TE Bvwg Beschluss 2018/11/6 L506 2184091-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.11.2018
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Entscheidungsdatum

06.11.2018

Norm

AsylG 2005 §18 Abs1
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §34 Abs4
AVG §37
AVG §58
AVG §60
AVG §66 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L506 2184091-1/10E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. GABRIEL als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA Iran, nunmehr vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Helmut BLUM, gegen den Bescheid Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2017, Zl. XXXX, Regionaldirektion Wien, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (nachfolgend BF), eine iranische Staatsangehörige, reiste am 08.11.2014 mit einem Visum "AT" nach Österreich ein. Am 27.08.2015 stellte sie einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. In der Erstbefragung am 27.08.2015 gab die BF an, sie sei verheiratet, gehöre der Volksgruppe der Perser an, habe vor ihrer Ausreise in Teheran gelebt und habe nach zwölfjähriger Grundschule und dreijähriger universitärer Ausbildung als Designerin gearbeitet. Eltern und Geschwister seien nach wie vor im Heimatland aufhältig. Sie sei am 08.11.2014 gemeinsam mit ihrem Ehemann XXXX, hg. Zl. XXXX, mit einem Direktflug legal von Teheran nach Wien gereist, lebe und studiere seitdem in Wien. Zum Grund für ihre Asylantragstellung befragt gab die BF an, sie sei bereits im Iran mit dem Christentum in Kontakt gekommen und sie und ihr Mann seien im Jahr 2015 zum Christentum konvertiert. Da dies im Iran mit der Todesstrafe bestraft werde, hätten sie und ihr Mann beschlossen, in Österreich zu bleiben.

3. In der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 25.10.2017 gab die BF an, dass sie am XXXX in XXXX im Iran geboren sei, der türkischen Volksgruppe angehöre, vor ihrer Ausreise zuletzt in Teheran gewohnt habe und verheiratet sei. Ihre Eltern und Geschwister seien nach wie vor im Iran aufhältig und sie stehe in Kontakt mit ihnen. Sie habe in ihrem Heimatland zwölf Jahre die Schule besucht, drei Jahre Englisch studiert und als Grafikdesignerin gearbeitet. Sie sei gemeinsam mit ihrem Mann legal nach Österreich gereist, er habe ein Studentenvisum gehabt und sie eines für Familienangehörige. In Österreich gehe sie keiner Beschäftigung nach, habe auf der Universität Wien den Vorstudienlehrgang besucht, sei Mitglied der Evangeliumsgemeinde, gehe sonntags in die Kirche und besuche einen Chorkurs. Weder sie noch ihr Mann würden Leistungen aus der Grundversorgung erhalten, sondern ihren Lebensunterhalt durch die Tätigkeit ihres Mannes als Saisonarbeiter im Prater und aus Erspartem bestreiten. Zum Fluchtgrund befragt gab die BF an, sie sei bereits im Iran durch Kunden in Kontakt mit dem Christentum gekommen. Sie habe für einen Kunden aus Kanada ein Kinderbuch für Christen designed und hätte dabei viel zensieren sollen. Im Jahr 2011 sei der Redakteur zu ihr gekommen und habe verlangt, dass sie die Zensurvorgaben einhalten solle, sie habe aber abgelehnt, ihre Arbeit zu ändern und sie habe mit dieser Tätigkeit dann aufgehört. Sie habe ihre Religion im Iran nicht offen ausgelebt und sie habe auch aus Angst, erwischt zu werden, keine Hauskirchen besucht.

Die BF brachte ihren iranischen Reisepass, Geburtsurkunde samt Übersetzung, Heiratsurkunde samt Übersetzung, ihr Taufzeugnis vom XXXX, ihren österreichischen Führerschein, österreichische und iranische Zeugnisse, eine iranische Arbeitsbestätigung und einen österreichischen Studentenausweis in Vorlage.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 20.12.2017, Zl: XXXX, wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung nach Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.) Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.)

