldes sonst der Rückgriff gegen den Arbeitgeber [Insolvenzmasse] wegen Verjährung oder Präklusion ins Leere ginge). Der Arbeitnehmer soll danach nicht gezwungen sein, im Falle einer Bestreitung seiner Forderung innerhalb der vom Gericht festgesetzten Frist eine Prüfungsklage gegen den Insolvenzverwalter einzubringen, es genügt vielmehr, wenn er das Verfahren vor der IEF-Service-GmbH im Rahmen der Antragstellung auf Insolvenz-Entgelt betreibt. Richtig ist daher, dass der Kläger auch im Prüfungsprozess grundsätzlich die Unterbrechungswirkung des § 7 Abs 1 letzter Satz IESG für sich beanspruchen kann.

5.3. Bereits das Berufungsgericht hat aber darauf hingewiesen, dass die Unterbrechungswirkung des § 7 Abs 1 letzter Satz IESG nur dann zum Tragen kommen kann, wenn die Forderung zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der IEF-Service-GmbH noch nicht verjährt oder präkludiert war. Dass sich der Kläger auf keinen Hemmungs- oder Unterbrechungstatbestand nach der IO berufen kann (s oben Pkt 3. und 4.), bezweifelt er nicht. Entgegen seiner Ansicht schafft aber auch § 7 Abs 1 letzter Satz IESG keinen ihm günstigen Unterbrechungsgrund. Das Verständnis des Klägers läuft darauf hinaus, dass eine Verjährungs-/Präklusivfrist, die vom Geschehen im Insolvenzverfahren nicht mehr berührt wird und abläuft, rückwirkend durch eine nach Fristablauf liegende Antragstellung innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 6 Abs 1 IESG unterbrochen werden könnte. Dass dies nicht der Vorstellung des Gesetzgebers entspricht, geht auch klar aus den ErlRV (738 BlgNR 18. GP, 6) hervor, nach denen durch die Ergänzung des § 7 Abs 1 IESG klargestellt wird, „dass durch den fristgerechten Antrag auf IAG zu diesem Zeitpunkt noch offene Verjährungs- und Verfallsfristen unterbrochen werden“. Nur so wird auch vermieden, dass es rückwirkend durch die maßgebliche Betreibungshandlung (Antragstellung) im Ergebnis zur Verlängerung einer Verjährungs- oder Verfallsfrist im Sechsmonatszeitraum käme, wofür kein Grund ersichtlich ist.

5.4. Der Kläger kann sich auch nicht auf die Entscheidung 8 ObA 149/01x berufen. Ihr lag eine Konstellation zugrunde, in der die Forderung zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der IEF-Service-GmbH noch nicht verjährt war. In der Entscheidung 9 ObA 63/05p wurde dagegen ein der dreimonatigen Verfallsfrist unterliegender Anspruch (Differenzbetrag von 616,32 EUR) angesichts der Eröffnung jenes Insolvenzverfahrens am 6. 3. 2000 und einer Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren und gleichzeitiger Beantragung der Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld am 4. 9. 2000 als potenziell verjährt erachtet. Auch dort führte die Antragstellung innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 6 Abs 1 IESG sohin nicht rückwirkend zur Unterbrechung eines bereits verfristeten Anspruchs.

5.5. Das Ergebnis zwingt auch nicht zur Einbringung einer Prüfungsklage, weil schon die Antragstellung bei der IEF-Service-GmbH innerhalb der Präklusivfrist des § 34 AngG – hier unter Berücksichtigung der Ablaufhemmung – zur Unterbrechung geführt hätte. Ebenso wenig kommt es dadurch zu einer Umgehung der gesetzlichen Antragsfrist des § 6 Abs 1 IESG durch die im richterlichen Ermessen liegende Länge der verfahrensrechtlichen Frist des § 110 Abs 4 IO, weil nicht diese Frist, sondern die Fallfrist des § 34 AngG zur Präklusion der Ansprüche führt.

6. Das Berufungsgericht ist damit zutreffend zum Ergebnis gekommen, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung nach IESG kein nach diesem Gesetz zu sichernder Anspruch mehr vorlag, sodass die Antragstellung keine Auswirkung mehr auf die bereits abgelaufene Fallfrist haben konnte.

7. Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage war daher schon anhand bestehender Rechtsprechung zu lösen und wurde vom Berufungsgericht auch zutreffend gelöst. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers daher zurückzuweisen.

Textnummer

E125728

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00053.19P.0723.000

Im RIS seit

06.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

14.05.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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