TE OGH 2019/7/10 15Os72/19f

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Veröffentlicht am 10.07.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juli 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und Dr. Oshidari sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Marc B***** und andere Angeklagte wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten B***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19. März 2019, GZ 72 Hv 100/18d-131, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Marc B***** der Vergehen der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB (I./) und der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er

I./ am 19. März 2015 in W***** Karl-Michael C***** durch Versetzen eines Faustschlags in das Gesicht am Körper zu verletzen versucht;

II./ von 29. Oktober 2012 bis 23. Jänner 2013 in L***** und anderen Orten in mehreren Angriffen die ihm von der S***** GmbH eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich missbraucht und dem Vollmachtgeber einen 5.000 Euro übersteigenden Vermögensschaden zugefügt, dass er die ihm überlassene Kreditkarte „Mastercard“ entgegen den Vertragsbedingungen trotz Kenntnis fehlender Kontodeckung zur Begleichung mehrerer Rechnungen im Betrag von insgesamt 11.104,88 Euro verwendete.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 10a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des (zu I./) gestellten Antrags auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass „die vom Zeugen geschilderte Tathandlung sich nicht im Sinne eines ausgeholten Faustschlags ereignet haben konnte, da in diesem Fall der Zeuge eine gravierende Verletzung […] hätte erleiden müssen“ (ON 130 S 54), Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Denn der Antrag ließ nicht erkennen, weshalb ein Sachverständiger verlässlich Auskunft darüber geben können sollte, ob der – nicht dokumentierte – Schlag zwangsläufig eine „gravierende Verletzung“ zur Folge haben musste.

Die in der Beschwerde nachgetragenen Gründe als Versuch einer Fundierung des Antrags sind angesichts der auf Nachprüfung der erstgerichtlichen Vorgangsweise angelegten Konzeption dieses Nichtigkeitsgrundes unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).

Die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO sind voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet (RIS-Justiz RS0115902). Werden die angeführten Nichtigkeitsgründe (hier: Z 5 und Z 5a) nicht getrennt dargestellt, so gehen Unklarheiten, die durch diese Art der Rechtsmittelausführung bedingt sein könnten, zu Lasten des Beschwerdeführers (RIS-Justiz RS0100183).

Mit der Wiederholung der Verantwortung des Angeklagten sowie der auf eigenständige beweiswürdigende Erwägungen gestützten Behauptung, dass ein durchgezogener gezielt geführter Faustschlag „jedenfalls eine sichtbare, wenn nicht gar schwere Verletzung“ verursache (zu I./), wird weder ein Begründungsdefizit (iSd Z 5) aufgezeigt noch werden erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der entscheidenden Feststellungen beim Obersten Gerichtshof geweckt (Z 5a). Die Aussage eines Polizeiorgans darüber, was ihm das Opfer seiner Erinnerung nach bei der Sachverhaltsaufnahme erzählt habe (ON 130 S 10), war nicht gesondert erörtungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall).

Indem der Beschwerdeführer zu II./ gleichfalls seine Verantwortung wiederholt, Wissentlichkeit in Bezug auf die fehlende Kontodeckung bestreitet und einzelne Begründungserwägungen des Erstgerichts kritisiert, bekämpft er lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld, ohne ein Begründungsdefizit (Z 5) aufzeigen oder erhebliche Bedenken (Z 5a) erwecken zu können.

Die gesetzesgemäße Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).

Soweit der Rechtsmittelwerber zu I./ die Feststellungen zur subjektiven Tatseite schlicht bestreitet und dazu ausführt, dass sein „Bewusstsein darauf ausgerichtet war, keine Verletzung herbeizuführen“, verfehlt er diese Kriterien.

Die zu II./ erhobene Kritik an der Verwendung der verba legalia, „ohne dazu schlüssige Tatbestandselemente auszuführen“, erklärt nicht, weshalb es den getroffenen Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 6) an einem Sachverhaltsbezug mangeln sollte (RIS-Justiz RS0119090). Genauso wenig legt sie dar, weshalb es zur rechtsrichtigen Subsumtion Feststellungen „zum Inhalt/Rechtsgrund meiner Ausgaben“ oder zur Verwendung der Kreditkarte in den Monaten vor dem Tatzeitraum bedurft hätte.

Die Darstellung einer Diversionsrüge (Z 10a) ist – unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens der Voraussetzungen nach § 198 StPO – auf der Basis der Urteilsfeststellungen methodisch korrekt zu entwickeln (RIS-Justiz RS0124801, RS0116823).

Diese Kriterien vernachlässigt die Beschwerde, indem sie vorbringt, die Schuld sei in beiden Fällen nicht als schwer anzusehen, zu I./ hätte die Tat „keinerlei nachteilige Folgen“ gehabt und das Hindernis des § 198 Abs 2 Z 3 StPO liege (zu II./) nicht vor, dabei aber außer Acht lässt, dass die Tatrichter die Ablehnung der Diversion auf spezialpräventive Erwägungen (US 14: nicht einmal bedingte Unrechtseinsicht oder partielle Übernahme der Verantwortung) gründeten (vgl RIS-Justiz RS0119093 [T1]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E125644

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00072.19F.0710.000

Im RIS seit

24.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

24.07.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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