Im diesbezüglichen Bescheid wurde festgestellt, dass der von der BF angegebene Glaubenswechsel nicht glaubwürdig sei, sie keine Verfolgungshandlung geltend gemacht habe und eine Gefährdung im Iran wegen ihrer Konversion nicht glaubhaft sei.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass die von der BF geschilderten Probleme im Jahr 2011 gewesen sein sollen, ihre Ausreise sei jedoch erst 2014 erfolgt. Auch spreche ihre legale Ausreise gegen die behaupteten Probleme mit Behörden. Das BFA gehe von einer Konversion aus persönlichem und wirtschaftlichen Vorteil aus, zumal die BF nur vage und allgemein geschildert habe, was sie am Christentum fasziniere. Auch habe die BF außer der Taufbescheinigung keine Bestätigungen vorgelegt, welche ihre Teilnahme am kirchlichen Leben bestätigen würde und sie habe sich kein fundiertes Grundwissen über ihre neue Religion angeeignet. Es habe sohin nicht festgestellt werden können, dass die BF einen ernsthaften, inneren und stabilen Glaubenswechsel vollzogen habe.

Spruchpunkt II. begründete die Behörde zusammengefasst damit, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation iSd § 8 AsylG zu verneinen sei.

Zu Spruchpunkt III. hielt das Bundesamt fest, dass die Rückkehrentscheidung im Falle der BF zulässig sei und keinen unrechtmäßigen Eingriff in Art. 8 EMRK darstelle.

Die Zustellung (durch Hinterlegung) des Bescheides erfolgte am 28.12.2017.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 27.12.2017 wurde der BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

6. Mit Schriftsatz vom 22.01.2018 erhob die BF durch ihre Vertretung rechtzeitig vollumfängliche Beschwerde gegen den Bescheid des BFA.

Nach nochmaliger Darlegung des Sachverhaltes wurde die Rechtswidrigkeit der Entscheidung moniert, da die belangte Behörde es unterlassen habe, eine einzelfallbezogene Entscheidung zu erlassen. Zum Inhalt der Beschwerde im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise: VwGH 16.12.1999, 99/20/0524).

Im Rahmen der Beschwerde wurde zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid mit Textbausteinen gearbeitet, das Vorbringen der BF sei ignoriert und/oder nichtgetätigte Aussagen vorgehalten worden. Beispielsweise seien die Deutschkenntnisse der BF falsch eingeschätzt worden, es sei die wortgleiche Beweiswürdigung eines anderen Asylverfahrens verwendet worden, das Fluchtvorbringen der BF, es drohe ihr aus religiösen Gründen eine Verfolgung, sei ignoriert worden und es seien ihr fälschlich wirtschaftliche Fluchtgründe unterstellt worden. Der tatsächliche Sachverhalt sei nicht ausreichend ermittelt worden und werde daher in der Beschwerde ergänzt, zudem seien Fehlprotokollierungen vorgenommen, die Hinwendung zum Christentum nicht beachtet und zu Unrecht mangelndes Grundwissen über die neue Religion unterstellt worden.

7. Gegenständliche Beschwerde langte samt dem bezughabenden Verwaltungsakt am 24.01.2018 beim Bundesverwaltungsgerichtes ein und wurde der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung am gleichen Tag zugewiesen.

8. Am 01.02.2018 übermittelte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht als Nachreichung zur Beschwerde einen von der Beschwerdeführerin vorgelegten USB-Stick mit Fotos zum Beweis ihres Vorbringens.

9. Mit 03.04.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht die nunmehrige Vertretung der Beschwerdeführerin durch RA Dr. Helmut BLUM bekanntgegeben.

10. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

11. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des BF, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit der entscheidenden Einzelrichterin

1.1.1. Die gegenständliche Beschwerde wurde am 22.01.2018 beim BFA eingebracht und ist nach Vorlage durch das BFA am 24.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

1.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Aufgrund der geltenden Geschäftsverteilung wurde der gegenständliche Verfahrensakt der erkennenden Einzelrichterin zugewiesen, woraus sich deren Zuständigkeit ergibt.

Zu A)

1. Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG

1.1. Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 2 2. Satz VwGVG (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0167: "Tatsachenbereich") (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 Anm. 11).

1.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:

* Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

* Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

* Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz dr Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Der Verwaltungsgerichtshof hat zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche, detaillierte Erhebung des relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist.

2. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG im gegenständlichen Fall:

2.1. Vorerst ist festzuhalten, dass im Falle der BF hinsichtlich ihres Ehemannes XXXX, hg. Zl XXXX, ein Familienverfahren vorliegt.

Gem. § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat [...].

Gemäß § 34 Abs 4 AsylG hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

2.2. Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben. Die belangte Behörde ist nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Ermittlungs- und Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus folgenden Erwägungen:

2.2.1. Die BF stützte die Begründung ihres Antrages auf internationalen Schutz auf ihre Konversion zum Christentum. Sie sei bereits im Iran mit dem Christentum in Kontakt gekommen, habe aber ihre Religion nicht offen ausgelebt. Im Jahr 2011 habe sie als Grafikdesignerin gearbeitet und auf Bestellung ein illustriertes Kinderbuch für Christen angefertigt. Nach Ansicht ihres Redakteurs habe sie die geforderte Zensur der Illustrationen und Texte nicht eingehalten und sei zu Änderungen aufgefordert worden. Sie habe die geforderten Änderungen abgelehnt. Da sie aber nicht lügen wollte und Angst um ihr Leben gehabt habe, habe sie mit dieser Arbeit aufgehört. Im Jahr 2014 sei sie dann mit ihrem Mann nach Österreich gereist. Seit ihrem Aufenthalt in Österreich sei sie Mitglied der Evangeliumsgemeinde, gehe sonntags in die Kirche und besuche einen Chorkurs. Sie und ihr Mann hätten sich in Österreich am XXXX taufen lassen und am 27.08.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, da eine Konversion im Iran mit der Todesstrafe bestraft werde.

Die BF brachte bereits bei der Erstbefragung am 27.08.2015 ihr Taufzeugnis vom XXXX in Vorlage (AS 31).

2.2.2. Das BFA wusste somit um die -zumindest formale- Konversion der BF, welche auch durch das Taufzeugnis vom XXXX belegt wurde. Das BFA ging jedoch davon aus, dass die BF ihre innere Überzeugung zum Christentum nicht glaubhaft dargelegt habe und sie in unglaubhafter Weise angegeben habe, im Iran aufgrund ihrer Konversion zum Christentum einer Gefährdung ausgesetzt zu sein. Aus der Bescheidbegründung ist ersichtlich, dass das BFA aus dem Umstand, dass die Probleme der BF aufgrund ihres Interesses am Christentum bereits im Jahr 2011 begonnen hätten, darauf schloss, dass diese Probleme nicht die Intensität einer Verfolgung erreicht hätten, zumal die BF erst im Jahr 2014 tatsächlich ausgereist sei (AS 341). Zudem sei es für das BFA fraglich, weshalb sich die BF zum Christentum hingezogen gefühlt hätte, zumal sie auch keine gläubige Muslimin gewesen sei (AS 341).

Aufgrund dieses pauschalen (Vor-)Urteils stand für das BFA offenbar fest, dass die BF nur zum Schein konvertiert sei, ohne sich mit dem weiteren Vorbringen der BF, insbesondere ihrer konkreten Befassung mit dem Christentum sowie allfälliger Gefährdung im Fall der Rückkehr, zu befassen. Zwar begründete das BFA die mangelnde innere Überzeugung damit, dass die "Schilderungen eher vage und allgemeiner Natur" gewesen seien (AS 341) und dass die BF "nicht einmal ein Grundwissen über Ihre neue Religion" besitze (AS 343), lässt aber dabei völlig offen, woraus es diese Einschätzung herleitet.

Dem BFA ist grundsätzlich zuzugestehen, dass mangelnde Kenntnisse zum Christentum tatsächlich dafür sprechen könnten, dass sich die BF nur deshalb von der islamischen Glaubensrichtung abgewendet hätte, um in Österreich Asyl zu erlangen. Aus der Durchsicht des Protokolls der niederschriftlichen Einvernahme vom 25.10.2017 ist jedoch ersichtlich, dass das BFA der BF nur einige wenige Fragen zu den Beweggründen für ihr Interesse am Christentum (Niederschrift [NS], S 8 und 9) sowie Fragen zum kirchlichen Gemeindeleben (NS, S 9) und zu Glaubensinhalten (NS, S 9) stellte, diese wurden aber von der BF zur Gänze und auch nachvollziehbar beantwortet. Woraus nun das BFA ableitet, dass die BF nicht einmal ein Grundwissen über ihre neue Religion besitze und sich "absolut nicht mit dem Christentum beschäftigt habe", erschließt sich dem Bundesverwaltungsgericht nicht. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass Bescheide iSd § 58 AVG zu begründen sind. Im Sinne des § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen, sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 20.03.2014, 2012/08/0024, und 21.12.2010, 2007/05/0231, beide mwH) erfordert dies in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben (VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076).

Im angefochtenen Bescheid findet sich nicht wie erforderlich die Angabe jener Gründe, die die Behörde dazu bewogen haben, mangelnde Kenntnisse der BF zu ihrer neuen Religion und demzufolge die fehlende innere Überzeugung zum Christentum festzustellen, zumal die BF die (wenigen) an sie gestellten Fragen auch vollständig beantwortete. Vertiefende Fragen zu Glaubensinhalten oder den Beweggründen der BF, warum sie sich zum Christentum hingezogen fühle und dem Praktizieren des Glaubens, sodass das diesbezügliche Vorbringen im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur einer Gesamtbetrachtung unterzogen werden kann, wurden der BF jedoch nicht gestellt.

2.2.3. Trotz Vorlage eines Taufzeugnisses (AS 31) stellte das BFA bei der BF weder eine Konversion noch eine Scheinkonversion fest. Begründend wurde lediglich festgehalten, dass die wesentlichen Grundlagen (vgl. Pkt. 2.2.2.) für eine Konversion bei der BF fehlen würden, daran auch die vollzogene Taufe nichts ändere (AS 342) und es daher den Anschein habe, dass die BF nur zum Schein zum Christentum konvertiert sei, um dadurch einen Aufenthaltsstatus in Österreich zu erlangen (AS 343). Auch findet sich keinerlei beweiswürdigende Auseinandersetzung zu den Themenbereichen Religionsfreiheit, Christen, Apostasie und Konversion zum Christentum, obwohl im Iran eine Religions- und Glaubensfreiheit sowie das Recht, eine Religion zu wählen oder zu wechseln, nur in eingeschränktem Maße besteht und Konvertiten zudem Verfolgung und Bestrafung - bis hin zur Todesstrafe - droht. Das BFA hat in seiner Entscheidung jedoch weder die Absicht der BF, bei Rückkehr in ihren Heimatstaat sich weiterhin mit dem Christentum zu befassen, erhoben noch gegebenenfalls die Konsequenzen daraus berücksichtigt. Wie das BFA trotz Feststellung, dass Apostasie im Iran verboten und mit langen Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe bedroht sei (AS 306), zur Feststellung gelangen konnte, dass die BF trotz Konversion zum Christentum im Iran keiner Gefährdung ausgesetzt sei (AS 286), gelangen konnte, erschließt sich der erkennenden Richterin nicht, zumal auch die beweiswürdigenden Ausführungen des BFA dazu keinen Aufschluss geben. Darin wurde lediglich ausgeführt, dass der BF dahingehend die "Glaubwürdigkeit zur Gänze abzusprechen" sei, dass sie aufgrund ihrer Konvertierung zum christlichen Glauben mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste und dass nicht davon ausgegangen werde, dass die BF begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft gemacht habe bzw. eine solche Verfolgung zukünftig zu erwarten hätte (AS 344). Mit dieser Vorgehensweise hat es das BFA jedoch in rechtswidriger Weise unterlassen, dahingehend Ermittlungen zu führen sowie in der Folge Feststellungen zum individuellen Vorbringen der BF zu treffen und sich mit diesen auch gehörig auseinanderzusetzen.

2.2.4. Aus Sicht des erkennenden Gerichtes verstößt daher das Prozedere der belangten Behörde gravierend gegen die in § 18 Abs. 1 AsylG normierten Ermittlungspflichten. Die Asylbehörden haben in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben vervollständigt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Einen Gesamteindruck hinsichtlich dieses Vorbringens der BF konnte das BFA mit seiner Vorgehensweise jedenfalls nicht erlangen.

2.2.5. In diesem Konnex fallen auch weitere Ungereimtheiten bzw. aktenwidrige Ausführungen im angefochtenen Bescheid auf.

Das BFA vermeint, Widersprüche im Vorbringen der BF hinsichtlich ihrer Hinwendung zum Christentum zu erkennen und führt beispielsweise dazu aus, dass die BF einmal angegeben habe, dass sie erst in Österreich mit dem Christentum in Verbindung gekommen sei, ein anderes Mal dass sie bereit im Iran großes Interesse an der Religion gehabt hätte (AS 342). Dies stellt sich jedoch bei Durchsicht der Niederschriften als aktenwidrig heraus, gab doch die BF sowohl in der Erstbefragung als auch in der niederschriftlichen Einvernahme an, bereits im Iran - seit ihrem 20. Lebensjahr - über Kunden über das Christentum informiert worden zu sein (AS 7, 263).

Auch der vom BFA ohne nähere Begründung in den Raum gestellte Widerspruch, die BF habe einmal angegeben, sie habe sich für die protestantische Richtung entschieden, weil die iranische Kirche auch protestantisch sei und einmal, dass sie im Iran keine Hauskirche besucht habe, ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht erkennbar. Es ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts - unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Aussage - jedenfalls nicht undenkbar, dass die BF über ihre Kunden mit der protestantischen Richtung des Christentums in Kontakt gekommen ist, aber aus Angst erwischt zu werden, keine Hauskirche besucht habe.

Als weiteren vermeintlichen Widerspruch führte das BFA an, dass die BF widersprüchliche Aussagen dazu getätigt habe, ob und ab wann ihre Familie von ihrer Konversion Bescheid gewusst habe. Aber auch dieser vermeintliche Widerspruch stellt sich nach Durchsicht der Protokolle als schlichtweg falsch heraus. So gab die BF bereits in der Erstbefragung an, dass sie sich zwar bereits im Iran mit dem Christentum befasst habe, jedoch erst in Österreich im Jahr 2015 konvertiert sei, was auch durch die Taufurkunde belegt wurde (AS 7). In der niederschriftlichen Einvernahme sagte die BF aus, sie habe ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern gehabt, habe ihren Glauben im Iran nur mit ihrem Mann ausgelebt, aber ihre Mutter habe bereits im Iran davon gewusst. Ihre behauptete Konversion, die ja auch erst in Österreich durch die Taufe erfolgt sei, habe sie ihren Eltern aus Österreich mitgeteilt. Da die Frage des BFA "Wann haben Sie ihren Eltern mitgeteilt, dass Sie konvertiert sind" von der BF mit "Nachdem ich in Österreich war" beantwortet wurde, entspricht diese Aussage auch dem durch die Taufurkunde belegten Zeitpunkt der am XXXX erfolgten Konversion der BF und kann der BF daher nicht als Unwahrheit zugerechnet werden.

Völlig unerklärlich ist dem Bundesverwaltungsgericht auch die Begründung des BFA, dass "vor allem in Österreich die Religion in Verbindung mit einem Studium eine eher untergeordnete Rolle spielt, sofern man kein Theologiestudium absolviert" (AS 342). Inwiefern damit mangelndes Interesse der BF untermauert werden soll, erschließt sich der erkennenden Richterin nicht.

Eine weitere Ungereimtheit zeigt sich in der Feststellung, dass die BF nur geringfügig Deutsch spricht (AS 285), obwohl sie eine Bestätigung über das österreichische Sprachdiplom Deutsch auf dem Niveau B2 (AS 37) und Zeugnis über die Ergänzungsprüfung aus Deutsch für den Vorstudienlehrgang der Wiener Universitäten (AS 171) vorlegte.

Auch die getroffene Beweiswürdigung des BFA, dass die Probleme der BF nicht die Intensität einer Verfolgung darstellen, "zumal sie laut Ihren eigenen Angaben keine Verfolgung im Iran zu befürchten hätten" (AS 341), lassen sich bei Durchsicht der Protokolle nicht verifizieren, gab doch die BF durchgehend an, dass sie aufgrund ihrer Konversion im Iran mit der Todesstrafe bedroht sei (AS 7). Dem Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme ist auf die Frage, was die BF bei Rückkehr in den Iran zu befürchten hätte, die Antwort der BF wie folgt festgehalten: "Ich habe laut meiner Vergangenheit und die Behördenprobleme verhaftet" (sic! NS, S 9). Aus dieser fehlerhaften Protokollierung lässt sich aus Sicht der erkennenden Richterin jedoch eher die Angst vor Verhaftung ableiten als die Aussage, dass keine Verfolgung drohe.

Vollständigkeitshalber wird auch darauf verwiesen, dass das BFA bemängelte, dass die BF keine Besuchsbestätigungen für ihre Teilnahme am kirchlichen Gemeindeleben vorgelegt habe, dem Akteninhalt lässt sich aber nicht entnehmen, dass die BF dazu aufgefordert worden wäre. Auch wenn Asylwerber im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht dazu angehalten sind, von sich aus ihr Vorbringen wenn möglich durch Nachweise zu untermauern, so dürfen dennoch unbelegte Angaben nicht automatisch als unwahr, respektive ohne Beweiswert, abgetan werden.

H

2.2.6. Im Ergebnis ist das Ermittlungsverfahren derart mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides unvermeidlich erscheint. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen sonst zweifelfrei, dass das Vorbringen der BF umfassend dargelegt wurde.

Der Sachverhalt ist somit in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig geblieben. Die Bescheidbegründung erweist sich mangels Ermittlung der persönlichen Einstellung der BF zur christlichen Glaubensgemeinschaft bzw. mangels Darlegung jener Gründe, welche die Behörde im Fall der BF trotz vorgelegter Taufurkunde und vorgebrachter Ausübung des christlichen Glaubens dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt, nämlich die fehlende innere Überzeugung zum Christentum, festzustellen sowie mangels Feststellung und nachvollziehbarer Begründung zur Situation von Personen im Iran, welche ihre Religion frei wählen und/oder ausüben wollen, als nicht tragfähig für die getroffene Entscheidung.

Eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens der BF zu ihren Fluchtgründen vor dem Hintergrund der konkreten fallbezogenen Lage im Herkunftsstaat erfolgte nicht, obwohl die Angaben eines Asylwerbers letztlich nur vor diesem Hintergrund einer Plausibilitätskontrolle zugänglich sind (vgl. VwgH 18.04.2002, 2001/01/0023). Damit wird jedoch den Anforderungen an eine Bescheidbegründung im Sinne der §§ 58 und 60 AVG nicht entsprochen.

2.2.7. Es wird im fortgesetzten Verfahren nach hg. Ansicht umfassend und im Sinne einer Gesamtbetrachtung zu erheben sein, in welcher Weise das Christentum das Leben der BF prägt und sie den christlichen Glauben auch praktiziert.

Nach ständiger Judikatur des VwGH kommt es nicht darauf an, ob bei Verfolgungsbehauptungen wegen Glaubenskonversion ein Asylwerber aus Sicht einer christlichen Glaubensgemeinschaft zu dieser zu zählen ist, sondern ob die religiöse Einstellung von Antragstellern, deren Eruierung naturgemäß auf gewisse Schwierigkeiten stoßen mag, zumal es sich um innere Vorgänge handelt, die regelmäßig schwer zu objektivieren sind, gegeben ist.

Die BF hat in der behördlichen Einvernahme auch angegeben, ihren Glauben zu Hause mit ihrem Mann ausgelebt zu haben, wozu weiter zu eruieren sein wird, in welcher Art und Weise dies konkret geschah.

Ferner bleibt offen, warum die BF, welche bereits im Jahr 2014 in Österreich einreiste, erst 10 Monate später einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, obwohl sie bereits im Iran Christin gewesen sein will.

Ferner ist es nach Ansicht der erkennenden Richterin geboten, alle sich bietenden Beweise hinsichtlich der angegebenen Konversion der BF zu erheben, wozu der BF auch Fragen zu christlichen Glaubens- und Bibelinhalten respektive auch zu evangelischen Glaubensinhalten und Sakramenten zu stellen sein werden auch wird zu eruieren sein, was den konkreten Auslöser für die Hinwendung zum christlichen Glauben darstellt. In der neuerlichen Einvernahme wird die BF ferner auch zur Dauer und Inhalten des von ihr besuchten Taufkurses zu befragen sein und zu ihrer Motivation, sich taufen zu lassen (inkl. Sinn, Inhalt und Symbole dieses Sakramentes). Auch ist die BF zu befragen, inwiefern sie sich für ihre neue Religion engagiert und in welcher Art und Weise sie Glaubensinhalte tatsächlich umsetzt, ob und wie sie am religiösen Leben der kirchlichen Gemeinde teilnimmt, ob sie Gottesdienste besucht, wie ein solcher Gottesdienst abläuft und welche Inhalte sie am Gottesdienst beeindrucken, wie sie christliche Feiertage bisher konkret beging bzw. wie sie ihren Glauben im Alltag praktiziert; allenfalls ist der BF aufzutragen, entsprechende Nachweise beizubringen oder sind Vertreter ihrer kirchlichen Gemeinde dazu zu befragen. Auch die Eigeninitiative hinsichtlich des Verstehens und Praktizieren des neuen Glaubens (etwa in Form des selbständigen Lesens der Bibel und diesbezügliche spirituelle Gedanken) spielt dabei nach Ansicht der erkennenden Richterin eine wesentliche Rolle.

Auch werden anschließend aktuelle und vollständige, auf das individuelle Vorbringen der BF bezogene, Länderfeststellungen in die Beurteilung mit einzubeziehen sein, um das Vorbringen der BF abschließend beurteilen zu können. Schließlich wird das Ermittlungsergebnis der BF zur Kenntnis zu bringen und ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme einzuräumen sein.

Sollte das BFA jedoch erneut zu dem Schluss gelangen, dass die Konversion - im Sinne einer tatsächlichen Hinwendung zum Christentum - der BF nicht glaubhaft ist, wird es dies nachvollziehbar zu begründen haben und sich im Lichte der Rückkehrsituation der BF damit auseinanderzusetzen haben, ob die BF selbst bei der Annahme einer Scheinkonversion im Rückkehrfall mit asylrelevanter Verfolgung zu rechnen habe, wozu es einer konkreten Einschätzung des Verfolgungsrisikos dahingehend bedarf, inwieweit Behörden oder Personen im Iran die Praktiken der BF im Ausland bekanntgeworden sind und ob daran - trotz einer bloßen Scheinkonversion - mit ernst zu nehmender Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen, etwa durch Unterstellung einer echten Konversion, geknüpft sind.

Erst in Gesamtschau der zu erfragenden und beurteilenden Faktoren unter Einbeziehung der vorliegenden Bestätigungen ist eine schlüssige Beweiswürdigung und abschließende Beurteilung der inneren Einstellung und damit der erfolgten Konversion möglich.

2.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist daher auf den dargelegten Ermittlungsauftrag zu verweisen, welchem es im fortgesetzten Verfahren nachzukommen haben wird.

2.4. Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit aktuellen und auf objektiv nachvollziehbaren Quellen beruhenden Länderfeststellungen verlangt (vgl. VwGH 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389).

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, zuletzt in seinem Erkenntnis vom 7.11.2008, Zl. U 67/08-9, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).

2.5. Das BFA hat es unterlassen, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ausreichend zu ermitteln und hat überdies seiner Beweiswürdigung teils unschlüssige bzw. aktenwidrige Begründungen zugrunde gelegt, welche es dem Bundesverwaltungsgericht unmöglich machen, die Feststellungen sowie die rechtlichen Erwägungen, welche im Ergebnis zum Spruch des Bescheides geführt haben, nachzuvollziehen. Zudem bedarf es idR auch einer Betrachtung der konkreten fallbezogenen Lage im Herkunftsstaat des Betreffenden, weil seine Angaben letztlich nur vor diesem Hintergrund einer Plausibilitätskontrolle zugänglich sind (VwGH 18.4.2002, 2001/01/0002; in diesem Sinne auch VwGH 28.1.2005, 2004/01/0476). Von den Asylbehörden ist eine Einbeziehung des realen Hintergrundes der von einem Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in das Ermittlungsverfahren zu erwarten. Die Behauptungen des Asylwerbers sind auch am Verhältnis zu der Berichtslage in Bezug auf das Ereignis, von dem er betroffen gewesen sein will, zu messen (VwGH 30.9.2004, 2001/20/0135, in diesem Sinne auch VwGH 31.5.2005, 2005/20/0176). Auch der Verfassungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis 2001/10/02 B 2136/00 davon aus, dass sich die Asylbehörden nicht mit Feststellungen zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat begnügen dürfen, sondern fallbezogen konkrete Ermittlungen in Bezug auf das individuelle Vorbringen tätigen müssen, um dieses einer Plausibilitätskontrolle unterziehen zu können.

Im vorliegenden Fall wurde das Vorbringen der BF, nämlich ihre Hinwendung zum christlichen Glauben sowie ihre Angst, wegen ihrer Konversion zum Christentum in ihrem Herkunftsland verfolgt zu werden, für nicht glaubwürdig befunden, jedoch lässt das BFA eine nachvollziehbare Begründung für diese Feststellungen vermissen. Auch hat das BFA das Vorbringen der BF nicht anhand der konkreten fallbezogenen Lage im Herkunftsstaat der BF betrachtet und hält somit die Beweiswürdigung des BFA in einer Gesamtschau einer Schlüssigkeitsprüfung nicht Stand und ist somit auch nicht geeignet, die Entscheidung des BFA tragfähig zu begründen.

Das BFA wird daher im fortgesetzten Verfahren eine umfassende Glaubwürdigkeitsprüfung hinsichtlich der behaupteten Fluchtgründe vorzunehmen haben und wird die BF ein weiteres Mal ausführlich und konkret zu ihrer religiösen Einstellung und zu ihrem Fluchtvorbringen zu befragen sein. Weiters wird sich das BFA auch damit auseinanderzusetzen haben, ob die BF im Rückkehrfall aufgrund der erfolgten (Schein-)Konversion mit asylrelevanter Verfolgung zu rechnen hat, inwieweit Behörden oder Personen im Iran die Praktiken der BF im Ausland bekanntgeworden sind und ob daran mit ernst zu nehmender Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen geknüpft sind.

Ohne entsprechende weitere Verfahrensschritte und Ermittlungen erweist sich die getroffene Entscheidung jedenfalls als nicht haltbar. Eine neuerliche Befragung und Würdigung des Vorbringens unter Zugrundelegung aktueller und individueller Feststellungen wird die belangte Behörde nachzuholen haben.

2.6. Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Insbesonders ist im gegebenen Fall aus obigen Erwägungen davon auszugehen, dass es sich aufgrund der zentralen Bedeutung der behördlichen Einvernahme für die Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes durch die Nichtbeachtung eines Vorbringens der BF - nämlich ihre Hinwendung zum Christentum und ihr Bestreben, dieses auch in Hinkunft zu praktizieren - und das Unterlassen von weiterführenden, den Sachverhalt erhellenden Fragen um gravierende Ermittlungslücken im Sinne der Erkenntnisse des VwGH, Ra 2014/03/0054 vom 30.06.2015 sowie VwGH, Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016, handelt.

Mit den in der behördlichen Einvernahme gestellten Fragen zum Glauben der BF hat die belangte Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt auch lediglich ansatzweise ermittelt (VwGH 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, VwGH 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN).

Wie oben dargestellt, kann es nicht Sache des Bundesverwaltungsgerichtes sein, die im gegenständlichen Fall dazu erforderlichen - jedoch im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wesentlich mangelhaft gebliebenen - Ermittlungen nachzuholen, um dadurch erst zu den erforderlichen Entscheidungsgrundlagen zu gelangen.

2.7. Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall eine kassatorische Entscheidung zu treffen. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht der BF gegen eine Kassation des angefochtenen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

Die Rechtssache war daher spruchgemäß an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur neuerlichen Ermittlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das BFA wird im fortzusetzenden Verfahren die dargestellten Mängel zu verbessern haben. Dabei werden auch, wie bereits erwähnt, das in der Beschwerde erstattete Vorbringen der BF und die vorgelegten Beweismittel zu berücksichtigen sein.

3. Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. der angefochtene Bescheid zu beheben war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die zu § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG ergangene Judikatur ist ausführlich und auf den gegebenen Fall anwendbar.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylantragstellung, Asylverfahren, Begründungsmangel,
Begründungspflicht, Behebung der Entscheidung, Christentum,
Ermittlungspflicht, Familienangehöriger, Familienverfahren,
Fluchtgründe, Gesamtbetrachtung, Glaubhaftmachung, Glaubwürdigkeit,
Kassation, Konversion, mangelhaftes Ermittlungsverfahren, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Nachvollziehbarkeit, Scheinkonversion,
Verfolgungsgefahr, Verfolgungshandlung, Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L506.2184091.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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